2238/AB XXII. GP
Eingelangt am 29.12.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung
Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing.
Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen
und Kollegen vom 11. November 2004, Nr. 2306/J, betreffend Bienensterben durch
Pestizide,
beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Zu Frage 1:
Im angesprochenen
Bericht des Comité Scientifique et
Technique (CST) wurden in die Be-
rechnung des Verhältnisses von PEC zu PNEC Unsicherheitsfaktoren von 5, 10, 50
oder 100
einbezogen. Diese
Vorgangsweise entspricht nicht den Bewertungskriterien des Anhanges VI
der Richtlinie
91/414/EWG, der gemäß Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 als Grundlage für die
Bewertung im nationalen Zulassungsverfahren
herangezogen werden muss. Die Ergebnisse
dieser Studie sind daher im Rahmen eines Zulassungsverfahrens nicht
relevant.
Zu den Fragen 2 und 3:
Im Rahmen des
Zulassungsverfahrens nach dem Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 wird ge-
mäß der Anhänge II, III und VI der Richtlinie 91/414/EWG eine eingehende Risikobewertung
durchgeführt, in der auch die Exposition miteinbezogen wird. Imidacloprid ist
in der Spritzan-
wendung bienengefährlich und darf daher nur außerhalb der Blüte eingesetzt
werden. Dieses
Produkt übt keinen schädigenden Einfluss
auf Raubmilben aus und baut auf Pflanzenoberflä-
chen sehr schnell ab.
Imidacloprid ist bei Anwendung als Saatbeize als nicht
bienengefährlich eingestuft.
Zu den Fragen 4
bis 6:
Wenn man sich an dem angegebenen Beispiel Saatgutbeizung
von Mais mit „Gaucho 600 FS"
bei dreijährigem Anbau ohne Fruchtwechsel
orientiert und von einer bestimmungsgemäßen
und sachgerechten Anwendung ausgeht, kann von folgendem Szenario
ausgegangen werden:
Die Aufwandmenge bei Mais beträgt 92 g
Imidacloprid/ha. Der „worst-case" DT50 -Wert in
Freilandstudien liegt bei 196 Tagen
und die Einarbeitung in den Boden wird ebenfalls berück-
sichtigt (da gebeiztes Saatgut). Somit ergibt sich bei der PEC-Berechnung (= zu
erwartende
Konzentration in der Umwelt) nach drei Jahren eine max. Konzentration
von 0.083 mg Imidac-
loprid/kg im Boden. Diese Konzentration
entspricht der berechneten Konzentration am Tag
nach der letzten Anwendung. Die Aufnahme des Wirkstoffes durch die
Pflanze wird nicht in die
Berechnung miteinbezogen, wobei damit bei systemischen Mitteln auszugehen ist.
Diese Ma-
ximalkonzentration sinkt gemäß Berechnung
nach der letzten Aussaat (von mit Imidacloprid
gebeiztem Saatgut) nach einem Jahr auf ca. 0.023 mg ai/kg.
Rechnet man das Szenario über mehrere
Jahre weiter, wird 9 Jahre nach der letzten Anwen-
dung eine Konzentration von 0.0078 mg ai/kg erreicht. Inwieweit die im Boden
verbleibende
Wirkstoffkonzentration
von Folgekulturen aufgenommen wird, ist nicht Gegenstand des Bewer-
tungsverfahrens.
Es ist jedoch anzunehmen, dass die mögliche Konzentration des Wirkstoffes
in Folgekulturen
wesentlich geringer sein wird als in den behandelten Kulturen. Von einer Ge-
fährdung der Bienen durch Folgekulturen ist daher nicht auszugehen.
Zu Frage 7:
Durch die jeweils zulässigen
Anwendungsbestimmungen bzw. Hektar-Aufwandmengen, An-
wendungszeitpunkte
und Anwendungstechniken ist das Risiko einer Akkumulation im Boden
gering, sodass in nachfolgenden Kulturen mit keinen
nennenswerten Rückständen zu rechnen
ist.
Zu den Fragen 8 und 9:
Es wurde eine
entsprechende Risikoabschätzung gemäß Anhang VI der Richtlinie
91/414/EWG
durchgeführt. Eine Gefährdung des Grundwassers ist nicht zu erwarten (Kon-
zentrationen < 0.1
µg/l in Sickerwasserproben).
Im derzeitigen
Programm zur Erhebung der Wassergüte in Österreich gemäß Hydrographie-
gesetz, BGBl. Nr. 252/90 idgF (WGEV), ist die Beobachtung von Imadicloprid
nicht vorgese-
hen
und es liegen auch keine Daten aus der Vergangenheit vor. Das WGEV-
Pestizidprogramm
(bis zu 90 Substanzen) wird regelmäßig, gekoppelt an den dreijährigen öf-
fentlichen Ausschreibungsrhythmus, unter Beiziehung der Bundesländer und
Experten des
Umweltbundesamtes adaptiert. Dabei wurde vor allem auch auf spezielle
Substanzen bzw.
Substanzgruppen,
welche taxativ in der Trinkwasserverordnung angeführt sind, Rücksicht ge-
nommen.
In der nächsten
Adaptierungsphase innerhalb der WGEV wird auch auf die angesprochene
Problematik eingegangen
werden können.
Zu den Fragen 10 bis 16 und 19 bis 24:
Die Beantwortung dieser Fragen fällt in die Zuständigkeit
der Bundesministerin für Gesundheit
und Frauen (BMGF).
Zu den Fragen 17 und 18:
Die Zulassung für Kernobst erfolgte im
Jahr 1998 gemäß § 12 Abs. 2 Pflanzenschutzmittelge-
setz 1997 für das bereits in Deutschland
zugelassene Pflanzenschutzmittel „Confidor 70 WG"
mit den gleichen Anwendungsbestimmungen wie im Ursprungsland, da sowohl
vergleichbare
Bedingungen in Bezug auf
landwirtschaftliche Bedingungen, Pflanzenschutz und Umwelt ge-
geben sind, als auch
bezüglich der Verzehrsgewohnheiten bei Kernobst keine Unterschiede zu
Österreich vorliegen.
Zu Frage 25:
Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln erfolgt in Österreich
entsprechend den Bestimmun-
gen des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997.
Gemäß § 7 (allgemeine Zulassungsvorausset-
zungen) Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 setzt die Zulassung eines
Pflanzenschutzmittels
voraus, dass nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen und
technischen Erkenntnisse
sichergestellt ist, dass Pflanzenschutzmittel bei bestimmungs- und sachgemäßer
Anwendung
oder als Folge einer solchen Anwendung unter
anderem keine unmittelbare oder mittelbaren
schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit vom Menschen und demnach über
eventuell
auftretende Rückstände in Lebensmitteln, aufweisen. Weiters ist
sicherzustellen, dass bereits
festgelegte EU-Höchstwerte nicht überschritten werden.
Die Bewertung über das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen
erfolgt anhand eines
umfangreichen Datenpakets und beinhaltet auch Studien, die geeignet sind
abzuschätzen,
welche Rückstände in Lebensmitteln auftreten können. Weiters wurde eine
Risikobewertung
durchgeführt, die
ergab, dass die bei bestimmungs- und sachgemäßer Anwendung auftreten-
den Rückstände kein Risiko für die
Verbraucher darstellen. Es wurde daher vorgeschlagen,
die nationalen österreichischen Höchstwerte anzuheben. Für den Wirkstoff
Imidacloprid liegen
bislang keine harmonisierten EU-Höchstwerte vor. § 7 Abs. 1 Z 5
Pflanzenschutzmittelgesetz
1997 kommt daher nicht zur Anwendung.
Zu den Fragen 26 und 27:
Gemäß der
österreichischen Schädlingsbekämpfungsmittel-Höchstwerteverordnung (BGBl. II
Nr.
434/2004) beträgt der geltende Höchstwert für Acetamiprid in Kernobst 0,1
mg/kg. Zum
Rückstandsverhalten von Acetamiprid in/auf Äpfeln wurden Studien aus dem
Vereinigten Kö-
nigreich, den Niederlanden und der nördlichen Region Frankreichs vorgelegt.
Nach Anwen-
dung
von 0,07 - 0,09 kg Wirkstoff / ha entsprechend den beantragten
Anwendungsbestim-
mungen
und unter Einhaltung einer Wartefrist von 14 Tagen wurden Rückstandswerte zwi-
schen 0,021 und 0,071 mg Acetamiprid / kg festgestellt.
Daraus wurde ein Höchstwert von 0,1
mg/kg abgeleitet.
Zu Frage 28:
Der Wirkstoff Imidacloprid und andere
Neonicotinoide wurden im Rahmen der bestehenden
Zulassung
in Österreich in die Integrierte Produktion im ÖPUL aufgenommen, aber nur mit
zusätzlichen
Auflagen bezüglich des Anwendungszeitpunkts und der Anwendungshäufigkeit
(neben den in der
Zulassung bestehenden Auflagen und Einschränkungen).
Auszug aus der IP-Liste Obst: „Mit Acetamiprid-,
Thiacloprid- oder Imidacloprid-hältigen Pflan-
zenschutzmitteln dürfen in Summe max. 2
Behandlungen pro Jahr durchgeführt werden, da-
von max. 1 Behandlung nach der Blüte
bis spätestens zwei Wochen nach der Blüte bzw. max.
1 Behandlung gegen den Apfelwickler."
Im Gesamtzusammenhang der zur Verfügung stehenden anderen
Wirkstoffgruppen bezüglich
der Wirksamkeit und des Resistenzmanagements stellt eine neue Wirkstoffgruppe
einen wich-
tigen Bestandteil eines integrierten Kontrollkonzeptes dar, weil dadurch z.B.
eine größere An-
zahl von Behandlungen mit anderen
Wirkstoffen die teilweise ungünstigere Auswirkungen bzw.
geringere Wirksamkeit aufweisen, vermieden werden kann.
Zu Frage 29:
Die genannten Werte von 1,2 pg/Biene
für die chronische Toxizität und 40 pg/Biene für die
akute Toxizität sind
Dosiswerte und nicht Konzentrationen, mit denen die einzelne Biene kon-
taminiert ist. Die in der französischen
Studie verwendeten Sicherheitsfaktoren entsprechen
außerdem nicht der im EU-Bewertungsverfahren anzuwendenden
Vorgangsweise.
Seitens der Agentur
für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) wurde im Sinne des
Vorsorgeprinzips im Jahre 2002 ein entsprechender Versuch an mit Imidacloprid
gebeiztem
Raps an zwei
Standorten unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt. Die Ergebnisse zeig-
ten keinen signifikanten Einfluss auf das Verhalten bez.
die Kenngrößen bei Bienen (Freiland-
versuch).
Zu den Fragen 30 und 31:
Zum Einfluss von
Clothianidin auf Bienen liegen mehrere Untersuchungen wie Labortests,
Zelttests, Feldtests
und Tunneltests vor. All diese Studien wurden im Bewertungsverfahren als
valide und somit als akzeptabel erachtet und
wurden im Rahmen der Bewertung berücksich-
tigt.
Im Zuge des Bewertungsverfahrens wurde auf Grund der
vorliegenden Daten und Studien zu
Rückständen in Maispollen das Risiko für Bienen als akzeptabel erachtet.
Zu den Fragen 32 und 33:
Die Vorgangsweise Frankreichs wird
auf EU-Ebene fachlich sehr intensiv diskutiert. Es wurden
jedenfalls in keinem
anderen Mitgliedstaat derartige Einschränkungen festgesetzt. Da die Bie-
nensicherheit experimentell umfassend belegt
ist und Experten auf nationalen und internatio-
nalen Fachtagungen (ICPBR 2002, Basel 2003, Braunschweig 2004) diese
Sicherheit bestäti-
gen, erscheint ein Verbot dieses Mittels in Österreich derzeit nicht
erforderlich.