2295/AB XXII. GP
Eingelangt am 12.01.2005
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BM
für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0063-Pr
1/2004
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 2328/J-NR/2004
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Ladungen ohne Zustellnachweis – Probleme?“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Eine Auswertung aus der Verfahrensautomation
Justiz ergab, dass nach
§ 329 ZPO im Jahre 2002 168.059 und im Jahre 2003 159.744
Ladungen (Ladungskurzbezeichnung in der VJ: D1) formfrei, dh ohne Rückschein,
versandt wurden. Gemäß § 79 Abs. 1 StPO wurden im Jahre 2002
90.396 Ladungen (Ladungskurzbezeichnungen in der VJ: H5 für die
Hauptverhandlung: 80.069, V5 für das Vorverfahren: 10.327) und im Jahre 2003
95.200 Ladungen (Ladungskurzbezeichnungen in der VJ: H5 für die
Hauptverhandlung: 83.796, V5 für das Vorverfahren: 11.404) formfrei
abgefertigt.
Zu 2:
Die
Differenz an Porto zwischen einer formfreien Sendung und einer RSb-Sendung
betrug im Jahre 2002 2,03 Euro (2,58 Euro minus 0,55 Euro), multipliziert mit
den 258.455 erfolgten Zustellungen ergibt das eine Ersparnis im Jahre 2002 von
524.664 Euro. Im Jahre 2003 wurden 254.944 Sendungen formfrei versendet,
wobei die Differenz an Porto 2,13 Euro (2,85 Euro minus 0,72 Euro) betrug und
sich eine Ersparnis für 2003 von 543.031 Euro errechnet.
Zu 3 bis 6:
Zumal teils Befürchtungen geäußert wurden, dass es durch den Verzicht auf den Zustellnachweis bei erstmaliger Ladung zu Verfahrensverzögerungen kommen könnte, weil die Geladenen einer ohne Zustellnachweis erfolgten Ladung – ungeachtet der gleichbleibenden Androhung von Säumnisfolgen – möglicherweise weniger Gewicht als einer Rückscheinladung beimessen, haben wir die Praxis genau beobachtet und die Überprüfung dieser Frage zu einem Revisionsschwerpunkt gemacht. Es hat sich herausgestellt, dass die Anwendung dieser Bestimmung zu keinen wesentlichen Problemen geführt hat. Weder ist es zu einem erkennbar vermehrten unentschuldigten Fernbleiben von Zeugen gekommen, noch zu einem Ansteigen von dadurch bedingten Vertagungen der Verhandlungen. Diese Ergebnisse ergeben sich aus den Revisionsberichten über die Bezirksgerichte Dornbirn, Enns, Feldkirchen, Knittelfeld, Linz, Mauerkirchen, Neumarkt bei Salzburg, Schwanenstadt, Saalfelden und das Arbeits- und Sozialgericht Wien.
Beschwerden von Staatsbürgern, Parteienvertretern, Staatsanwälten oder Richtern sind nicht bekannt.
Zu 7:
Die Zustellung ist ein gerichtlicher Akt des Prozessbetriebes und von Amts wegen grundsätzlich nach dem Zustellgesetz durchzuführen. Dieses unterscheidet zwischen Zustellung an den Empfänger (§ 13) zu eigenen Handen (§ 21), mittels Ersatzzustellung (§ 16) und durch Hinterlegung (§ 17). Die jeweilige Art der Zustellung muss vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) beurkundet werden (§ 22).
Rechtswirksam vollzogene Zustellungen sind gesetzlicher Anknüpfungspunkt für weitreichende Rechtsfolgen, so etwa im Zusammenhang mit der Einleitung eines förmlichen Verfahrens, als Fristauslöser oder als Voraussetzung von Säumnisfolgen.
Die Anordnung einer Zustellung mit Rückschein dient vor allem dem Zweck der schriftlichen Dokumentation der vorgenommenen Zustellung und damit der Beweisbarkeit, dass diese rechtswirksam vollzogen wurde. Ist gar eigenhändige Zustellung bestimmt, so soll darüber hinaus gewährleistet - und ebenfalls urkundlich dokumentiert - sein, dass (im Regelfall) der Empfänger des behördlichen Schreibens dieses selbst in Empfang genommen hat.
Kriterium für den Gesetzgeber bei der Entscheidung, in welcher Form Zustellungen zu bewerkstelligen sind, ist primär die Reichweite der Konsequenzen, die eine wirksame Zustellung im Einzelfall nach sich ziehen kann. Je schwerer der Rechtseingriff für den Betroffenen und für andere Verfahrensparteien, die Rechte aus den Folgen einer gültigen Zustellung ableiten, wiegt und je aufwändiger das Verfahren zur allfälligen Beseitigung der eingetretenen Rechtsfolgen bei unwirksamen Zustellungen ist, umso strenger werden auch die formalen Anforderungen an den Zustellvorgang zu sein haben. Beispielhaft erwähnt sei hier einerseits § 106 ZPO, der bestimmt, dass Klagen und Schriftstücke, die wie Klagen zuzustellen sind, grundsätzlich nur zu eigenen Handen des Empfängers zugestellt werden können, während andererseits § 329 Abs. 1 ZPO bei erstmaligen Zeugenladungen vorsieht, dass diese ohne Zustellnachweis zu erfolgen haben.
Nach der geltenden Rechtslage sind gemäß § 79 Abs. 1 StPO jedenfalls Vorladungen der Parteien zur Hauptverhandlung, andere Ladungen und Aufforderungen, deren Befolgung durch Beugestrafe oder andere Zwangsmittel durchgesetzt werden kann, sowie Erledigungen und andere Schriftstücke, deren Zustellung die Frist zur Ergreifung eines Rechtsmittels oder eines Rechtsbehelfs auslöst, zu eigenen Handen (§ 21 Zustellgesetz; Rsa-Zustellung) zuzustellen. Einer in die Verteidigerliste eingetragenen Person kann auch in diesen Fällen mit Zustellnachweis (§§ 13 bis 20 Zustellgesetz; Rsb-Zustellung) zugestellt werden. Die Ladungen der Staatsanwaltschaft und von Zeugen können auch ohne Zustellnachweis erfolgen.
Die Entscheidung, ob Zustellungen mit oder ohne Rückschein, in ersterem Fall eigenhändig oder mit Ersatzzustellung zu erfolgen haben, ist daher vom Gesetzgeber im Einzelfall nach Maßgabe der Erfordernisse der zu regelnden Sachverhalte zu treffen.
Zu 8:
Eine
elektronische Zustellung im Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) kann immer nur
an die Teilnehmer (Rechtsanwälte, Notare, Institutionen) des ERV erfolgen. Ein
nach § 329 ZPO oder § 79 Abs. 1 StPO geladener Zeuge ist regelmäßig kein
Teilnehmer des ERV, Ladungen im ERV betreffen fast ausschließlich berufliche
Parteienvertreter. Hievon wurden im Jahre 2002 175.430 Ladungen
abgefertigt, wovon 714 formlos und 174.716 mit Rückschein abgefertigt worden
wären. Im Jahre 2003 erhöhte sich die Anzahl der Ladungen auf 231.161,
wovon 1.060 formlos und 230.101 mit Rückschein abgefertigt worden wären. Im
Jahre 2002 konnten Einsparungen von 466.072 Euro und 2003
von 676.200 Euro erzielt werden. Diese Summen setzten sich aus den
eingesparten Kosten für Porto und Kuverts zusammen. Die eingesparten
Manipulationskosten für die Poststraße lassen sich mit den Kosten für die
elektronische Übermittlung gegenrechnen.
Zu 9:
Es sind
keine Umstände bekannt, die diese Aussage nicht mehr zutreffend erscheinen
lassen.
. Jänner 2005
(Maga. Karin Miklautsch)