232/AB XXII. GP
Eingelangt am 19.05.2003
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möglich.
Anfragebeantwortung
BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt
und Wasserwirtschaft
Auf die schriftliche Anfrage der
Abgeordneten Mag. Ulli Sima, Kolleginnen und Kollegen vom
19. März 2003, Nr. 219/J, betreffend Absage von EU-Kommissar Franz Fischler an
gentech-
nikfreie Zonen und die Problematik der Koexistenz gentechnisch veränderter und
unverän-
derter Landwirtschaft in Österreich, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Allgemeines:
Die Sicherstellung der Möglichkeit der
Produktion landwirtschaftlicher Kulturen ohne Ver-
wendung von GVO ist eine Aufgabe, die das Bundesministerium für Land- und
Forstwirt-
schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) ernst nimmt und entsprechend
handelt.
So wurde z.B. auch durch die
Saatgut-Gentechnik-Verordnung sichergestellt, dass in Öster-
reich Saatgut der betroffenen Kulturen nur zertifiziert wird, wenn GVO-Freiheit
nachgewiesen
wird.
Darüber hinaus wird beispielsweise das
Forschungsprojekt "Erstellung einer Internetdaten-
bank zur Erfassung von gentechnikrelevanten Komponenten, mit besonderer
Berücksichti-
gung der ökologischen Landwirtschaft" vom BMLFUW mit 43.000 € gefördert,
wobei ebenso
große Förderungssummen vom
Bundesministerium für soziale
Sicherheit und Generationen
(BMSG) bzw. dem nunmehrigen Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (BMGF)
und
vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) kommen. Es handelt sich
hierbei
u.a. um die Erfassung der für die Biologische Landwirtschaft verwendbaren
Betriebsmittel
unter besonderer Berücksichtigung der GVO-Freiheit. Ein Zwischenbericht liegt
zu den lau-
fenden Arbeiten bereits vor.
Die Österreichische Agentur für Gesundheit
und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) wird
die Kontrollen hinsichtlich ihrer Bio-Konformität (inklusive
Gentechnikfreiheit) im Rahmen
ihrer hoheitlichen Aufgaben intensivieren. Die Zertifizierung von
Bio-Erzeugnissen ist und
bleibt jedoch gemäß der VO 2092/91 Angelegenheit der Bio-Kontrollstellen, deren
Oberbe-
hörde das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (BMGF) ist.
Österreich vertrat und vertritt gegenüber
der Europäischen Kommission folgende Auffas-
sung:
„Die Biologische Landwirtschaft ist von
GVO freizuhalten: Die Kommission soll daher ein
Konzept vorlegen, das sicherstellt, dass es zu keinen Kontaminationen mit GVO
in der Bio-
logischen Landwirtschaft kommt. Dies soll im „EU-Aktionsplan für die
Biologische Landwirt-
schaft" ausdrücklich berücksichtigt werden."
Zu den Fragen 1 bis 6, 8 und 12 bis 13:
Österreich erachtet in diesem Zusammenhang
die Schaffung von Gemeinschaftsregelungen
zur Koexistenz als vordringlich. Aufgrund des hohen Anteils von Biobauern ist
diese Frage
für Österreich von hoher Priorität. Die Auffassung der Kommission, dass die
Problematik der
Koexistenz ausschließlich auf nationaler Ebene zu regeln ist, wird nicht
geteilt.
Im Hinblick darauf, dass im Großteil des
Sojaschrotes gentechnisch veränderte Bestandteile
nachgewiesen werden, halte ich es für besonders wichtig, die strengen
Kontrollen bei Fut-
termitteln für die biologische Landwirtschaft weiterhin beizubehalten.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch auf
die österreichische Saatgut-Gentechnik-
Verordnung hinweisen, welche eine Nulltoleranz für gentechnisch veränderte
Organismen
bei der Zulassung von Saatgut sowie
Kennzeichnungsregelungen für Saatgut von gentech-
nisch veränderten Sorten festlegt.
Die Einrichtung von gentechnikfreien Zonen
wurde in den Ländern bereits des öfteren disku-
tiert. Die Möglichkeit der Einrichtung GVO-freier Gebiete wurde auch durch
Studien erörtert,
wobei sich abzeichnet, dass dies im Widerspruch zu geltendem Gemeinschaftsrecht
steht.
Das Prinzip der Freiwilligkeit ist eine Möglichkeit, die gentechnikfreie
Bewirtschaftungsweise
umzusetzen. In Niederösterreich ist beispielsweise unter der Dachmarke
„Waldviertel-
Lebensviertel" eine „gentechnikfreie" Bioregion geplant.
Zum Zwecke der Koordinierung der
Ländervorhaben wurde seitens des BMLFUW eine Ar-
beitsgruppe unter Einbeziehung der Länder und aller bezughabenden Experten
eingerichtet.
Zu den Fragen 7, 9, 10, 14, 15, 17 und 18:
Das Prinzip der Koexistenz sieht die
Berücksichtigung aller Produktionsformen und somit
auch unterschiedlichster wirtschaftlicher Interessen vor. Ich spreche mich zur
Sicherstellung
der Koexistenz für die Regelung offener Fragen auf europäischer Ebene aus.
Das Gentechnik-Moratorium sollte
grundsätzlich aufrecht bleiben, bis die Frage der Koexis-
tenz endgültig gelöst ist. Österreich ist der Ansicht und wird sich dafür
einsetzen, dass um-
fassende Regelungen für die Koexistenz auf Gemeinschaftsebene getroffen werden.
Zu den Fragen 11 und 19:
Das BMLFUW ist der Ansicht, dass im
Hinblick auf eine allfällige zukünftige Verwendung der
Gentechnik in der Landwirtschaft das Inkrafttreten der neuen EG-Bestimmungen
über gen-
technisch veränderte Futter- und Lebensmittel, deren Rückverfolgbarkeit und
Kennzeichnung
sowie die Klärung der Koexistenzfrage abgewartet werden muss.
Zu Frage 16:
Ich darf darauf hinweisen, dass Haftungs-
und Schadenersatzregelungen in die Zuständig-
keit des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) fallen. Grundsätzliche
Bestimmungen, die eine
Verpflichtung zur Haftung auslösen, sollten bereits auf EU-Ebene geregelt
werden.
Geht man davon aus, dass künftig
gentechnikfreie und gentechnikanwendende Betriebe
nebeneinander bestehen sollen, so käme für eine Absicherung der gentechnikfrei
produzie-
renden Betriebe nur die Anwendung der derzeit geltenden Bestimmungen des ABGB
in Be-
tracht. Legistische Tätigkeiten im Zusammenhang mit Haftungs- und
Schadenersatzregelun-
gen hätten vom dafür primär zuständigen BMJ zu erfolgen. Da aber seitens des
BMLFUW
Interesse an der Koexistenz besteht, werden mit dem BMJ Erörterungen darüber
geführt,
welche zivilrechtlichen Vorschriften künftig in Zusammenhang mit der Koexistenz
in Erwä-
gung gezogen werden könnten.
Zu den Fragen 20, 21, 22 und 23:
Österreich spricht sich prinzipiell gegen
den Diskussionsvorschlag der Kommission aus, die
Regelungen den Mitgliedstaaten zu überlassen. Einzelstaatliche Maßnahmen
könnten erfor-
derlich sein, die grundlegenden Voraussetzungen für die Koexistenz müssen aber
gemein-
schaftlich geregelt werden. Grundsätzlich halte ich nationale Maßnahmen in
jenen Bereichen
für notwendig, in denen es keine ausreichende Regelung auf europäischer Ebene
gibt und
erwähne in diesem Zusammenhang beispielsweise die österreichische
Saatgut-Gentechnik-
Verordnung.
Die Diskussion zum Thema Koexistenz ist
auf europäischer Ebene aus meiner Sicht nicht
abgeschlossen und wird z.B. beim nächsten Agrarministerrat Ende Mai fortgesetzt
werden.
Solange keine konkreten Regelungsvorschläge der EK vorliegen, kann eine
endgültige Be-
wertung in seriöser Weise nicht getroffen werden.