233/AB XXII. GP

Eingelangt am 19.05.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,

Umwelt und Wasserwirtschaft

 

Anfragebeantwortung

Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulli Sima, Kolleginnen und Kollegen vom
19. März 2003, Nr. 218/J, betreffend Position der Bundesregierung zur geplanten
Aufstockung des EURATOM-Kreditrahmens, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

Einleitend erlaube ich mir den Sachverhalt darzulegen:

Die Europäische Kommission hat am 6. November 2002 folgende Vorschläge angenommen:

• Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Änderung des Beschlusses
77/271/Euratom zur Durchführung des Beschlusses 77/270/Euratom zur Ermächtigung
der Kommission, im Hinblick auf einen Beitrag für die Finanzierung von Kernkraftanlagen
Euratom-Anleihen aufzunehmen (Ratsdokument 14179/02; KOM(2002)457 endg.);

• Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Änderung des Beschlusses
77/270/Euratom zur Ermächtigung der Kommission, im Hinblick auf einen Beitrag für die
Finanzierung von Kernkraftanlagen Euratom-Anleihen aufzunehmen (Ratsdokument
14174/02; KOM(2002)456 endg.)

Diese Vorschläge sehen folgende Änderungen vor:

   Aufstockung des Haftungsrahmens für EURATOM-Anleihen von derzeit 4 Mrd. € auf
6 Mrd. € (KOM(2002)457 endg.);


    Ausdehnung der Gewährung von EURATOM-Anleihen auch auf Projekte zu Sicherheits-
und Effizienzverbesserung sowie Dekommissionierungsprojekte in Mitgliedstaaten;
Erhöhung der Förderquote für Projekte zur Sicherheits- und Effizienzverbesserung;
Beteiligung an der Finanzierung eines Brennstoff- und Materialtestreaktors
(KOM(2002)456 endg.).

Am 9. Dezember 2002 wurden im Rat Umwelt die Vorschläge präsentiert. Österreich gab
gemeinsam mit Deutschland und Belgien zu beiden Vorschlägen eine Erklärung ab, wonach
Kredite für den Bau von neuen oder für im Bau befindliche Nuklearanlagen sowie für
Maßnahmen der Effizienzverbesserung abgelehnt werden. Schließlich dürfe eine mögliche
Erhöhung des EURATOM-Haftungsrahmens nicht mit Kandidatenländern vereinbarte
Dekommissionierungsprojekte gefährden.

Anzumerken ist jedoch, dass für beide Vorschläge der Bundesminister für Finanzen
federführend zuständig ist. Angesichts der nuklearpolitischen Dimension dieser Vorschläge
arbeiten das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
und das Bundesministerium für Finanzen in dieser Angelegenheit besonders intensiv
zusammen.

Auf europäischer Ebene werden die Vorschläge derzeit in der Ratsarbeitsgruppe
Finanzreferenten diskutiert, wobei die Beratungen erst am Beginn stehen. Der Juristische
Dienst des Rates legte im Zuge der Beratungen ein schriftliches Gutachten über die
Beschlussfassungserfordernisse vor. Demnach muss der Beschluss über die Rahmen-
erhöhung mit einfacher Mehrheit, jener über den Anwendungsbereich einstimmig erfolgen.

Vor diesem Hintergrund beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:
Zu Frage 1:

Hinsichtlich des erwähnten „Non-Papers" der Europäischen Kommission (EK) ist
festzuhalten, dass dieses im Hinblick auf die RAG-Sitzung am 30. Jänner 2003 von der
Kommission erstellt wurde und einen historischen Überblick über die Anzahl der Projekte
und die Höhe der in den jeweiligen Staaten gewährten Darlehen enthält. Implikationen auf
den Garantie-Fonds und den EU-Haushalt werden darin ausdrücklich ausgeschlossen.
Ferner enthält dieses „Non-Paper" einen Ausblick auf mögliche Darlehen, aus dem


hervorgeht, dass die Fertigstellung von RBMK- und WWER-Reaktoren in der Russischen
Föderation über EURATOM-Darlehen finanziert werden könnten. Darüber hinaus werden
auch EURATOM-Finanzierungen für Sicherheitsverbesserungen in 14 Kernkraftwerken
(KKW) in der Ukraine thematisiert. Andererseits könnte gemäß dem „Non-Paper" auch die
Schließung der KKW Kosloduj, Ignalina und Bohunice über EURATOM-Darlehen finanziert
werden.

Dieses inoffizielle „Non Paper" wurde jedoch von der EK zurückgezogen und durch ein
revidiertes Non Paper („Version 2") ersetzt. In diesem wird ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass die Liste mit den potentiellen künftigen Kreditnehmern nur eine Liste von Projekten
darstellt, die der EK bekannt sind, und dass mit der Nennung eines Projekts keinerlei
Vorentscheidung über künftige Darlehensgewährungen getroffen wird.

Zu den Fragen 2 und 3:

Zur Position Österreichs halte ich fest, dass die gegenständlichen Vorschläge sehr kritisch
zu betrachten sind. Ich verweise in diesem Zusammenhang darauf, dass die geplante
Erhöhung der EURATOM-Anleihe bereits im Frühjahr 2001 das Thema von parlamenta-
rischen Anfragen war, in deren Beantwortungen sich die damaligen Regierungsmitglieder
Bundeskanzler Dr. Schüssel, Bundesminister Mag. Grasser, Bundesministerin Gehrer und
Bundesminister Mag. Molterer sehr kritisch geäußert haben.

Weiters verweise ich auf die Entschließung des Nationalrates vom 10. Juli 2002, E 143-
NR/XXI.GP, mit der der Nationalrat dafür eingetreten ist, „dass das bisher mit 4 Mrd. € be-
grenzte EURATOM-Kreditvolumen nicht, wie von der EU-Kommission diskutiert, auf 6 Mrd. €
erhöht wird und dass die an der Finanzierung von AKW in Osteuropa hauptbeteiligten
Banken (Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung/EBRD und European
Investment Bank/EIB) keine neuen Finanzierungen oder Kredite für Atomprojekte vergeben,
sondern Mittel in den Ausstieg umlenken". Auf diese Entschließung wird im aktuellen
Regierungsprogramm ausdrücklich Bezug genommen. Bundeskanzler Dr. Schüssel hat sich
in seiner Regierungserklärung ebenfalls auf diese Entschließung bezogen.

Ich bin daher mit dem zuständigen Bundesminister für Finanzen einer Meinung, die
Vorschläge der Europäischen Kommission in der gegenwärtigen Form abzulehnen.


Zu den Fragen 4 bis 6:

Die Sichtweise, wonach die österreichische Position zur Frage von EURATOM-Krediten an
der Realität vorbeigeht, kann nicht nachvollzogen werden.

Zur aktuellen Österreichischen Position verweise ich auf meine Antwort zu den Fragen 2
und 3.

Zu den Fragen 7 bis 14:

Hinsichtlich Neubau und Laufzeitverlängerung von KKW verweise ich auf die grundsätzliche
österreichische Haltung, wonach sowohl der Neubau als auch eine Laufzeitverlängerung von
bestehenden KKW generell abgelehnt werden.

Abschließend erlaube ich mir der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass sämtliche
bisherigen Beschlüsse zur EURATOM-Anleihe noch vor dem Beitritt Österreichs zur
Europäischen Union gefasst wurden.

Ich werde den Bundesminister für Finanzen bei seinen Bemühungen auch weiterhin
unterstützen, dieses Instrument im Rahmen der europarechtlichen Möglichkeiten im Sinne
der Ziele der österreichischen Nuklearpolitik umzugestalten.