261/AB XXII. GP

Eingelangt am 23.05.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfragebeantwortung

 

BM FÜR WIRTSCHAFT UND ARBEIT

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 253/J betreffend
Auswirkungen des Dienstleistungsabkommens GATS auf das österreichische
Bildungssystem, welche die Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen
und Kollegen, am 26. März 2003 an mich richteten, stelle ich fest:

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

Die horizontale Ausnahme der EU zu den öffentlichen Dienstleistungen ("public
utilities") wird nicht nur aufrechterhalten, sondern, nicht zuletzt auf Betreiben des
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, auch auf Österreich, Schweden und
Finnland ausgedehnt, sodass ein einheitliches Erscheinungsbild der EG
gewährleistet wird. Diese Ausdehnung wird von allen Mitgliedsstaaten sowie der
Europäischen Kommission unterstützt und ist Bestandteil des EU-
Angebotsentwurfes. Forderungen nach Aufhebung dieses Vorbehaltes sind nicht
bekannt.

Antwort zu den Punkten 2 und 3 der Anfrage:

Wie in anderen Staaten wird auch in Österreich das öffentliche Bildungsangebot
durch private Angebote ergänzt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit


teilt nicht die Auffassung, dass im Falle eines dualen Systems des Nebeneinanders
von öffentlichen und privaten Anbietern die Schutzfunktion der
Ausnahmebestimmung des GATS Art. l Abs. 3 lit. b und c betreffend öffentliche
Dienstleistungen obsolet ist. Die generelle Ausnahme des GATS für öffentliche
Dienstleistungen ist weit auszulegen und umfasst alle Dienstleistungen, die öffentlich
erbracht und/oder finanziert werden. Dies geht auch aus den "cover notes" zu den
GATS-Angeboten, darunter jenem der EU, hervor. In Verbindung mit den
individuellen EU-Einschränkungen hinsichtlich der "public utilities", der
Subventionierung des öffentlichen Sektors sowie der Eingrenzung auf privat
finanzierte Bildungsdienstleistungen im EU-Angebot ergibt sich somit eine wirksame
Absicherung des gemeinwirtschaftlichen Bereiches, die sämtliche Erziehungs- und
Bildungsangebote umfasst.

Im tertiären Bereich (Hochschulen, Universitäten) ist Österreich im GATS nicht
gebunden, noch wird es dazu im Rahmen der laufenden Verhandlungsrunde ein
Angebot geben.

Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:

In der Arbeitsgruppe über GATS-Regeln wird vor allem über Beihilferegelungen
(Disziplinen) diskutiert, die Wettbewerbsverzerrungen hintanhalten sollen,
vergleichbar dem Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen
im Warenbereich. Disziplinen im Beihilfenbereich zur Verhinderung von
Handelsverzerrungen sind grundsätzlich vom im GATS verankerten
Gleichbehandlungsgrundsatz zu unterscheiden. Bei Verhandlungen über
Subventionsdisziplinen gibt es bis dato keine Fortschritte. Ähnliches gilt für die
Verhandlungen betreffend Disziplinen für staatliche Regulative in der Arbeitsgruppe
innerstaatliche Regelungen, sieht man von den im Jahr 1997 verabschiedeten
Disziplinen für die Dienstleistungen im Bereich des Rechnungswesens ab, die als
Referenz für die Bemühungen auf diesem Gebiet gelten und die Möglichkeit des
Staates, regulierend einzugreifen, in keiner Weise in Frage stellt. Beide


Verhandlungsgegenstände haben mit den anschließenden Fragen a) und b) nichts
zu tun, weil letztere primär auf das Gleichbehandlungsgebot abstellen.

Die bestehenden EU-Verpflichtungen beziehen sich ausschließlich auf den privat
finanzierten Bildungsbereich, weshalb das Gleichbehandlungsgebot auch nur auf
private Angebote anwendbar ist. Die Finanzierung von öffentlichen
Bildungseinrichtungen muss daher nicht auf private Einrichtungen ausgedehnt
werden und selbst bei reinen (Wirtschafts-) Subventionen der öffentlichen Hand an
privatwirtschaftliche Betreiber ist es nicht zwingend erforderlich, jeden Anbieter
automatisch gleich zu behandeln, weil auf Subventionen grundsätzlich kein
Rechtsanspruch besteht und von Anbietern die Bedingungen des Förderprogramms
erfüllt werden müssen.

Für die Förderungen/Finanzierungen der Bundesländer von öffentlichen
Bildungseinrichtungen sieht das GATS keinerlei Beschränkungen vor; dies ergibt
sich schlüssig aus der im GATS verankerten Ausnahme für öffentliche
Dienstleistungen. Durch die im EU-Angebot enthaltenen einschlägigen horizontalen
Einschränkungen wird dieser Sachverhalt noch bekräftigt. Es ist auch kein
Wettbewerbsverfahren zur Vergabe derartiger Mittel im GATS statuiert.

Antwort zu den Punkten 5 und 7 der Anfrage:

Grundsätzlich besteht für Österreich im privat finanzierten primären und sekundären
Bildungsbereich sowie bei der Erwachsenenbildung volle Verpflichtungen im Sinne
des GATS, eingeschränkt durch die horizontalen Vorbehalte und die allgemeine
Ausnahme im Vertragstext für öffentliche Dienstleistungen. Diese Einschränkungen
bleiben aufrecht; dies gilt natürlich auch für die auf Österreich, Schweden und
Finnland ausgedehnten Beschränkungen betreffend "public utilities" und
Subventionen.


Die explizite Einschränkung der bestehenden Verpflichtungen auf privat finanzierte
Bildungsdienstleistungen wurde im Zuge der Konsolidierung der EU 12+3 - Listen
auf Österreich ausgedehnt und ist auch im EU-Angebot berücksichtigt.

Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:

Da die Aufzählung der Dienstleistungsbereiche in der Fußnote zum horizontalen
Vorbehalt für "public utilities" nicht abschließend ist, sondern eine beispielhafte
Aufzählung darstellt ("such as"), ist davon auszugehen, dass dieser Vorbehalt auch
für (öffentlich angebotene) Lehrtätigkeiten gilt. Wie schon erwähnt, hat Österreich im
Zuge der Konsolidierung der EU 12+3-Listen sowie der Vorbereitung des EU-
Angebotes eine gemeinschaftsweite Harmonisierung dieses Vorbehaltes gefordert
und auch zugestanden erhalten. Gleiches gilt überdies für die restlichen von der
Fragestellung mitberührten "Schutzbestimmungen" betreffend Zweigstellen,
geographische Untergliederung sowie Beihilfen an natürliche Personen, sofern die
ursprünglichen Vorbehalte Österreichs nicht strenger bzw. weitreichender formuliert
sind.

Antwort zu den Punkten 8 und 18 der Anfrage:

Im Bereich der Bildungsdienstleistungen gibt es seitens der EG und ihrer
Mitgliedsstaaten nur eine Forderung an die USA hinsichtlich privat finanzierter
Dienstleistungen im Bereich höherer Bildung. Offensive Liberalisierungswünsche
seitens Österreichs wurden in den Verhandlungen nicht vorgebracht.

Antwort zu Punkt 9 der Anfrage:

Bis dato haben 15 WTO-Mitglieder Dienstleistungsangebote in Genf vorgelegt.
Durch EU-interne Abstimmungserfordernisse - insbesondere bei mode 4 - hat sich
die Vorlage des EU-Angebotes auf Ende April verzögert. Es wurde auch bereits dem


Parlament zugeleitet, und kann ebenso auf der Homepage der EK
(europa.eu.int/comm/trade) eingesehen werden.

Antwort zu Punkt 10 der Anfrage:

Einleitend ist festzuhalten, dass multilaterale Handelsangelegenheiten vom "Rat
Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen (RAA)" und nicht von einem
"EU-Wirtschaftsministerrat" wahrgenommen werden.

Hinsichtlich der Bindungswirkung von Vorgaben bzw. Stellungnahmen des
Nationalrates zu Vorhaben im Rahmen der EU wird auf den Art. 23e B-VG
verwiesen.

Bezüglich des EU-Konvents und der Frage der Zuständigkeit für den Abschluss von
internationalen Dienstleistungsabkommen wird eine Abwägung in zweierlei Hinsicht
zu treffen sein. Einerseits ist sicherzustellen, dass die EU auch in ihrer erweiterten
und vertieften Form handelspolitisch handlungsfähig bleibt. Andererseits wäre aber
auch darauf zu achten, dass wichtige nationale Interessen in (sensiblen)
Dienstleistungsbereichen auch in Zukunft nachdrücklich und mit Erfolg vertreten
werden können.

Antwort zu Punkt 11 bis 13 der Anfrage:

Wie bereits in der seinerzeitigen Beantwortung 3812/AB darf nochmals ausgeführt
werden:

Österreich hat sich in Vorbereitung auf die 3. WTO-Ministerkonferenz in Seattle
1999im Rahmen der EU für eine Berücksichtigung der Sozialstandards im Rahmen
der WTO eingesetzt. Die Ministerkonferenz von Seattle ist bekanntlich ua. aufgrund
des Widerstandes der Entwicklungsländer in dieser Frage gescheitert. Den
Industrieländern ist es nicht gelungen, die Entwicklungsländer davon zu überzeugen,
dass es sich bei dem angestrebten Ansatz um keine protektionistische Maßnahme


handelt bzw. dass die komparativen Vorteile der Entwicklungsländer nicht
geschmälert werden sollen.

Das österreichische Engagement blieb auch nach Seattle ungebrochen, ebenso wie
der Widerstand der Entwicklungsländer. In einem Versuch, das Thema dennoch bei
der vierten WTO-Ministerkonferenz in Doha ergebnisorientiert behandeln zu können,
musste daher die Forderung von Seattle (Einrichtung eines WTO/ILO Forums zur
Diskussion von Handel und Arbeitsstandards) unter Berücksichtigung der
Befürchtungen der Entwicklungsländer etwas abgeändert werden. Da für Österreich
immer wichtig war, dass Fortschritte in dieser Frage erzielt werden, wurde der
verfeinerte Ansatz der EU (regelmäßiger Dialog über die soziale Dimension des
Handels unter Einbeziehung der relevanten internationalen Organisationen)
unterstützt. Leider blieben auch diese Anstrengungen ohne Erfolg. Bei der vierten
Ministerkonferenz in Doha konnte lediglich Konsens über einen Verweis auf die
Schlussfolgerungen von Singapur (Kompetenz der ILO bei Arbeitsstandards,
Zusammenarbeit der Sekretariate von ILO und WTO) gefunden werden.

Nach dem Ergebnis von Doha besitzt die WTO weiterhin keinerlei Kompetenz zur
Regelung von Kernarbeitsnormen. Eine Thematisierung im Rahmen der in Doha
vereinbarten WTO-Liberalisierungsrunde ist somit grundsätzlich nicht möglich.

Die Minister bekannten sich in Doha aber auch nachdrücklich zum Ziel einer
nachhaltigen Entwicklung. Es ist zunehmend anerkannt, dass der Sozialaspekt
wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung ist. Die EU hat daher bereits
1999 das Sustainability Impact Assessment-Programm (SIA) implementiert, womit
Maßnahmen zur weiteren Handelsliberalisierung hinsichtlich ihrer Auswirkung auf
das Wirtschaftswachstum, die Umwelt und die soziale Entwicklung untersucht
werden. Österreich unterstützt das SIA-Programm und fordert diesbezügliche
Untersuchungen auch in den zuständigen EU-Gremien ein.

Unabhängig von den Ergebnissen von Doha unterstützt Österreich Maßnahmen auf
internationaler Ebene, wie etwa die Arbeit der ILO hinsichtlich der Einrichtung einer
Weltkommission über die soziale Dimension der Globalisierung. Die Diskussionen
der Weltkommission bzw. deren Ergebnisse, werden voraussichtlich im Herbst 2003


vorliegen, werden sicherlich zur Bewusstseinsbildung der Entwicklungsländer in
Fragen des Handels und seiner sozialen Dimension beitragen.

Daneben unterstützt Österreich auf EU-Ebene im Bereich des Handels Maßnahmen,
die zur Förderung der Implementierung von ILO-Kernarbeitsnormen und
Umweltstandards in den Entwicklungsländern beitragen, wie etwa die Erhöhung der
Zusatzpräferenzen im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems.

Antwort zu Punkt 14 der Anfrage:

Das Parlament ist selbstverständlich schon jetzt voll in die GATS-
Entscheidungsfindung eingebunden. Es wird in Entsprechung von Art. 23e B-VG
über die Ergebnisse der zuständigen Ausschüsse gem. Art 133 EGV informiert und
erhält alle diesbezüglichen Dokumente. Die Dienstleistungsverhandlungen wurden
am 26.6.2002 im EU-Unterausschuss und am 19.3.2003 im Wirtschaftsausschuss
behandelt. Es darf darauf hingewiesen werden, dass es zu diesem Thema
außerdem regelmäßige Informationsveranstaltungen des BMWA für Parlamentarier
gibt.

Auch die Sozialpartner und Interessensvertretungen werden ständig informiert und
zur Abgabe von Stellungnahmen eingeladen. Für Nichtregierungsorganisationen
(NROs) finden regelmäßig Informationsveranstaltungen statt.

Antwort zu Punkt 15 der Anfrage:

Die Forderungen der EG und ihrer Mitgliedsstaaten an Drittstaaten wurden dem
Parlament (in Entsprechung von Art. 23e B-VG) übermittelt. Auf der Homepage
(europa.eu.int/comm/trade/services/gats_sum.htm) der EK ist eine kurze
Zusammenfassung unter dem Titel "Summary Of The EC's Initial Requests To Third
Countries In The GATS Negotiations" zu finden.


Antwort zu Punkt 16 der Anfrage:

Die Forderungslisten von Drittstaaten an die EG und ihre Mitgliedsstaaten wurden
dem Parlament (in Entsprechung von Art. 23e B-VG) übermittelt. Auf der Homepage
der EK (europa.eu.int/comm/trade/issues/sectoral/services/docs/imas_de.pdf) ist
außerdem eine Zusammenfassung der Drittlandsforderungen abrufbar.

Antwort zu Punkt 17 der Anfrage:

Das vorliegende EU-Angebot erachte ich in dieser Form als ausgewogene und
verantwortungsvolle Grundlage für erfolgreiche Verhandlungen im Interesse der
österreichischen und europäischen Dienstleistungswirtschaft.