2683/AB XXII. GP

Eingelangt am 29.04.2005
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0027-Pr 1/2005

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2739/J-NR/2005

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Amnestie 2005“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 14 sowie 18 und 19:

Es war gute parlamentarische Tradition, dass Fragen einer weitreichenden Amnestie aus Anlass besonderer Gedenken von einem breiten Konsens der im Nationalrat vertretenen Fraktionen getragen waren. So war auch die in der Anfrage erwähnte Amnestie 1995 auf den Antrag der Abg.z.NR Dr. Michael Graff, Dr. Willi Fuhrmann, Dr. Harald Ofner, Mag. Terezija Stoisits, Mag. Dr. Heide Schmidt, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über eine Amnestie aus Anlass der fünfzigsten Wiederkehr des Tages, an dem die Unabhängigkeit Österreichs wiederhergestellt wurde, und der vierzigsten Wiederkehr des Tages, an dem der österreichische Staatsvertrag unterzeichnet wurde, sowie aus Anlass des Beitritts zur Europäischen Union (Amnestie 1995), 226/A XIX. GP, zurückzuführen (siehe JAB, 185 d. Beilagen XIX.GP).

Nachdem erste Vorgespräche keine Bereitschaft erkennen ließen, auch 2005 eine Amnestie vergleichbaren Ausmaßes zu erlassen, weil eine solche Maßnahme in Zeiten steigender Kriminalität als falsches Zeichen missverstanden werden könnte, habe ich keine Vor- oder Unterstützungsarbeiten einer derartigen parlamentarischen Initiative in meinem Ressort in Auftrag gegeben.

Ich glaube auch nicht, dass eine umfassende Amnestie einen Beitrag zur Lösung der prekären Situation in den österreichischen Gefängnissen liefern könnte. Allenfalls könnte eine kurzfristige Linderung der steigenden Belagszahlen erzielt werden, sofern mit ihr auch eine bedingte Nachsicht eines Teils der Strafe verbunden wäre. Damit eine solche Lösung zahlenmäßig ins Gewicht fiele, müsste eine großzügige und in ihrer Anwendung schematische Regelung gefunden werden, die auf Besonderheiten des Einzelfalles nicht Rücksicht nehmen könnte. Ich habe selbst Zweifel, ob damit die Ziele und Grundsätze eines geordneten Strafvollzugs erreicht werden könnten und nicht Rückfallgefährdung leichtfertig in Kauf genommen würde.

Zu 15 und 16:

Eine Generalamnestie für gemäß § 209 StGB Verurteilte ist nicht vorgesehen.

Die im StRÄG 2002 zum Wegfall des § 209 StGB getroffene Übergangsbestimmung des Art X BGBl I 2002/134 geht ausdrücklich davon aus, dass die bei Inkrafttreten der Änderung (14. August 2002) gefällten und nicht aufgehobenen Urteile erster Instanz auf der bis dahin bestehenden Rechtslage Geltung beanspruchen, sodass selbst eine allfällige (aus sonstigen Gründen gebotene) Strafmaßänderung in einem zu diesem Zeitpunkt noch anhängigen Berufungsverfahren auf Grundlage des nach der alten Rechtslage vorgegebenen Strafrahmens zu erfolgen hat. 

So hat der OGH zu 13 Os 3/03 ausgesprochen, dass daher kein Anlass bestehe, eine im Zeitpunkt der Urteilsfällung zu Recht verhängte Sanktion allein deswegen abzuändern, weil nachträglich die gesetzliche Grundlage für weitere derartige Schuldsprüche beseitigt wurde. Auch der Umstand, dass der Verfassungsgerichtshof die Strafbestimmung des § 209 StGB als (wegen der Unsachlichkeit des aus ihr folgenden Wechsels von straflosen und strafbaren Phasen im Verlauf einer homosexuellen Beziehung) verfassungswidrig aufhob, könne danach keinen Ansatzpunkt für eine Vorgangsweise nach § 31a StGB bilden, räumte doch der Verfassungsgerichtshof in dieser - nicht auf die Änderung grundsätzlicher gesellschaftlicher Wertvorstellung gegründeten - Entscheidung dem Gesetzgeber eine Frist zur Sanierung der Verfassungswidrigkeit bis 28. Februar 2003 ein und akzeptierte damit bei allen nicht Anlassfall bildenden Strafverfahren eine fortgesetzte Anwendung dieser erst mit 1. März 2003 als obsolet erkannten Bestimmung.

Ich sehe keinen Anlass, diese Judikatur durch einen Akt des Gesetzgebers zu korrigieren.

Im Übrigen weise ich darauf hin, dass mein Amtsvorgänger in Fällen, in denen einem nach § 209 StGB als führendem Delikt Verurteilten der Vollzug der Freiheitsstrafe bevorstand, Gnadenvorschläge erstattet hat, die vom Bundespräsidenten genehmigt wurden. Gleichermaßen bin ich bereit, Gnadenvorschläge in solchen Fällen und Gnadenvorschläge auf Tilgung zu erstatten, wenn das abgeurteilte Verhalten nach der derzeitigen Rechtslage nicht mehr strafbar wäre.

Zu 17:

Nach einer Auswertung von Daten aus der Integrierten Vollzugsverwaltung ist derzeit niemand in Haft, der wegen § 209 StGB als alleinigem oder führendem Delikt verurteilt worden ist. Es werden neun Personen angehalten, die wegen anderer Delikte als führendem Delikt, aber auch wegen § 209 StGB verurteilt worden sind.

. April 2005

 

(Maga. Karin Miklautsch)