2684/AB XXII. GP
Eingelangt am 29.04.2005
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0028-Pr
1/2005
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 2740/J-NR/2005
Die Abgeordneten zum Nationalrat Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „bedingte Entlassungen“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 6:
Die Endfassung der genannten Studie wurde dem Bundesministerium für Justiz im März 2005 zugeleitet. Selbstverständlich werden die Ergebnisse der Studie in den zuständigen Sektionen – auch im Lichte der weiteren aus der Enquete „Moderner Strafvollzug – Sicherheit und Resozialisierung“ gewonnenen Erkenntnisse - eingehend geprüft werden. Aufgrund des Umfanges der Studie wird eine detaillierte und der Wichtigkeit des Themas angemessene Prüfung einige Zeit in Anspruch nehmen. Schlussfolgerungen und Konsequenzen können nach Abschluss dieser Analyse im Justizausschuss präsentiert werden.
Zu 7 bis 8:
Aus dem
EDV System der Strafvollzugsverwaltung (IVV) können nur Auswertungen der
Wiederkehr in den Strafvollzug gewonnen werden. Da die IVV erst mit dem Jahre
2000 eingeführt wurde, ist daran gedacht, ab 2006 zu Controllingzwecken die
Wiederkehr von entlassenen Insassen auszuwerten.
Die Frage
des Rückfalls im Sinne der neuerlichen Begehung einer (gerichtlich) strafbaren
Handlung kann aus diesen Daten nicht beantwortet werden.
Eine
erste Auswertung der bisher gewonnenen Wiederkehrdaten (1.1.2000 bis
31.12.2004) zeigt, dass die Quote der Wiedergekehrten bei jenen, die bedingt
aus der Haft entlassen wurden, geringfügig höher ist, als bei jenen, die zum
Strafende entlassen wurden (19,7 bzw. 19,5%). Es ist zu erwarten, dass sich
diese Prozentsätze bei einer längeren Beobachtung noch weiter erhöhen; wie sie
sich im Verhältnis zueinander verhalten werden kann nicht abgeschätzt werden.
Derzeit
deutet das Ergebnis darauf hin, dass es besonders wichtig ist, vermehrt und
verbessert jene Strafgefangenen zu identifizieren, die derzeit zum Strafende
entlassen werden, nicht wiederkehren und daher für eine bedingte Entlassung
geeignet erscheinen. Zu diesem Zweck wird im Bundesministerium für Justiz ein
einheitlicher, IT-unterstützter Vollzugsplan (§136 StVG) entwickelt, der bei
der Betreuung Qualitätsstandards einführen soll, die auch wissenschaftliche
Auswertungen von Betreuungsverläufen erleichtern und zu dem auch eine
standardisierte, an Qualitätskriterien orientierte Stellungnahme des
Anstaltsleiters im Verfahren über die bedingte Entlassung gehört. Dem
Vollzugsplan liegt ein einheitliches System zur Einschätzung der
rückfallsrelevanten Risikofaktoren und zur Bestimmung der Ziele der Anhaltung
der Strafgefangenen zu Grunde. Diese Risikoeinschätzung wird durch ein
interdisziplinäres Fachteam vorgenommen.
Die
Programmierarbeiten sollen in der 2. Hälfte des nächsten Jahres abgeschlossen
sein. Bis dahin wird das Konzept in vereinfachter Form in den Anstalten ohne
EDV-Unterstützung angewendet werden.
Zu 9 bis 13:
Schon das
Regierungsprogramm sieht im Kapitel Justiz (S. 9) eine „Ausweitung der
bedingten Entlassung unter gleichzeitiger Setzung von Auflagen und Bedingungen“
vor. Dieses Ziel wird auch weiter verfolgt. Das Bundesministerium für Justiz
ist bestrebt, bis zum Sommer den Entwurf einer Neuregelung der bedingten
Entlassung und damit im Zusammenhang stehender Bestimmungen vorzubereiten und
der allgemeinen Begutachtung zuzuführen. Dabei wird es im Sinne des
Regierungsprogramms neben den Voraussetzungen der Entlassung um deren
Vorbereitung im Entlassungsvollzug, um die Ermöglichung eines stufenweisen Übergangs
in die Freiheit sowie um die Verbesserung der Nachbetreuung und Nachkontrolle
(durch Weisungen, Bewährungshilfe usw.) gehen; in diesem Zusammenhang ist auch
die Möglichkeit einer Substituierung der Schlussphase eines Freiheitsentzugs
durch gemeinnützige Arbeit oder elektronische Überwachung in dafür
geeigneten Fällen zu prüfen.
Zu 14:
Durch die
geplanten Gesetzesänderungen sollte in Verbindung mit den im Bereich des
Strafvollzuges eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung der Vollzugsplanung und
-dokumentation (siehe zu 15 bis 19) eine rechtliche und sachliche Basis
geschaffen werden, die es erlaubt, vom Instrument der bedingten Entlassung ohne
Sicherheitsverluste in größerem Ausmaß Gebrauch zu machen, als dies derzeit der
Fall ist. Es wird aber immer ein einzelfallbezogener Ermessensspielraum
bestehen bleiben müssen – nicht zuletzt aus spezialpräventiven Überlegungen –
sodass schon aus diesem Grund eine genaue Prozentangabe nicht möglich erscheint.
Im
Übrigen darf auch darauf hingewiesen werden, dass sich die in der Anfrage
genannte Quote der bedingten Entlassungen an der Gesamtzahl der Entlassungen
bemisst, sodass sie im Verhältnis zu den tatsächlich gesetzlich möglichen
bedingten Entlassungen (d.h. unter Ausschluss der Entlassungen aus einer
teilbedingten Freiheitsstrafe und aus einer kurzfristigen Freiheitsstrafe)
höher (wohl etwa bei 40%) anzusetzen wäre.
Zu 15 bis 19:
Wesentliche
Grundlagen für die im Einzelfall zu treffenden Entscheidungen wurden bereits
durch eine Aktivierung des individuellen Vollzugsplanes nach § 135 StVG und
eine IT-gestützte, integrierte Dokumentation des Vollzugs- und
Betreuungsverlaufs geschaffen. Wie die vom Bundesministerium für Justiz am 8.
und 9. November 2004 veranstaltete Enquete „Moderner Strafvollzug – Sicherheit
und Resozialisierung“ aufgezeigt hat, bedarf es jedoch teilweise der
Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Justizanstalten und den
Vollzugsgerichten. Eine Denkvariante ist es auch, Vertreter von Justizanstalten
unmittelbar in den Entscheidungsprozess einzubinden. Aus meiner Sicht wären
derartige Maßnahmen Teil des Gesamtpakets und daher unter einem mit den
rechtlichen Voraussetzungen für bedingte Entlassungen zu diskutieren.
Zu 20:
Ganz
allgemein ist festzuhalten, dass das Strafrecht an sich immer nur ultima ratio
zur Verhaltenssteuerung sein darf (Prinzip der Subsidiarität des Strafrechts).
Daraus folgt u.a. ein Vorrang von nicht-freiheitsentziehenden Strafen und
Maßnahmen (s. dazu Fuchs, Österreichisches Strafrecht Allgemeiner Teil I4,
2. Kap II 4 b). Zum
Ausdruck kommt dieses allgemein und auch von mir anerkannte Prinzip im
österreichischen Strafrecht insbesondere in § 37 StGB. An die Stelle
kurzfristiger Freiheitsstrafen soll grundsätzlich die Geldstrafe treten.
Allerdings wird die kurzfristige Freiheitsstrafe nicht vollständig beseitigt;
sie soll immer dann – aber auch nur dann – Platz greifen, wenn dies im
Einzelfall aus Gründen der Spezial- oder der Generalprävention unumgänglich
ist, somit nur als „ultima ratio“ („ultima-ratio-Klausel“ oder
Erforderlichkeitsklausel) (Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2,
Rz 1 zu § 37).
Zu 21:
Die
Kosten für einen Hafttag/Insassen belaufen sich aktuell für den Gesamtbereich
des österreichischen Straf- und Maßnahmenvollzuges auf 80 Euro pro Tag.
Zu 22:
Eine
bedingte Entlassung verursacht jedenfalls – auch im Falle der Nichtstattgebung
eines entsprechenden Antrages – die Kosten des Verfahrens bei Gericht.
Eine darüber hinausgehende Kostenkalkulation für eine bedingte Entlassung mit
einer Bezifferung lässt sich nicht erstellen, zumal jede bedingte Entlassung
individuellen Voraussetzungen, Abläufen und nicht voraussehbaren Ergebnissen
(insbesondere der Umstand, ob eine Haftrückkehr erfolgen wird) unterliegt. Fest
steht, dass bedingte Entlassungen, zumal mit Weisungen und insbesondere mit
Unterstellung des Entlassenen unter Bewährungshilfe die Wahrscheinlichkeit
neuerlicher Straffälligkeit – mit allen damit verbundenen Folgen und
Kostenfolgen für die Gesamtwirtschaft und für die Justiz – deutlich
herabsenken.
Zu 23:
Die Kosten für einen Tag
Bewährungshilfe betragen 8 Euro.
Zu 24 bis 27:
Die geplante Neugestaltung der bedingten Entlassung würde auch einen breiteren Anwendungsbereich für Weisungen bzw. die Anordnung von Bewährungshilfe zur Folge haben. Ansonsten bin ich der Meinung, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Bewährungshilfe, nämlich, dass diese immer dann zu erfolgen hat, wenn das aus spezialpräventiven Gründen notwendig oder zweckmäßig ist, grundsätzlich sachgerecht sind. Eine allfällige Ausweitung auf alle Fälle - in Richtung einer der derzeitigen Regelung für junge Erwachsene entsprechenden Bestimmung - hielte ich demgegenüber für nicht erforderlich.
.April 2005
(Maga. Karin Miklautsch)