2707/AB XXII. GP
Eingelangt am 02.05.2005
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BM
für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz
Anfragebeantwortung

BUNDESMINISTERIN
FÜR SOZIALE SICHERHEIT
GENERATIONEN UND KONSUMENTENSCHUTZ
Ursula
Haubner
Herrn
Präsidenten
des Nationalrates (5-fach)
Parlament
1010
Wien
GZ: BMSG-10001/0080-I/A/4/2005 Wien,
Sehr geehrter Herr Präsident!
Ich beantworte die an mich gerichtete
schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2745/J der Abgeordneten
Heidrun Silhavy und GenossInnen wie folgt:
Vorab möchte ich anmerken, dass seitens
meines Ressorts die Fachexpertise von Univ. Prof. Dr. med. Max H.
Friedrich immer wieder gerne eingeholt wird, er aber nicht Berater der
österreichischen Bundesregierung in Sektenfragen ist. An der in der Anfrage
angeführten FECRIS-Tagung hat Univ. Prof. Dr. Friedrich auch nicht auf Ersuchen
meines Ressorts teilgenommen.
Frage 1:
Die Publikation zur FECRIS-Tagung vom
März 2004 ist mir bekannt. Auch wenn manche „Feststellungen“ allgemein gehalten
sind oder sich aufgrund der Gesetzeslage hier in Österreich anders darstellen,
sehe ich die Arbeit meines Ressorts und dessen Maßnahmen und Aktivitäten im
Bereich der Prävention, Information und Beratung im Wesentlichen bestätigt.
Ich verweise in diesem Zusammenhang zusätzlich auf meine Beantwortung der Fragen 36 und 37 und im Übrigen
auf die Zuständigkeiten der ebenfalls mit einer jeweils ähnlichlautenden
Anfrage befassten Bundesministerin für Gesundheit und Frauen und des
Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit.
Frage 2:
So genannte Sekten und mehr oder
minder organisierte AnbieterInnen mit sektenähnlichen Aktivitäten bieten oft
ganzheitliche Angebote für verschiedenste Lebensbereiche. Neben der
spirituellen und geistigen Entwicklung kann diesen häufig auch die physische
Gesundheit des Einzelnen ein Anliegen sein. Auch hier können zum Teil
umfassende Konzepte angeboten werden. In extremen Fällen kann bei manchen
Menschen das Vertrauen in diese Konzepte, Ideologien und Praktiken dazu führen,
dass beispielsweise eine medizinische Diagnose abgelehnt und/oder entsprechende
medizinische u.a. Therapien abgesetzt werden.
Ohne auf die vielfältigen Details
eingehen zu können, wären unbeschadet einer Definition als Sekte, folgende –
auch von der Bundesstelle für Sektenfragen festgestellte - Tendenzen
anzuführen: Manche Gruppen mit fernöstlichem Hintergrund versuchen z.B. mit
Meditation, Yoga sowie Ernährungsumstellung nicht nur Entspannung, sondern
auch zur Verbesserung der Gesundheit beizutragen. Einige Gruppen versuchen
sogar traditionelle fernöstliche medizinische Systeme oder Teile davon, wie
z.B. Ayurveda aufzugreifen und entsprechend anzubieten. Bei manchen
Gruppierungen mit christlichem Hintergrund wird vermittelt, dass bei
entsprechendem „wahren“ Glauben und mit Unterstützung der Gruppe bzw. deren
Leitung Gottes Wirken auch zu Heil und Heilung führen kann Daneben finden sich
Gruppierungen mit esoterischem Hintergrund und auch Mischformen, die u.a. auch
Gesundheit und Heilung in ihr Programm aufgenommen haben.
Frage 3:
Der Sektenbegriff wird in der Fachliteratur und Praxis sowie in der
Öffentlichkeit mit sehr unterschiedlichen Inhalten und Bedeutungen verwendet.
Einen möglichen Anhaltspunkt für eine Umschreibung und Eingrenzung des
Sektenbegriffs bietet das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Informations-
und Dokumentationsstelle für Sektenfragen (Bundesstelle für Sektenfragen), in
dem von expliziten Gefährdungen
ausgegangen wird.
Bei der
individuellen Informations- und Beratungsarbeit erweist sich die Bezeichnung
einer Gruppierung als so genannte Sekte nicht immer zielführend, da damit das
tatsächliche Gefährdungspotenzial der jeweiligen Gruppe für den Einzelnen
nicht charakterisiert wird.
Daher wird
z.B. in der Beratung von Betroffenen durch die Bundesstelle für Sektenfragen
der Begriff „Sekte“ hintangestellt und die jeweiligen möglichen Konfliktpotenziale,
die im individuellen Fall in der spezifischen Situation durch die jeweilige
Gruppe entstehen könnten, gemeinsam mit dem/der Betroffenen erarbeitet.
Esoterik ist
ebenfalls ein Sammelbegriff für meist auf übersinnlich-intuitivem Wege
entwickelte weltanschauliche, zum Teil auch religiöse Strömungen, Richtungen,
Ideologien, Vorstellungen, Praktiken und Angebote. Grundsätzlich lassen sich umfassende
„esoterische Systeme“ - mit zum Teil hohem Organisationsgrad und hoher Struktur
der jeweiligen Anhängerschaft bzw. InteressentInnen - von der „Esoterik-Szene“
mit ihrem marktförmig orientierten freien sprituellen Angebot unterscheiden,
das von einem entsprechenden Publikum, KonsumentInnen bzw. KlientInnen genutzt
wird. Die Auswahl und das Zusammenstellen von unterschiedlichen Ansätzen kann
zu einem Synkretismus und zu patchworkartigen Gebilden führen, die auch als
„Gebrauchsesoterik“ bezeichnet werden. Nicht Schulungen oder Einweihungen stehen
dort im Vordergrund, sondern esoterische Verfahren werden funktional eingesetzt.
Letztlich geht es in diesem Bereich häufig auch um eine Art alternativer Lebenshilfe.
Weiters kann
beobachtet werden, dass auch so genannte Sekten Teile von esoterischem
Gedankengut und Praktiken in ihre jeweilige Ideologie und Praxis integrieren.
Die Übernahme und Verwendung von esoterischen Inhalten durch so genannte Sekten
muss jedoch nicht unbedingt zu einem Gefährdungspotenzial führen.
Auf Grund
der großen Anzahl an mehr oder weniger organisierten Gruppierungen, den
zahlreichen und raschen Veränderungen in der Szene sowie ständigen Neugründungen
und –ausrichtungen, der Definitionsschwierigkeiten und der Unschärfe der
Begriffe „Sekte“ und „Esoterik“ ist es nicht möglich, eine aktuelle
vollständige Übersicht über diesen weltanschaulichen Bereich anzubieten.
Fragen 4 bis 34:
Die Beantwortung dieser Fragen fällt
nicht in den Zuständigkeitsbereich meines Ressorts, sondern überwiegend in die
Zuständigkeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit und teilweise
in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen.
Frage 35:
Die angegebenen Informationen bezüglich eines Ausbildungsvertrages zum/zur Naturpraktiker/in für Energiearbeit sind nicht ausreichend, um KonsumentInnen aus vertragsrechtlicher Sicht zu schützen.
Aus
einem Ausbildungsvertrag muss unmissverständlich hervorgehen, wer die vertragsschließenden
Parteien sind. Der Ausbildungsverantwortliche als Vertragspartner hat im
Hinblick auf die gesamte Ausbildung für deren Rahmenbedingungen einzustehen
und für deren Einhaltung zu haften; insbesondere für Bestellung und Führung des
Lehrpersonals, für die Gewährleistung des vollständigen Ausbildungsangebots,
für die Einhaltung der vereinbarten Ausbildungstarife, für alle weiteren
Rahmenbedingungen, die für die Erreichung des Ausbildungszieles relevant sind
und in den Verantwortungsbereich der anerkannten Ausbildungseinrichtung fallen.
Weiters
wesentlich wäre eine klare Benennung des Vertragsgegenstandes, um ausreichende
Transparenz zu gewährleisten; insbesondere sollte ein detaillierter Lehrplan
vorgelegt werden, dem auch die konkrete Dauer der Ausbildung zu entnehmen ist.
Es sollten das Ziel der Ausbildung wie auch deren Beendigung klar gestellt werden.
Die Ausbildungsverantwortlichen haben in diesem Umfang für die Qualität der
Ausbildung und dafür, dass der/die AusbildungsteilnehmerIn die Ausbildung in
der vorgesehenen Zeit abschließen kann, Gewähr zu leisten. Wenn der Leistungsumfang
so marginal beschrieben ist wie im vorliegenden Beispiel, wird es mangels näherer
Determiniertheit des Leistungsumfangs sehr schwierig sein, Leistungsstörungen
festzustellen und Gewährleistungsansprüche im Fall des Falles durchzusetzen.
Die
Bedingungen und Modalitäten der Vertragsauflösung sollten ebenfalls
möglichst konkret vereinbart werden, insbesondere auch allfällige
Verpflichtungen der VertragspartnerInnen bei der Vertragsauflösung.
Nach
herrschender Judikatur kommt auf solche Verträge
§ 15 Konsumentenschutzgesetz zur Anwendung. Gemäß dieser Norm können
Verträge, die auf unbestimmte Zeit oder länger als ein Jahr geschlossen werden,
vom Verbraucher unter Einhaltung einer zweimonatigen Frist zum Ablauf des
ersten Jahres, nachher zum Ablauf eines halben Jahres gekündigt werden. Eine
Bindung von 2 Jahren, wie sie hier offenbar vorgesehen ist, wäre nur
zulässig, wenn die Erfüllung der Leistung erhebliche Aufwendungen für den
Unternehmer erfordert und er dies dem Verbraucher spätestens bei
Vertragsabschluss mitgeteilt hat. Der Vertrag kann damit als intransparent
i.S.d. § 6 Abs. 3 KSchG angesehen werden, da er nicht darauf
hinweist, dass der Verbraucher zum in § 15 KSchG vorgesehenen
Zeitpunkt kündigen kann.
Frage 36:
Mein Ressort unterstützt und
finanziert eine Vielzahl an Informations- und Beratungsangeboten. Als zentrale
Informations- und Beratungsstelle sowie auch als Kompetenzzentrum zum Thema
Sekten, Weltanschauungsfragen und auch Esoterik ist hier die Bundesstelle für
Sektenfragen zu nennen. Neben der individuellen Informations- und
Beratungsarbeit nimmt die bedarfsorientierte Schulung von MultiplikatorInnen
einen breiten Raum ihrer Tätigkeit ein. Dies erscheint mir umso wichtiger, da
gerade LehrerInnen, JugendleiterInnen, MitarbeiterInnen der Jugendwohlfahrt –
um nur einige zu nennen – hiermit sensibilisiert werden etwaige Problembereiche
zu erkennen, entsprechende Informationen anzubieten und auch zu spezialisierten
Beratungseinrichtungen zu verweisen. Somit kann diese Zielgruppe sehr viel zur
Prävention und Konfliktlösung beitragen.
Darüber hinaus stehen acht
Schwerpunkt-Familienberatungsstellen zur Verfügung, die mit einer zusätzlichen
Förderung meines Ressorts vermehrt und gezielt Beratung bei Konfliktfällen auf
Grund der Zugehörigkeit oder des Interesses eines Partners, eines Kindes, etc.
zu/an einer so genannten Sekte oder esoterischen Richtung anbieten können.
Schon im Jahr 2001 wurde in meinem
Ressort die Interministerielle Arbeitsgruppe zum Bereich der so genannten
Sekten, Psychogruppen und Esoterik eingerichtet. Aufgabe dieser Arbeitsgruppe
auf Beamtenebene ist der Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen den
einzelnen Ressorts. In diesem Rahmen wurde u.a. auch der bayerische Entwurf eines
Lebensbewältigungshilfegesetzes mit dem zuständigen Fachbeamten aus dem
Bayerischen Staatsministerium für Justiz erörtert, der auch im Bericht von
FECRIS erwähnt wird. Das geäußerte Hauptproblem bei diesem Entwurf stellt die
Abgrenzbarkeit des Anwendungsbereichs dar, was auch bisher zu einer
Hintanstellung des Gesetzesantrages in Deutschland geführt hat.
Nachdem sich allfällige konsumentenschutzrechtliche Fragestellungen idR auf allgemeine vertragsrechtliche Aspekte (Gewährleistungs-, Schadenersatzfragen, Kündigung uä.) beziehen werden, verweise ich zudem auf die Broschüre zum Konsumentenrecht „Sie haben Recht“, die „klassische“ Probleme von Konsumenten bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen aufgreift und praktische und rechtliche Tipps zur Rechtsdurchsetzung gibt.
Frage 37:
Nein.
Die Bundesstelle
für Sektenfragen kommt in ihrem Tätigkeitsbericht 2003 zu folgendem Ergebnis:
Der breite
Markt der Esoterik hält eine Fülle von Angeboten bereit, die in schwierigen Situationen
mitunter sehr unkritisch aufgegriffen werden. Die daraus resultierenden Probleme
sind vielfältig. So wandten sich etwa Betroffene mit Konflikten im
zwischenmenschlichen Bereich an die Bundesstelle. Sowohl über wirtschaftlich
als auch gesundheitlich problematische Situationen auf Grund der Zuwendung zu
esoterischem Gedankengut wurde berichtet. Der Bereich Esoterik ist ein
unüberschaubares Sammelbecken von Organisationen, kleinen Gruppierungen und
EinzelanbieterInnen. Vor allem die so genannte Gebrauchsesoterik scheint in
weiten Teilen der Bevölkerung bereits gut verankert zu sein. Die explizit
kritische Auseinandersetzung mit Esoterik ist auf Grund der breiten Akzeptanz
in der Bevölkerung und des häufig unkritisch gesehenen Gedankengutes sehr
schwierig. Betroffene sind fast immer volljährige und mündige Erwachsene.
Bezüglich Maßnahmen ist daher genau nach Zielgruppen zu unterscheiden.
Auf Grund dieser Themenbreite kann eine Informationskampagne nicht das – auch im Hinblick auf das Kosten/Nutzenverhältnis – adäquate Mittel sein.
Für Eltern, LehrerInnen und anderweitige MultiplikatorInnen bedarf es der Information und zusätzlichen individuellen Beratung, wie sie mit Einzelfällen – und jeder Fall ist in sich ein Einzelfall mit spezifischen Fragestellungen und Konflikten – umgehen könnten. Dafür stehen – wie erwähnt - neben den Beratern und Beraterinnen der Bundesstelle für Sektenfragen auch die Schwerpunkt-Familienberatungsstellen in den Bundesländern zur Verfügung.
Wie auch die Erkenntnisse der Bundesstelle belegen, sind die Gründe, sich dem Thema Esoterik zu nähern, sehr unterschiedlich. Sie reichen von „gesellschaftlichen Aktivitäten mit Unterhaltungswert“ bis hin zur – angeblich einzig möglichen - Lösung bei Lebensproblemen. Wenn es um die Erfüllung wesentlicher menschlicher Bedürfnisse wie Gesundheit, soziale Sicherheit, materielle Sicherheit, Sinnfindung und Werte und Normen geht, ist eine große Bandbreite von Maßnahmen gefordert.
Dazu zählen für mich – als Beispiele - die verstärkte und zielgerichtete Förderung von Jugendeinrichtungen, die Jugendlichen Zugehörigkeit und Beachtung vermitteln können und auch die entsprechende Autonomie und Kritikfähigkeit der Jugendlichen fördern. Diese Präventionsmaßnahmen wurden u.a. mit dem im Jahr 2001 in Kraft getretenen Bundes-Jugendförderungsgesetz ermöglicht.
Maßnahmen im Bereich der Elternbildung – die ebenfalls ein Schwerpunkt meines Ressorts ist – können Eltern eine zusätzliche Unterstützung in ihrer Erziehungsaufgabe bieten, mit der sie mit Problemen ihrer Kinder besser umgehen lernen können. Dies kann durchaus auch dem Trend nach esoterischen Erziehungshilfen entgegenwirken.
Ich nehme diese Anfrage auch zum Anlass, die Frage von eventuell darüber hinausgehenden zielgerichteten Informationsmaßnahmen im Rahmen der erwähnten interministeriellen Arbeitsgruppe weiter zu erörtern.
Abschließend möchte ich festhalten,
dass es bei all diesen Bemühungen nicht darum gehen kann, jedwede esoterische
Praktik kategorisch abzulehnen oder negativ zu bewerten. Es muss –
vorbehaltlich der bestmöglichen staatlichen Hilfe bei Problemfällen - schlussendlich
dem einzelnen Bürger bzw. der einzelnen Bürgerin überlassen bleiben, inwieweit
sie esoterische Weltanschauungen als Sinnfindung, als Mittel der Unterhaltung
oder als Hilfe in bestimmten Lebensbereichen erachtet.
Frage 38:
Aus meiner Sicht besteht in meinem unmittelbaren Ressortbereich derzeit
kein gesetzlicher Handlungsbedarf. Zweifellos ist das Angebot esoterischer
Dienstleistungen groß und erfreut sich großer Beliebtheit. Meinem Ressort sind
jedoch keine einschlägigen Konsumentenbeschwerden im Hinblick auf die zur
Sprache gebrachten Dienstleistungen bekannt. Sofern Gesundheitsversprechungen
in irreführender Weise gemacht werden, können dagegen Unternehmen bzw.
klagsbefugte Verbände mit Unterlassungsklage vorgehen. Der Verein für
Konsumenteninformation (VKI) ist mehrfach im Auftrag des Bundesministeriums für
soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz gegen irreführende
Behauptungen im Gesundheitsproduktebereich vorgegangen.
Mit
freundlichen Grüßen