3175/AB XXII. GP

Eingelangt am 30.08.2005
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BM für Wirtschaft und Arbeit

Anfragebeantwortung

 

 

Präsident des Nationalrates

Univ. Prof. Dr. Andreas KHOL

 

Parlament

1017 Wien

 

 

                                Wien, am 26. August 2005

 

                                Geschäftszahl:

                        BMWA-10.101/0094-IK/1a/2005

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 3262/J betreffend „Moderne Sklavenarbeit“ der Firma S.S.U. Montage und Demontage GmbH., welche die Abgeordneten Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen am 7. Juli 2005 an mich richteten, stelle ich fest:

 

 

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

 

Am 15. Juni 2005 wurde die Leiterin der Sektion Arbeitsrecht und Arbeitsinspektion meines Hauses über die nach Auffassung des Beschwerdeführers unhaltbaren Zustände bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer auf einer Arbeitsstelle im Kraftwerk Simmering informiert. Diese Beschwerde wurde noch am gleichen Tag (13.15 Uhr) an den Journaldienst des örtlich zuständigen Arbeitsinspektorates für den 2. Aufsichtsbezirk mit der Weisung auf Erhebung vor Ort weitergeleitet. Noch am gleichen Tag wurde die erste Erhebung an der Arbeitsstelle durchgeführt. Eine weitere Erhebung folgte am darauf folgenden Tag (16. Juni 2005). Vom Arbeitsinspektorat wurden folgende Mängel festgestellt:

·        die Räume zur Unterbringung der Arbeitnehmer zu Wohnzwecken und Nächtigung im Kraftwerk Simmering

·        den Zustand der elektrischen Anlage in den Unterkünften

·        den Zustand der Waschgelegenheiten

·        die fehlende Vorsorge für die erste Hilfe

·        fehlende Einrichtungen zur Brandbekämpfung

·        die fehlende Ermittlung und Beurteilung der Gefahren und die Maßnahmen zur Gefahrenverhütung

·        die Einrichtung einer sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung

·        die Nichteinhaltung der Wochenendruhe

·         die Überschreitung der zulässigen täglichen Arbeitszeit.

 

Die S.S.U. Montage und Demontage GmbH wurde zur Behebung der Mängel aufgefordert

 

Antwort zu Punkt 2 der Anfrage:

 

Aus den Aufzeichnungen des Arbeitsmarktservice (AMS) geht hervor, dass Spezialmonteure aus Indonesien und Südkorea auch in Linz auf Antrag der S.S.U. beschäftigt werden. Dort geht es um den Abbau einer Teerdestillationsanlage der VOEST ALPINE Stahl, die einem indonesischen Unternehmen (P.T. Srijaya Segara Utama) verkauft wurde. Das AMS Linz hat aufgrund der von der KIAB-Linz festgestellten Missstände umgehend Verfahren zum Widerruf der Entsendebewilligungen eingeleitet.

 

 

Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:

 

Nach den der Arbeitsinspektion vorliegenden Informationen ist die S.S.U. seit 1999 in Österreich tätig und beschäftigt seit damals eine Person als österreichisches Stammpersonal.

 

Die Firma S.S.U. hat seit 1998 regelmäßig Entsendebewilligungen für Arbeitskräfte beantragt, die von ausländischen Unternehmen (vorwiegend aus dem asiatischen Raum) für Aufträge zum Abbau von Maschinen und Anlagen vorübergehend nach Österreich entsandt wurden. Die Anzahl der vom AMS pro Auftrag jeweils für längstens vier Monate erteilten Entsendebewilligungen hat dabei variiert und sich         zwischen 7 und 20 bewegt. In Wien wurden einmal auch 40 Anträge abgelehnt. Die Anträge wurden zum Teil in relativ kurzen Zeitabständen eingebracht.

 

 

Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:

 

Im Zusammenhang mit der Unterbringung der ausländischen Arbeitnehmer wurde am 23. Juni 2005 eine Erhebung des Arbeitsinspektorates Linz am Standort der S.S.U. (Werksgelände der VA-Stahl GmbH) durchgeführt. Es bestand ein Mietvertrag für das stillgelegte Sozialgebäude 26 (genutzt als Unterkunft und Verpflegungsstelle für die ausländischen Arbeitnehmer der S.S.U.) zwischen der VA-Stahl GmbH und der Pt. Srijaya Segara Utama. Am Erhebungstag waren 73 Arbeitnehmern Unterkunftsräume im Sozialgebäude 26 zur Verfügung gestellt. Die Unterkünfte entsprachen nicht den Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung (AStV), BGBl. II Nr. 368/1998. Eine Aufforderung zur Behebung der Mängel wurde an die S.S.U. Montage und Demontage GmbH gerichtet.

 

Die S.S.U. Montage und Demontage GmbH (Turmstraße 44, 4031 Linz) als Arbeitgeber beschäftigt nach den Informationen der Arbeitsinspektion und der OÖ GKK am Standort Linz derzeit eine/n Arbeitnehmer/in. Eine routinemäßige Überprüfung dieser Arbeitsstätte erfolgte in den letzten Jahren nicht, da sich nach Kenntnisstand der Arbeitsinspektion die Tätigkeit der ausländischen Arbeitnehmer damals nicht als Überlassung mit der S.S.U. Montage Demontage GmbH als Beschäftiger im Sinne des § 9 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) dargestellt hatte.

 

Nähere Erhebungen des Arbeitsinspektorates Linz am 6. Juli 2005 haben ergeben, dass die Arbeitnehmer Betriebsentsandte der Pt. Srijaya Segara Utama (Unternehmenssitz: Indonesien) sind. Die S.S.U. Montage und Demontage GmbH Linz tritt nach ihren Angaben lediglich als Koordinator und Vermittler der Arbeiten auf. Die Erhebungen der Arbeitsinspektion legen aber nunmehr den Schluss nahe, dass eine Überlassung im Sinne des § 9 ASchG vorliegt.

 

 

Auf Grund einer am 7. Juli 2005 zwischen dem Arbeitsinspektorat Linz und dem Vermieter des Sozialgebäudes 26 (VA-Stahl GmbH) durchgeführten Besprechung wurde erreicht, dass das Sozialgebäude 26 am 8. Juli 2005 geräumt wurde. Die Arbeitnehmer wurden in private Ausweichquartiere verlegt.

 

Überschreitungen der Arbeitszeit wurden bei der Kontrolle im Kraftwerk Simmering festgestellt und die S.S.U. Montage und Demontage GmbH wurde zur Behebung aufgefordert.

 

In einer Presseaussendung vom 7. Juli 2005 wurde das Handeln der Behörden von der Gewerkschaft Metall-Textil im gegenständlichen Fall im Übrigen als äußerst positiv und vorbildlich gelobt (APA267 5 WI 0296 II Siehe APA651/06.07 07.Jul 05).

 

 

Antwort zu den Punkten 5 und 8 der Anfrage:

 

Das AMS hat vor Erteilung von Entsendebewilligungen anhand der Anträge und der vorgelegten Unterlagen des österreichischen Auftraggebers zu prüfen, ob der beabsichtigte Einsatz der betriebsentsandten Arbeitskräfte keine Gefährdung der Lohn- und Arbeitsbedingungen der inländischen Arbeitnehmer mit sich bringt (§ 18 Abs. 10 i.V.m. § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG). Dies ist der Fall, wenn die Gewähr gegeben erscheint, dass die betriebsentsandten Arbeitskräfte für die Dauer ihrer Entsendung zu den in Österreich geltenden Lohn- und Arbeitsbedingungen beschäftigt werden. Auf Grund der Angaben der S.S.U. konnte das AMS zunächst davon ausgehen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Die Organe der KIAB sind bei ihren Kontrollen gesetzlich verpflichtet, das AMS bei jeder Abweichung der tatsächlichen Verwendung des Ausländers von der bewilligten zu verständigen. Anlässlich der konkreten Kontrollen bei der S.S.U. sind derartige Widersprüche, und zwar wesentliche Ver-letzungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen, bekannt geworden. Konsequenter Weise hat das Arbeitsmarktservice Wien die zuletzt bestehenden 36 Entsendebewilligungen unverzüglich widerrufen. Auf Grund der Ergebnisse weiterer Erhebungen der KIAB am Betriebsstandort in Linz wird auch das AMS Linz die zuletzt              bestehenden 54 Entsendebewilligungen widerrufen. Die 24 neu eingebrachten Anträge der Firma werden ebenfalls abgelehnt. 

 

 

Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:

 

Zum Abfragezeitpunkt 14. Juli 2005 verzeichnete das AMS 565 aufrechte Entsendebewilligungen die sich auf rund 50 Betriebe verteilen. Die Mehrzahl der Betriebsentsandten ist im Metallbereich und in der EDV-Technik beschäftigt.

 

 

Antwort zu Punkt 7 der Anfrage:

 

Es gibt kein gesondertes statistisches Material der Arbeitsinspektion zur Kontrolle von Betrieben, die „entsendete“ Arbeitskräfte beschäftigen, da sich die Kontrollen im Regelfall nicht allein auf die Arbeitsbedingungen der „entsendeten“ Arbeitskräfte beziehen, sondern auf die Arbeitsbedingungen im Unternehmen im Allgemeinen.

 

§ 7b Abs. 3 Z 4 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) sieht vor, dass die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung eine Abschrift der Meldung der Beschäftigung von Arbeitnehmer/innen, die zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, an das zuständige Arbeitsinspektorat zu übermitteln hat. Diese Regelung hat den Zweck, die Arbeitsinspektion in die Lage zu versetzen, eine Kontrolle der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen vor Ort durchzuführen.

 

Antwort zu Punkt 9 der Anfrage:

 

Erst mit der Entsendung der Arbeitskräfte nach Österreich entfalten die hier geltenden Rechtsvorschriften ihre Wirkung. Bei konkreten Hinweisen auf Missstände kann das Arbeitsmarktservice erteilte Bewilligungen widerrufen. Die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften wird für die in Österreich tätigen ausländischen Arbeitnehmer/innen im Zuge von Kontrollen am jeweiligen Arbeitsort in Österreich überprüft.

 

 

Antwort zu Punkt 10 der Anfrage:

 

Für die Erteilung der Entsendebewilligungen war nicht ausschlaggebend, ob die Demontage zum Zweck der Wiedererrichtung oder der Verschrottung einer Anlage erfolgt. Das AMS kann im Zuge der Arbeitsmarktprüfung auch nicht erzwingen, dass ein österreichisches Unternehmen konkrete Aufträge (hier die Verschrottung einer Anlage) ausschließlich an österreichische Unternehmen vergibt. Handelt es sich dabei um Arbeitsleistungen, die auch von inländischen Arbeitskräften erbracht werden können, kann das AMS die Bewilligungen der betriebsentsandten Arbeitskräfte des ausländischen Auftragnehmers versagen, wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass eine im Vergleich zur Zahl der offenen Stellen hohe Zahl von Arbeitsuchenden eines bestimmten Beschäftigungsbereichs (hier Spezialmonteure) zur Verfügung steht. Die konkrete Prüfung hat in den anfragegegenständlichen Fällen zu einem für die S.S.U. günstigen Ergebnis geführt.

 

 

Antwort zu Punkt 11 der Anfrage:

 

Ja, die betroffenen Geschäftstellen des AMS haben sowohl die zugrunde liegenden Verträge als auch die Lohnangaben anhand der geltenden Kollektivvertragsbestimmungen geprüft und hatten keinen Anlass, die Richtigkeit der Angaben der S.S.U. von vornherein in Frage zu stellen.

 

Antwort zu Punkt 12 der Anfrage:

 

Nach den Aufzeichnungen des AMS hat die S.S.U. nur einen ausländischen Mitarbeiter, der auch als Geschäftsführer des Unternehmens fungiert, in einem direkten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Dieser verfügt über eine Beschäftigungsbewilligung und ist zur Sozialversicherung angemeldet. Die für den Abbau von Maschinen und Anlagen betriebsentsandten Arbeitskräfte der ausländischen Unternehmen dürften nach den bisherigen Ermittlungen nicht sozialversichert gewesen sein.

 

 

Antwort zu Punkt 13 der Anfrage:

 

Angelegenheiten der internationalen Sozialversicherung fallen in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz.

 

 

Antwort zu Punkt 14 der Anfrage:

 

Ich halte die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen für Betriebsentsendungen grundsätzlich für ausreichend. Angesichts der zunehmenden grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen ist es aber sicher notwendig, die geltenden Regelungen effizient anzuwenden und ihre Einhaltung streng zu prüfen. Insofern sind ein weiterer Ausbau der Kontrollen und eine weiterhin intensive Zusammenarbeit der betroffenen Behörden anzustreben, um Umgehungen und Missbräuche zu verhindern und jedenfalls effizient zu ahnden.

 

 

Antwort zu Punkt 15 der Anfrage:

 

Nach den Aufzeichnungen des AMS sind die entsandten Arbeitskräfte nicht der S.S.U., sondern jeweils jenen ausländischen Unternehmen zuzurechnen, die die Anlagen zum Zweck der Wiedererrichtung oder Verschrottung gekauft haben. Bei der Erteilung der Entsendebewilligungen bestand jedenfalls kein Grund zur Annahme, die entsandten Arbeitnehmer würden in einem Arbeitsverhältnis zur S.S.U. stehen. Wie sich im Zuge der Kontrollen in Wien und in Oberösterreich herausgestellt hat, wurden geltende Lohn- und Arbeitsbedingungen, für deren Einhaltung die S.S.U. auch als Auftraggeber jedenfalls mitverantwortlich ist, gröblich verletzt.              

Das AMS hat daher die erteilten Entsendebewilligungen so rasch wie möglich widerrufen. Ob die entsandten Arbeitskräfte de facto in einem Arbeitsverhältnis zur S.S.U. gestanden sind und das indonesische Unternehmen nur als Arbeitsvermittler fungiert hat, wird in den anhängigen Strafverfahren noch genauer zu prüfen sein.

 

 

Antwort zu Punkt 16 der Anfrage:

 

Nach den Recherchen des AMS hat das Unternehmen jedenfalls eine Homepage im  Internet. Es ist registriert und hat seinen Sitz in Jl. Margomulyo Nr. 4 in Surabaya.