3399/AB XXII. GP

Eingelangt am 21.11.2005
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BM für Wirtschaft und Arbeit

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

Präsident des Nationalrates

Univ. Prof. Dr. Andreas KHOL

 

Parlament

1017 Wien

 

 

                                Wien, am 17. November 2005

 

                                Geschäftszahl:

                        BMWA-10.101/0120-IK/1a/2005

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 3441/J betreffend WTO-Ministerkonferenz in Hongkong, welche die Abgeordneten Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen am 21. September 2005 an mich richteten, stelle ich fest:

 

 

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

 

Derzeit sind in Genf intensive Verhandlungen im Gange, um noch im November   einen ersten Entwurf des Ministererklärungstextes für die Konferenz von 13.-18.12.2005 in Hongkong vorlegen zu können. Dieser Ministererklärungstext soll in einem "Bottom Up"-Prozess erstellt werden, also Einigungen über jedes Thema   einzeln.

 

 

Antwort zu Punkt 2 der Anfrage:

 

Die Verhandlungsposition der EU ist durch die Mandate, die seit 1999 vom EU-Rat verabschiedet wurden, festgelegt, zuletzt beim RAA/AB am 18. Oktober 2005. Ein ausgewogenes Gesamtergebnis in allen Verhandlungsbereichen ist für die EU Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde; dies betrifft insbesondere die Bereiche Landwirtschaft, Non Agricultural Market Access (NAMA), Dienstleistungen, aber auch Handelsregeln.

 

Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:

 

Die allgemeine Zielsetzung der EU und Österreichs ist die Fortführung weiterer Handelsliberalisierung auf Basis des Art. 20 WTO-Agrarabkommen mit dem Ziel, ein  faires und Markt orientiertes Handelssystem für Agrarprodukte zu schaffen.

 

Beim Exportwettbewerb betrifft dies die Beseitigung sämtlicher Exportförderungsmaßnahmen, was für die EU bedeutet, dass die Exportsubventionen auslaufen müssten. Österreich unterstützt die EU-Linie, welche die parallele Beseitigung aller Formen von Exportförderungsmaßnahmen (einschließlich Exportkredite, Nahrungsmittelhilfe und Staatshandelsunternehmen) voraussetzt.

 

Bei den internen Stützungen ist gemäß der Einigung, die am 1. August 2004 in Genf zwischen den WTO-Mitgliedstaaten erzielt wurde („Juli-Paket") der Abbau der     handelsverzerrenden Stützungen, insbesondere jene der Amber Box/de minimis Regelung vorgesehen. Betreffend die Green Box tritt Österreich dafür ein, dass diese weiterhin keine Deckelung aufweisen darf und die derzeitigen Kriterien weiterhin maßgeblich sein müssen.

 

Beim Marktzugang geht es um die Erfüllung der zuletzt im zitierten „Juli-Paket“ enthalten WTO-Vorgaben betreffend substantielle Verbesserungen des Marktzugangs unter Berücksichtigung einer von jedem WTO-Mitglied (die EU gilt hier als Einheit) festzulegenden angemessenen Anzahl von sensiblen Produkten.

 

Weiters ist gemäß dem „Juli-Paket" und dem EU-Verhandlungsmandat eine Berücksichtigung der "non-trade concerns/NTCs" erforderlich. Österreich unterstützt dies insbesondere hinsichtlich des Schutzes der ländlichen Entwicklung, Konsumentenschutz, Umweltschutz, Nahrungsmittelsicherheit und Tierschutz.

 

In Hinblick auf Entwicklungsaspekte tritt Österreich dafür ein, dass im Rahmen der WTO-Landwirtschaftsverhandlungen jeder WTO-Mitgliedstaat entsprechend seinen Möglichkeiten zu einer Verbesserung des Marktzuganges für Entwicklungsländer beiträgt. Dieser Grundsatz sollte im Wesentlichen auch auf alle anderen Verhandlungsbereiche Anwendung finden.

 

 

Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:

 

Die EU und Österreich unterstützen die Entwicklungsländer prinzipiell in ihrem Anliegen. Da jedoch zwei Drittel der WTO-Mitglieder den Entwicklungslandstatus in Anspruch nehmen, sollte eine gewisse Differenzierung unter den Entwicklungsländern gewährleistet sein, um den ärmsten Entwicklungsländern eine echte Hilfestellung bieten zu können.

 

 

Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:

 

Studien haben belegt, dass Handelsliberalisierung einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und Armutsbekämpfung leisten kann, sofern die Marktöffnung den Entwicklungsbedürfnissen angepasst ist, auf einem offenen und transparenten multilateralen Handelssystem basiert und von Ziel gerichteter technischer  Hilfe zum Kapazitätenaufbau begleitet ist.

Die Entwicklungsländer sind eine sehr heterogene Gruppe von Ländern mit entsprechend unterschiedlichem Entwicklungsniveau. So werden etwa Länder wie China oder Brasilien zu den Entwicklungsländern gezählt. Diese Länder waren aber in der Vergangenheit sehr gut in der Lage, von den Vorteilen des internationalen Handels zu profitieren, haben ein hohes Maß an Wettbewerbsfähigkeit erreicht und haben sich dementsprechend wirtschaftlich entwickelt, im Gegensatz etwa zu vielen afrikanischen Ländern oder insbesondere den am wenigsten entwickelten Ländern, die nicht in gleicher Weise von den sich ihnen bietenden Möglichkeiten Gebrauch      machen konnten.

 

Als weiterer Aspekt sei die zunehmende Bedeutung des Süd-Süd-Handels für Entwicklungsländer erwähnt. Der Süd-Süd-Handel ist in den letzten Jahren fast doppelt so schnell gewachsen wie der internationale Handel. Derzeit gehen mehr als 40% der Exporte von Entwicklungsländern in andere Entwicklungsländer. Doch gerade die Entwicklungsländer selbst halten noch ein relativ hohes Zollniveau aufrecht. Hier könnten gezielte Zollreduzierungen zusätzliche Handelsimpulse setzen.

Eine Diskussion zur Marktöffnung muss auch vor diesem Hintergrund gesehen und dementsprechend differenziert geführt werden und sollte sich nicht alleine auf die Problematik der Marktbeeinflussung durch subventionierte landwirtschaftliche Produkte beschränken. Diese Problematik wird ohnehin im Rahmen der Landwirtschaftverhandlungen entsprechend aufgegriffen.

 

In den laufenden Doha-Verhandlungen wird intensiv daran gearbeitet, diese unterschiedlichen Aspekte und Bedürfnisse zu berücksichtigen, damit das Verhandlungsergebnis tatsächlich auch zur gewünschten verstärkten Integration und wirtschaft-lichen Entwicklung insbesondere der wirtschaftlich schwächsten Länder führt. Dazu wird es aber notwendig sein, dass auch die entwickelteren Entwicklungsländer ihren Möglichkeiten entsprechend einen Beitrag leisten und muss frühzeitig Vorsorge getroffen werden für jene Länder, die gegebenenfalls nicht sofort von den Vorteilen der Verhandlungsergebnisse profitieren können. Hinsichtlich möglicher Marktzugangsverpflichtungen für die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) ist bereits jetzt im Verhandlungsmandat festgelegt, dass LDCs zu keiner weiteren Marktöffnung verpflichtet sind.

Dieser differenzierte Ansatz wird auch von der EU in den Doha-Verhandlungen mit Unterstützung Österreichs verfolgt.

 

 

Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:

 

Wesentliches Element der Doha-Verhandlungen ist die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Interessen der Entwicklungsländer und vor allem der LDCs. Gerade den LDCs mangelt es aber oft an der Möglichkeit (finanzielle Beschränkungen) oder Fähigkeit (mangelndes Fachpersonal), aktiv an den notwendigen Diskussionen und Entscheidungen teilzunehmen. Wichtig ist daher, dass hier verstärkt technische Hilfe zur Verfügung gestellt wird.

Österreich leistet daher bereits seit Jahren einen finanziellen Beitrag zum "Doha Development Agenda Global Trust Fund", dessen Aufgabe unter anderem die tech-nische Unterstützung zur Stärkung der Verhandlungsführung ist. Zudem hat Österreich einen finanziellen Beitrag geleistet, um den LDCs die Teilnahme an der WTO-Ministerkonferenz in Hongkong zu ermöglichen.

 

 

Antwort zu Punkt 7 der Anfrage:

 

Einleitend sei darauf hingewiesen, dass es sich bei der "Alles außer Waffen" - Initiative der EU (sog. EBA-Initiative) um eine unilaterale Regelung handelt, die grundsätzlich den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs) zu Gute kommt. Bedauer-licherweise wurde die EBA-Initiative bisher tatsächlich nicht in dem Ausmaß genutzt, wie es ursprünglich vorgesehen war. Analysen haben gezeigt, dass einer der Hauptgründe für die mangelnde Inanspruchnahme bei den Ursprungsregeln, einem wesentlichen Kriterium für den Präferenzzugang, liegt.

Österreich hat sich daher immer wieder dafür eingesetzt, dass die präferenziellen Ursprungsregeln inklusive der Kumulierung rasch einer Änderung unterzogen werden, um sie effizienter einsetzen zu können, vor allem im Hinblick auf die LDCs. Die EK bereitet bereits entsprechende Vorschläge vor.

 

In diesem Zusammenhang sei ergänzend angemerkt, dass nicht nur unilaterale Maßnahmen einzelner Länder ausschlaggebend sind, sondern auch entsprechende Verpflichtungen auf multilateraler Ebene. Die EU setzt sich daher auch im Rahmen der Doha-Verhandlungen dafür ein, dass auch die anderen Industrieländer und entwickelteren Entwicklungsländer, die dazu in der Lage sind, den LDCs einen ähnlichen zoll- und quotenfreien Marktzugang für ihre Produkte gewähren wie die EU durch die EBA-Initiative. Österreich hat die EK in dieser Forderung immer unterstützt.

 

 

 

Antwort zu Punkt 8 der Anfrage:

 

Das Streben nach ökologischer und sozialer Kostenwahrheit steht in enger Verbindung mit der Zielsetzung der Förderung von nachhaltiger Entwicklung, insbesondere im Zusammenhang mit der Berücksichtigung des Umweltschutzes und der sozialen Dimension.

In der WTO-Ministererklärung von Doha nimmt die Verwirklichung des Nachhaltigkeitszieles einen wichtigen Platz ein. Nachhaltige Entwicklung ist auch in den entsprechenden EU-Ratsschlussfolgerungen im Zusammenhang mit der Welthandelsrunde enthalten und wird von Österreich auf EU-Ebene mit Nachdruck verfolgt. Die EU und Österreich bemühen sich in der WTO aktiv für eine bessere Berücksichtigung von Umweltzielen und sozialen Kernarbeitsnormen im Welthandel.

 

Gemäß der WTO-Ministererklärung von Doha sollen handels- und umweltpolitische Ziele sich gegenseitig unterstützen (siehe insbesondere Abs. 6). Umweltthemen werden insbesondere in Abs. 31 (Verhandlungen, vor allem im Zusammenhang mit der Klärung des Verhältnisses von multilateralen Umweltabkommen/MEAs zur WTO beziehungsweise betreffend verstärkte Handelsliberalisierung von Umweltgütern und -dienstleistungen), Abs. 32 (schwerpunktmäßige Arbeiten des WTO-Komitees für Handel und Umwelt, unter anderem betreffend Umweltkennzeichen) sowie Abs. 33 (technische Unterstützung und Kapazitätsaufbau im diesem Bereich) angesprochen.

Betreffend soziale Entwicklung gibt es bisher in der WTO bedauerlicherweise insbesondere aufgrund des noch immer anhaltenden Widerstands der Entwicklungsländer nur Ansätze (insbesondere Abs. 8 der Ministererklärung von Doha).

Darin wird ein Bezug zur Erklärung der WTO-Minister in Singapur und zu internationalen Kernarbeitsnormen hergestellt sowie auf die Arbeit der ILO verwiesen. Trotz oder gerade wegen der enttäuschenden Fortschritte auf WTO-Ebene haben aber die Arbeiten in der ILO an Dynamik gewonnen. Österreich sieht die Einbeziehung des Themas „Handel und Soziales“ in die WTO als langfristiges Ziel. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, dass Österreich sich im Rahmen der EU sehr dafür einsetzt, dass „non-trade concerns“ (wozu auch Umweltschutz, Nahrungsmittel-sicherheit und Förderung der ländlichen Entwicklung gehören) in den WTO-Landwirtschaftsverhandlungen berücksichtigt werden.

 

 

Antwort zu Punkt 9 der Anfrage:

 

Auf Grund des Drucks der EU ist es in Doha gelungen, die Klärung des Verhältnisses zwischen multilateralen Umweltabkommen und den WTO-Bestimmungen als Verhandlungsauftrag in der neuen Runde festzulegen. Diese Thematik wird entsprechend Abs. 31 (i) der Ministererklärung von Doha im Rahmen der Verhandlungen zu Handel und Umwelt diskutiert.

Österreich hat sich zusammen mit der EU stets für die Gleichrangigkeit der Regelungen in beiden Bereichen ausgesprochen und wird auch weiterhin an dieser Position festhalten.

In der letzten Zeit wurde in der WTO insbesondere auch die Notwendigkeit eines kohärenten Vorgehens auf nationaler Ebene zwischen den Politikbereichen Handel und Umwelt betont; dem wird in Österreich durch entsprechende innerstaatliche Abstimmung zwischen den Ressorts Rechnung getragen.