3413/AB XXII. GP

Eingelangt am 25.11.2005
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BM für Gesundheit und Frauen

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

 

 

Herrn

Präsidenten des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

Parlament

1017 Wien

 

 

 

GZ: BMGF-11001/0124-I/3/2005

Wien, am      23. November 2005

 

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 3456/J der Abgeordneten Mag. Johann Maier und GenossInnen wie folgt:

 

Fragen 1, 2 und 4:

Nach den meinem Ressort vorliegenden Informationen hat es bisher keine fundierte Grundlagenforschungsstudie gegeben, die Aufschluss über die Zahl der betroffenen Internetsüchtigen in Österreich gibt.

 

Es darf an dieser Stelle jedoch darauf hingewiesen werden, dass es in Fachkreisen generell als umstritten gilt, ob und wann von einer Internetsucht gesprochen werden kann. Das Internet stellt keine Droge im eigentlichen Sinne dar und bedingt als Medium auch keine Sucht, sondern es bedarf einer gewissen Bereitschaft von Seiten der Benutzer/innen, um suchtinduzierte Potenziale im allgemeinen Bereich des Internet aufzufinden. Als Risikogruppen werden in Fachkreisen angenommen: Patient/inn/en mit unreifer Ich-Struktur, mit positiver Suchtanamnese, mit depressivem Symptom, Patient/inn/en mit hypomanischen Attacken und/oder narzisstischen Persönlichkeitsstörungen. Im Übrigen stellt sich das Phänomen der Sucht nicht von heute auf morgen ein, sondern stellt einen dynamischen Prozess dar.

 

Frage 3:

Derzeit finden sich keine Kriterien in den üblichen Diagnosemanualen (ICD-10 bzw. DSM-IV), die eine Diagnose der Internetsucht erlauben (siehe auch die Antwort zu Frage 8). Abgeleitet von den diagnostischen Kriterien von Sucht allgemein werden in Fachkreisen folgende Kriterien für die Diagnose von Internetsucht empfohlen:

 

 

Frage 5:

Das Surfen im World Wide Web oder die Benutzung des E-Mail-Verkehrs lassen keine suchtinduzierten Potenziale vermuten. Bezüglich der Verwendung von MUD´S (Computerspiele im virtuellen Raum) oder des Einloggens in Chatrooms wird in Fachkreisen die Befürchtung geäußert, dass Anwender/innen sozial isoliert werden und vereinsamen bzw. soziale Kontakte vernachlässigen und dadurch soziale Kompetenzen verkümmern. Dem gegenüber werden jedoch auch Beispiele genannt, wo Personen eben über das Medium Internet soziale Kontakte aufbauen und pflegen bzw. über den Gebrauch des Internets ihre (Frei-)zeit konstruktiver nutzen als ohne.

 

Frage 6:

Derzeit sind keine derartigen Projekte geplant.

 

Frage 7:

Nach den meinem Ressort vorliegenden Informationen sind keine großen Studien in anderen EU-Mitgliedstaaten bekannt.

 

Fragen 8 bis 12:

Eine konkrete Ausformulierung der Internetsucht ist – wie bereits zu Frage 3 festgehalten – in der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10-Code) nicht bekannt. Man könnte allerdings die Internetsucht unter dem ICD-Code F63 (abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle) und hier insbesondere unter F63.9 (abnorme Gewohnheit und Störung der Impulskontrolle, nicht näher bezeichnet) einordnen.

Die Leistungspflicht der Krankenversicherung besteht gemäß § 120 Abs. 1 Z 1 ASVG dann, wenn ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand eine Krankenbehandlung notwendig macht.

 

Die Notwendigkeit der Krankenbehandlung ist im Zusammenhang mit den Zielen der Krankenbehandlung zu sehen. Die Krankenbehandlung soll gemäß § 133 Abs. 2 ASVG die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederherstellen, festigen oder bessern.

 

Der der Internetsucht zugrundeliegende regelwidrige Körper- oder Geisteszustand kann so gestaltet sein, dass er zu einer Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit und der Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, führt, und damit die Krankenbehandlung notwendig macht.

Das wird jedoch nicht immer der Fall sein, womit der Anspruch vom Einzelfall abhängt.

 

Wenn aber das Ausmaß der Internetsucht eine Krankenbehandlung notwendig macht, werden – wie bei jedem anderen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand – die Kosten der Behandlung von der Krankenversicherung übernommen.

 

Hingewiesen sei darauf, dass die Auswirkungen der Internetsucht nicht zwingend die Gesundheit oder die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen gefährden, sondern vielmehr deren materielle Existenzgrundlagen. Die Beseitigung solcher Gefährdungen, die auch durch andere Faktoren eintreten können, ist aber keine Aufgabe der Krankenversicherung. Diese Auswirkungen der Internetsucht können nur im Rahmen einer sozialtherapeutischen Begleitung bzw. Betreuung bekämpft werden, die aber nach dem oben Gesagten nicht in den Aufgabenbereich der Krankenversicherung fällt.

 

Frage 13 und 14:

Mein Ressort verfügt über keine diesbezüglichen Daten bzw. Informationen.

 

Fragen 15, 17 und 18:

Derzeit gibt es keine eigenen stationären Einrichtungen zur Behandlung von Personen mit „Internetsucht“. Diese Patient/innengruppe wird entweder im Rahmen der vorhandenen Abteilungen für Psychiatrie oder in Einrichtungen/Abteilungen zur Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen versorgt.

 

Die Suchterkrankung hat eine multifaktorielle Genese und bedarf daher auch in der Behandlung verschiedener Methoden und Ansätze. In Österreich wird daher großer Wert auf die Diversifikation der Behandlungsmöglichkeiten gelegt. In diesem Sinne werden Angebote zur Beratung, Betreuung und Behandlung suchtkranker Personen sowohl durch spezialisierte Einrichtungen als auch im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsversorgung (z.B. psychiatrische Krankenhäuser, psychosoziale Dienste, niedergelassener Bereich) bereitgestellt.

 

Meinem Ressort sind folgende Krankenanstalten in Österreich bekannt, die - neben anderen Suchterkrankungen - auch Zielgruppen im Suchtbereich ohne Substanzproblematik betreuen:

 

 

 

Ø      Kärnten

        Krankenhaus de La Tour Behandlungszentrum Abhängigkeitserkrankungen

        Zentrum für seelische Gesundheit an der psychiatrischen Abteilung des LKH Klagenfurt

 

Ø      Niederösterreich

        Suchtberatung Baden

        in Planung: Suchtberatung Wr. Neustadt

 

Ø      Steiermark

        Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, neurologisch-psychiatrische Abteilung

 

Ø      Tirol

        Universitätsklinik Innsbruck, Psychiatrische Ambulanz

 

Ø      Vorarlberg

        Krankenhaus Maria Ebene, Stiftung Maria Ebene

        Therapiestation Carina, Stiftung Maria Ebene

 

Ø      Wien

Prinzipiell wird an allen psychiatrischen Abteilungen des Wiener Krankenanstaltenverbundes jede Form von Sucht behandelt. Im Besonderen bzgl. Internetsucht u.a.:

        Anton-Proksch-Institut (A.P.I.) Wien, Ambulanz Zichystrasse 4

 

In der Beilage ist eine Auflistung jener stationären Einrichtungen angeschlossen, die auch "Zielgruppen ohne Substanzproblematik“ (Alkohol, Drogen, Medikamente) behandeln. Darunter fallen beispielsweise Personen mit Essstörungen, aber auch Personen mit anderen, nicht-substanzgebundenen Suchterkrankungen (z.B. Internetsucht).

 

Im elektronischen "Österreichischen Suchthilfekompass", der vom ÖBIG im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen und in Kooperation mit dem Anton Proksch Institut (API) erstellt wurde, sind Einrichtungen zur stationären und ambulanten Therapie von Abhängigkeitserkrankungen erfasst (vgl. http://suchthilfekompass.oebig.at). Die Behandlung von Personen mit "Internetsucht" wurde dabei nicht explizit erfasst.

 

Frage 16:

Zum Erfolg einer ambulanten oder stationären Therapie bei Internetsucht lässt sich aufgrund fehlender Studien derzeit keine Aussage treffen.

 

Fragen 19 und 21:

Zu einem umfassenden therapeutischen Angebot, das spezifisch auf die Problematik von „Internetabhängigkeit“ ausgerichtet ist, gehören neben klinisch-psychologischer bzw. psychotherapeutischer Therapie (Einzel-, Paar- und/oder Gruppentherapie) auch eine eigens konzipierte Sozialberatung sowie psychiatrische Konsultation/Behandlung, Einzelbetreuung bzw. -beratung für Angehörige und therapeutisch geleitete Gruppen für Angehörige.

 

Die Behandlung pathologischer Internetsüchtiger in Österreich erfolgt meist in ambulanten Einrichtungen für unterschiedliche Suchterkrankungen ohne spezifisches Angebot für Internetsüchtige.

 

Bei Krankheitseinsicht besteht für die Betroffenen selbstverständlich die Möglichkeit, klinische Psychologinnen bzw. Psychologen bzw. Psychotherapeutinnen bzw. Psychotherapeuten in freier Praxis aufzusuchen, die als Angehörige der Gesundheitsberufe auch für Internetsüchtige zur Verfügung stehen.

 

Derzeit gibt es in Österreich etwa 5890 Psychotherapeutinnen bzw. Psychothera­peuten und etwa 4420 klinische Psychologinnen bzw. Psychologen, die in die vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen geführten Liste eingetragen sind.

 

Entsprechend den vom Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie ge­führten Aufzeichnungen sind 350 Psychotherapeutinnen bzw. Psychotherapeu­ten auf die Behandlung von Suchtkranken spezialisiert. Die Aufzeichnungen des Berufsverbandes österreichischer Psychologinnen und Psychologen lassen auf eine Spezialisierung auf die Behandlung von Suchterkrankungen von etwa 130 klinischen Psychologinnen bzw. Psychologen schließen.

 

Frage 20:

Grundsätzlich fallen Angelegenheiten der Abhängigkeitserkrankungen (hinsichtlich der Problematik der Einstufung der „Internetsucht“ in der internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme darf ich auf meine Ausführungen zu den Fragen 8 bis 12 verweisen) primär in die Zuständigkeit der Abt. III/B/9, medizinische Aspekte in die Zuständigkeit der Abt. III/A/3. Sozialversicherungsrechtliche, krankenanstaltenrechtliche sowie ärzte- und psychotherapeutenrechtliche Aspekte gehören in den Zuständigkeitsbereich der Sektion I, Informationen im Zusammenhang mit dem einschlägigen Leistungsangebot auf Krankenanstaltenebene liegen im Zuständigkeitsbereich der Sektion IV.

 

Fragen 22 bis 24:

Im psychosozialen Feld werden, vor allem im Kinder- und Jugendlichenbereich, regelmäßig Aktivitäten zur Aufklärung und Vorbeugung von Sucht gesetzt. Ansatzpunkte für die Präventionsarbeit im Suchtbereich richten sich vor allem an die Primärprävention, d.h. Maßnahmen, die schon im Vorfeld der Entstehung des Problems ansetzen. Zur Suchtvorbeugung sind vor allem die Reduktion von Risikofaktoren und die Stärkung der personalen sozialen Kompetenzen der Heranwachsenden, die als Schutzfaktoren gelten, indiziert. Weitere legislative Maßnahmen werden derzeit nicht als notwendig erachtet, vor allem weil unter anderem den Maßnahmen der Sekundärprävention oder Tertiärprävention im Hinblick auf das Fehlen von klinischen Fallstudien zum Thema „Internetsucht“ die Grundlage hierfür fehlen würde.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Maria Rauch-Kallat

Bundesministerin

Beilage

 

 

 

 

 

 

 

Bundesland

Einrichtung

PLZ

Ort

Kärnten

Krankenhaus de La Tour Behandlungszentrum Abhängigkeitserkrankungen

9521

Treffen

Kärnten

Zentrum für seelische Gesundheit an der psychiatrischen Abteilung des LKH Klagenfurt

9026

Klagenfurt

Emmausgemeinschaft St. Pölten - Wohnheim Herzogenburgerstraße

3100

St. Pölten

Emmausgemeinschaft St. Pölten

3100

St. Pölten

Emmausgemeinschaft St. Pölten - Auffangnetz - Notschlafstelle für Männer

3100

St. Pölten

Grüner Kreis, Sozialhilfeeinrichtung Villa

2851

Krumbach

Grüner Kreis, Jugendwohlfahrts- und Sozialhilfeeinrichtung Binder

2872

Mönichkirchen

Grüner Kreis, Sozialhilfeeinrichtung Ettlhof

2812

Lichtenegg

Grüner Kreis, Sozialhilfeeinrichtung Königsberghof

2842

Thomasberg

Grüner Kreis, Jugendwohlfahrts- und Sozialhilfeeinrichtung, Sonderkrankenhaus, Eltern-Kind-Haus Marienhof

2870

Aspang

Grüner Kreis, Sozialhilfeeinrichtung Meierhof

2870

Aspang

Grüner Kreis, Sozialhilfeeinrichtung Treinthof

2851

Krumbach

Grüner Kreis, Jugendwohlfahrts- und Sozialhilfeeinrichtung Waldheimat

2872

Mönichkirchen

Verein Wohnen und Arbeit

3390

Melk

Steiermark

Caritas Aloisianum

8020

Graz

Steiermark

Grüner Kreis, Sozialhilfeeinrichtung Johnsdorf

8350

Fehring

Steiermark

Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, neurologisch-psychiatrische Abteilung, stationär

8020

Graz

Vorarlberg

Krankenhaus Maria Ebene, Stiftung Maria Ebene, stationär

6820

Frastanz

Vorarlberg

Therapiestation Carina, Stiftung Maria Ebene

6800

Feldkirch