3553/AB XXII. GP
Eingelangt am 12.01.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für auswärtige Angelegenheiten
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen haben am
15. November 2005 unter der Nr. 3604/J-NR/2005 an mich eine schriftliche parlamentarische
Anfrage betreffend „Fortschrittsbericht 2005 für die Türkei“ gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 bis 3:
Der
Fortschrittsbericht ist ein seit 1998 routinemäßig jährlich fälliger Bericht,
der von der
Kommission gegen Jahresende vorgelegt wird. Der von Ihnen angesprochene
Fortschrittsbericht vom 9. November 2005,
der im Übrigen auch feststellt, dass die Türkei
weiterhin in ausreichendem Maße die politischen Kriterien von Kopenhagen
erfüllt, ist von
den abschließenden Verhandlungen des Verhandlungsrahmens vom 3. Oktober
2005
unabhängig zu betrachten.
Der
Beschluss zur Verhandlungsaufnahme mit der Türkei wurde bereits durch den
Europäischen Rat vom 16./17. Dezember 2004 auf Basis des Berichts und der
Empfehlung
der Europäischen Kommission vom 6. Oktober 2004 gefasst. Dieser Beschluss war
an die
Bedingungen des Inkrafttretens der von der Europäischen Kommission geforderten
Gesetze
(Vereinsgesetz, Strafgesetz, Gesetz über
Berufungsgerichte, Strafprozessordnung, Gesetz über
Gerichtspolizei, Strafvollzugsgesetz) und der Unterzeichnung des
Zusatzprotokolls zum
Ankara-Abkommen geknüpft. Diese Voraussetzungen waren in der Türkei ab dem 29.
Juli
2005 gegeben.
Was den Verhandlungsrahmen für die Türkei betrifft, so waren die
Grundparameter bereits im
Dezember 2004 nicht
zuletzt aufgrund der Bemühungen der österreichischen
Bundesregierung so gestaltet worden, dass
es möglich sein wird, bei mangelnden Fortschritten
hinsichtlich der Erfüllung der politischen Kriterien in der Türkei im
Verlauf des
Verhandlungsprozesses auch entsprechend reagieren zu können.
In
den abschließenden Verhandlungen des Verhandlungsrahmens am 3. Oktober 2005 ist
es
Österreich darüber hinaus bekanntlich gelungen, trotz des ursprünglichen
Widerstands aller
24 anderen Mitgliedstaaten weitere Klarstellungen betreffend die Aufnahmefähigkeit
der EU
und die faire finanzielle Lastenverteilung im Fall eines türkischen Beitritts
in den
Verhandlungsrahmen einzubeziehen. Für diese
Verbesserungen im Verhandlungsrahmen habe
ich mich in den Verhandlungen vom 3. Oktober konsequent eingesetzt und
sie schließlich
auch durchgesetzt.
Zu Frage 4:
Die Entwicklungen im Bereich der Menschenrechte in der
Türkei sind derzeit nicht zufrieden
stellend.
Österreich
hat daher seit der Veröffentlichung des Fortschrittsberichts deutlich auf die
aufgezeigten Defizite hingewiesen und sich
dafür eingesetzt, dass diese Mängel auch in den
entsprechenden Dokumenten, wie etwa der Beitrittspartnerschaft sowie in
den
Schlussfolgerungen zur Erweiterung des Rates für Allgemeine Angelegenheiten/
Außenbeziehungen vom 12. Dezember 2005, ihren Niederschlag finden.
Zu Frage 5:
Die Kommission entscheidet bei der Redaktion des
Fortschrittsberichtes selbständig und ist an
keine Vorgaben der
Mitgliedsstaaten gebunden. Es ist bedauerlich, dass in diesem speziellen
Punkt der Fortschrittsbericht nicht ausreichend detaillierte Informationen
enthält, wenngleich
ich auch darauf hinweise, dass im Bericht 2005 Vergleichszahlen der
Menschenrechts-
vereinigung für das erste Quartal genannt werden (S.133). Insgesamt gesehen
zeichnet die
Bewertung der Kommission ein zutreffendes
Bild der politischen und wirtschaftlichen Lage in
der Türkei.
Zu den Fragen 6 und 7:
Der
Fortschrittsbericht der Kommission vom 9. November 2005 bestätigte die
Feststellung
des Europäischen Rates vom 16./17. Dezember
2004, dass die Türkei die politischen Kriterien
von Kopenhagen für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen hinreichend
erfüllt.
Selbstverständlich wird die Türkei die Kopenhagener
Kriterien vollständig zu erfüllen haben.
Das wird von Österreich immer wieder betont und von der Kommission gegenüber
der Türkei
wiederholt erklärt.
Diese
Haltung spiegelt sich auch in der Beitrittspartnerschaft wieder, die nach
Prioritäten gereiht kurz- und mittelfristig
zu erfüllende Ziele formuliert. Die dabei erzielten
Fortschritte werden durch die in der Beitrittspartnerschaft festgelegten
Mechanismen
überwacht. Jede Verzögerung bei der Umsetzung wirkt sich automatisch negativ
auf die
Beitrittsverhandlungen aus und kann auch zur Aussetzung der Verhandlungen
führen.
Zu den Fragen 8 und 9:
Österreich hat bereits beim Rat Allgemeine Angelegenheiten / Außenbeziehungen am
12. Dezember 2005 eine Berücksichtigung der Ergebnisse des Fortschrittsberichts verlangt.
Auch
in Hinkunft wird Österreich fordern, dass die Ergebnisse des
Fortschrittsberichtes
inhaltlich in den mit der Türkei
zusammenhängenden Positionen der EU reflektiert werden
und damit auch entsprechend in den Verhandlungsprozess einfließen
können.
Zu den Fragen 10 und 11:
Die
Beitrittspartnerschaft sieht als ein kurzfristiges Ziel eine absolute
Einhaltung der
Menschenrechte innerhalb von 1-2
Jahren vor. Sollte eine entsprechende Bewertung
innerhalb der EU zum Schluss kommen, dass systematische
Menschenrechtsverletzungen
nach dieser Frist vorkommen, wird das
entsprechende Auswirkungen auf den Fortgang der
Verhandlungen haben.
Zu Frage 12:
Der Beschluss zur Eröffnung der Verhandlung einzelner
Kapitel hängt vom Ergebnis des
derzeit laufenden
Screenings der Kommission und vom einstimmigen Beschluss der
Mitgliedstaaten ab.