3719/AB XXII. GP

Eingelangt am 09.03.2006
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Inneres

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

DVR:0000051

 

 

 

 

Herrn

Präsidenten des Nationalrates

Parlament

1017 Wien

 

 

 

 

 

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Posch und GenossInnen  haben am 17. Jänner 2006 unter der Nummer 3795/J-NR/2006 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Erlassung eines Durchführungserlasses zur `Zwangsernährung´“ gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 bis 3:

Das im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Justiz erarbeitete und unter GZ. BMI-LR1320/0020-II/3/2005 vom 13. Dezember 2005 ergangene Rundschreiben gilt ab 1. Jänner 2006 und hat folgenden Wortlaut:

 

„Allgemeines

Am 1.1.2006 tritt das neue Fremdenpolizeigesetz (FPG) in Kraft, das im Bereich des Schubhaftvollzugs einige bedeutsame Änderungen bringen wird.

 

Eine zentrale Bestimmung bildet der § 78 Abs.6 FPG, dem gemäß die zuständige Fremdenpolizeibehörde den Leiter des gerichtlichen Gefangenenhauses Wien um den Vollzug der Schubhaft ersuchen kann, wenn

 

Der Leiter des gerichtlichen Gefangenenhauses Wien Justizanstalt Wien-Josefstadt hat dem

Ersuchen zu entsprechen, soweit eine sachgemäße medizinische Behandlung und Betreuung des Betroffenen im Hinblick auf die Auslastung und Ausstattung der Einrichtungen, die die erforderliche Behandlung gewährleisten, möglich ist.

 

Die praktische Anwendung dieser Bestimmung setzt somit ein enges Zusammenwirken von

Ärzten, Fremdenpolizeibehörden und der Justizverwaltung voraus, welches in diesem Erlass

im Detail dargestellt werden soll.

 

1. Präventivmaßnahmen im Bereich des BM.I

Vorauszuschicken ist zunächst, dass das Bundesministerium für Inneres durch Erweiterung des Informationsblattes für Schubhäftlinge sowie Einbindung der Schubhaftbetreuungsorganisationen Vorsorge dafür trifft, angehaltene Fremde über die geänderte Rechtslage zu informieren und darauf hinzuweisen, dass Hungerstreik oder Selbstverletzung nicht mehr notwendigerweise die Entlassung aus der Schubhaft zur Folge haben.

 

2. ärztliche Mitteilung

Dass eine sachgerechte medizinische Behandlung aufgrund des Gesundheitszustandes, der vom Fremden selbst herbeigeführt worden ist, im PAZ nicht oder nicht mehr möglich ist, muss vom Arzt beurteilt werden. Überdies hat der Arzt festzustellen,

 

Folgende Parameter spielen dabei eine Rolle:

 

Sollte von Seiten des diensthabenden Polizeiarztes ein derartiger Fall auftreten und die Notwendigkeit einer Verlegung vorhersehbar sein, wird ehestens ein Konsilium zwischen dem Arzt des Polizeigefangenenhauses und dem Leiter der JA Wien-Josefstadt zur Klärung der Kapazitätsfrage und unter Beiziehung des diensthabenden Arztes der Sonderkrankenanstalt der JA zur Frage der Eignung der Ausstattung in Bezug auf den konkreten Einzelfall durchgeführt. Für die Beurteilung der für eine konkrete Übernahme erforderlichen Belagskapazität ist eine ärztliche Prognose über die voraussichtlich erforderliche Aufenthaltsdauer in der Sonderkrankenanstalt der JA Wien-Josefstadt zu erstellen. Zu den Gründen für eine Verlegung in die JA Wien-Josefstadt ist auf die eingangs genannten medizinischen Parameter zu verweisen. Die Verständigung der Justiz sollte bereits frühzeitig erfolgen, um der JA Wien- Josefstadt eine entsprechende Vorlaufzeit einzuräumen.

 

Die zuständige Fremdenpolizeibehörde ist unverzüglich über die medizinischen Feststellungen zu verständigen.

 

3. Feststellung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen durch Fremdenpolizeibehörde

Die zuständige Fremdenpolizeibehörde hat unmittelbar nach Erhalt der ärztlichen Mitteilung zu beurteilen, ob im konkreten Einzelfall die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durchsetzbar sind und die Abschiebung möglich ist. Im Falle mitgeteilter Haftunfähigkeit ist die Schubhaft wie bisher, unabhängig vom jeweiligen Verfahrensstand, aufzuheben.

 

Eine Abschiebung ist im Sinne des Gesetzeswortlautes dann möglich, wenn der Fremde über ein Reisedokument oder Ersatzreisedokument verfügt bzw. wenn die Ausstellung eines solchen beantragt wurde und aus der Erfahrung mit der zuständigen Vertretungsbehörde bekannt ist, dass eine Ausstellung zeitnah erfolgt. Eine Abschiebung ist weiters möglich, wenn der Termin für die Außerlandesbringung bereits feststeht.

 

Soweit die Außerlandesbringung bereits konkret organisiert ist, ist zu prüfen, ob der Gesundheitszustand des Fremden eine Ab- oder Zurückschiebung zum festgesetzten Termin zulässt und ist diese gegebenenfalls wie geplant durchzuführen. Dies wird etwa auf Fälle zutreffen, in denen der Fremde seinen Hungerstreik gerade begonnen hat, in einer guten körperlichen Gesamtverfassung ist, d.h. aus medizinischer Sicht keine Hindernisse für eine Außerlandesbringung vorliegen, und der Termin für die Außerlandesbringung zeitnah festgesetzt ist.

 

Die Effektuierung fremdenpolizeilicher Maßnahmen ist der Überstellung in die Sonderkrankenanstalt der Justizanstalt Wien-Josefstadt jedenfalls vorzuziehen, sodass diese nur das letzte und aus medizinischer Sicht gebotene Mittel darstellt.

 

4. Befassung des Bundesministeriums für Inneres

Liegen die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen vor und ist eine Außerlandesbringung nicht unmittelbar durchführbar, so ist das Bundesministerium für Inneres, Abteilung II/3, unverzüglich mit dem konkreten Einzelfall zu befassen und sind alle Unterlagen, die für die  Überprüfung, ob es sich um einen Anwendungsfall des § 78 Abs.6 handelt, vorzulegen. Den zu übermittelnden Unterlagen ist eine aktenmäßig dokumentierte Beurteilung der Verhältnismäßigkeit gem. § 53d VStG, die jedem Übernahmeersuchen voranzugehen hat, anzuschließen.

 

Ob ein Ersuchen an den Leiter der Justizanstalt Wien-Josefstadt ergeht, ist somit an die vorherige Zustimmung des Bundesministeriums für Inneres gebunden. Die Entscheidung ist ohne unnötigen Aufschub der zuständigen Fremdenpolizeibehörde bekannt zugeben.

 

5. Ersuchen an Leiter des gerichtlichen Gefangenenhauses Wien

Nach Vorliegen der Zustimmung durch das Bundesministerium für Inneres hat die Fremdenpolizeibehörde an den Leiter des gerichtlichen Gefangenenhauses heranzutreten. Ihm sind alle bezughabenden Unterlagen zu übermitteln, insbesondere auch das medizinische Gutachten. Lehnt der Leiter des gerichtlichen Gefangenenhauses die Überstellung ab, hat die Fremdenpolizeibehörde, soweit zu diesem Zeitpunkt keine vom Arzt festgestellte Haftunfähigkeit beim Betroffenen eingetreten ist, die Anwendung des § 78 Abs.7 FPG zu prüfen und eine Überstellung des Fremden in ein öffentliches Krankenhaus zu erwägen.

 

6. Zentralisierung beim PAZ Wien

Soweit die Zustimmung des Leiters des gerichtlichen Gefangenenhauses Wien vorliegt, hat die zuständige Fremdenpolizeibehörde, soweit ihr Wirkungsbereich außerhalb Wiens liegt, die Überstellung des Fremden in das PAZ Wien zu veranlassen, gegebenenfalls mittels Sanitätsfahrzeug.

 

Das PAZ Wien veranlasst sodann die Überstellung in das gerichtliche Gefangenenhaus. Einem Ersuchen des Leiters der Justizanstalt Wien-Josefstadt um Unterstützung bei der Betreuung übernommener Fremder durch die Schubhaftbetreuungsorganisationen ist zu entsprechen.

 

7. Evaluierungsgespräche BM.I- BMJ

Vertreter des BM.I und BMJ werden in regelmäßigen Abständen, jedenfalls aber anlassbezogen, die Anwendung des § 78 Abs.6 FPG evaluieren.“

 

 

Zu Frage 4

Nein.   

 

 

Zu Frage 5

Eine derartige Prognose kann nicht gemacht werden.