3731/AB XXII. GP
Eingelangt am 10.03.2006
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für
Justiz
Anfragebeantwortung

DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0001-Pr
1/2006
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 3778/J-NR/2006
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „schon schützenswerte Kreise im Wohnbereich“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 3:
Die Entwicklung des Mietrechts seit dem In-Kraft-Treten des Mietengesetzes 1922 sowie die parallel dazu beobachtbare Veränderung der faktischen Gegebenheiten am Wohnungsmarkt haben gezeigt, dass es zwischen der gesetzlichen Begrenzung des Mietzinses und der Bereitschaft von potenziellen Vermietern, ihre Objekte einer Vermietung zuzuführen, einen deutlich erkennbaren Zusammenhang gibt. Es liegt auch auf der Hand, dass sich ein Hauseigentümer in der Regel nur dann zur Vermietung einer Wohnung oder Geschäftsräumlichkeit – die für ihn ja nicht nur eine längerfristige Beschränkung seiner Verfügungs- und Nutzungsmöglichkeiten am vermieteten Objekt, sondern auch erhebliche Pflichten, wie beispielsweise die Erhaltungspflicht, mit sich bringt – entschließen wird, wenn er auch einen entsprechenden ökonomischen Nutzen aus der Vermietung ziehen kann. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, weil starre gesetzliche Obergrenzen nur einen sehr niedrigen Mietzins erlauben, so werden Hauseigentümer häufig von einer Vermietung ihrer Objekte Abstand nehmen. Ich habe diesen Zusammenhang zwischen Mietzinsregelung und Vermietungsbereitschaft auch durch zahlreiche, aus Anlass der Novelle geführte Gespräche bestätigt gefunden.
Aus diesem Verhältnis erklärt sich auch, dass sich der Wohnrechtsgesetzgeber im Lauf der Jahrzehnte immer wieder zwischen Beschränkung und Freigabe der Mietzinse hin- und herbewegt hat. So statuierte auch das Mietrechtsgesetz zum Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens im Jahr 1982 ein sehr strenges Mietzinsregime, nämlich das Kategoriesystem mit fixen Obergrenzen auf niedrigem Niveau, was letztlich dazu führte, dass die Mietzinse in den nicht mietzinsbeschränkten Segmenten des Wohnungsmarktes stark anstiegen und im Übrigen hohe Ablösesummen verlangt und trotz gesetzlicher Verbote auch bezahlt wurden. Im Hinblick auf diese Entwicklung wurde sodann im Jahr 1993 das Mietzinsrecht grundlegend verändert: Mit dem 3. Wohnrechtsänderungsgesetz wurde das Kategoriesystem durch das auch heute noch geltende Richtwertsystem mit seinen flexiblen Mietzinsobergrenzen ersetzt. Die Einführung des Richtwertsystems erfolgte im Übrigen unter einer von der SPÖ geführten großen Koalition; und es sah diese große Koalition auch bis zum Ende des Jahres 1999 keinen Anlass zur Änderung dieses Regelungskonzepts etwa in Richtung neuerlicher betraglicher Fixgrenzen.
Zu 4:
Der durch das Mietrechtsgesetz gewährte Rechtsschutz ist „typisiert“, er knüpft also an die Mieterposition an, unabhängig davon, ob der Mieter im Konkreten etwa im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse oder auf seinen Wissensstand schutzwürdig erscheint. Das Mietrecht schützt den gänzlich rechtsunkundigen Mindestrentner als Mieter ebenso wie einen Großkonzern, der als Mieter auftritt, oder dessen Manager oder einen auf das Wohnrecht spezialisierten Rechtsanwalt. Auch andere Schutzrechte sind so konzipiert, wie beispielsweise das Konsumentenschutzgesetz, das an den Begriff des Verbrauchers anknüpft. Eine solche Typisierung des Rechtsschutzes ist aus Gründen der Rechtssicherheit, aber auch im Hinblick auf die erforderliche Praxistauglichkeit solcher Regelungen erforderlich. Gleichzeitig kann darin aber auch ein Problem für die Akzeptanz der Regelung liegen, insbesondere wenn es in Einzelfällen zu einem starken Auseinanderklaffen zwischen typisierter Position und tatsächlicher Schutzwürdigkeit kommt. Dies liegt aber in der Struktur derartiger Schutzgesetze. Auf dieses mögliche Spannungsfeld wollte ich mit meiner Äußerung hinweisen.
Zu 5:
Dem Bundesministerium für Justiz stehen eigene statistische Daten für derartige Mietzinssteigerungen nicht zur Verfügung. Es mag sein, dass das Ausmaß der Wohnkosten in den vergangenen Jahren gestiegen ist, doch ist es wohl deutlich überzogen, von einem „Explodieren“ der Wohnkosten zu sprechen. Aus Fachgesprächen mit den mit der Materie befassten Interessengruppen haben sich zudem deutliche Hinweise darauf ergeben, dass diese Steigerung der Wohnkosten nur zu einem geringen Teil auf den Hauptmietzins, also auf die eigentliche Entgeltkomponente, entfällt, sondern sich vor allem aus der Erhöhung der Bewirtschaftungskosten ergibt. Diese – wie beispielsweise Energiepreise und kommunale Gebühren für Müll und Abwasser – sind für das Mietrecht aber externe Faktoren, die durch die Wohnrechtsgesetzgebung nicht beeinflusst werden können.
Zu 6 bis 9:
Das geltende Richtwertsystem wurde, wie bereits ausgeführt, im Jahr 1993 beschlossen. Im Jahr 1994 wurden durch Verordnungen des Bundesministers für Justiz für alle neun Bundesländer die Richtwerte festgesetzt. Seither hat keine reale Erhöhung der Richtwerte stattgefunden, sondern lediglich die gesetzlich vorgesehene jährliche Valorisierung entsprechend dem Verbraucherpreisindex 1986. Eine Novellierung wäre auf Grund des unauflösbaren Zusammenhangs des Mietzinsrechts mit den übrigen Regelungen des Mietrechts wohl nur im Rahmen einer systematischen Gesamtreform des Mietrechtsgesetzes sinnvoll, die jedoch gründlicher Überlegungen und Vorarbeiten sowie eines entsprechenden politischen Konsenses bedürfte.
Zu 10 bis 11:
Von mir sind keine Änderungen der Regierungsvorlage geplant. Die Wohnrechtsnovelle 2006 war und ist bestimmten Regelungszielen gewidmet; das Mietzinsrecht fällt nicht darunter. Hinzu kommt, dass die eigentliche Gestaltungsaufgabe des Bundesministeriums für Justiz hinsichtlich dieses Gesetzesprojekts mit der Beschlussfassung im Ministerrat ihren Abschluss gefunden hat. Das weitere Schicksal der Wohnrechtsnovelle 2006 liegt nun in der Hand des Parlaments. Davon abgesehen erschiene es aber auch nicht sinnvoll, weit reichende Änderungen in einem „Schnellverfahren“ ohne vorherige ausführliche Vorarbeiten, Befassungen von Experten und Begutachtungen zu beschließen.
. März 2006
(Maga. Karin Gastinger)