375/AB XXII. GP

Eingelangt am 30.06.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfragebeantwortung

BM für Wirtschaft und Arbeit

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 345/J betreffend
Agrarverhandlungen der WTO, welche die Abgeordneten Heidemarie Rest-
Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen, am 29. April 2003 an mich richteten, stelle ich

fest:

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

Der EU-Verhandlungsvorschlag sieht vor, das Volumen der Exportsubventionen im
Durchschnitt erheblich zu senken sowie die budgetären Auslagen im Schnitt um 45%
zu kürzen, wobei Flexibilität bei der Behandlung unterschiedlicher Produkte gegeben
sein soll und unter der Bedingung, dass alle Formen der Exportsubventionierung
gleich behandelt werden. Weiters ist die EU bereit, Exportsubventionen für gewisse
Produkte auslaufen zu lassen, wenn es im Gegenzug für diese Produkte keine Art
von Exportsubventionierung von anderen Mitgliedsländern gibt, auch nicht in Form
von Exportkrediten und Ausgleichszahlungen; dies sollte auch für Produkte gelten,
die von besonderem Interesse für Entwicklungsländer sind.

Antwort zu Punkt 2 der Anfrage:

Die EU ermöglicht mit der EBA (Everything but Arms)-lnitiative bereits jetzt zollfreie
Importe aus den am wenigsten entwickelten Ländern. Die EU setzt sich u. a. auch
dafür ein, dass andere Industrieländer sowie wirtschaftlich besser gestellte


Entwicklungsländer eine derartige Initiative ergreifen. Im Verhandlungsvorschlag der
EU ist ein weitergehender Vorschlag enthalten, der zum Teil die Anwendung von
Nullzöllen auf Agrarexporte der Entwicklungsländer vorsieht.

Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:

Die EU spricht sich in ihrem Verhandlungsvorschlag für eine substantielle Kürzung
der handelsverzerrenden internen Stützungen aus und tritt für eine Reduzierung von
55% der gesamten Förderungsmaßnahmen ("Aggregate Measurement of Support")
ein. Die Anwendung einer solchen Formel sollte den Interessen der
Entwicklungsländer angepasst werden. Weiters ist vorgeschlagen, die de minimis-
Ausnahmeregelung, die es Mitgliedstaaten erlaubt, gewisse Ausgaben nicht in die
Berechnung der "Aggregate Measurement of Support" aufzunehmen, nur mehr für
Entwicklungsländer gelten zu lassen.

Die EU befürwortet eine Aufrechterhaltung des Systems von Blue und Green Box,
wofür sich auch Österreich ausgesprochen hat. Insbesondere die
Förderungsmaßnahmen der Green Box sind nicht handelsverzerrend, jene der Blue
Box nur in einem minimalen Ausmaß.

Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:

Mit den in der Beantwortung zu Frage 1 angesprochenen Maßnahmen soll auch
einer Schädigung der Landwirtschaft in Entwicklungsländern entgegengewirkt
werden. Im EU-Vorschlag ist eine spezifische Schutzklausel für alle WTO- Mitglied er
vorgesehen, die gegen plötzliche und unvorhergesehene Preis- und
Mengenänderungen von Einfuhren schützen soll. Weitere spezifische
Schutzmaßnahmen für Entwicklungsländer sind auch im Zusammenhang mit der
Ernährungssicherheit angesprochen.

Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:

Nahrungsmittelhilfe in Naturalien soll gemäß dem EU-Modalitätenpapier nur in
Notfällen und humanitären Krisensituationen als Schenkung gegeben werden und


nicht dem Abbau von Überschüssen dienen; vorzuziehen sind, wo immer möglich,
Bargeldzahlungen, sodass die Nahrungsmittel innerhalb des betroffenen Landes
oder von anderen Entwicklungsländern gekauft werden können.
Weiters wird eine "Food Security Box" vorgeschlagen, die besondere
Schutzmaßnahmen für Entwicklungsländer im Zusammenhang mit Produkten, die
betreffend Nahrungsmittelsicherheit sensibel sind, beinhaltet sowie die Möglichkeit
für landwirtschaftliche Subventionen aus Entwicklungsgründen vorsieht.

Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:

Für Österreich hat die Verankerung der "Farmers Rights" im TRIPS-Abkommen
(Ausnahmen vom Patentschutz) bei den laufenden WTO-Verhandlungen zwar keine
ausdrückliche Priorität, im Rahmen der prinzipiell entwicklungsfreundlichen Position
Österreichs wird dieses Anliegen der Entwicklungsländer aber bei den
Verhandlungen der EU-Position sowohl in Brüssel als auch in Genf unterstützt. Das
Problem einer vertraglichen Beschränkung der Verwendung von Saatgut hingegen
kann nicht im TRIPS-Abkommen gelöst werden.

Antwort zu Punkt 7 der Anfrage:

Österreich hat sich immer für eine Gleichrangigkeit von WTO-Vorschriften und den
relevanten Bestimmungen der multilateralen Umweltabkommen eingesetzt und war
daher an einer Klarstellung des Verhältnisses zwischen WTO und multilateralen
Umweltabkommen sehr interessiert. Auf Grund des Drucks der EU ist es auch
gelungen, diese Thematik (zwischen WTO-Mitgliedern, die Parteien eines MEAs
sind) als Verhandlungsauftrag in der neuen WTO-Runde in der Doha-
Ministererklärung festzulegen (Abs. 31 (1) der Ministererklärung).

Die EU hat zu diesem Thema in den WTO-Verhandlungen betreffend Handel und
Umwelt Beiträge vorgelegt. Die EU bleibt aber bei der Suche nach einer Lösung in
dieser Frage in der WTO weiterhin ziemlich isoliert.


Antwort zu Punkt 8 der Anfrage:

Die österreichische Position bei der Frage der Patentierbarkeit von Pflanzen und
Tieren sowie von biotechnologischen Erfindungen im Allgemeinen ist einerseits im
Europäischen Patentübereinkommen und andererseits in der Biotechnologierichtlinie
der EU festgeschrieben.

Antwort zu Punkt 9 der Anfrage:

Zur Beantwortung dieser Frage darf auf die aktuelle Vorgangsweise hingewiesen
werden, wo bereits eine Einbeziehung des Parlaments im Vorfeld von
Handelsvereinbarungen erfolgt. Über die in der für die Handelspolitik relevanten EU-
Ratsarbeitsgruppe "Art. 133" beratenen handelspolitischen Themen (damit auch
über die in Vorbereitung befindlichen "Handelsvereinbarungen") wird das Parlament
laufend im Rahmen des EU-Informationsverfahrens (Art. 23e B-VG) informiert. Es
obliegt dem Parlament, auf diese Berichte in der ihm angemessen erscheinenden
Weise zu reagieren. Der Stand der WTO-Verhandlungen wurde z.B. im EU-
Unterausschuss am 26. Februar 2002 und im Wirtschaftsausschuss am
19. März 2003 erörtert.

Vertreter der Parlamentsklubs werden regelmäßig vom Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit zu Informationssitzungen über die Handelspolitik eingeladen.

Vor wesentlichen Tagungen im Bereich der Handelspolitik (z.B. vor den WTO-
Ministerkonferenzen in Seattle und Doha) wird der Ministerrat befasst, womit die
österreichische Position für die weiteren Beratungen auf EU-Ebene festgelegt wird.

Die EU-interne abschließende Positionierung erfolgt letztlich im Rat "Allgemeine
Angelegenheiten und Außenbeziehungen".


Antwort zu Punkt 10 der Anfrage:

Mehrmals im Monat finden in Vorbereitung der Ratsarbeitsgruppe gemäß Art. 133
EGV (die sich insbesondere mit den WTO-Verhandlungen beschäftigt) Sitzungen mit
Vertretern anderer Ressorts und der Sozialpartner im Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit statt. Sämtliche bezughabenden Berichte und Dokumente
werden an diese Stellen übermittelt. Ferner werden zur Diskussion von wichtigen
Entwicklungen in den WTO-Verhandlungen NROs regelmäßig zu
Informationsveranstaltungen in das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
eingeladen.

Betreffend die Entscheidungsfindungsprozesse innerhalb der WTO darf darauf
hingewiesen werden, dass Entscheidungen in der WTO grundsätzlich im
Konsensweg durch von den Regierungen der WTO-Mitgliedstaaten legitimierte
Vertreter erfolgen. Vor allem als Folge der an der fehlgeschlagenen WTO-
Ministerkonferenz in Seattle 1999 geäußerten Kritik gab es verstärkt Bemühungen
verschiedener WTO-Mitgliedstaaten (darunter insbesondere der EU), die WTO-
Arbeiten auch nach außen hin möglichst transparent zu gestalten. Neben einer
Steigerung der Transparenz werden Verbesserungen bei der Organisation von
Ministerkonferenzen und eine stärkere Einbindung der Entwicklungsländer und der
interessierten Öffentlichkeit angestrebt.

Die Diskussion in dieser Frage wird in der WTO fortgesetzt und von Österreich mit
Aufmerksamkeit verfolgt. Inzwischen konnten durch eine verbesserte WTO-Website,
verstärkte NRO-Kontakte seitens des WTO-Sekretariates und einen erleichterten
Zugang zu WTO-Dokumenten wesentliche Fortschritte erzielt werden.