3806/AB XXII. GP

Eingelangt am 24.03.2006
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BM für Justiz

 

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0007-Pr 1/2006

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3915/J-NR/2006

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Anzeigenzurücklegung im Verfahren Y.C. durch die StA Linz“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Die Zurücklegung der Anzeige gegen unbekannte Täter zum Nachteil des Y.C. wegen § 312 Abs. 1 und 3 StGB erfolgte nach den Berichten der staats-anwaltschaftlichen Behörden, weil auf Grund der vorliegenden Beweisergebnisse keiner Person ein Verschulden am Tod des Schubhäftlings angelastet werden konnte.

Zu 2:

Das gerichtsmedizinische Gutachten des Ass. Prof. Dr. Haberl vom 5. Oktober 2005 führt den plötzlichen Todesfall auf akutes Herzversagen im Zusammenwirken mit einer eingeschränkten Nierenfunktion zurück. Der wesentlichste Faktor in der dramatischen Entwicklung liegt in der zu Lebzeiten des Y.C. nicht bekannt gewesenen erblichen Krankheitsanlage, nämlich einer sog. „Sichelzellanämie“. Aufgrund der Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz und der daraus resultierenden Bluteindickung sei es nach dem Gutachten zu einer Störung des Elektrolytsystems gekommen, die sich über mehrere Tage entwickelt haben dürfte, wobei diese Störung im Elektrolythaushalt wegen des jugendlichen kräftigen Organismus des Schubhäftlings noch lange Zeit kompensiert worden sei. Vermutlich war eine akute Herzrhythmusstörung ursächlich für den plötzlichen Herztod. Die Entgleisung des Elektrolytsystems am 4. Oktober 2005 sei nicht vorhersehbar gewesen. Diese wäre nur durch eine frühzeitige Laboruntersuchung erkennbar gewesen. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Durchführung einer solchen Untersuchung waren jedoch nicht gegeben.

Zu 3 und 4:

Am 12. September 2005 wurde Y.C. von der Justizanstalt Linz in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) Linz zum Vollzug der Schubhaft überstellt.

Er hatte zu diesem Zeitpunkt bei einer Körpergröße von 171 cm ein Körpergewicht von 76,50 kg. Bei erklärtem Antritt des Hungerstreiks am 28. September 2005 wies  er ein Körpergewicht von 67 kg auf. Aus Sicht des gerichtsmedizinischen Sachverständigen konnte der Schluss gezogen werden, dass schon vor Antritt des gemeldeten Hungerstreiks eine eingeschränkte Nahrungszufuhr nicht unbeträchtlichen Ausmaßes vorgelegen sein musste. Der Gesundheitszustand war jedoch nicht besorgniserregend. Die medizinischen Werte waren normal. Der Blutdruck betrug 120/80.

Der Schubhäftling wirkte schlankwüchsig, aber nicht chronisch unterernährt.

Zu 5:

Mit dem ausführlichen Obduktionsgutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen vom 5. Oktober 2005, das umfangreiche makropathologische Befunde, histologische und chemisch-toxikologische Untersuchungen inkludiert, wurde die Todesursache eindeutig und nachvollziehbar geklärt, weshalb auf zusätzliche Erhebungen (wie etwa die Einholung eines ernährungswissenschaftlichen Gutachtens) verzichtet werden konnte.

Zu 6:

Der Sachverständige spricht von einer beträchtlichen, nicht aber dubiosen Gewichtsreduktion. Er stellt fest, dass bei Beginn des Hungerstreiks  am 28. 9. 2005 kein besorgniserregender Zustand festzustellen war. Klinische Befunde und die vorschriftsmäßigen täglichen Untersuchungen attestierten Y.C. trotz des Gewichtsverlustes einen guten Allgemeinzustand. Vor dem 4. Oktober 2005 lagen keine Anhaltspunkte vor, bei dem Genannten weitergehende Untersuchungen, insbesondere Laboruntersuchungen zu veranlassen. Es ist davon auszugehen, dass keiner der involvierten Ärzte, vermutlich nicht einmal der Schubhäftling selbst, von der vorliegenden Sichelzellanämie wusste.

Zu 7:

Das Körpergewicht zum Todeszeitpunkt betrug 59,30 kg, war daher vom ermittelten kritischen Gewicht noch deutlich entfernt.

Zu 8:

Es darf auf die Beantwortung der Frage 6 und auf die Ausführungen zur Todesursache, Punkt 2 der Antwort, verwiesen werden. 

Zu 9,10 und 11:

Eine Vernehmung des Polizeiarztes Dr. H. wurde wegen des durch das Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen umfassend geklärten Sachverhalts nicht mehr für notwendig erachtet.

. März 2006

 

(Maga. Karin Gastinger)