3919/AB XXII. GP
Eingelangt am 14.04.2006
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
GZ. BMF-310205/0019-I/4/2006
Herrn Präsidenten
des Nationalrates
Dr. Andreas Khol
Parlament
1017 Wien
Sehr geehrter Herr Präsident!
Auf die schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 3950/J
vom
14. Februar 2006 der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen, betreffend
Europäische Investitionsbank, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Einleitend möchte ich festhalten, dass
ich dem in der vorliegenden Anfrage dargelegten Engagement positiv gegenüber
stehe. Es war mir daher ein besonderes Anliegen, die gestellten Fragen
ausführlich zu beantworten um das sicherlich nicht leichte aber aus meiner
Sicht positive Wirken der Europäischen Investitionsbank darzustellen. Ich
hoffe, damit auch die vorgebrachten Bedenken ausräumen zu können.
Zu 1.:
Die Europäische
Investitionsbank (EIB) ist der Finanzierungsarm der Europäischen Union (EU).
Es ist Aufgabe der EIB-Gruppe, durch die Finanzierung tragfähiger
Investitionsvorhaben zum Erreichen der politischen Ziele der Europäischen Union
beizutragen, die in der Satzung der EIB und durch Beschlüsse des Europäischen
Rates festgelegt sind.
Die aus meiner Sicht bedeutendste
Aufgabe der EIB ist die Förderung von Wachstum und Beschäftigung in der EU. Auf
Initiative der österreichischen EU-Präsidentschaft wird die EIB dabei in den
kommenden Jahren in folgenden Bereichen besondere Maßnahmen setzen:
·
Forschung
und Entwicklung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit
·
Energieeffizienz
sowie Sicherheit und Diversifizierung der Energieversor-
gung
·
Klein-
und Mittelbetriebe (KMU)
·
Große
Infrastrukturprojekte
Weitere
Hauptaufgaben der EIB sind die Unterstützung der beschleunigten Umsetzung der
Lissabon-Agenda sowie die Unterstützung der Entwicklungsziele und Politiken
der Union unter Beachtung des dabei zu erzielenden zusätzlichen Nutzens.
Zu
2., 3. und 8. bis 11.:
Die
EIB ist in erster Linie eine Förderbank mit Aktionsradius innerhalb der EU und
ihrer Beitrittskandidaten und erst in zweiter Linie eine Entwicklungsbank für
Regionen außerhalb der EU.
Als
Entwicklungsbank ist die EIB bereits jetzt im Rahmen ihrer Außenmandate
(Afrika-, Karibik-, Pazifik-Staaten – Cotonou Abkommen (AKP), Südafrika,
Mittelmeerfazilität (FEMIP), Asien-Lateinamerika (ALA)) tätig.
Die EIB war und ist für diese
Tätigkeit, die sie im AKP Raum seit mehr als 25 Jahren ausübt, genügend
vorbereitet. So stellt die EIB beispielsweise im Zeitraum 2003 – 2008 auf der
Grundlage des Abkommens von Cotonou bis zu 1,7 Mrd. EUR aus eigenen Mitteln
sowie weitere 2 Mrd. EUR aus Mitteln der von ihr verwalteten
Investitionsfazilität zur Verfügung. Die Verhandlungen über die Überprüfung
des Abkommens von Cotonou wurden im Juni letzten Jahres abgeschlossen. Auf der
Grundlage der überarbeiteten Fassung können auch für Projekte, die in
hochverschuldeten armen Ländern (Heavily Indebted Poor Countries - HIPC) sowie
in von Naturkatastrophen betroffenen Gebieten durchgeführt werden, Darlehen zu
Vorzugsbedingungen in Anspruch genommen werden.
Gemeinsam mit der Europäischen
Kommission wird sich die EIB auf Basis der im Europäischen Rat am 15. Dezember
2005 verabschiedeten Strategie für Afrika an der Umsetzung der
"Infrastruktur Partnerschaft EU-Afrika" mit eigenen Mitteln im Rahmen
eines Treuhandfonds beteiligen. Eine Beteiligung der EIB an dieser
Partnerschaft war von den Mitgliedstaaten im November 2005 vor dem Europäischen
Rat ausdrücklich gefordert worden und wird auch von Österreich unterstützt.
Der Treuhandfonds der
"Infrastruktur Partnerschaft EU-Afrika" ist auch für eine
Kofinanzierung durch die Mitgliedstaaten offen. Aus derzeitiger Sicht ist durch
das Bundesministerium für Finanzen keine Beteiligung Österreichs geplant.
Zu 4. und 5.:
Österreichs Interessen in der EIB
werden in erster Linie durch mich selbst als Mitglied des Gouverneursrates, dem
höchsten Lenkungsgremium der Bank, und in zweiter Linie durch das
österreichische Mitglied im Verwaltungsrat der EIB vertreten. Als
Verwaltungsratsmitglied ist derzeit Abteilungsleiter Stellvertreter
Ministerialrat (MR) Dr. Klaus Öhler bestellt.
Es ist jedoch beabsichtigt, nach
zweijähriger verdienstvoller Tätigkeit MR Dr. Öhler bis Juni 2006
durch Gruppenleiter Dr. Kurt Bayer als neues Verwaltungsratsmitglied abzulösen.
Dr. Bayer verfügt als zuständiger
Gruppenleiter für europäische Integration und als ehemaliger österreichischer
Exekutivdirektor bei der Weltbank über ausreichende Erfahrung, um die Wahrung
der österreichischen Interessen in der EIB bei all ihren Aufgaben auch in
Zukunft sicherzustellen.
Zu 6. und 7.:
Ich teile die Befürchtung nicht, dass
die EIB die Millennium Development Goals (MDGs) nicht verfolgt. Die EIB fördert
im Rahmen der Investitionsfazilität (für den AKP-Raum) primär den Privatsektor
und hier besonders den KMU-Bereich, wo der Nachweis eines direkten
Zusammenhangs zwischen dem Projekterfolg und der Erfüllung der MDGs immer
schwierig sein wird.
Die EIB ist jedoch bemüht, den Beitrag
ihrer Projekte zur Erfüllung der MDGs systematisch zu erfassen. So wurde ein
eigenes "Development Impact Assessment Framework" für
Investitionsfazilitätsprojekte geschaffen, dass die MDGs ausdrücklich
berücksichtigt. Bei ihren Investitionen kooperiert die EIB außerdem eng mit
anderen Entwicklungspartnern wie beispielsweise der Weltbank und den regionalen
Entwicklungsbanken, die ebenfalls die MDGs verfolgen. Österreich unterstützt
diesen Abstimmungsprozess zwischen den Internationalen Finanzinstitutionen im
Sinne der Erreichung der MDGs.
Zu 12. bis 17.:
Im Rahmen ihrer entwicklungspolitischen
Fazilitäten soll die Bank primär den Privatsektor - mit einem Fokus auf KMU -
sowie die Schaffung dafür nötiger geeigneter rechtlicher Rahmenbedingungen und
Infrastruktureinrichtungen fördern. Dies dient dem Ziel, Arbeitsplätze zu
schaffen. Damit kann die Bank einen wichtigen Beitrag zur Armutsbekämpfung
leisten.
In diesem Zusammenhang liegt es
durchaus im Interesse Österreichs, dass für die EIB die Finanzierung großer
Unternehmen der Rohstoffindustrie eher die Ausnahme bildet. Andererseits sind
Entwicklungsländer zur Generierung von eigenen Budgetressourcen für
Armutsbekämpfung oft auf die Ausbeutung ihrer Rohstoffe angewiesen, weswegen
sich die Entwicklungsbanken generell aus diesem Bereich nicht völlig
zurückziehen sollten. Die Kontrolle über die Wahrung der richtigen Balance hier
ist Aufgabe des Verwaltungsrates, über den Österreich durch seinen Vertreter
Einfluss nehmen kann und wird.
Bei ihren Investitionen sowohl
innerhalb als auch außerhalb der Union ist die EIB im Übrigen generell
verpflichtet, auf die Einhaltung des Schutzes und der Verbesserung der Umwelt
zu achten. Die wichtigsten Bereiche der Umweltfinanzierungen der EIB sind der
Klimaschutz, insbesondere durch die Steigerung der Energieeffizienz und die
verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien, der Schutz der Natur und anderer
natürlicher Ressourcen, die Verringerung der Umwelteinwirkungen auf die
menschliche Gesundheit, die Förderung der nachhaltigen Nutzung von natürlichen
Ressourcen und die Verbesserung der Lebensqualität in städtischen Gebieten. Das
Umwelt-Referat der EIB (ENVU) und die Arbeitsgruppe für die Prüfung von
Umweltaspekten (ENVAG), die beide zur Direktion Projekte gehören,
gewährleisten die Qualität und die Kohärenz der Prüfung von Umweltaspekten
während des gesamten Projektzyklus bei allen Operationen der Bank. Der
Umweltschutz wurde einem Mitglied des Direktoriums der EIB als ein besonderer
Zuständigkeitsbereich übertragen.
Zu 18.:
Die Kontrollmöglichkeiten bezüglich der
EIB sind für das Europäische Parlament (EP) aus meiner Sicht derzeit
ausreichend. Der Präsident der EIB präsentiert dem EP einen jährlichen
Tätigkeitsbericht und steht für Fragebeantwortungen zur Verfügung. Politische
Haltungen und Forderungen des EP werden von der EIB überdies sehr ernst
genommen und man ist bei der EIB generell bestrebt, diesen zu entsprechen.
Zu 19. bis 24.:
Fragen betreffend die Koordination der
internationalen Entwicklungspolitik fallen in die Zuständigkeit der Frau
Bundesministerin für äußere Angelegenheiten.
Bezüglich der EIB ist allerdings zu
bemerken, dass alle Mitgliedstaaten (MS) und die Europäische Kommission (EK) in
den Lenkungsausschüssen der EIB vertreten sind. Auf diese Weise können alle
relevanten politischen Vorstellungen vorgebracht, ausgetauscht und abgestimmt
werden.
Damit wird gewährleistet, dass eine
gemeinsame europäische entwicklungspolitische Haltung bei der EIB zum Tragen
kommen kann, die die Umsetzung der europäischen Entwicklungsstrategie
ermöglicht. Die MDGs sind dabei von allen europäischen MS und der EK als
oberstes entwicklungspolitisches Ziel anerkannt. Geeignete Maßnahmen zu ihrer
Erreichung werden kollektiv unterstützt. Österreich setzt sich aktiv für die
Erreichung der MDGs ein.
Zu
25. bis 30. und 32.:
Die
EIB selbst schlägt für ihre
Operationen in Entwicklungsländern einen kohärenteren aber auch
personalintensiveren Ansatz vor, welcher stärker als bisher auf Länder- und
Sektorstrategien basieren soll. Eine höhere Bereitschaft zum Engagement bei
riskanteren Projekten, umfassendere Verfügbarkeit von Förderungen sowie
intensivere Kooperation der Bank mit den Mitgliedstaaten, der EK und
bilateralen Entwicklungsagenturen ist bereits in Diskussion.
Hinsichtlich
der Organisation der Außenaktivitäten werden unterschiedliche Alternativen in
Diskussion gebracht, nämlich einerseits die Schaffung einer Entwicklungsbank
innerhalb der EIB Gruppe, entweder für alle Partnerstaaten oder nur für
einzelne Regionen (Mittelmeerraum und allenfalls weitere) oder ein umfassendes
Joint Venture zwischen den Drittlandsaktivitäten der EIB mit allen relevanten
EU-budgetbasierten Aktivitäten von AIDCO oder andererseits eine graduelle
Weiterentwicklung der bestehenden Arrangements für die Drittlandsaktivitäten,
mit dem Ziel sie effizienter zu machen. In dieser Frage wird von den
Gouverneuren eine Grundsatzentscheidung zu treffen sein.
Die Gründung einer Entwicklungsbank
innerhalb der EIB, welche auch die bisher von der EK wahrgenommenen
Entwicklungshilfeaktivitäten wahrnehmen würde, hätte weit reichende
Auswirkungen auf die EU-Entwicklungspolitik als Ganzes, weshalb neben den
Gouverneuren (Finanzministern) auch die Außenminister und
Entwicklungshilfeminister an einer solchen Diskussion teilzunehmen hätten.
Meiner Meinung nach sollte eine
umfassende Lösung, in welcher die Entwicklungshilfeaktivitäten der Bank und
der EK zusammengeführt werden prioritär
geprüft und angestrebt werden. Eine solche Lösung hätte den Vorteil,
dass Synergien besser genutzt und der Fokus der europäischen Entwicklungshilfe
geschärft und ihre Wirksamkeit erhöht werden könnte. Diese Frage könnte während
der österreichischen Präsidentschaft z.B. im Rahmen der Diskussion über die Verlängerung
der Außenmandate der EIB angesprochen werden.
Zu 31.:
Statutengemäß hat die EIB bei ihren
Finanzierungen auf Kostendeckung zu achten, Gewinnerzielung ist nicht
gefordert. Die Bank ist zur Beachtung
dieser Vorschrift verpflichtet. Ungeachtet dessen haben die Mitgliedstaaten die
Bank einstimmig ermutigt, höheres kalkulierbares Risiko einzugehen, und die
Anwendung dafür notwendiger innovativer Finanzierungstechniken genehmigt.
Zu 33.:
Die Kriterien sind bereits vorgegeben
und aus meiner Sicht zweckentsprechend. Bankprojekte im Mittelmeer- und
AKP-Raum sollen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und damit zur
Armutsverringerung in den Einsatzregionen beitragen. In Asien und Lateinamerika
sollen die Mittel der EIB für die Finanzierung produktiver Investitionen
eingesetzt werden, die zur wirtschaftlichen Entwicklung in den Partnerländern
beitragen. Die Vorhaben werden in Einklang mit den Zielen der
Kooperationspolitik der Europäischen Union ausgewählt und müssen im
gemeinsamen Interesse der EU und des Landes, in dem das Vorhaben durchgeführt
wird, liegen.
Zu 34. bis 36.:
Die EIB versucht aus meiner Sicht mit
ihren Finanzierungen in Afrika die europäischen Entwicklungsziele und
–strategien zu unterstützen. Sie trägt zur Schaffung eines der Verwirklichung
der MDGs förderlichen wirtschaftlichen Umfelds in Afrika bei. Mit ihren
Privat- und Infrastrukturinvestitionen fördert sie Wachstum, das letztlich den
Armen in Form neuer Arbeitsplätze zugute kommt.
Zu 37. bis 40.:
Ein künftiges europäisches
Entwicklungshilfe-Finanzierungsinstrument
sollte aus meiner Sicht idealerweise die verschiedenen Entwicklungshilfeaktivitäten
in der EU zusammenfassen, wobei die noch endgültig zu fixierenden
Vereinbarungen im Rahmen der neuen Finanziellen Vorausschau aber unberührt
bleiben müssen. In die Gründungsaktivitäten müssten alle europäischen
Stakeholder und natürlich auch das EP eingebunden werden.
Bedenkt man, dass für die verschiedenen
Interessen ein akzeptabler gemein-
samer europäischer Nenner zu finden
wäre, erscheint mir eine kurzfristige Zielvorgabe für die Realisierung einer
europäischen Entwicklungsbank zu ambitioniert.