3995/AB XXII. GP
Eingelangt am 10.05.2006
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BM für
Verkehr, Innovation und Technologie
Anfragebeantwortung
GZ.
BMVIT-10.000/0010-I/CS3/2006 DVR:0000175
An den
Präsidenten des Nationalrates
Dr. Andreas Khol
Parlament
1017
W i e n
Sehr geehrter Herr Präsident!
Die schriftliche
parlamentarische Anfrage Nr. 4051/J-NR/2006 betreffend ÖBB-Finanzen, die die
Abgeordneten Dr. Moser, Freundinnen und Freunde am 10. März 2006 an mich gerichtet
haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Zum Motiventeil der Anfrage ist festzuhalten, dass es Ziel des Bundesbahngesetzes 2003 ist, selbstständige, ergebnisverantwortliche und transparente ÖBB-Gesellschaften zu schaffen. Daher wurden Aktiengesellschaften geschaffen, die unter dem Dach einer Holding AG zusammengefasst werden. Die Holding hat die Aufgabe einer
· einheitlichen strategischen Ausrichtung der von ihr verwalteten Tochtergesellschaften und
· Koordination der wesentlichsten Entscheidungen.
· Um das Prinzip der Ergebnis- und Eigenverantwortung nicht zu „durchlöchern“, wurde die Holding absichtlich frei von operativen Aufgaben konstruiert.
Fragen 1 bis 4:
Wie stehen Sie zur Forderung von ÖBB-Holding-Sprecher Martin Huber, wonach die Infrastruktur Bau AG zur Bewältigung des Bauvolumens eine jährliche Aufstockung des Eigenkapitals in der Höhe von 70 Mio Euro benötigt, da sonst die Eigenkapitalquote von derzeit knapp 50 Prozent unter 8 Prozent sinken würde?
Welche Schritte unternehmen Sie in dieser Hinsicht?
Wann wurden Sie in dieser Hinsicht beim Finanzminister vorstellig, und mit welchem Ergebnis?
Ist es zutreffend, dass mit einem Abschmelzen des Eigenkapitals im in Frage 1 umrissenen Ausmaß gravierende Maastricht-Probleme für den Bund unausweichlich wären, falls keine Zuschüsse/Eigenkapitalaufstockungen erfolgen?
Antwort:
§ 47 des Bundesbahngesetzes (BBG) regelt die Fragen des Eigenkapitals und der Liquidität der ÖBB Infrastruktur Bau AG abschließend.
Die Wirtschaftsprüfer haben der ÖBB-Infrastruktur Bau AG für den Jahresabschluss 2005 einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Dieser wurde auf Basis einer unbedenklichen Eigenkapitalsituation der ÖBB-Infrastruktur Bau AG erteilt. Anzumerken ist auch, dass das Bundesministerium für Finanzen im Wege der Verhandlungen über den Rahmenplan gemäß § 43 BBG voll eingebunden ist.
Frage 5:
Haben Sie vor diesem Hintergrund die alternativ zu zusätzlichen öffentlichen Zuschüssen möglichen Lösungen – verstärkte Querfinanzierung von der Straße zur Schiene, Reduktion der Neubauvolumina der Schiene – geprüft, a) wenn ja, in welcher Form und mit welchen konkreten Ergebnissen, b) wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Eine Querfinanzierung ist gemäß den neuen eben beschlossenen EU-Vorgaben möglich und wird derzeit für den Ausbau des Unterinntals und des Brenner-Basistunnels vorbereitet. Die von der EU vorgegebenen Möglichkeiten einer Querfinanzierung Straße-Schiene, durch so genannte Aufschläge zur Straßenverkehrsmaut in besonders sensiblen Bereichen innerhalb von Verkehrskorridoren, wird für Tirol vollständig genutzt werden; dies wird das erste und vollständige Modell der Querfinanzierung in Österreich sein. Dadurch ist es möglich, durch die „Verteuerung“ des Straßenverkehrs, die Verkehrsmittelwahl zugunsten des Verkehrsträgers Schiene zu beeinflussen, der Verkehrsträger Schiene wird durch die zusätzlichen Finanzmittel aus dem Straßenverkehr in die Lage versetzt, Infrastrukturprojekte verstärkt und frühzeitig ausbauen zu können.
Fragen 6, 7, 9 und 10:
Ist es zutreffend, dass die vom ÖBB-Holding-Aufsichtsrat entgegen genommene, aber nicht zur Kenntnis genommene Mittelfristplanung von der Prämisse ausgeht, dass die Zuschüsse für den Neubau (§43 ÖBB-Gesetz) im Jahr 2007: 200 Millionen Euro betragen, 2008: 400 Mio. Euro, 2009: 600 Mio. Euro, 2010 und 2011 je 800 Mio. Euro betragen?
Woher sollen diese zusätzlichen Mittel konkret kommen?
Ist es zutreffend, dass die vom ÖBB-Holding-Aufsichtsrat entgegen genommene, aber nicht zur Kenntnis genommene Mittelfristplanung von der Prämisse ausgeht, dass die Bundeszuschüsse für gemeinwirtschaftliche Leistungen von 2007 auf 2011 um fast 20% angehoben werden (von 471 auf 550 Mio. beim PV, von 94 auf 99 Mio. beim GV)?
Woher sollen diese zusätzlichen Mittel konkret kommen?
Antwort:
Vorstand und Aufsichtsrat der ÖBB-Holding AG sind naturgemäß dazu angehalten Finanzpläne und Mittelfristplanungen zu erstellen und zu diskutieren. Die von ihnen angesprochenen Mittelfristplanungen sind eine von mehreren Möglichkeiten, die im Aufsichtsrat behandelt wurden.
Fragen 8 und 11:
Können Sie ausschließen, dass Länder und/oder Gemeinden zur Aufbringung dieser Mittel herangezogen werden sollen?
Können Sie ausschließen, dass Länder und/oder Gemeinden zur Aufbringung dieser Mittel herangezogen werden sollen?
Antwort:
Schon jetzt leisten Dritte, das sind im wesentlichen Länder und Gemeinden sowie die Straßenerhalter (z.B. für die Kreuzungsfreimachung) Beiträge zur Infrastrukturfinanzierung der Österreichischen Bundesbahnen. Diese werden im Rechnungswesen der ÖBB bzw. in den jeweiligen Jahresabschlüssen unter der Position „Kostenbeiträge durch Dritte“ verbucht.
Ferner fallen etwa Beiträge der Länder Steiermark und Kärnten für den vorgezogenen Ausbau der Koralmbahn an. Weiters sind Beiträge Wiens für den Ausbau des Terminals Freudenau und die Winterhafenbrücke sowie Beiträge des Landes Niederösterreich und der Steiermark für die Anschaffung von neuestem rollenden Material im Personenverkehr vereinbart.
Fragen 12 und 13:
Sind die von der ÖBB bereits fix einkalkulierten zusätzlichen Zuschüsse mit dem Herrn BM für Finanzen akkordiert?
Falls diese Zuschüsse (noch) nicht akkordiert sind – wie werden Sie konkret weiter vorgehen?
Antwort:
Variantenplanungen für die Finanzierung verschiedener Vorhaben sind nie mit dem Bundesminister für Finanzen akkordiert, sondern selbstständiges Aufgabengebiet einer Kapitalgesellschaft. Mit dem Bundesminister für Finanzen wären nur konkrete Finanzpläne zu akkordieren, die unmittelbare Auswirkungen auf das Bundesbudget haben bzw. haben werden.
Frage 14:
Wodurch ist gesetzlich gedeckt, wenn Sie und der BM für Finanzen bzw. Ihre Vertreter a) mehrjährigen Infrastrukturrahmenplänen zustimmen bzw. b) mehrjährige Geschäftspläne unterstützen, die auf der Einrechnung zusätzlicher, bislang weder gesicherter noch gesetzlich gedeckter Zuschüsse beruhen?
Antwort:
Die mehrjährigen Infrastrukturrahmenpläne nehmen auf die bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten Rücksicht, da ein Memorandum of Understanding zwischen den Österreichischen Bundesbahnen, dem Bundesministerium für Finanzen und dem Verkehrsressort vereinbart ist, in dem insbesondere auf die Finanzierung bzw. auf die Liquiditätslage des Unternehmens ÖBB Rücksicht genommen wird. Auch das Bundesbahngesetz garantiert, wie bereits erwähnt, in § 47 die genügende Eigenkapitalausstattung und die ausreichende Liquidität des Unternehmens für die ÖBB Infrastruktur Bau AG und die ÖBB Infrastruktur Betrieb AG.
Frage 15:
Wie wird sichergestellt, dass Infrastruktur-Erhaltungsmaßnahmen der Betrieb AG zeitgerecht stattfinden – was derzeit nicht der Fall ist, wofür die unverhältnismäßig große und seit der ÖBB-Strukturreform stark zunehmende Zahl an „Langsamfahrstellen“ im Schienennetz ein Indiz ist?
Antwort:
Planung und Umsetzung von Infrastrukturerhaltungsmaßnahmen sind Aufgaben des selbstständigen, ergebnisverantwortlichen und weisungsfreien Vorstandes der ÖBB Infrastruktur Betrieb AG. Der Bund leistet die hiefür notwendigen Zuschüsse in der Höhe von 1,006 Mrd. € pro Jahr zeitgerecht und pünktlich, vielfach auch in Form von jährlichen Vorauszahlungen, sodass für die ÖBB Betrieb AG ein positiver Zinseffekt entsteht.
Frage 16:
Ist die nicht zeitgerechte Umsetzung von Schienen-Infrastruktur-Erhaltungsmaßnahmen durch die komplexe Zuordnung der einzelnen Maßnahmen – Erhaltungs- oder Verbesserungsmaßnahme? sowie die komplexen Abstimmungsvorgänge zwischen den von Ihnen und Ihren Regierungskollegen mutwillig getrennten Gesellschaften Infrastruktur Bau AG und Infrastruktur Betrieb AG bedingt?
Antwort:
Die Trennung der Österreichischen Bundesbahnen, insbesondere des Bereiches Infrastruktur in eine Infrastruktur Bau AG und in eine Infrastruktur Betrieb AG ändert nichts an der Planung, Zuordnung und Realisierung der einzelnen Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung bzw. für Ersatz- und Neuinvestition des Schienennetzes. Diese Schnittstellen hat es bereits vor der Trennung in eine Bau- und Betriebsgesellschaft auf der Ebene der einzelnen Geschäftsbereiche sowie zwischen ÖBB und HL-AG gegeben. Was nunmehr sichtbar wurde, sind Leerläufe, Schwachstellen, Abstimmungsdefizite und mangelnde Ergebnisverantwortung. Insofern handelt es sich um keine mutwillige Trennung, sondern um die Schaffung der notwendigen Transparenz für Gegensteuerungsmaßnahmen. Eine Zusammenlegung bzw. Vermischung der Bereiche Bau und Betrieb würde etwaige Schnittstellenprobleme nicht lösen sondern – wie in der Vergangenheit - nur zudecken.
Frage 17:
Ist die nicht zeitgerechte Umsetzung von Schienen-Infrastruktur-Erhaltungsmaßnahmen Folge dessen, dass der nach § 42 ÖBB-Gesetz veranschlagte Beitrag für Erhaltung und Betrieb für die anstehenden Projekte nicht ausreicht und daher Maßnahmen aufgeschoben werden, bis sie zu Neubauprojekten nach § 43 werden?
Antwort:
Nein, da es die Verantwortung für die Sicherheit und ordnungsgemäße Abwicklung des Infrastrukturbetriebes erfordert, mit den vorhandenen ausreichenden Mitteln rechtzeitig entsprechende Maßnahmen für die Erhaltung und die Aufrechterhaltung des Netzes zu setzen. Diese Maßnahmen werden getätigt.
Fragen 18 und 19:
Welche Laufzeit hat der geltende Vertrag zwischen ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG und dem Bund (Verkehrs-, Finanzminister), in dem der jährliche Beitrag des Bundes zu Erhaltung und Betrieb des ÖBB-Schienennetzes fixiert ist, und wann wurde er abgeschlossen?
Gibt es einen Sechsjahresvertrag zwischen ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG und dem Bund (Verkehrs-, Finanzminister), in dem „die jährliche Höhe des Zuschusses für die Vertragsdauer“ fixiert ist? Wenn ja, wie lautet die darin festgelegte Zuschusshöhe für jedes der sechs Jahre? Wenn nicht, warum gibt es einen derartigen Vertrag nicht, und wer ist dafür verantwortlich?
Antwort:
Gemäß § 42 BBG ist ein sechsjähriger Vertrag zu schließen, der jeweils um ein Jahr fortgeschrieben wird; diese Regelung wird eingehalten.
Die Zuschusshöhe beträgt derzeit 1.006 Mio. Euro per anno.
Frage 20:
Können Sie bestätigen, dass Einjahres- statt Sechsjahresverträgen Vorteile wie Aufschub des Offenbarungseides hinsichtlich der drohenden Maastricht-Probleme, Verschleiern der ungleich größeren und früher schlagend werdenden Finanzierungsprobleme der Infrastruktur Betriebs AG sowie Verschleiern des zur Ausfinanzierung tatsächlich nötigen IBE-Anstiegs haben? Wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Es gibt keinen „Offenbarungseid“ hinsichtlich möglicher Maastrichtprobleme, es gibt auch keinerlei Verschleierungen irgendwelcher Zahlungen, die gegenwärtige gesellschaftsrechtliche Trennung zwischen ÖBB Infrastruktur Bau AG und ÖBB Infrastruktur Betrieb AG garantiert die notwendige Transparenz der Einnahmen und der Mittelverwendung, womit es keine Verschleierungen gibt.
Frage 21:
In welcher Höhe soll in Zukunft für Verbesserungen im Nahverkehr zu Gunsten der PendlerInnen investiert werden – angesichts der Tatsache, dass das Wagenmaterial des Fernverkehrs mit einer Investition von über 300 Mio. Euro verbessert wird?
Antwort:
Die Trennung der ÖBB in selbstständige Aktiengesellschaften mit Ergebnisverantwortung und Entscheidungshoheit des Vorstandes garantiert, dass Investitionsentscheidungen in Fahrbetriebsmittel auf betriebswirtschaftlichen Entscheidungen des Management und nicht – wie in der Vergangenheit - auf politischen Weisungen der Politik beruhen. Darüberhinaus möchte ich darauf hinweisen, dass seitens der ÖBB-Personenverkehr AG derzeit massiv in die Anschaffung neuer Nahverkehrsgarnituren investiert wird.
Fragen 22 und 23:
Wie wird sichergestellt, dass die Deutsche Bahn ihren Eigenbedarf an ICE-Zügen nicht billiger einkauft, als dies ÖBB und DB in ihrem in Gründung befindlichen gemeinsamen ICE-Pool möglich ist?
Wie ist das Mitspracherecht der ÖBB im ICE-Pool gesichert, wenn die Deutsche Bahn zusätzliche ICE-Garnituren in diesen Pool einbringt? Muss die ÖBB dann nachschießen oder verwässert sich ihr Anteil automatisch auf einen Minderheitsanteil?
Antwort:
Wie bereits erwähnt, handelt es sich hierbei um operative Angelegenheiten, die Durchführung dieser operativen Maßnahmen ist ausschließlich Aufgabe des selbstständigen unabhängigen Managements der ÖBB Personenverkehr AG.
Mit freundlichen Grüßen