4036/AB XXII. GP

Eingelangt am 29.05.2006
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0017-Pr 1/2006

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4104/J-NR/2006

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Lebensversicherungen“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Das Bundesministerium für Justiz hat seit Mitte 2005 mit Vertretern der Versicherungswirtschaft, der Versicherungsvermittler, der Finanzmarktaufsicht, des Vereins für Konsumenteninformation, der Bundesministerien für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, für Finanzen sowie für Wirtschaft und Arbeit, der Wirtschaftskammer Österreich sowie auch der Bundesarbeitskammer mögliche Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Lebensversicherungen erörtert. Ausgangspunkt der Besprechungen waren die Praxis vieler Versicherungsunternehmen, den Kunden die Abschlusskosten für Lebensversicherungen zur Gänze zu Beginn des Versicherungsverhältnisses zu verrechnen, und die von der Verbraucherseite angestrengten Verbandsklagen wegen der Verletzung des so genannten Transparenzgebots durch die einschlägigen Versicherungsbedingungen. Im Rahmen dieser Besprechungen sind auch die Frage eines Auskunfts- und Abrechnungsanspruchs des Versicherungsnehmers sowie die Frage der Angabe des effektiven Garantiezinssatzes besprochen worden.

Das Bundesministerium für Justiz hat zu diesem Problembereich Ende 2005 einen Gesetzesentwurf zur allgemeinen Begutachtung versendet. In der Folge ist dieser Entwurf aufgrund der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens und unter Einbeziehung der erwähnten Interessenvertreter überarbeitet worden. Am 20. April 2006 hat der Ministerrat die Regierungsvorlage für ein Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 2006, 1428 der Beilagen, beschlossen.

Zu 2:

Die genannte Regierungsvorlage sieht eine in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Finanzen – in dessen Wirkungsbereich Angelegenheiten der Versicherungsaufsicht fallen – erarbeitete Erweiterung der in § 18b VAG festgelegten Informationspflichten, insbesondere zur Gewinnbeteiligung, vor.

Zu dem auch in der Anfrage genannten Auskunfts- und Abrechnungsanspruch geht die Regierungsvorlage davon aus, dass das Versicherungsunternehmen schon nach allgemeinem Zivilrecht die vertragliche Nebenpflicht trifft, dem Versicherungsnehmer auf Verlangen Auskunft über dessen Zahlungen, deren Verrechnung und die Errechnung der vom Versicherungsunternehmen erbrachten Leistung zu geben. Einer gesonderten Regelung dieses Bereichs bedarf es nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage daher nicht.

Zu 3:

Die unabhängige Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA hat „Mindeststandards für die Informationspflichten in der Lebensversicherung“ erstellt, in denen die allgemein gehaltenen Informationspflichten der §§ 9a und 18b VAG näher konkretisiert werden. Nach diesen „Mindeststandards“ hat ein Lebensversicherungsunternehmen den effektiven Garantiezinssatz der Erlebensleistung auf Anfrage des (potenziellen) Versicherungsnehmers anzugeben. Eine Erweiterung dieser Informationspflicht (Bekanntgabe der Effektivverzinsung nicht nur auf Verlangen des Kunden) ist in den eingangs erwähnten Besprechungen zwar diskutiert worden. Es ist derzeit aber offen, ob die FMA ihre Mindeststandards entsprechend ausweiten wird. In den erwähnten Besprechungen ist dazu die Befürchtung geäußert worden, dass eine derart verpflichtende Angabe auch zur Irreführung der Verbraucher beim Vergleich einer Lebensversicherung mit anderen Kapitalmarktprodukten und den dortigen Effektivzinsangaben führen könnte, weil in der Lebensversicherung regelmäßig auch das Ablebensrisiko gedeckt wird.

Was gesetzliche Änderungen der im Versicherungsaufsichtsgesetz verankerten Informationspflichten betrifft, verweise ich – wie schon bei Frage 2 – auf die Zuständigkeit des Bundesministers für Finanzen. Ganz allgemein sei aber darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten gesetzliche Informationspflichten, die über den Mindeststandard der Lebensversicherungs-Richtlinie hinausgehen (wie es etwa bei einer verpflichtenden Angabe der Effektivverzinsung der Fall ist), nur insoweit vorsehen können, als dies für das Verständnis der Polizze erforderlich ist. Es ist fraglich, ob die Bekanntgabe der Effektivverzinsung (die vor allem den Vergleich der Angebote ermöglichen soll) diesem gemeinschaftsrechtlichen Kriterium genügt.

Zu 4:

Für die Verrechnung der einmaligen Verwaltungs- und Vertriebskosten sieht die Regierungsvorlage einen Kompromiss zwischen den Interessen der am Abschluss Beteiligten, nämlich den Versicherungsnehmern, den Versicherungsunternehmen und den Versicherungsvermittlern vor: Bei vorzeitiger Vertragsbeendigung innerhalb von fünf Jahren oder einer vereinbarten kürzeren Laufzeit sollen die einmaligen Abschlusskosten bei der Berechnung des Rückkaufswerts nur anteilig berücksichtigt werden. Um jenen Teil, der wegen der vorzeitigen Beendigung dem Versicherungsnehmer nicht verrechnet werden darf, soll auch der Provisionsanspruch des Versicherungsmittlers gemindert werden.

Diese Lösung geht mit den in Deutschland verfolgten Reformbestrebungen konform, wo in einem vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten Entwurf ebenfalls eine Verteilung der Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre vorgeschlagen wird.

Eine Verpflichtung zur zwingenden Aufteilung der Abschlusskosten auf die gesamte Laufzeit des Lebensversicherungsvertrags enthält die Regierungsvorlage dagegen nicht. Eine solche Lösung könnte den Interessen der Versicherungsvermittler, deren Beratungsaufwand vor allem vor Abschluss des Versicherungsverhältnisses hoch ist,  zuwider laufen. Auch ist in der Diskussion des Vorhabens darauf hingewiesen worden, dass sich aus einer solchen „ratierlichen Verrechnung“ auf Grund der vom Versicherungsunternehmen zu tragenden Finanzierungskosten auch Nachteile für diejenigen Versicherungsnehmer ergeben könnten, die am Vertrag festhalten.

. Mai 2006

(Maga. Karin Gastinger)