4243/AB XXII. GP

Eingelangt am 17.07.2006
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BM für Finanzen

 

Anfragebeantwortung

 

GZ. BMF-310205/0072-I/4/2006

»

 

 

Herrn Präsidenten

des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017 Wien

 

 

Erledigungstext:

»Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4485/J vom 3. Juli 2006 der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen, betreffend Gesamtkosten der österreichischen EU-Präsidentschaft, beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Am 1. Jänner 2006 hat Österreich zum zweiten Mal die Ratspräsidentschaft übernommen. Dabei wurde zum einen der aus den Verträgen der EU resultierenden Verpflichtung entsprochen, zum anderen die Möglichkeit genutzt, in den internationalen Beziehungen sechs Monate lang als Gesicht und Stimme der Europäischen Union wahrgenommen zu werden. Die Wahrnehmung der Präsidentschaft des Rates ist eine Dienstleistung der Mitgliedstaaten für das Funktionieren der Europäischen Union, die turnusmäßig von jedem Mitgliedstaat in gleicher Weise zu erbringen ist. In dieser Rotation spiegelt sich auch die Gleichstellung der EU-Mitgliedstaaten wieder.

 

Der Zeitpunkt, zu welchem Österreich den EU-Ratsvorsitz übernommen hat, fiel in eine schwierige Phase der europäischen Integration: Im Frühjahr 2005 hatten sich Frankreich und die Niederlande in Referenden gegen die Ratifizierung des Verfassungsvertrags ausgesprochen. Die Verhandlungen über die Finanzielle Vorausschau für 2007-2013 waren zunächst gescheitert, und erst gegen Jahresende konnte eine Einigung unter den Mitgliedstaaten erzielt werden. Unter den BürgerInnen hatte sich eine EU-skeptischere Stimmung breit gemacht.

 

Österreich versuchte deshalb von Beginn seiner Präsidentschaft an, zu mehr Vertrauen in Europa beizutragen – unter den Mitgliedstaaten ebenso wie zwischen der Union und ihren BürgerInnen. Dabei bewährte sich der Ansatz, mit konkreten Fortschritten die Gemeinsamkeiten auf europäischer Ebene zu stärken und damit auch die Akzeptanz europäischen Handelns durch einen klar erkennbaren Mehrwert für die BürgerInnen zu verbessern.

 

Meinen MitarbeiterInnen und mir ist es dabei infolge der professionellen inhaltlichen, organisatorischen und personellen Vorbereitung gelungen, zu zahlreichen Themen zukunftsweisende Erfolge zu erzielen:

 

Dass es meinen MitarbeiterInnen und mir – für mein Ressort bedeutete die Ratspräsidentschaft die Vorsitzführung im ECOFIN-Rat, beim ASEM-Finanzministertreffen (Asia-Europe Meeting) und beim FEMIP (Facility for Euro-Mediterranean Investment and Partnership) – wie auch der gesamten Bundesregierung gelungen ist, die Herausforderungen der EU-Ratspräsidentschaft anzunehmen und die damit verbundenen Chancen auch zu nutzen, zeigt die lange Liste der sehr erfolgreich behandelten Themen. Zahlreiche Einigungen auch zu kompliziertesten Themen, wichtige Fortschritte bei mittel- bis langfristig ausgelegten Projekten sowie etliche zukunftsweisende Initiativen gehen auf das erfolgreiche Agieren der österreichischen Ratspräsidentschaft zurück. Zu Recht wurde daher in den letzten Wochen positive Bilanz gezogen. So hat auch Herr Bundespräsident Dr. Fischer dieser Bundesregierung für die erfolgreiche Wahrnehmung österreichischer und europäischer Interessen während der Zeit des österreichischen EU-Vorsitzes gedankt und dabei ausgeführt: „Ich konnte mich überzeugen, dass in den abgelaufenen sechs Monaten gute Arbeit bei der Erfüllung der mit der Präsidentschaft in der Europäischen Union verbundenen Aufgaben geleistet wurde.“. Dass diese sehr positive Bewertung leider nicht selbstverständlich ist, wird klar, wenn man an die EU-Ratspräsidentschaft Österreichs unter einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung im Jahr 1998 denkt: damals reichte die Beurteilung von einem „bescheidenen Ergebnis“, wie der damalige Kommissionspräsident in der Tageszeitung „Der Standard“ vom 14. Dezember 1998 zitiert wurde, bis hin zur Qualifizierung als „insgesamt negatives Beispiel der Präsidentschaft eines kleinen Mitgliedslandes“ (Profil, 18. Jänner 1999).

 

Hinsichtlich der sich aus einem finanziellen Mehraufwand für öffentliche Budgets, aus dem durch Vorbereitung und Abwicklung der zahlreichen Ratssitzungen, Konferenzen und dergleichen bedingten Verwaltungsaufwand sowie aus dem Organisationsaufwand für Events in Österreich ergebenden Kosten ist es dieser Bundesregierung gelungen, das in den zum Teil sehr ehrgeizigen Themenstellungen bewiesene Verantwortungsbewusstsein ebenfalls unter Beweis zu stellen. Auch wenn im Vergleich zur Präsidentschaft Österreichs im zweiten Halbjahr 1998 nunmehr um zehn Mitgliedstaaten mehr in Entscheidungsfindungsprozessen zu koordinieren waren und es dabei galt, eine weitaus größere Zahl schwerwiegender Projekte voranzutreiben, war es mir dennoch wichtig, dass die in diesem Zusammenhang anfallenden Ausgaben auf das unbedingt erforderliche Ausmaß beschränkt wurden. Es wurden dabei in meinem Ressort auch keine zusätzlichen Ausgaben unter dem Titel "EU-Präsidentschaft" budgetiert, da ich – wie sich nunmehr erwartungsgemäß herausstellt zu Recht – davon ausgegangen bin, dass die unter diesem Titel anfallenden Ausgaben im Rahmen des allgemeinen Ressortbudgets bedeckt werden können. Es wurden sehr erfolgreich jene Maßnahmen getroffen, die eine Vereinbarkeit von Budgetdisziplin und hochwertiger Aufgabenerfüllung erlauben.

 

Aber auch der Blick auf die finanzielle Bilanz der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft über alle Ressorts hinweg, welche mit Ende Juni 2006 gezogen werden konnte, ist sehr erfreulich für die SteuerzahlerInnen: Den Sachaufwendungen von in Summe rund € 70 Mio. sowie den Aufwendungen von rund € 16,5 Mio. für zeitlich befristete Beschäftigte stehen zum Beispiel

Ö        ein zusätzlicher Wertschöpfungseffekt von € 108 Mio. (gemäß einer aktuellen IHS-Studie) bis € 400 Mio. (gemäß einer WIFO-Studie aus dem Jahr 1998),

Ö        ein positiver Impuls für die Beschäftigung mit mehr als 2.700 zusätzlich beschäftigten Personen,

Ö        263 Veranstaltungen in Österreich in allen österreichischen Bundesländern,

Ö        rund 53.000 zusätzliche Gäste und

Ö        bis zu 160.000 zusätzliche Übernachtungen

gegenüber. Darüber hinaus konnte die Gelegenheit genutzt werden, eine langfristige Image-Steigerung Österreichs als Wirtschaftsstandort sowie eine Festigung Österreichs als internationaler Finanzplatz zu bewirken. Neben den Erfolgen in Sachfragen, mit denen Österreich seine politische Bedeutung weiter steigern konnte, konnte diese Bundesregierung auch finanziell gesehen die mit der EU-Ratspräsidentschaft verbundenen Chancen optimal nutzen. Die Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte überwiegen die finanziellen Aufwendungen des Bundes um mehr als 50%.


Nun zu den konkreten Fragen:

 

Zu 1., 2., 5., 6. und 9.:

Zur Beantwortung dieser Fragen verweise ich auf meine ausführliche Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 4520/J vom 5. Juli 2006.

 

Zu 3. und 4.:

Nein. Im Übrigen verweise ich auf meine ausführliche Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 4520/J vom 5. Juli 2006.

 

Zu 7.:

Nein. Der Vollständigkeit halber weise ich jedoch darauf hin, dass meine MitarbeiterInnen neben der Bewältigung der im Zusammenhang mit der EU-Ratspräsidentschaft stehenden inhaltlichen Herausforderungen auch die qualitativ hoch stehende Erfüllung der laufenden Ressortaufgaben zu gewährleisten hatten. Da hierbei allerdings eine genaue Zuordnung zu den wahrgenommenen Aufgaben – laufende Aufgaben oder Präsidentschaft – nicht möglich ist, ist es mir auch nicht möglich, hiefür eine genaue Quantifizierung zu nennen.

 

Zu 8.:

Im Hinblick auf meine Beantwortung der Frage 7. erübrigt sich diese Frage.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen