4354/AB XXII. GP
Eingelangt am 10.08.2006
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie
Anfragebeantwortung
GZ. BMVIT-10.000/0025-I/PR3/2006 DVR:0000175
An den
Präsidenten des Nationalrates
Dr. Andreas Khol
Parlament
1017 W i e n
Sehr geehrter Herr Präsident!
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4386/J-NR/2006 betreffend fragwürdige Aussagen von Staatssekretär Kukacka zur geplanten Einstellung sowie Stilllegung zahlreicher „Nebenbahn“-Regionalbahnstrecken, die die Abgeordneten Dr. Moser, Freundinnen und Freunde am 19. Juni 2006 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Allgemeine Anmerkungen:
Zu dem von Ihnen hergestellten Zusammenhang zwischen dem im Regionalbahnenkonzept angeführten Einsparungspotenzial in der Höhe von 20 Mio. € einerseits, und angeblich fehlenden Finanzmitteln im selben Ausmaß zur Erhaltung des Schienennetzes andererseits ist anzumerken, dass ich diese Aussage nicht teilen kann, da dieser Zusammenhang nicht existiert. Es ist außerdem eine Tatsache, dass Nebenbahnen oftmals in dünn besiedelten Gebieten verkehren. In der heutigen Zeit aber kann Mobilität in Gebieten mit geringer Bevölkerungsdichte nicht mehr durch ein Linienverkehrsmittel wie der Eisenbahn mit vernünftigen Kosten bereitgestellt bzw. gesichert werden. Dazu bedarf es anderer Mobilitätskonzepte, nämlich solcher, die die Möglichkeit der Flächenbedienung bei weitem kostengünstiger und leistbarer ermöglichen als ein Linienverkehrsmittel wie die Bahn. Die Frage der Einsparungspotenziale bei Nebenbahnen hat damit auch grundsätzlich nichts zu tun und dient nur unzutreffenden Vergleichen, wenn sie mit den Kosten für Beratungsdienstleistungen oder Ablösen für Manager in Zusammenhang gebracht wird. Ebenso ist ein Vergleich mit den für den Brennerbasistunnel erforderlichen Kosten nicht zielführend, da es sich bei diesem Projekt um ein Bauvorhaben auf einer europäischen Hauptachse handelt und nicht um den Betrieb einer Nebenbahn mit äußerst geringem Kostendeckungsgrad.
Frage 1:
Ist es zutreffend, dass dem neuen Regionalbahnenkonzept der ÖBB der Auftrag des Eigentümers zugrunde liegt, 20 Mio Euro einzusparen?
Antwort:
Es gibt eine Vereinbarung zwischen dem BM für Finanzen, dem bmvit und dem Vorstand der Österreichischen Bundesbahnen, die den ÖBB-Vorstand verpflichtet, bis zum September 2005 ein Nebenbahnkonzept mit dem Ziel, ein Einsparungspotenzial von 20 Mio € zu erreichen, vorzulegen.
Fragen 2 bis 6:
Ist es zutreffend, dass das Regionalbahnenkonzept die endgültige Stilllegung von 19 seitens der ÖBB in den letzten Jahren gesetzwidrig trotz Entgegennahme entsprechender öffentlicher Mittel nicht in befahrbarem Zustand gehaltenen Strecken vorsieht, und welche sind dies?
Ist es zutreffend, dass das Regionalbahnenkonzept den „Rückzug“ der ÖBB (d.h. in vielen Fällen die „vorläufige Einstellung“) von 16 weiteren Strecken vorsieht, und welche sind dies?
Ist es zutreffend, dass das Regionalbahnenkonzept den kurz- oder mittelfristigen Rückzug der ÖBB vom Personen- oder Güterverkehr auf 12 weiteren „zur Disposition stehenden“ Strecken vorsieht, und welche sind dies?
Ist es zutreffend, dass das Regionalbahnenkonzept den kurz- oder mittelfristigen Rückzug der ÖBB vom Personenverkehr bei gleichzeitiger Stärkung des Güterverkehrs auf 16 weiteren Strecken vorsieht, und welche sind dies?
Ist es zutreffend, dass das Regionalbahnenkonzept den kurz- oder mittelfristigen Rückzug der ÖBB vom Güterverkehr bei gleichzeitiger Stärkung des Personenverkehrs auf 9 weiteren Strecken vorsieht, und welche sind dies?
Antwort:
Derzeit liegen Konzepte zur Kostenreduktion vor, eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen.
Grundsätzlich ist dazu festzuhalten, dass mit 1. 1. 2005 das Unternehmen ÖBB letztlich durch das Inkrafttreten des Bundesbahnstrukturgesetzes 2003 in die wirtschaftliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortung entlassen wurde und somit ein selbstständiges Unternehmen ist. Die Erstellung von Konzepten, insbesondere solcher, die auf einer entsprechenden Verpflichtung des ÖBB-Vorstandes gegenüber dem BM für Finanzen und dem bmvit beruhen, fällt somit unter die operativen Aufgaben des Managements der ÖBB.
Frage 7:
Offensichtlich (vgl. APA-OTS231 vom 7. 6. 2006) liegen Ihnen bzw. Ihrem Staatssekretär die Kostendeckungsbeiträge auf den einzelnen Strecken des B- und C-Netzes und damit auch auf den in Frage 2 bis 6 angesprochenen Strecken vor. Wie hoch sind diese Kostendeckungsbeiträge bei den einzelnen in Frage 2 bis 6 angesprochenen Strecken.
Antwort:
Die Kostendeckungsgrade der jeweiligen Strecken liegen zwischen 5 und 10 %.
Frage 8:
Ist Ihnen bekannt, dass der (betriebswirtschaftliche) Kostendeckungsbeitrag von zahlreichen Großprojekten der Bahninfrastruktur ähnlich niedrig wie derjenige von manchen Regionalbahnen ist, und warum entscheiden Sie bzw. Ihr Staatssekretär sich dennoch für Rückzug der Bahn aus den Regionen und nicht zB für den Rückzug aus dem einen oder anderen nur für einzelne Baukonzerne und Großbanken profitablen Großprojekt?
Antwort:
Die erwähnten Projekte dienen der Modernisierung an Hauptachsen, die wesentlich dichtere Verkehre und ein wesentlich größeres Marktpotenzial haben als Nebenbahnen. Es kann daher keinerlei Zusammenhang zwischen diesen Projekten und der Frage der Kosteneinsparungen an Nebenbahnen hergestellt werden.
Frage 9:
Ist Ihnen bekannt, dass der (betriebswirtschaftliche) Kostendeckungsbeitrag von zahlreichen Straßenstrecken ähnlich niedrig wie derjenige von manchen Regionalbahnen ist, und warum entscheiden Sie bzw. Ihr Staatssekretär sich dennoch für Rückzug der Bahn aus den Regionen und nicht zB für entsprechende Einsparungen durch eine Eindämmung des Straßenbaus, der ja nach wie vor in vielfältiger Weise zB über den Finanzausgleich aus Bundesgeldern kofinanziert wird?
Antwort:
Diese Frage fällt in die Kompetenz der Länder als Straßenerhalter.
Fragen 10 und 11:
Wie erklären Sie angesichts der offenkundig anders gearteten Faktenlage die Aussage Ihres Staatssekretärs in APA-OTS231/7.6.2006, wonach es im Zusammenhang mit dem Regionalbahnkonzept nur um eine „angebliche“ Schließung von Nebenbahnen gehe?
Wie erklären Sie angesichts der offenkundig anders gearteten Faktenlage die Aussage Ihres Staatssekretärs in APA-OTS231/7.6.2006 „Kukacka hält ausdrücklich fest, dass es bei dem neuen Regionalbahnen-Konzept keineswegs darum geht, Nebenbahnen stillzulegen“?
Antwort:
Derzeit ist, wie schon der Name sagt, das Nebenbahnkonzept in der Konzeptphase. Es ist derzeit noch keine einzige Entscheidung gefallen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass andere Betreiber als die ÖBB, die eine günstigere Kostenstruktur als die ÖBB aufweisen, ein Interesse an einigen dieser Nebenbahnen haben und derartige Strecken betriebswirtschaftlich sinnvoll betreiben könnten. Dies wird nicht zuletzt auch von der Bereitschaft der Länder abhängen, entsprechende Verkehrsdienste auf diesen Nebenbahnen zu bestellen und zu bezahlen.
Sowohl im bestehenden Eisenbahngesetz als auch in der Eisenbahngesetznovelle gibt es eine Verpflichtung, entsprechende Anstrengungen zu unternehmen, um eben derartige andere Betreiber zu finden. Erst wenn diese Bemühungen offensichtlich aussichtslos sind, kann eine Nebenbahn eingestellt werden, wobei noch immer ein nicht öffentlicher Betrieb - beispielsweise eine Anschlussbahn oder ein anschlussbahnähnlicher Betrieb - weiterhin möglich wäre.
Frage 12:
Ist Ihnen bekannt, dass bei Ersatz von Regionalstrecken durch Busverkehre üblicherweise die Fahrgastzahl sofort deutlich und unumkehrbar sinkt, die Einstellung von Regionalbahnen somit zu Mehrbelastungen für Umwelt und Haushalte durch mehr Individualverkehr führen?
Antwort:
Die Frage der Nutzung der Verkehrsmittel hängt nicht zuletzt vom jeweiligen Verkehrskonzept und dessen Einbindung in die Region bzw. in die Gemeinden ab. Daher ist eine Generalisierung dergestalt, dass der Ersatz von regionalen Bahnverkehren durch Busverkehre automatisch zu einem Fahrgastverlust führt, nicht zulässig.
Frage 13:
Wie bringen Sie den in Frage 12 angesprochenen Sachverhalt mit der vom Rechnungshof anlässlich der Evaluierung des Nah- und Regionalverkehrsgesetzes an Sie gerichteten „Empfehlung“, verkehrspolitische Lenkungsmaßnahmen zugunsten des ÖPNRV zu ergreifen, in Einklang?
Antwort:
Der Bund zahlt nicht zuletzt 1 Mrd. € pro Jahr und damit knapp über 50 % der jährlichen Betriebskosten des Nah- und Regionalverkehrs in Österreich. Bundesweite verkehrspolitische Lenkungsmaßnahmen zugunsten des ÖPNRV sind – wie Ihnen ja bekannt ist – infolge der Regulative der Europäischen Union nicht so einfach möglich, Einschränkungen des Individualverkehrs und des Güterverkehrs auf lokaler und regionaler Ebene jedoch sehr wohl.
Frage 14:
Warum wollen Sie bzw. Ihr Staatssekretär die durch Ihre ÖBB-Reform entstandene Finanzlücke bei der Schienennetzerhaltung durch die ÖBB Infrastruktur Betrieb AG im Wege einer Kostensenkung durch Stilllegung/Einstellung zahlreicher Neben- und Regionalstrecken reparieren?
Antwort:
Der Bund bezahlt 1,006 Mio € per anno für die Erhaltung des Schienennetzes. Dieser Betrag war in der Vergangenheit ausreichend und muss es daher auch in der Zukunft sein. Die Frage der Effizienz des Mitteleinsatzes ist eine Frage, die ausschließlich das operative Management der ÖBB betrifft und daher nicht vom Verkehrsminister beantwortet werden kann.
Frage 15:
Wie erklären Sie das hohe Gewicht, das Staatssekretär Kukacka den (gesetzeskonform) jährlich aufzuwendenden 500.000 Euro für die Erhaltung von bereits seit einigen Jahren eingestellten, aber vielfach revitalisierungsfähigen Eisenbahnstrecken zumisst, wo doch zugleich für Beraterhonorare im Zusammenhang mit den ÖBB pro Jahr im Durchschnitt das 36-fache, für den Golden Handshake von Ex-ÖBB-GD vorm Walde das zweieinhalbfache, für die zusätzlichen Managementausgaben nach der ÖBB-Reform ein Mehrfaches und allein für den Probestollen des künftigen Verlustbringers Brennerbasistunnel das ca. 1.000-fache dieser Summe ausgegeben wird?
Antwort:
Ich verweise auf meine einleitenden Ausführungen.
Mit freundlichen Grüßen