4390/AB XXII. GP
Eingelangt am 18.08.2006
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
GZ. BMF-310205/0064-I/4/2006
Herrn Präsidenten
des Nationalrates
Dr. Andreas Khol
Parlament
1017 Wien
Sehr geehrter Herr Präsident!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4388/J vom 19. Juni 2006 der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen, betreffend Haftung des ÖGB gegenüber der Republik Österreich, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Vorweg möchte ich festhalten, dass die Fragestellungen in der Anfrage die Gebarung des Bundesministeriums für Finanzen nur teilweise betreffen. Fragestellungen zur Motivation des ÖGB betreffend den Verkauf der BAWAG P.S.K. und damit verbundenen Umgründungen entziehen sich einer Beantwortung durch mein Ressort. Ich ersuche daher um Verständnis dafür, dass ich die Fragen daher nur insoweit beantworten kann, als sie Gegenstände der Vollziehung durch mein Ressort betreffen und nicht Geheimhaltungsverpflichtungen (abgabenrechtliche Verpflichtung zur Geheimhaltung, Amtsverschwiegenheit, Bankgeheimnis) einer Beantwortung entgegenstehen.
Zu 1.:
Korrespondierend zur Haftungsvereinbarung des Bundes mit der BAWAG P.S.K. vom 6. Juni 2006 wurde mit dem Eigentümer ÖGB eine Vereinbarung getroffen, wonach im Haftungsfall zunächst der ÖGB leistungspflichtig ist, wobei diese Leistungen nicht dazu führen dürfen, dass der ÖGB insolvent wird.
Eckpunkte dieser Vereinbarung sind:
Zu 2.:
Die Regresshaftung gegenüber dem ÖGB kann – abhängig von der Inanspruchnahme des Bundes durch die BAWAG P.S.K. – über einen Zeitraum von fünf bis 14 Jahren geltend gemacht werden. Insoferne ist der Kurier-Artikel vom 12. Juni korrekt.
Zu 3.:
In der Vereinbarung mit dem ÖGB wurden – unter Bedachtnahme auf die Zielsetzungen des BAWAG P.S.K. Sicherungsgesetzes (Stabilisierung der BAWAG P.S.K., Vermeidung einer Insolvenz des ÖGB) – alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, um die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme der Steuerzahler zu minimieren. Durch die Verkaufsverpflichtung der bisherigen Eigentümer bis zum 30. Juni 2007 sollte es möglich sein, dass ein wirtschaftlich leistungsfähiger Eigentümer innerhalb eines angemessenen Zeitraumes die BAWAG P.S.K. übernimmt und so wieder das Institut auf eine geschäftlich fundierte Basis stellt. Sollte ein Verkauf innerhalb dieses Zeitraumes nicht möglich sein, besteht bei Nichterfüllung der Eigenkapitalvorschriften des Bankwesengesetzes (BWG) grundsätzlich die Möglichkeit, die Haftung (bei erhöhtem Haftungsentgelt) zu verlängern, wodurch gleichfalls die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des Bundes aus der Bürgschaftsvereinbarung abgesenkt wird. Im Besonderen möchte ich darauf hinweisen, dass die Sachverhalte, die eine Haftungsinanspruchnahme auslösen, ausschließlich im Insolvenzbereich angesiedelt sind. Nur bei sonst unvermeidbarer Insolvenz des Instituts und im Insolvenzfall selbst wird die Bürgschaft schlagend.
Ergänzend wurden im Vorfeld der Vereinbarung mit der BAWAG P.S.K. folgende Vorkehrungen getroffen:
Ich gehe selbstverständlich auch davon aus, dass der ÖGB das allergrößte Interesse daran haben muss, dass diese Haftung des Steuerzahlers, der Steuerzahlerin in der Größenordnung von 900 Millionen € eben nicht schlagend wird und dass er seinen Verpflichtungen als Eigentümer gegenüber seiner Bank entsprechend gerecht werden kann.
Flankierend zur Haftung des Bundes haben, wie ich auch bei diversen Anfragebeantwortungen bereits ausgeführt habe, Banken und Versicherungen der BAWAG P.S.K.-Gruppe zur Stärkung der Kapitalbasis 450 Millionen € Eigenmittel gemäß Bankwesengesetz zur Verfügung gestellt
Zu 4.:
Wie ich bereits in den Antworten zu den Fragen 1 und 2 grundsätzlich ausgeführt habe, kann der Bund im Fall seiner Inanspruchnahme für die von ihm geleisteten Beträge zuzüglich geleisteter Zinsen und Kosten in einem Zeitraum von 5 Jahren Regressansprüche geltend machen. Die Eigentümer der BAWAG P.S.K (ÖGB, Österreichische Gewerkschaftliche Solidarität Privatstiftung, ÖGB Beteiligungsges.m.b.H., ÖGB Vermögens-verwaltungsges.m.b.H., Anteilsverwaltung BAWAG P.S.K. AG) haften für die Regressansprüche des Bundes solidarisch als Bürge und Zahler; diese Regresshaftung darf aber auch nicht die Insolvenz des ÖGB auslösen.
Zu 5.:
Entsprechend dem derzeitigen Erkenntnisstand aus den anhängigen Prüfungen wurde die AVB mit ihrer aktuellen Bilanzstruktur im Zusammenhang mit der Verschmelzung von BAWAG und PSK im September 2005 etabliert. Im juristischen Sinn handelt es sich bei der AVB um die alte BAWAG, die aus dieser Gesellschaft den Bankgeschäftsbetrieb ausgebracht hat. Der Kreis der handelnden und wissenden Personen ist meinem Ressort und mir im Detail nicht bekannt. Von einer Information von Fritz Verzetnitsch, ÖGB-Finanzchef Weninger, dem Vorstand der BAWAG sowie dem Wirtschaftsprüfer muss jedoch ausgegangen werden. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise sind die Schulden in letzter Konsequenz auf die Verluste aus den Karibikgeschäften zurückzuführen.
Zu 6.:
Wie aus verschiedenen medial getätigten Aussagen zu entnehmen ist, dienten die Verschmelzung der BAWAG und der P.S.K. sowie die damit verbundenen Umgründungsmaßnahmen im Herbst 2005, insbesondere die AVB und der Schuldentransfer, der Verbesserung der Bilanzstruktur der BAWAG im Hinblick auf einen mittelfristig beabsichtigten Verkauf. Vor diesem Hintergrund ist von einem bewussten Transfer von Verlusten auszugehen.
Zu 7.:
Wie ich bereits in meiner Beantwortung der Frage 6 ausgeführt habe, dürfte die Motivation für den Schuldentransfer von der BAWAG zur AVB in der zu diesem Zeitpunkt vom ÖGB offenbar bereits gefällten Verkaufsentscheidung gelegen haben.
Die Schaffung der AVB und das Eingehen der Verbindlichkeit gegenüber der BAWAG P.S.K. verstoßen für sich allein betrachtet nicht gegen die Bestimmungen des Gesellschaftsrechts oder des BWG.
Die Klärung, ob jedoch diese Maßnahmen der vorsätzlichen Verlustverschleierungen dienen sollten und dabei Gesetzesverletzungen erfolgten, wird auch – davon gehe ich aus – Aufgabe der unabhängigen Justizbehörden sein.