4611/AB XXII. GP

Eingelangt am 14.09.2006
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 
JOSEF PRÖLL

Bundesminister

 

 

 

 

 

An den                                                                                               Zl. LE.4.2.4/0078-I 3/2006

Herrn Präsidenten

des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 14. SEP. 2006

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl.parl.Anfr.d.Abg.z.NR Dr. Eva Glawischnig-Piesczek,

Kolleginnen und Kollegen vom 14. Juli 2006, Nr. 4691/J, betreffend

Millionenzahlungen für Melker Prozess zu AKW Temelín ohne Ergebnis

 

 

 

 

Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen vom 14. Juli 2006, Nr. 4691/J, betreffend Millionenzahlungen für Melker Prozess zu AKW Temelín ohne Ergebnis, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Eingangs verweise ich in diesem Zusammenhang auf die Beantwortung der Parlamentari­schen Anfragen Nummern 4360/J-XXII. GP-NR und 3507/J-XXII. GP-NR, in denen ich mich bereits ausführlich zum KKW Temelín in der Tschechischen Republik geäußert habe. Weiters erlaube ich mir nochmals grundsätzlich Folgendes festzuhalten:

 

Österreich hat das KKW Temelín von Beginn an, das heißt seit Erteilung der Baubewilligung Mitte der 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts, abgelehnt. Österreich muss das Recht anderer Staaten respektieren, die Wahl ihrer Energieträger frei zu treffen und damit auch die Ent­scheidung anderer Staaten zur Nutzung der Kernenergie. Dort, wo allerdings die Sicherheit und Gesundheit der österreichischen Bevölkerung betroffen sein könnten, fühlt sich Österreich jedoch berechtigt und verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der österreichischen Bevölkerung und der Umwelt zu ergreifen.

 

Folglich ist das KKW Temelín in Österreich, aber auch in der Tschechischen Republik, seit vielen Jahren Thema intensiver Diskussionen. Stand für die Tschechische Republik am Anfang die energiewirtschaftliche Sinnhaftigkeit im Vordergrund, so rückten mit Fortschreiten des Baus Aspekte der Sicherheit mehr und mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit, wozu auch die österreichischen Initiativen wesentlich beigetragen haben.

 

Mit dem „Melker Protokoll“ vom 12. Dezember 2000 konnten u.a. erstmals konkrete Abläufe für einen Diskurs auf technischer Ebene vereinbart werden. Mit der „Vereinbarung von Brüssel“ vom 29. November 2001 haben dann erstmals zwei Staaten Sicherheitsziele für ein Kernkraftwerk in einem bilateralen Vertrag festgelegt. Damit haben beide Staaten absolutes Neuland betreten. Es ist daher sehr bedeutsam, dass die Implementierung der Road Map zur „Vereinbarung von Brüssel“ planmäßig Schritt für Schritt erfolgte. Es steht völlig außer Zweifel, dass die „Vereinbarung von Brüssel“ völkerrechtlich bindend ist. Dass – trotz vorheriger Information und entgegen der diesbezüglichen Vereinbarung mit Tschechien – einige Mitgliedstaaten der Union letztlich die Verankerung im Beitrittsvertrag der Tschechischen Republik verhindert haben, war nicht vorhersehbar.

 

Von 2002 bis 2004 wurden in Umsetzung der „Road Map“ insgesamt 14 Experten-Work­shops abgehalten, in die auf österreichischer Seite 35 Organisationen und andere Projekt­partner aus 10 Ländern involviert waren. Das österreichische „Monitoring“-Konzept sah unter dem Generalmanagement der Umweltbundesamt GmbH technische Projektteams zu jedem einzelnen Punkt der Road Map (bzw. des Annex I der „Vereinbarung von Brüssel“) vor. Die einzelnen Teilprojekte wurden ausgeschrieben und von unterschiedlichen Konsortien durch­geführt. Bei der Auswahl der Projektteams wurde nicht nur auf hohe fachliche Qualifikation geachtet, sondern auch auf thematische Breite und Interdisziplinarität. Auf diese Weise konnten die besten Voraussetzungen für eine fundierte Sicherheitsbewertung geschaffen werden.

 

Der vom Umweltbundesamt koordinierte Abschlussbericht identifiziert wesentliche Fortschritte in Sicherheitsfragen. Andererseits zeigt der Bericht auch noch zu diskutierende Fragen auf. Aus dem Umstand, dass Fragen offen sind, kann allerdings nicht zwingend auf die Nichterfüllung von Sicherheitszielen geschlossen werden. Folglich ist auch die von der Fragestellerin vertretene Auffassung, dass die Aufnahme des kommerziellen Betriebes zum jetzigen Zeitpunkt als Verletzung der „Vereinbarung von Brüssel“, konkret des Kapitels VI, durch die Tschechische Republik zu werten wäre, auf der Basis der vorliegenden Expertisen inhaltlich nicht belegbar.

 

Unbeschadet dessen ist ein dauerhafter Sicherheitsdialog zum KKW Temelín auch jetzt nach den Kollaudierungsschritten für den ersten Block des KKW sinnvoll und notwendig. Die Fortsetzung dieses Diskurses ist mehr denn je ohne jede Alternative.

 

Die grundsätzliche Position Österreichs, nämlich der Wunsch nach einem Ausstieg aus der Kernenergie und damit insbesondere auch der Wunsch nach der „Nullvariante“ für Temelín, bleibt nach wie vor aufrecht. Da die Tschechische Republik zu diesbezüglichen Diskussionen jedoch nach wie vor nicht bereit ist, bleibt der Weg der Fortsetzung des Sicherheitsdialoges     – dies sei nochmals betont – ohne Alternative.

 

Die einzelnen Fragen beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

 

Für das laufende Jahr können noch keine endgültigen Angaben gemacht werden. Im Jahre 2000 sind noch keine Ausgaben zur Umsetzung des Melker Protokolls angefallen, da dieses erst im Dezember 2000 vereinbart wurde. In den weiteren Jahren wurden folgende Beträge zur Umsetzung des Melker Protokolls, bzw. zur Umsetzung der „Vereinbarung von Brüssel“ im Rahmen des Budgetkapitels 61 ausgegeben (auf Tausend € gerundet):

 

            2001    €          1.351.000,--

            2002    €             194.000,--

            2003    €          1.778.000,--

            2004    €             952.000,--

            2005    €          1.741.000,--

 

 

 

 

 

Inhaltlich setzen sich diese Ausgaben wie folgt zusammen (auf Tausend € gerundet):

 

- Gesamt UVP im Rahmen der Umsetzung des „Melker Protokolls“                      €    430.000,--

- Trialog zu Sicherheitsfragen gemäß Kapitel IV des „Melker Protokolls“               €    788.000,--

- Umsetzung der „Road Map“ zu Annex I und Annex II der                                      € 3.943.000,--

  „Vereinbarung von Brüssel“

 

Abgesehen von der Umsetzung der „Road Map“ – bzw. den hiezu vorbereitenden Aktivitäten – wurden folgende Projekte finanziert, die ebenfalls Gegenstand der „Vereinbarung von Brüssel“ bzw. des „Melker Protokolls“ sind (auf Tausend € gerundet):

 

- Energiepartnerschaft mit der Tschechischen Republik                                        €    497.000,--

- Ausbau des Strahlenfrühwarnsystems                                                                 €    358.000,--

 

Anzumerken ist, dass im Bereich der Energiepartnerschaften eine Reihe von Regionalprojekten durchgeführt wird, die auch die Tschechische Republik umfassen. Anteilige, auf die Tschechische Republik entfallende Kosten können jedoch bei diesen Projekten nicht errechnet werden.

 

Zu Frage 2:

 

Die Planziffern für das Jahr 2006 belaufen sich auf € 137.000,-- für die Energiepartnerschaften mit der Tschechischen Republik, € 200.000,-- für Umsetzung der „Road Map“ und € 31.000,-- für den weiteren Ausbau des Strahlenfrühwarnsystems. Da noch kein BVA für die Jahre 2007 und 2008 vorliegt, können diesbezüglich noch keine Angaben gemacht werden.

 

Zu Frage 3:

 

Es sei eingangs darauf hingewiesen, dass die jeweiligen Unterstützungen in Hinblick auf Antragstellungen und budgetäre Möglichkeiten von Jahr zu Jahr variieren, aber in Summe trotz Budgetkonsolidierung in der gleichen Größenordnung gehalten werden konnten.

 

 

 

Alle Angaben auf Tausend € gerundet:

 

                                          2000         2001         2002         2003         2004         2005         2006

 

EPCE                          102.000,-    94.000,-   97.000,- 104.000,-   97.000,-   98.000,-   94.000,-

AAI                                 22.000,-      7.000,-

GLOBAL 2000              11.000,-    11.000,-   24.000,-   29.000,-   20.000,-   26.000,-

Kärntner Initiative         7.000,-      7.000,-     7.000,-

Ökologie-Institut           7.000,-    12.000,-     7.000,-   28.000,-   20.000,-   26.000,-

OÖ Plattform                  9.000,-

ÖTAAK                            4.000,-

 

Die für das zweite Halbjahr 2006 geplanten Ausgaben sind nicht enthalten. In Summe belaufen sich die Förderungen auf rund € 876.000,--, wobei Zug um Zug Schwerpunktsetzungen in den Bereichen europäische Nuklearpolitik und Aufbau einer BürgerInnengesellschaft in Mitteleuropa gesetzt wurden. Die Abkürzungen stehen für folgende Organisationen:

 

EPCE                          Environmental Partnership for Central Europe

AAI                               Anti-Atom-International

GLOBAL 2000            Die Österreichische Umweltschutzorganisation Austrian Member of Friends of the Earth International

Kärntner Initiative        Kärntner Initiative Alpe Adria

Ökologie-Institut         Österreichisches Ökologie-Institut für angewandte Umwelt­forschung

OÖ Plattform              Oberösterreichische Überparteiliche Plattform gegen Atom­gefahr

ÖTAAK                       Österreichisch-tschechisches Anti-Atom-Komitee

 

Zu Frage 4:

 

Auf die grundsätzlichen Ausführungen in der Einleitung betreffend noch zu diskutierende Fragen darf verwiesen werden.

 

Zu Frage 5:

 

Sowohl ich selbst, als auch andere Mitglieder der Bundesregierung haben wiederholt Gespräche über die Null-Variante für Temelín vorgeschlagen. Da die Tschechische Republik zu diesbezüglichen Diskussionen bislang nicht bereit ist, können auch keine konkreten Stilllegungsverhandlungen aufgenommen werden.

 

Zu Frage 6:

 

Die Umsetzung des „Melker Protokolls“ wurde mit der „Vereinbarung von Brüssel“ abgeschlossen. Die „Vereinbarung von Brüssel“ selbst gilt grundsätzlich für unbestimmte Zeit. Selbst die Umsetzung der Sicherheitsziele des Annex I kann erst mit der endgültigen Stilllegung des KKW Temelín als abgeschlossen betrachtet werden, da etliche dieser Sicherheitsziele prozessorientiert sind und somit über die gesamte Betriebsdauer des Kernkraftwerkes weiter zu verfolgen sein werden. Über die Notwendigkeit einer dauerhaften Fortführung eines intensiven Sicherheitsdialoges sind sich sowohl die beiden Regierungen als auch die zuständigen Behörden einig. Eine konkrete Budgetierung kann erst auf Basis konkreter Bundesvoranschläge erfolgen und ist daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht prognostizierbar. Übergeordnetes Ziel der österreichischen Nuklearpolitik bleibt der Ausstieg aus der Kernenergie generell und die Stilllegung des KKW Temelín im Besonderen. Da dieses Ziel unilateral nicht erreicht werden kann, bleibt es vorrangige Aufgabe, den Schutz der österreichischen Bevölkerung und Umwelt zu optimieren, um auf diese Weise die nuklearen Risken zu minimieren.“

 

 

Der Bundesminister: