85/AB XXII. GP
Eingelangt am 03.04.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Wirtschaft und Arbeit
Anfragebeantwortung
In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage
Nr. 92/J betreffend
Vorbereitung auf die Vorlage erster Angebote im Bereich der
Dienstleistungsliberali-
sierung im Rahmen der GATS-Verhandlungen längstens zum 31. März 2003, welche
die Abgeordneten Dr. Caspar Einem, Kolleginnen und Kollegen, am 7. Februar 2003
an mich richteten, stelle ich fest:
Antwort zu den Punkten 1 bis 3 der Anfrage:
Weder von der Bundesregierung noch von der österreichischen
Wirtschaft wurden
offensive Wünsche an die EK herangetragen. Die Ursache für die Zurückhaltung
der
österreichischen Wirtschaft im GATS-Forderungsprozess mag im überwiegenden
Engagement der österreichischen Dienstleistungsexporteure im benachbarten Aus-
land begründet liegen, mit dem präferentielle Vereinbarungen, die auch den
Dienst-
leistungshandel abdecken, bestehen.
Antwort zu den Punkten 4 bis 7 der Anfrage:
Es finden in regelmäßigen Abständen
Informationsveranstaltungen für Nichtregie-
rungsorganisationen (NROs) sowie für die Parlamentarier statt, bei denen über
den
Stand der Verhandlungen informiert wird. Gesondert hinzuweisen wäre auf eine
En-
quete mit Vertretern der Sozialpartner, von NROs sowie der Europäischen Kommis-
sion und der WTO am 28.2.2003 in der Hofburg.
Der Angebotsentwurf sowie der revidierte Angebotsentwurf
der Europäischen Kom-
mission wurden umgehend allen involvierten Ressorts, Sozialpartnern,
Interessens-
vertretungen sowie dem Parlament zur Verfügung gestellt. Diesbezügliche
Informati-
onen, insbesondere eine Zusammenfassung des Angebotsentwurfes, befinden sich
auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit.
Die vorgebrachten Sorgen und Anliegen beziehen sich in
erster Linie auf die öffent-
lichen Dienstleistungen, insbesondere Wasserversorgung, Gesundheitswesen, Bil-
dung und Personennahverkehr. Von einigen NROs wird ein Stopp der Verhandlun-
gen gefordert. Die erwähnten Sorgen sind allerdings insofern unbegründet, als
sie
Bereiche betreffen, die vom GATS nicht erfasst sind oder nicht Gegenstand des
EU-
Angebotes sein werden.
Antwort zu Punkt 8 der Anfrage:
In den Jahren 2001/2002 wurde in Österreich das
Liberalisierungspotential für die
GATS-Verhandlungen erhoben. Diese Erhebung hat ergeben, dass für die soge-
nannten öffentlichen Dienstleistungen kein Potential für weitere
Liberalisierungs-
maßnahmen im Rahmen des GATS besteht. Dies wurde der Europäischen Kommis-
sion mitgeteilt. Der EU-Angebotsentwurf, der sich derzeit noch in der
Abstimmungs-
phase befindet, sieht bei den Dienstleistungsbereichen Wasserversorgung,
Gesund-
heit, öffentlicher Personennahverkehr, Bildung und Erziehung sowie
audiovisuelle
Dienstleistungen keine neuen Verpflichtungen vor. In Österreich sind sämtliche
Bun-
desministerien, alle Sozialpartner, die Bundesländer, sowie der Städte- und Ge-
meindebund in die Verhandlungen bzw. die Abstimmung des GATS-Angebotes der
EG und ihrer Mitgliedsstaaten eingebunden. Die Parlamentsklubs und die NROs
werden regelmäßig über den Fortgang der Verhandlungen informiert.
Antwort zu Punkt 9 der Anfrage:
Die Bundesarbeitskammer ist in den
Abstimmungsprozess des EU-Angebotes voll
eingebunden. Sie hat ihre Position zu den GATS-Verhandlungen in zahlreichen
schriftlichen und mündlichen Beiträgen dargelegt.
Antwort zu den Punkt 10 bis 12 der Anfrage:
Das Bundesministerium für Wirtschaft und
Arbeit ist der Auffassung, dass der Positi-
on bzw. den Bedenken der Bundesarbeitskammer im Angebotsprozess voll Rech-
nung getragen wurde, indem beispielsweise - nicht zuletzt auf Drängen
Österreichs -
im sensiblen Bereich der sogenannten öffentlichen Daseinsvorsorge keine Verwen-
dungszusagen ins Auge gefasst werden.
Antwort zu den Punkten 13 bis 15, 18 und 19 der Anfrage:
Es ist festzuhalten, dass es kein
eigenständiges österreichisches Angebot geben
wird, sondern dieses Bestandteil des Angebotes der EG und ihrer
Mitgliedsstaaten
sein wird. Wie bereits erwähnt, wird es seitens Österreichs kein Angebot zu den
öf-
fentlichen Dienstleistungen geben. Der Nationalrat wird - in Entsprechung von
Art.
23e B-VG - ständig über die Ergebnisse der Sitzungen des Ausschusses gem. Art.
133 EGV unterrichtet. Gesondert darf nochmals auf die Übermittlung der EU-
Angebotsentwürfe am 7.2.2003 und am 11.3.2003 an das Parlament hingewiesen
werden. Am 19.3.2003 hat sich der Wirtschaftsausschuss mit dem Entwurf einer
ös-
terreichischen Stellungnahme zum
EU-Angebotsentwurf befasst.
Es existieren keine auf Österreich
bezogenen Untersuchungen der Auswirkungen
der GATS - Liberalisierung, da der Einfluss des GATS nicht isoliert von anderen
Fak-
toren - z.B. Binnenmarktliberalisierung oder autonomen, nationalen Maßnahmen
darstellbar ist. Dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ist nur ein
Fall be-
kannt, in dem sich ein ausländischer Dienstleistungsanbieter zur Durchsetzung
sei-
ner Ansprüche auf das GATS berufen hat. Es kann davon ausgegangen werden,
dass - insbesondere angesichts des geplanten, sehr
beschränkten Verpflichtungs-
umfanges der EU - sich daran in unmittelbarer Zukunft nichts Wesentliches
ändern
wird.
Antwort zu Punkt 16 der Anfrage:
Es wurde keine derartige Studie in Auftrag gegeben.
Untersuchungen über die Fol-
gen bzw. Vorteile der GATS - Liberalisierungen gibt es bereits seit geraumer
Zeit. Zu
erwähnen ist hier eine Publikation der OECD mit dem Titel "GATS: The Case
for
Open Services Markets". Neben einem Überblick über die empirische Evidenz
der
Vorteile offener Dienstleistungsmärkte enthält diese auch eine Bibliografie von
zahl-
reichen allgemeinen und sektorspezifischen Studien/Untersuchungen rund um die
Dienstleistungen und den Dienstleistungshandel.
Antwort zu Punkt 17 der Anfrage:
Ein Großteil der von den Gemeinden erbrachten
Dienstleistungen fällt unter die Aus-
nahme für öffentliche Dienstleistungen des Art l GATS. Weiters darf nochmals
darauf
hingewiesen werden, dass es seitens Österreichs kein Angebot bei den
öffentlichen
Dienstleistungen geben wird. Liberalisierung im Sinne des GATS bedeutet
Marktzu-
gang, Inländerbehandlung und bessere Vorhersehbarkeit im Dienstleistungshandel;
nicht jedoch Zwang zu Privatisierung und Deregulierung. Jeder Mitgliedsstaat
hat es
selbst in der Hand, inwieweit er Marktzugang und Inländerbehandlung gewährt.
Die
Leistbarkeit von und der diskriminierungsfreie Zugang zu Dienstleistungen
stehen in
keinem Zusammenhang mit der Liberalisierung im Rahmen des GATS. Am Beispiel
der Wasserversorgung seien die Gestaltungsmöglichkeiten des Staates bei allen
vom GATS erfassten Dienstleistungen dargestellt:
• die
Versorgung kann als privates oder öffentliches (Gebiets) Versorgungsmo-
nopol aufrecht erhalten werden
• Öffnung der
Versorgung für den Wettbewerb, der Zugang bleibt jedoch nationa-
len Firmen vorbehalten
•
die Versorgung kann für inländische und ausländische Anbieter geöffnet
wer-
den, ohne dass im GATS eine Bindung eingegangen wird (autonome Liberali-
sierung)
•
volle oder eingeschränkte Öffnung der Versorgungsdienstleistungen für
Aus-
länder mit expliziter Verpflichtung für Marktzugang und Inländerbehandlung,
wie im GATS definiert
Antwort zu den Punkten 20 und 21 der Anfrage:
Öffentliche Dienstleistungen sind dreifach abgesichert,
nämlich durch die Ausnahme
im Abkommenstext selbst, durch die Vermeidung neuer Verpflichtungen im Angebot
sowie durch einen gemeinschaftsweiten EU - Vorbehalt im Angebot, der besagt,
dass Dienste der Daseinsvorsorge in Form von öffentlichen Monopolen oder durch
Private, denen exklusive Rechte gewährt werden, angeboten werden können. Der
Begriff der "public utilities" ist dabei weit auszulegen und geht
über netzgebundene
Dienstleistungen hinaus. In den Bereichen Bildung, Gesundheit, Nahverkehr, Was-
serversorgung sowie bei den audiovisuellen Dienstleistungen wird es kein
Angebot
geben.
Antwort zu Punkt 22 der Anfrage:
Eine derartige Einschränkung des Vorbehalts steht überhaupt
nicht zur Diskussion,
weshalb momentan auch keine besonderen Vorkehrungen notwendig sind. Der
diesbezügliche EU-12 Vorbehalt wurde auf Österreich, Finnland und Schweden aus-
gedehnt. Diese Ausdehnung wird überdies von allen EU-Mitgliedsstaaten und der
Europäischen Kommission vorbehaltlos unterstützt.
Antwort zu Punkt 23 der Anfrage:
Festzuhalten wäre, dass der EK-Vorschlag sehr behutsam und
ausgewogen ausge-
fallen ist. Der EU-Angebotsentwurf zeigt hinsichtlich der spezifischen
Verpflichtungen
in den für Österreich besonders sensiblen Sektoren folgendes Bild:
Wasserversorgung
Dieser Bereich firmiert unter dem Sektor
Umweltdienstleistungen. Für den Subsektor
Wasserversorgung wird EU-weit kein GATS-Angebot ins Auge gefasst. Von den Än-
derungen in den anderen Subsektoren des Umweltdienstleistungsbereiches (Abwas-
serbehandlung, Abfallbehandlung, Lärmschutz, Landschaftsschutz, Schutz der Bio-
diversität, etc.) ist Österreich nicht berührt, da dafür bereits 1994 volle
GATS-
Verpflichtungen eingegangen wurden.
Bildung und Erziehung
In diesem Sektor werden von der EK EU-weit keine
zusätzlichen GATS-
Verpflichtungen vorgeschlagen. Hervorzuheben wäre, dass die bestehenden öster-
reichischen Verpflichtungen (primärer u. sekundärer Bildungsbereich, etc.) auf
die
privat finanzierten Leistungen eingeschränkt wurden, und somit rein
GATS-technisch
betrachtet sogar eine Deliberalisierung stattfindet.
Gesundheits- und soziale Dienstleistungen
Keine Ausweitung ist in diesem Bereich der bestehenden
GATS-Bindungen vorge-
sehen.
Verkehrsdienstleistungen
Das EU-Angebot umfasst hauptsächlich Verbesserungen in den
Bereichen Seever-
kehr und Luftverkehr (ground handling, airport-management). In den Bereichen
Landtransport (Straße und Bahn) werden auf den ersten Blick keine neuen GATS-
Verpflichtungen ins Auge gefasst. Dies gilt auch für den sensiblen Bereich des
öf-
fentlichen Personennahverkehrs.
Finanzdienstleistungen
In diesem Bereich wird der bestehende österreichische
Vorbehalt, dass verpflichten-
de Luftfahrtversicherungen nur mit in der EU ansässigen
Versicherungsunternehmen
abgeschlossen werden können, aufgehoben.
Der Vorbehalt für die erhöhte Versicherungssteuer beim
grenzüberschreitenden Ab-
schluss von Versicherungsverträgen wurde vorerst beibehalten.
Im Bankenbereich erfolgen in Bezug auf Österreich einige
rein technische Anpas-
sungen.
Legal Services
In diesem Bereich schlägt die EK die wahrscheinlich
weitestgehende Verbesserung,
von der auch Österreich berührt ist, vor. Vorgesehen ist, eine volle
Verpflichtung für
die Erbringung von Rechtsdienstleistungen in den Bereichen öffentliches
intenatio-
nales Recht, EG-Recht und dem Recht des Heimatstaates, in dem der Erbringer
qualifiziert ist (is qualified to practice as a lawyer). In diesem Bereich wird
es voraus-
sichtlich zu einer Ausweitung der österreichischen Verpflichtungen kommen,
wobei
jedoch auf die spezifische Situation der österreichischen Rechtsberufe
Rücksicht
genommen wird.
Audiovisuelle Dienstleistungen
Es wird EU-weit kein Angebot vorgeschlagen.
Mode 4 - Personenbewequnqen
Bei der grenzüberschreitenden kurzfristigen Erbringung
(Aufenthaltsdauer: 6 Mona-
te) von Vertragsdienstleistungen (contractual service suppliers) durch
Angestellte
sind EU-weit erhebliche Ausweitungen und/oder Harmonisierungen vorgesehen.
Bei der innerbetrieblichen Entsendung (intracorporate transfers) wird eine
Auswei-
tung des Begünstigtenkreises um Personen zu Ausbildungszwecken vorgeschlagen.
Zu den vorgeschlagenen Verpflichtungen beim Personenverkehr hat Österreich eine
zum Teil einschränkende Stellungnahme abgegeben, die dem Wirtschaftsausschuss
am 19.3.2003 vorgelegt wurde. Es bestand seitens der EK und seitens verschiede-
ner Mitgliedsstaaten stets die Absicht, im Bereich der Personenbewegung zum
Zweck der Dienstleistungserbringung zusätzliche Verpflichtungen im GATS festzu-
schreiben, welche einerseits den wirtschaftlichen Realitäten gerecht werden
(interna-
tionale Arbeitsteilung) und andererseits ein Signal an die Entwicklungsländer
darstel-
len; es handelt sich um das "Herzstück" des EU-Angebots.
Enerqiedienstleistungen
Es gibt kein Angebot bei den Energiedienstleistungen.
Postdienstleistungen
Für diesen Bereich wird voraussichtlich eine EU-weite
Verwendungszusage in Über-
einstimmung mit der Postrichtlinie (EG 97/67) - d.h. Schutz/Absicherung der
Univer-
saldienstleistungsverpflichtung und des noch reservierten Bereiches (Briefe bis
350g, 5-facher Basistarif) - abgegeben.
Antwort zu Punkt 24 der Anfrage:
Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten war
von Anbeginn in den
GATS - Verhandlungsprozess miteinbezogen. Es ist jedoch zu bedenken, dass im
GATS - wie in der gesamten WTO - Entwicklungsaspekte zwar mit berührt sind, da-
durch aber die Entwicklungszusammenarbeit keinesfalls ersetzt werden kann.
Ferner
wird darauf hingewiesen, dass die gesamte neue Welthandelsrunde unter dem Titel
"Doha - Entwicklungsrunde"
firmiert.