Beratungen

des

Unterausschusses des Justizausschusses

betreffend

Strafprozessreformgesetz

 

 

 

Auszugsweise Darstellung

(verfasst vom Stenographenbüro)

 

 

Donnerstag, 22. Jänner 2004

9.38 Uhr – 13.24 Uhr

Lokal VIII

Beginn der Sitzung: 9.38 Uhr

Obfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter eröffnet die Sitzung des Unterausschusses des Justizausschusses, begrüßt alle Anwesenden und weist darauf hin, dass diese Sitzung um 13.30 Uhr beendet werde, da um 14 Uhr der Verfassungsausschuss tage und die Anwesenheit mehrerer Mitglieder des Justizunterausschusses im Verfassungsausschuss erforderlich sei.

Die Obfrau erinnert daran, dass eigentlich geplant gewesen sei, zur heutigen Sitzung keine Experten zu laden. Man habe aber fraktionell darüber keine Einigung erzielt. Es sei ursprünglich beabsichtigt gewesen, dass bei der Beratung des Abänderungsantrages jede Fraktion einen Experten beiziehen könne. Daraufhin sei von verschiedenen Seiten an sie der Wunsch herangetragen worden, doch auch teilnehmen zu wollen. Den Wunsch, nur Anwälte, Staatsanwälte und Richter zu laden, habe sie abgelehnt. Es sei nicht einzusehen, weshalb die anderen hier vertretenen Institutionen dann ausgeladen sein sollten.

In Ermangelung einer Konsensfindung über einen kleinen Expertenkreis sei heute also wieder die große Runde beisammen.

Der vom Justizressort vorbereitete Abänderungsantrag, der allen zugesandt worden sei, solle heute Stück für Stück durchgearbeitet werden, insbesondere auch die fettgedruckten Änderungen zur Regierungsvorlage. Seitens des Justizressorts würden diese Änderungen erläutert – und dann sollten primär die Abgeordneten zu Wort gelangen.

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Zunächst danke ich nochmals dafür, dass es gelungen ist, hier eine doch sehr umfangreiche Änderung nicht im kleinsten Rahmen, wie ursprünglich vorgesehen, zu diskutieren. Ich würde aber trotzdem zur Vorgangsweise folgenden Vorschlag unterbreiten:

Es ist am 15. Jänner die doch sehr massiv abgeänderte Version des StPO-Reformgesetzes versendet worden. Wir haben heute den 22. Jänner. 15. bis 22. Jänner – das ist meines Erachtens jedenfalls sehr kurz.

Ich halte allein schon im Lichte dieses Umstandes – dieser umfassenden Änderung, die uns präsentiert worden ist, und zwar doch sehr kurzfristig – den Vorschlag, zu diesen Änderungen nicht die Experten, sondern die Abgeordneten Fragen stellen zu lassen beziehungsweise diskutieren zu lassen, eher für den Versuch, nicht ergebnisorientiert zu arbeiten. Es kann doch nicht so sein, dass die Abgeordneten in Unkenntnis der Stellungnahme der Experten jetzt aus ihrer eigenen „versuchten“ Expertise schöpfen. Wir sind Politiker und daher, vor allem wenn es ein derartiges Gremium gibt, nicht mit dem entsprechenden Know-how ausgestattet.

Ich persönlich verstehe ein bisschen vom Strafrecht und habe mich mit der Materie auseinandergesetzt, aber ich glaube trotzdem nicht sagen zu können, dass ich jetzt qualifiziert bin, hier wirklich all das beurteilen zu können, was das Ministerium überarbeitet hat.

Ich glaube, dass es einfach nicht geht, dass zunächst die Abgeordneten vor einem Fachpublikum zu diesem Abänderungsentwurf diskutieren sollen. Das erscheint mir absurd und stellt eher ein Hemmnis dar, hier wirklich in der Sache weiter vorzugehen.

Ich verstehe auch den Zeitdruck nicht, dass das Gesetz bis, glaube ich, März beschlossen werden soll. Mir schien der Vorschlag eher in die Richtung einer Vernebelung zu gehen, noch dazu, wenn – und das ist ein weiterer Schritt, der die tendenziöse Vorgangsweise zeigt – die Experten, die sich umfangreich zu dem alten Entwurf geäußert haben, in dem Papier überhaupt nicht erwähnt werden, aber jene, die nicht unbedingt die Konkretesten waren, sehr, sehr umfangreich Stellung nehmen können.

Ich finde diese Vorgangsweise aus sachlicher Sicht nicht tragbar. Ich ersuche daher, dass wir die Experten zunächst zu den Änderungen der Experten des Justizministeriums befragen – und im Lichte der dann offen liegenden Landschaft die Fragen der Abgeordneten anschließen.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Als Erstes möchte ich feststellen, dass ich mich freue, dass das Bundesministerium für Justiz diesen doch so umfangreichen Abänderungsantrag jetzt dem Justizausschuss im Rahmen der Unterausschussberatungen zur Verfügung stellt.

Aus meiner Sicht ist es mehr als eine notwendige Arbeitsunterlage. Ich glaube, dass die Beratungen über die StPO-Reform mit dem neuen Abänderungsantrag erst in ein konkretes Stadium kommen können. Dafür möchte ich mich beim Ministerium herzlich bedanken.

Zu beurteilen, ob das zeitgerecht oder nicht zeitgerecht genug war, bleibt jedem Einzelnen überlassen. Aus meiner Sicht sind natürlich zwei Tage – wenn ich zwei Tage Wochenende wegrechne – äußerst kurz. Man muss bedenken, dass es hier keine „Waffengleichheit“ gibt zwischen Opposition und Regierung, weil ich davon ausgehe, dass die VertreterInnen der Regierungsfraktionen schon viel eher eine Ahnung davon hatten, wie der Abänderungsantrag ausschaut, als eben die VertreterInnen der Opposition.

Was den Verlauf der heutigen Sitzung angeht, verschweige ich auch nicht, dass ich mit der Frau Vorsitzenden jene Variante präferiert hätte, die einen kleineren und eingeschränkten Kreis von ExpertInnen bei der heutigen Sitzung vorgesehen hat – nicht deshalb, weil die Meinung jedes einzelnen Experten/jeder einzelnen Expertin des Justizausschusses relevant wäre, sondern das eine Art Zwischenrunde gewesen wäre, wo die maßgeblichen Interessensvertreter – sprich RichterInnen, StaatsanwältInnen, RechtsanwältInnen –gemeinsam mit den Mitgliedern des Unterausschusses, unter Assistenz von FraktionsexpertInnen eine Diskussion über den vom Ministerium zusammengefassten Abänderungsantrag durchführen hätten können. Das hätte die realistische Chance geboten, dass tatsächlich jene, die in den Unterausschuss kommen, sich auch zu Wort melden können.

Heute haben wir gute drei Stunden Beratungszeit. Die Frau Vorsitzende meint, diese Zeit vor allem den Mitgliedern des Justizausschusses zur Verfügung zu stellen. Jetzt sind aber eine ganze Reihe von Damen und Herren hier, die aus ganz Österreich angereist sind, und die dürfen dann still zuhören, was hier passiert. Wenn man jetzt schon zur Entscheidung gelangt ist, dass nicht in einem kleineren Kreis von ExpertInnen diskutiert wird, sondern alle Experten des Unterausschusses eingeladen worden sind, ist für mich keinesfalls vorstellbar, dass jemand, der sich hier zum Abänderungsantrag äußern will, diese Möglichkeit nicht haben soll – und das schlicht und einfach deshalb, weil es ja im Interesse der PolitikerInnen, die ja letztendlich entscheiden müssen, ist, zu erfahren, wie die Meinung der einzelnen Expertinnen und Experten ist.

Meine Bitte und meine Aufforderung an Sie: Bitte, verschweigen Sie sich nicht! Mich interessiert, was Sie dazu meinen, weil ich die heutige Sitzung ganz bestimmt nicht für die letzte Sitzung des Unterausschusses des Justizausschusses zur Beratung der StPO-Refom halte. Und in welcher Form weiter beraten wird, das kann man frühestens heute gegen 13 Uhr absehen.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Ursprünglich war ich eigentlich auch der Meinung, dass wir heute eine Spezialdebatte mit jeweils einem Fraktionsexperten abführen sollten, aber aus vielen Vorgesprächen habe ich erfahren, dass das Interesse der Experten, noch einmal über diese Neuerungen, über diesen Abänderungsantrag zu sprechen, sehr groß ist. Ich bin deshalb sehr froh darüber, dass heute noch einmal alle Experten geladen worden sind, und ich meine – wie meine Vorredner schon gesagt haben –, dass wir den Experten auch die Möglichkeit geben müssen, sich heute hier zu äußern. Sie haben ja schon an – wie ich glaube – drei Sitzungen teilgenommen, und nun, schon so ziemlich beim Abschluss des gesamten Verfahrens, gibt es einen neuen Abänderungsantrag, zu dem sie sich auch äußern können sollten.

Außerdem kann ich mir vorstellen, dass die Experten nicht so sehr daran interessiert sind, welche Meinung die Abgeordneten haben – das kann man vielleicht sogar erahnen, wenn man die politische Zugehörigkeit kennt –, dafür aber sind wir sehr daran interessiert, was die Experten zu unserem Abänderungsantrag sagen.

Ich teile die Meinung der Frau Vorsitzenden, dass die Experten nicht wieder eine Generaldebatte abführen sollten, aber ich könnte mir vorstellen, dass wir abschnittsweise vorgehen und die Experten zu den einzelnen Abschnitten in einer Art Spezialdebatte ihre Meinung äußern. Selbstverständlich sollen sich auch Abgeordnete dazu äußern können. Wir sollten in einer unserer letzten Sitzungen, die wir heute gemeinsam mit den Experten abhalten, eine gemischte Diskussion führen und wirklich versuchen, etwas Gutes zuwege zu bringen. Man muss nur ein bisschen Struktur in die Debatte bringen, und deshalb mein Vorschlag, abschnittsweise zu diskutieren.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Vor dem Hintergrund, den Frau Kollegin Stoisits ausgeleuchtet hat, ist die Vorgangsweise, die die Frau Vorsitzende vorgeschlagen hat, meiner Meinung nach durchaus begrüßenswert und zu unterstützen:

Da sich die Abgeordneten vielleicht weniger mit den einzelnen Kapiteln haben beschäftigen können als die Experten, halte ich es für sinnvoll, dass diese von Seiten des Ministeriums einmal erläutert werden. – Ich glaube, dagegen spricht überhaupt nichts.

Dass die Abgeordneten dann auch Fragen stellen können, weil ihnen vielleicht da und dort die Expertise fehlt, auch dagegen spricht nichts.

Und, wie Frau Kollegin Partik-Pablé meint, dass auch die Experten sich an der Debatte beteiligen sollen, auch dagegen spricht nichts.

Wir sollten daher in die Debatte einsteigen, um nicht unnötig Zeit zu verbrauchen und die Experten zu strapazieren.

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich denke, es ist wichtig, zu hören, was die Experten zu solch einem massiven Abänderungsantrag zu sagen haben. Auf Grund der neuen Sachlage ist es wohl das Logischste, dass wir uns anhören, was die Experten dazu zu sagen haben. Daher bitte ich die Frau Vorsitzende, die Vorgangsweise dahin gehend abzuändern, dass das Procedere so abgehalten werden kann, wie das jetzt auch mehrheitlich gewünscht wurde.

Obfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter lässt vor Eingang in die Tagesordnung gemäß § 37 Abs. 9 Geschäftsordnungsgesetz über die Öffentlichkeit des Unterausschusses abstimmen. Dies wird einstimmig angenommen.

*****

Oberstaatsanwalt Mag. Christian Pilnacek (BM für Justiz, Sektion II): Ich möchte ganz kurz zur Entstehungsgeschichte des Abänderungsantrages einige Worte verlieren. Wir selbst haben auch erst mit der Einladung zu dieser heutigen Sitzung erfahren, dass ein umfassender Abänderungsantrag vorzulegen ist. Das heißt, wir sind auch noch nicht sehr lange damit befasst. Der Abänderungsantrag ist ein Entwurf, hat viele Punkte, die noch eingehend zu diskutieren sein werden, hat aber auch eine Geschichte, die sich aus den Expertenberatungen dieses Ausschusses ergibt.

Wir haben am 25. September letzten Jahres eine Unterlage vorgelegt, in der wir dargestellt haben, in welche Richtung ein Abänderungsantrag gehen könnte, in welche Richtung mögliche Verbesserungen, mögliche Anpassungen gehen könnten. Wir haben am 6. November wieder drei sehr konkrete Unterlagen vorgelegt, und zwar zum Kapitel Opferrechte, zum Kapitel Befugnisse des Gerichts im Ermittlungsverfahren und noch zwei Rechtsvergleiche zu den Beschuldigten-Rechten.

Der Entwurf des Abänderungsantrages, der Ihnen heute vorliegt, versucht, diese drei Papiere, in die natürlich eine Sonderzahl von Expertenmeinungen eingeflossen ist, zusammenzuführen. Im Hinblick auf die rasche Erstellung dieses Abänderungsantrages konnten nicht alle Experten, deren Anregungen aufgegriffen beziehungsweise deren Anregungen aus bestimmten Gründen nicht übernommen worden sind, namentlich angeführt werden, und das ergibt natürlich ein falsches Bild. Auch die Fußnoten, in denen manche Änderungen erklärt sind, sind stark verkürzt. Aber ab dem Zeitpunkt der Einladung zu dieser Sitzung waren tatsächlich nur drei Tage Zeit für die Erstellung dieses Entwurfes eines Abänderungsantrages, und da muss und kann man nur mit Verkürzungen arbeiten.

Ich möchte gleich zum Entwurf übergehen, um die Zeit zu nützen, und der Anregung der Vorsitzenden folgend versuchen, eine abschnittsweise Gliederung vorzunehmen.

Gleich im ersten Teil geht es um die Grundsätze des Strafverfahrens, die bereits in der Regierungsvorlage enthalten waren. Ein bisher ganz wesentlicher Kritikpunkt an den Grundsätzen des Strafverfahrens war, dass der Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung nicht ausdrücklich erwähnt beziehungsweise formuliert wurde. Das ist nunmehr in § 2 in der Überschrift sowie im Text der Absätze 1 und 2 ausdrücklich im Sinne bisheriger Judikatur und Lehrmeinungen erfolgt.

Eine kleine Änderung findet sich im Grundsatz der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit in § 5. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um eine sprachliche Verbesserung zum bisherigen Text, der zirkulär formuliert war.

Die Änderungen bei den Beschuldigten-Rechten betreffen die Bestimmungen der §§ 6 bis 8 – faires Verfahren, Recht auf Verteidigung und Unschuldsvermutung –, der §§ 49 Folgende – das sind die Rechte des Beschuldigten – und in diesem Zusammenhang die Bestimmungen des § 164 – die Vernehmung des Beschuldigten – sowie des § 166: das Beweisverbot als Folge von unzulässigen Vernehmungsmethoden und Untersuchungsmethoden.

Zu § 6, faires Verfahren. – Es wurde versucht, auch in einer Übereinstimmung mit den beteiligten Personen eine Neuformulierung durchzuführen, weil sich aus Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention schon Wesentliches ergibt.

Uns ist wichtig, dass der Beschuldigte, für den in diesem Verfahrensabschnitt bis zur Anklage die uneingeschränkte Unschuldsvermutung zu gelten hat, mit der gebührenden Würde und Achtung behandelt wird. Der zweite wesentliche Aspekt ist, dass der Beschuldigte rechtliches Gehör erhält und seine Verteidigungsinteressen auf die rechtlich zulässige Art und Weise durchsetzen und geltend machen kann.

Ausdrücklich erwähnt wurde auch die Pflicht des Beschuldigten, an der Hauptverhandlung teilzunehmen.

In § 7, Recht auf Verteidigung, wurde eine Anregung von Herrn Professor Moos aufgegriffen, nämlich das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen.

Die Formulierung des § 8, Unschuldsvermutung, führt auf einen Vorschlag von Professor Höpfel zurück und soll im Wesentlichen eine Formulierungsverbesserung darstellen.

Der zweite Abschnitt umfasst die §§ 49 Folgende, die Rechte des Beschuldigten. Zunächst wurde im Eingang dieser Bestimmung eine Verkürzung vorgenommen, weil der bisherige Inhalt schon in den Grundsätzen des Verfahrens hinreichend zum Ausdruck kommt.

In § 49 findet sich die Auflistung der wesentlichen Rechte des Beschuldigten. In Ziffer 5 des Entwurfes ist eine der Zentralfragen, über die der Ausschuss heute zu beraten haben wird, angesprochen, nämlich die Frage, inwieweit und zu welchem Zeitpunkt der Beschuldigte zu seiner Vernehmung einen Verteidiger beiziehen kann.

§ 59 betrifft einen Spezialaspekt der Beschuldigten-Rechte, nämlich die Rechte des festgenommenen Beschuldigten, und hier wiederum die Fragen: Zu welchem Zeitpunkt hat der festgenommene Beschuldigte die Möglichkeit, sich mit seinem Anwalt zu besprechen? Hat der Verteidiger die Möglichkeit, auch schon bei der ersten Vernehmung anwesend zu sein?

Weiters wird in § 59 die Frage der Überwachung des Verteidigerkontakts angesprochen – ein heikler Punkt, wie Sie alle aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall „Lanz gegen Österreich“ wissen. Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2002 wurde bereits das geltende Recht angepasst.

In dieser Bestimmung finden sich auch zwei Alternativformulierungen. Die erste Alternative geht davon aus, dass der Beschuldigte das Recht haben soll, seinen Verteidiger zu kontaktieren und – ich drücke es jetzt so aus – eine allgemeine Rechtsberatung von ihm zu erhalten.

In Absatz 2 ist im Wesentlichen die gleiche Formulierung wie im geltenden § 45 Abs. 3 StPO zur Frage der Überwachung des Verteidigerkontakts enthalten.

Die in eckige Klammern gestellte Alternative geht davon aus, dass der Beschuldigte grundsätzlich das Recht hat, sich vor der Vernehmung mit seinem Anwalt in der Sache zu besprechen. In bestimmten Fällen allerdings – und da wurde versucht, eine gegenüber der Regierungsvorlage bestimmtere Formulierung zu entwerfen –, bei schwerwiegenden Verdachtsgründen, dass eine unlautere Beeinflussung des Verfahrens stattfinden kann, soll die Kriminalpolizei diesen Kontakt auf das für die Rechtsberatung unbedingt erforderliche Ausmaß beschränken.

In Absatz 2 ist eine etwas stringentere Fassung der Überwachung des Kontakts des Verteidigers mit dem festgenommenen Beschuldigten enthalten, wobei die Zeit einer möglichen Überwachung auf 14 Tage beschränkt werden soll. Die erste Alternative sieht eine Maximalfrist für die Überwachung von zwei Monaten vor.

Anregungen des Ausschusses und Expertenmeinungen folgend wurden dann auch die Möglichkeiten des Ausschlusses eines Verteidigers, § 60, konkretisiert. Diese Bestimmung ist im Zusammenhang mit § 59 wichtig, denn wenn Verdacht besteht, es könnte ein Ausschlussgrund vorliegen, dann wäre dies eine Möglichkeit, den Kontakt des Verteidigers mit dem Beschuldigten zu überwachen.

Zum Entwurf des Abänderungsantrages im Vergleich mit der Regierungsvorlage ist noch zu sagen – weil das aus dem Text nicht hervorgeht –, dass das Recht, eine Vertrauensperson beizuziehen, in beiden Varianten nicht mehr enthalten ist.

Die Regierungsvorlage ist davon ausgegangen, unter dem allgemeinen Begriff „Vertrauensperson“ wäre auch der Verteidiger zu begreifen gewesen. Die Regierungsvorlage ist weiters davon ausgegangen, dass eine Vertrauensperson – weil das ja nicht nur Verteidiger sein können – unter erleichterten Umständen von der Vernehmung und von der Kontaktaufnahme ausgeschlossen werden kann. – Wir schlagen jetzt vor, das Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson für Jugendliche und junge Erwachsene, soweit es nicht ausdrücklich im Jugendgerichtsgesetz verankert ist, nicht mehr zu erwähnen, aber dafür ausdrücklich auf den Verteidiger abzustellen.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle gleich den Übergang zur Vernehmung des Beschuldigten in § 164. Auch § 164 ist in zwei Alternativen gegliedert. Die erste Alternative, möchte ich sagen, geht von dem Rechtszustand aus, der derzeit bei gerichtlichen Vernehmungen besteht, nämlich dass der Verteidiger kein Recht auf Anwesenheit hat.

Die zweite Alternative sieht ein darüber hinausgehendes Recht vor, dass der Verteidiger bei der Vernehmung anwesend sein kann, diese Vernehmung, solange sie durch die Kriminalpolizei geführt wird, jedoch nicht unterbrechen darf, während der Vernehmung auch keine Fragen stellen darf, sondern erst beim Abschluss der Vernehmung ergänzende Feststellungen begehren kann beziehungsweise Beweisanträge zu Protokoll geben kann. In § 164 Abs. 2 heißt es ausdrücklich, „der Verteidiger darf sich an der Vernehmung nicht beteiligen, jedoch nach Abschluss der Vernehmung unmittelbar Beweisanträge zu Protokoll geben“.

In Abs. 2 wurde auch zur Funktionsfähigkeit der Vernehmung und im Hinblick auf das Gefälle zwischen im Grunde genommen immer Akademikern, dem Verteidiger und der Kriminalpolizei eine klarere Möglichkeit des Sitzungsablaufes für die Kriminalpolizei angeführt. Wenn ein Ausschlussgrund nach § 60 vorliegt, kann der Verteidiger von der Teilnahme ausgeschlossen werden. In diesem Fall soll eine Ton- oder Bildaufnahme von der Vernehmung angefertigt werden.

Zum Schluss vielleicht noch der Hinweis auf den § 166. Hier geht es einfach darum, verbotene Vernehmungsmethoden, verbotene Beweismethoden durch ein ausdrückliches Beweisverbot, Beweisverwertung abzusichern. In der Formulierung der Ziffer 2 wurden auch Anregungen des Herrn Prof. Schmoller, die dem Ausschuss in schriftlicher Form vorgelegt worden sind, berücksichtigt.

Obfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Herr Dr. Pilnacek hat uns jetzt die Grundsätze erläutert, die Rechte des Beschuldigten, nämlich § 449 ff., und den Verteidigerkontakt, § 57 ff.

Um in eine strukturierte Debatte einsteigen zu können, möchte ich fragen: Gibt es zu den Grundsätzen – das waren also § 1 et cetera – irgendwelche Fragen von den Abgeordneten? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Ich möchte schon etwas Grundsätzliches sagen: Wir wollen doch ein Gesetz haben, das leicht zu handhaben, leicht zu durchschauen und übersichtlich ist. Jetzt haben wir § 7: Recht auf Verteidigung, dann kommt § 49: Rechte des Beschuldigten, dann kommt § 164: Vernehmung des Beschuldigten, wo wieder genau dasselbe drinnen steht. Mir ist das jetzt besonders aufgefallen, aber es gibt auch noch andere Punkte. Ich glaube, es ist gar nicht notwendig, dass man ununterbrochen dasselbe in verschiedenen Paragraphen mit Verweisen und so weiter festhält, und ich meine, wir könnten ein besser überschaubares Gesetz haben, wenn wir einmal von dem Gesichtspunkt der Zusammenfassung aller Rechte und aller Pflichten und so weiter ausgingen und nicht in drei Paragraphen beispielsweise die Rechte – in diesem Fall sind es die Beschuldigtenrechte – erwähnte; bei den Opfern ist es ja ähnlich. Ich würde bitten, dass man dieses Gesetz unter diesem Gesichtspunkt noch einmal durchgeht.

Mich stört die neue Einfügung, die auf eine Anregung von Herrn Prof. Moos zurückgeht, sehr, dass sich der Beschuldigte nicht selbst belasten muss. Das schaut so aus, als ob unsere Rechtsordnung in irgendeinem Punkt vorsehen würde, dass sich der Beschuldigte selbst belastet. Sonst käme man doch gar nicht auf die Idee, dass er sich nicht selbst belasten muss. Das ist doch etwas Selbstverständliches! Es wird in diesem Gesetz ohnehin ununterbrochen gesagt, dass er die Aussage verweigern kann. Und dann schreibt man hinein, dass er sich nicht selbst belasten muss! Ich halte das eigentlich für ein Armutszeugnis, das wir uns selbst ausstellen.

O. Univ.-Prof. Dr. Reinhard Moos (Johannes Kepler Universität Linz; Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie,): Ich habe zu den §§ 2, 3 und 6 verschiedene Anregungen für redaktionelle Änderungen. Meine Detailkritik bezieht sich zum Beispiel darauf – Frau Partik-Pablé hat das schon ganz richtig gesagt –, dass im § 6 im zweiten Satz steht: Der Beschuldigte hat das Verteidigungsrecht. Im § 7 ist das Verteidigungsrecht nochmals geregelt. – Diese Sätze kann man zusammenziehen.

Oder: Im § 6 Abs. 1 steht am Schluss das Recht auf rechtliches Gehör. Das kommt im nächsten Absatz noch einmal. Das gehört eigentlich in den Absatz 2. Das sind verschiedene Details, mit denen ich Sie eigentlich nicht langweilen möchte. Es wäre mir aber wichtig, dass das im Gesetz ganz korrekt gemacht wird.

Noch zu dem, was Frau Partik-Pablé gesagt hat, dass nämlich die Anregung von mir, den Grundsatz in das Gesetz aufzunehmen, dass der Beschuldigte sich nicht selbst belasten muss, im Gesetz deshalb nichts zu suchen habe, weil das ohnehin eine Selbstverständlichkeit sei. Wenn man das hineinschreiben würde, würde es so aussehen, als ob bei uns dieser Grundsatz nicht gelten würde. – Ich möchte dazu sagen, dass dieser Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ in den letzten Jahren, jetzt schon fast Jahrzehnten, in der Wissenschaft und auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aufgetaucht ist. Es sind Bücher darüber erschienen, es ist sehr, sehr viel darüber geschrieben worden. Und das ist kein Armutszeugnis dieser Wissenschaft und auch nicht des Gerichtshofes, sondern das ist in letzter Zeit ganz besonders bewusst geworden, dass das Tragweiten hat auf die Zwangsmaßnahmen und Sonstiges.

Es ist also kein „Armutszeugnis“, wie gesagt wurde, wenn wir Selbstverständlichkeiten erwähnen. Es geht hier um allgemeine Grundsätze, die dann später auf Details ausstrahlen. Deswegen kann es nicht schaden – ich freue mich, dass Sie es ohnehin für selbstverständlich halten –, das auch noch einmal zu sagen. International gesehen gehört das dazu, es gehört zum Stand der Wissenschaft über die Rechte des Beschuldigten. Das ist eines der Grundprinzipien. Deswegen wäre ich dafür: Lassen Sie es doch drinnen! Es macht einen sehr guten Eindruck, es kann nur helfen.

O. Univ.-Prof. Dr. Bernd Christian Funk (Universität Wien; Institut für Staats- und Verwaltungsrecht): Was die Verteidigungsrechte betrifft, scheint mir angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte das, was hier an Änderungen vorgeschlagen wurde, vor allem in den Alternativen, in der Tendenz eher ein Rückschritt zu sein gegenüber dem, was von der Rechtsprechung herausgearbeitet wurde.

Es wäre nun schwierig und sehr aufwändig und würde eine verbreiterte Darstellung und Untersuchung erfordern, die Rechtsprechung und ihre Folgen genau zu analysieren und das an die vorgeschlagenen Änderungen heranzutragen. Aber eines ist zu sagen: In der Grundtendenz ist das, was hier jetzt an Änderungsvorschlägen vorliegt, was in die Richtung Einschränkung von Verteidigungsrechten geht, mit der Rechtsprechung nicht konform.

Ich will damit nicht sagen, dass jetzt alles, so wie es da vorgeschlagen wurde, verfassungswidrig wäre – das müsste man einer detaillierten Untersuchung unterziehen –, aber in der Grundrichtung ist es konträr zu dem, was der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, zuletzt im letzten Fall Öcalan, herausgearbeitet hat.

Verfahrenspolitisch – das ist eine persönliche Stellungnahme, die ich dazu abgebe –, muss ich sagen, würde ich es sehr bedauern, wenn hier in den Verteidigungsrechten – sprich, also auch in den Möglichkeiten, einen Verteidiger beizuziehen – Einschränkungen gemacht würden. Ich denke, dass das ein falsches Signal wäre.

Zur Frage des Rechtsschutzes: Es geht um das Einspruchsrecht in § 106 und einen Änderungsvorschlag, der § 106 Abs. 1 angeschlossen wurde. Da wird gesagt:

„Eine Verletzung eines subjektiven Rechts liegt nicht vor, soweit das Gesetz von einer bindenden Regelung des Verhaltens von Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei absieht und von diesem freien Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde.“

Diese Regelung folgt einem Muster, das wir aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit kennen. Dort hat es übrigens den Sinn, dem Gedanken der Gewaltentrennung Rechnung zu tragen und der nachprüfenden gerichtlichen Kontrolle gewisse Grenzen zu setzen.

Im Zusammenhang mit dem Rechtsschutzverfahren, wie es in der Strafprozessordnung-neu konzipiert wurde, würde ich kritisch einwenden, dass diese Einschränkung möglicherweise das Ziel nicht erreicht, das sie vermutlich erreichen soll. Wenn das der Fall wäre, wenn ich also mit dieser Vermutung Recht habe, dann würde ich das begrüßen und mich eher dafür einsetzen, dass diese Änderung so bleibt, wie sie ist. Denn sie ist nach meiner Überzeugung wirkungslos. Sie erreicht nicht das, was sie erreichen soll, nämlich eine Einschränkung der Kontrolldichte im Rechtsschutzverfahren – Stichwort „hypertropher Rechtsschutz“, das ist gefallen, und nun Rücknahme des Rechtsschutzes.

Worum geht es? – Es geht darum, sicherzustellen, dass dort, wo im Gesetz Freiräume bestehen – und die gibt es immer, die gibt es auch bei unbestimmten Rechtsbegriffen –, die Behörde verpflichtet wird, nachzuweisen, dass sie diese Freiräume in einer vertretbaren Weise ausgelegt und gehandhabt hat, dass sie also nicht Willkür geübt hat, sondern von diesen Möglichkeiten – auch bei unbestimmten Rechtsbegriffen – im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Das ist aber eine Selbstverständlichkeit! Hier ändert sich nichts – egal, ob diese Erweiterung, wie sie nun vorgeschlagen wurde, dasteht oder nicht dasteht. Das ist sowieso immer zu prüfen.

Lassen Sie mich gedanklich die Gegenprobe machen: Es kommt dann auch bei dem neuen Vorschlag immer nur darauf an, wie der Einspruch begründet wird! Wenn der Einspruch entsprechend begründet wird – sinngemäß damit, dass gesagt wird, hier wurde von einer bestehenden vom Gesetz her eröffneten Verhaltensalternative nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht, nicht im Sinne der Grundsätze des Gesetzes, nicht im Sinne verfassungsrechtlicher Vorgaben –, dann ist das natürlich zu prüfen!

Wenn es mir also darum ginge, eine Einschränkung im Rechtsschutz herbeizuführen, weil ich den Rechtsschutz für überzogen hielte – was nicht der Fall ist –, dann müsste ich mich fragen, ob diese Maßnahme, die da vorgesehen ist, dieses Ziel erreicht. Da ich zu jenen gehöre, die den Rechtsschutz nicht für überzogen halten, würde ich da eher dafür plädieren: Das kann man ohne Schaden aufnehmen, das ändert in Wahrheit nichts.

Das Einzige, was vielleicht geschehen könnte, ist ein Signal in die falsche Richtung, nämlich ein Signal an die Adresse der Kontrolle, indem man sagt: Wenn ihr jetzt mit Einsprüchen konfrontiert seid, dann muss das nicht so genau geprüft werden, denn es geht ja nur um so eine Art „Evidenzkontrolle“: Ist das evident rechtswidrig oder nicht? – Das würde aber, wenn man es genau anschaut, dem Konzept nicht entsprechen.

Zusammengefasst also: Unter dem Aspekt eines hohen Standards des Rechtsschutzes, für den ich plädieren würde, ist dieser Vorschlag zu § 106 genau genommen als neutral zu beurteilen. – Das, was vielleicht dagegen sprechen könnte, ist die nach meiner Überzeugung falsche Signalwirkung, die damit gesetzt wird.

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Ich hätte jetzt eine Frage an die Rechtsanwender, also an die Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte, auch auf Grund der Ausführungen der Frau Kollegin Partik-Pablé. Wie beurteilen Sie, wie dieses Gesetz in der Praxis angewendet werden kann? Ist es so unübersichtlich, wie befürchtet? Und wie beurteilen Sie – bei aller Würdigung auch dessen, was die Herren Professoren hier einbringen und was sehr wichtig ist –, dass sehr wohl einige rechtstheoretische Bereiche in das Gesetz Eingang gefunden haben? Wie glauben Sie, dass in Zukunft dieses Gesetz – so das Gesetz so beschlossen wird, wie es uns jetzt vorliegt: mit dem Abänderungsantrag – gehandhabt werden kann?

O. Univ.-Prof. Dr. Helmut Fuchs (Universität Wien; Institut für Strafrecht und Kriminologie): Frau Vorsitzende, Sie haben eingangs gemeint, es hätten die Experten schon zu allem Stellung genommen. Es steht Ihnen natürlich frei, die Richtung der Debatte zu bestimmen. Ich muss aber doch sagen, aus meiner Sicht ist der Abänderungsantrag zwar mit vielen versteckten Änderungen, aber doch mit gravierenden Änderungen versehen, zu denen ich noch nichts sagen konnte, und das sind Änderungen, die den Charakter des Gesetzes, wie ich meine, deutlich verändern.

Das beginnt an sehr versteckten Stellen wie in § 5, wo sich jetzt der Satz findet: Die Strafverfolgungsbehörden „dürfen bei der Ausübung von Befugnissen ... nur soweit in Rechte von Personen eingreifen, als dies zulässig“ ist. – So wie der Satz da steht, ist er inhaltsleer und sinnlos. Es ist klar, dass man nichts Unzulässiges tun darf. Er hieß im Original: „als dies gesetzlich ausdrücklich zulässig ist“ – und das macht einen wesentlichen Unterschied: Das macht ein Analogieverbot für staatliche Eingriffsbefugnisse, das entspricht der Trennung zwischen Aufgaben und Befugnissen im Sicherheitspolizeigesetz. Und diese Trennung ist hier schon verwischt und jetzt weitgehend nicht mehr durchgeführt.

Was den Bereich Beschuldigtenrechte betrifft, so findet sich eine solche Änderung in § 55 bei den Beweisanträgen des Beschuldigten. In § 55 Abs. 4 gab es bisher nur die Alternative, dass die Kriminalpolizei einem Antrag entweder entspricht oder ihn dem Staatsanwalt vorlegt. Und jetzt steht die kryptische Wendung drinnen: „nach Maßgabe des Abs. 3“. – Was heißt das? – Gibt es jetzt Fälle, wo die Kriminalpolizei einem Antrag weder stattgeben muss noch ihn vorlegen muss? Es ist zumindest unklar gemacht, was das Ergebnis ist. Richtig kann es nur heißen: entweder erfüllen oder vorlegen, denn die Entscheidung darüber, wie es rechtens ist, müssen dann die Staatsanwaltschaft und das Gericht treffen.

In diesem Zusammenhang zu dem zuletzt auch von Professor Funk aufgeworfenen Problem, wie das mit der Überprüfung ist. Ich bitte also, dass man das in den praktischen Konsequenzen überlegt! Wir haben eine Fülle von Rechten, die durch Ermessensentscheidungen eingeschränkt werden können. Also wenn es die Ermittlungen behindert, dann keine Anwesenheit des Verteidigers, oder dann braucht man nicht zu warten oder was immer.

Soll diese Ermessensentscheidung nicht einmal im Nachhinein von einem Gericht überprüft werden können, ob dieses Ermessen richtig ausgeübt wurde? – Wenn das gemeint war, dann ist das eine einem Rechtsstaat nicht würdige Lösung. Wenn es nicht gemeint war, dann, meine ich, muss man es anders formulieren und muss das Ausufern der Antrags- oder der Rechtsmittelrechte, wenn man sie befürchtet, anders formulieren. Ich meine, dass gerade solche Entscheidungen zumindest im Nachhinein von einem Gericht überprüft werden müssten.

Zum großen Problem der Anwesenheit des Verteidigers möchte ich eigentlich nichts mehr sagen, dazu ist schon viel gesagt worden. Meine Meinung ist, glaube ich, bekannt: Wenn man es nicht will, wenn man fürchtet, dass dadurch etwas passiert in unserer Strafrechtspflege, dann macht man es halt nicht. Ich habe diese Sorge nicht, und die meisten Staaten, die sie haben, haben sie auch nicht. Ich meine, zu einer rechtsstaatlichen und geordneten Strafrechtspflege und zu den Verteidigungsrechten gehört das jedenfalls auch dazu – und hätte die Bedenken nicht, die hier offenbar dahinter stehen.

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Wir diskutieren jetzt diesen Abänderungsantrag, Fragen des Ermittlungsverfahrens, Fragen der Rolle der Kriminalpolizei, wir haben uns aber noch nie die Frage gestellt, wie es in Zukunft im Bereich der Sicherheitsorgane in Österreich aussehen wird.

Ich möchte die Experten, die hier sitzen, die der Strafrechtspflege dienenden Personen darüber informieren, dass im Innenministerium das große Reformprojekt „Team 04“ läuft, dass im Innenministerium unter anderem Änderungen des Sicherheitspolizeigesetzes vorbereitet werden und wir derzeit nicht wissen, wie der Stand dieser Reformarbeiten ist.

Es hat sich in diesem Kreise noch nie jemand aus dem Bereich des Innenministeriums darüber geäußert, wie diese Reform aussehen wird. In den Unterlagen des Projekts „Team 04“ finden sich Sätze, die besagen, dass man versucht, weg von der Auftragsverantwortung zu einer Vollzugsverantwortung zu kommen. Und niemand hat noch nachgefragt, was das letztendlich für das Vorverfahren bedeutet.

Es gibt nun den veröffentlichten Entwurf oder das Konzept „Team 04“, nachdem wir das Geheimpapier veröffentlicht haben. Dem kann man entnehmen, dass die Fragen des Verhältnisses Wachkörper und Sicherheitsbehörden dem Konvent vorbehalten sein sollen – gleichzeitig diskutieren wir jetzt im Zuge des Unterausschusses Fragen der Ermittlungstätigkeit der Kriminalpolizei.

Niemand von uns weiß, wer die Kriminalpolizei in Zukunft ist. Niemand hat die Frage eines direkten oder unmittelbaren Weisungsverhältnisses der Staatsanwaltschaften gegenüber dem Innenminister geklärt. Ich halte das für ein verfassungsrechtliches Problem, nachdem es – folgt man den Intentionen der Reform „Team 04“ – zu einer Trennung von Dienst- und Fachaufsicht kommen kann.

Frau Vorsitzende! Ich möchte daher namens meiner Fraktion dringend ersuchen, dass bei einer der nächsten Sitzungen die Experten des Innenministeriums beigezogen werden, um uns darüber zu informieren, wie der Stand der Reform „Team 04“ ist, welche Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz und im Bundeskriminalamtsgesetz vorgesehen sind, denn derzeit hat es den Anschein, dass die Staatsanwaltschaft zwar als Leiterin der Vorverfahren Anordnungen erteilen kann, letztendlich aber von der Ressourcenbereitstellung durch den Innenminister abhängig ist.

Ich halte das für eine rechtspolitisch ganz wesentliche Frage. Wenn das Personal nicht entsprechend beigestellt wird, wenn Ermittlungen nicht entsprechend geführt werden können, dann halte ich das für ein rechtsstaatliches Problem. Und das sollten wir verhindern.

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Ich möchte auf die Ausführungen des Kollegen Maier eingehen und Folgendes klarstellen: Es gibt in keiner Weise einen Zusammenhang der heutigen Diskussion über die Strafprozessreform mit der Reform im Innenressort. Es gibt ein Bundeskriminalamt, es gibt eine Kriminalpolizeireform, die abgeschlossen ist. Und es steht außer Diskussion, dass sämtliche Personalressourcen zur Erledigung von kriminalpolizeilichen Aufgaben beziehungsweise auch von Erhebungen von Gerichtsverhandlungen oder gerichtlich strafbaren Handlungen zur Verfügung gestellt werden müssen.

o. Univ.-Prof. Dr. Christian Bertel (Leopold-Franzens-Universität Innsbruck; Institut für Strafrecht und sonstige Kriminalwissenschaften,): Gegen die einleitenden Paragraphen habe ich natürlich nichts einzuwenden. Das klingt alles schön und gut – was es wirklich wert ist, ergibt sich aus den Bestimmungen, die weiter hinten kommen.

Die Rechtsbelehrung, § 50, kann aufgeschoben werden, wenn „besondere Umstände befürchten lassen, dass ansonsten der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre“. – Das ist eine Bestimmung, die so allgemein ist, dass sie zu Missbrauch förmlich einlädt. Die beispielsweise Konkretisierung durch das Ministerium mit „insbesondere“ ist gut gemeint, die würde ich sehr begrüßen, aber das hat natürlich nur Sinn, wenn die allgemeine Bestimmung entfällt.

Akteneinsicht: Der Verweis auf den § 50 ist nicht mehr wert als der § 50 selbst. Dass die Beschränkung der Akteneinsicht in Haftfällen nicht mehr zulässig sein soll, ist ein bemerkenswerter Fortschritt, für den man dem Ministerium dankbar sein muss.

Beweisanträge – das ist nicht erfreulich, denn nach geltendem Recht hat der Beschuldigte auch die Möglichkeit, zu beantragen, dass ein der Verteidigung dienender Umstand noch näher geklärt werde. Ich verweise auf § 224 Abs.1 Strafprozessordnung. Warum soll der Verteidiger solche Anträge nicht auch in Zukunft stellen können? Jeder Verteidiger weiß, dass nichts schwieriger ist, als im Strafverfahren mit einem Beweisantrag durchzukommen. Die Strafgerichtler sind in dieser Hinsicht viel formalistischer als jedes Zivilgericht und jede Verwaltungsbehörde.

Beweisanträge brauchen nicht erledigt zu werden, wenn die Beweisaufnahme der Hauptverhandlung vorbehalten werden kann. – Da möchte ich über Fuchs hinausgehen und sagen: Das ist auch sachlich undiskutabel. Das führt dazu, das lädt dazu ein, dass sich die Polizei im Vorverfahren nur noch für das Entlastungsmaterial interessiert und die Aufnahme der Entlastungsbeweise der Hauptverhandlung vorbehält.

Im Dolmetschwesen, § 56, bestehen in der Praxis schwerwiegende Mängel, die hier nicht angesprochen werden. Als einer der fundamentalen Mängel erscheint mir, dass dem Beschuldigten in der Hauptverhandlung nicht mehr alles übersetzt wird, sondern die Hauptverhandlung nur von Zeit zu Zeit unterbrochen wird und der Dolmetsch dem Beschuldigten dann das erklärt, was seiner Meinung nach an Wichtigem vorgekommen sei. – Das hat mit einem fairen und seriösen Verfahren nichts zu tun!

Noch „schöner“ ist es, wenn der Richter die Verantwortung des Beschuldigten nicht Satz für Satz übersetzt bekommt, sondern wieder nur eine Zusammenfassung, die vom Dolmetscher vorgenommen wird.

§ 59, Kontakt zwischen Beschuldigtem und Verteidiger. Der vorliegende § 59 Abs. 1 ist noch schlechter als die ursprüngliche Regierungsvorlage. Der Kontakt zwischen dem Verteidiger und dem festgenommenen Beschuldigten darf auf einen Rechtsvortrag beschränkt werden. – In der Regierungsvorlage, in der ursprünglichen Fassung, war das wenigstens noch als Ausnahme hingestellt, jetzt scheint das zur Regel werden zu sollen.

Da wird doch Artikel 6 Abs. 3 lit. c der Menschenrechtskonvention mit Füßen getreten. Dieser Artikel gewährt dem Beschuldigten ein Recht auf den Beistand eines Verteidigers auch im Vorverfahren – und Rechtsvorlesungen sind kein Beistand. Dass das mit der Menschenrechtskonvention unvereinbar ist, ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die Meinung des Verwaltungsgerichtshofs.

§ 59, Überwachung der Gespräche zwischen dem Beschuldigten in Haft und seinem Verteidiger. Eine Überwachung ist zulässig, wenn „zu befürchten ist, dass der Kontakt mit dem Verteidiger zu einer Beeinträchtigung von Beweismitteln führen ... könnte.“ – Wann ist denn das möglich? Das ist doch nur möglich, wenn der Beschuldigte den Verteidiger zu Verdunkelungshandlungen anstiftet und der Verteidiger sich darauf einlässt. Und das ist doch eine unglaubliche Unterstellung gegenüber den Rechtsanwälten! – In der Bundesrepublik Deutschland hat man die Gesprächsüberwachung 1964 abgeschafft!

Auch da liegt ein Widerspruch zur Menschenrechtskonvention vor. Die Alternative des Justizministeriums ist leider auch ungenügend, denn diese geht auch von dieser „Selbstverständlichkeit“ aus, dass Verteidiger für den Beschuldigten verdunkeln. – Vielleicht kann ein Rechtsanwalt dazu Stellung nehmen.

Der Ausschluss des Verteidigers im § 60 geht so nicht. Meines Wissens ist in Österreich noch nie ein Verteidiger auch nur in den Verdacht gekommen, er hätte die Sicherheit einer Vollzugsanstalt erheblich beeinträchtigt. Dass Verteidiger für den Beschuldigten verdunkeln, davon gehen die Gerichte als Selbstverständlichkeit, als Normalfall aus – und eben deshalb wollen sie ja die Gespräche mit dem Verteidiger überwachen. Wenn das jetzt zum Ausschluss des Verteidigers führen könnte, welcher Verteidiger ist dann sicher, dass er nicht ausgeschlossen wird?

Diskutabel ist ein Ausschluss nur in den Fällen der Ziffer 2 – und auch dort nur, wenn der Staatsanwalt imstande ist, dem Rechtsanwalt die Verdunkelungshandlung in einem Strafantrag oder in einer Anklageschrift vorzuwerfen. Dass sich die Kriminalpolizei über einen tüchtigen Verteidiger ärgert, ihn beim Staatsanwalt anschwärzt, verdächtigt, das kann doch nicht zum Verteidigerausschluss führen!

Zu den §§ 164 und 165: Dass da die Vertrauensperson weggefallen ist, ist zu bedauern. Vertrauenspersonen und Verteidiger sind doch etwas ganz anderes. Es wird nur selten vorkommen, dass ein Beschuldigter bei Vernehmungen durch die Polizei einen Verteidiger dabei hat. Eine Vertrauensperson beizuziehen, ist weit eher möglich. Offenbar hat die Polizei Interesse daran, dass bei Vernehmungen des Beschuldigten niemand dabei ist. Ich frage mich, warum sie dieses Interesse wohl hat.

Dann hat der Beschuldigte nach § 164 kein Recht, der Vernehmung einen Verteidiger beizuziehen. – Auch das ist ein Widerspruch mit Artikel 6 Abs. 3 lit. c Menschenrechtskonvention! – Der Alternativvorschlag ist besser, der wäre ein Fortschritt, er vermeidet wenigstens diese Verfassungswidrigkeit.

Natürlich sollte der Verteidiger, wenn er bei der Vernehmung des Beschuldigten dabei ist, dem Beschuldigten Fragen stellen dürfen. Warum denn nicht? Aber dieses Fragerecht ist hier verschwunden. Und natürlich muss der Verteidiger, wenn er dabei ist, die Möglichkeit haben, dem Beschuldigten zu sagen, dass er nicht weiterreden soll, bevor er mit ihm darüber gesprochen hat. Der Verteidiger kann ja nicht wissen, was der vernehmende Beamte alles fragen wird, vor allem dann nicht, wenn der vernehmende Beamte im Zuge der Vernehmung auf Taten übergeht, von denen in der Eingangsbelehrung nicht die Rede ist.

Zu den kontradiktorischen Vernehmungen: sehr schön, aber warum nur auf Antrag des Staatsanwaltes? Wenn Gefahr besteht, dass ein Zeuge in der Hauptverhandlung nicht mehr zur Verfügung steht, warum soll denn dann nicht auch der Beschuldigte, der Verteidiger den Antrag stellen können, dass der durch den Richter vernommen wird? Dann könnte und sollte man daran denken, die kontradiktorischen Vernehmungen auf Antrag des Verteidigers etwas auszubauen.

Wir haben lang und breit über die Beibehaltung oder Abschaffung der Voruntersuchung diskutiert. Ich habe gegen die Abschaffung der Voruntersuchung anfangs Bedenken gehabt, weil sie in unserer Rechtsordnung durchaus Funktionen hat. Dann ist das Justizministerium auf den Gedanken eingegangen, dass man den Funktionen, die die Voruntersuchung erfüllt, auf andere Weise Rechnung tragen kann.

Man sollte auf diesem Weg weitergehen, dann brauchen wir sie auch nicht mehr unter irgendeinem Titel neu einzuführen. Aber zu den Funktionen der Voruntersuchung gehört auch, dass der Beschuldigte die Möglichkeit hat, Beweisanträge an den Richter zu stellen. Das sollte hier wenigstens in gewissen Fällen möglich sein, zum Beispiel dann, wenn der Verteidiger einen Beweisantrag gestellt hat, der Staatsanwalt ihn aber zu Unrecht abgelehnt hat, oder wenn der Beschuldigte einem von der Polizei vernommenen Zeugen weitere Fragen stellen will, die die Polizei zu stellen nicht für notwendig gehalten hat.

Zum Schluss ein Wort, nachdem Professor Funk das angesprochen hat, zum Rechtsschutz. § 106 mit dem Einspruch ist total verwässert worden. Ich will darüber gar nicht viel reden, aber eines geht jedenfalls nicht an: Beschuldigte oder Leute, die Opfer von Polizeiübergriffen geworden sind, können sich heute beim unabhängigen Verwaltungssenat beschweren. Die Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat ist jedenfalls unvergleichlich besser als dieses verwässerte Einspruchsrecht des § 106. Erstens ist der unabhängige Verwaltungssenat sehr viel grundrechtsfreundlicher als ein Einzelrichter bei einem Landesgericht für Strafsachen, und zweitens hat der Beschwerdeführer beim unabhängigen Verwaltungssenat, wenn er mit seiner Beschwerde durchkommt, einen Anspruch auf Kostenersatz. – Der Einspruchswerber nach § 106 hat gar nichts.

Stellen Sie sich vor, Sie sind Opfer einer polizeilichen Hausdurchsuchung geworden. Wenn Sie heute zum unabhängigen Verwaltungssenat gehen, bekommen Sie dort Ihre Kosten, wenn Sie durchdringen. – Künftig können Sie sich nach § 106 an das Gericht wenden, dort bekommen Sie gar nichts, selbst wenn Sie wider Erwarten mit Ihrem Einspruch Erfolg haben. Ich glaube, das kann man nicht als Verbesserung des Rechtsschutzes ansehen, das ist ein Freibrief für die Polizei!

Senatspräsident Dr. Wolfgang Aistleitner (Oberlandesgericht Linz; Vizepräsident der Vereinigung der österreichischen Richter): Ich darf mich zunächst auf die Grundsätze beziehen, so habe ich die Struktur der Diskussion verstanden, und da auf den heute noch nicht genannten § 16 Bezug nehmen, nämlich auf das Verschlechterungsverbot. Da finden wir die Neuerung, dass sich das Verschlechterungsverbot nur auf die Straffrage bezieht. Der Natur der Sache nach kann die Straffrage aktuell überhaupt erst im Hauptverfahren werden. Wenn man diesen Paragraph dann in seinem Kern so bestehen lässt, heißt das, dass es im Vorverfahren kein Verschlechterungsverbot gibt. – Das kann doch nicht ernsthaft gemeint sein!

Mir ist schon klar, dass es sehr heikle Grauzonen gibt, so zum Beispiel bei der Untersuchungshaft, wie sie auch derzeit judiziert wird. Ob da zum Beispiel das Rechtsmittelgericht einen Haftgrund dazunehmen kann, obwohl nur der Beschuldigte Beschwerde erhoben hat, das ist eine Frage der Judikatur, aber das so krass zu formulieren, dass man direkt darauf gestoßen wird, ich brauche im Vorverfahren kein Verschlechterungsverbot zu beachten, das kann so nicht stehen gelassen werden!

Der zweite Grundsatz ist jener, den Prof. Moos ansprach, nämlich die mangelnde Pflicht, sich selbst zu belasten. Das steht in dieser Deutlichkeit bisher tatsächlich nicht im Gesetz. Man leitet es ab aus dem Anklagegrundsatz, und man kann sagen, dieser Grundsatz ist so hoch stehend, dass er sogar Verfassungsrang hat. Aber gerade das sollte Anlass sein, dass auch der einfache Gesetzgeber explizit das hineinnimmt.

Überhaupt zu dieser Vermutung, dass sehr vieles in diesem Gesetz „doppelt gestrickt“ ist: Das mag schon sein, aber mir ist doppelt gestrickt lieber als eine Luftmasche.

Jetzt zu Ihnen, Frau Abgeordnete Wurm. Sie haben es speziell auf den Rechtsschutz bezogen, nehme ich an, als Sie fragten, wie wir von der Rechtsanwendung her dazu stehen. Die Gesetzwerdung hat zwei Kapitel auszuweisen, die eine sehr eigenständige Entwicklung genommen haben: einerseits den Bereich der Kompetenzzuweisung – Kriminalpolizei/StA/Gericht – und andererseits den Rechtsschutz. Die beiden haben, ausgehend vom Diskussionspapier 1998 bis heute, eine sehr divergente Entwicklung durchgemacht. Während, was die Kompetenzzuweisung anlangt, vorher kaum mehr richterliche Präsenz vorgesehen war und fast nur StA und Kripo, so sehen Sie heute den Zustand, dass immer mehr an richterlicher Restzuständigkeit requiriert wurde.

Der Rechtsschutz hingegen war im Diskussionsentwurf 1998 noch auf einem durchaus respektablen Standard – und dieser hat tendenziell abgenommen: so schon im Ministerialentwurf und dann auch in der Regierungsvorlage. Und bei dem, wo wir heute sind, muss man wirklich sagen: Stopp und nicht weiter! Man muss sogar noch eine leichte Schubumkehr versuchen.

Ich möchte pauschal, ohne jetzt in Details zu gehen, zu diesen Paragraphen, die da heikel sind, den §§ 49 Z 5, 50, 51, 59, 164 – entschuldigen Sie diese pauschale Nominierung –, sagen: Überall dort muss zumindest der Alternativentwurf des Ministeriums gestützt werden. Der hält sozusagen noch einen Restbestand an Rechtsschutz aufrecht. Darunter kann man sicher nicht mehr gehen!

Sie haben, was die Verteidigerpräsenz im Vorverfahren anlangt, in einem sehr frühen Stadium, einen unüberwindlichen Eckpfeiler: das Verwaltungsgerichtshoferkenntnis zu diesem Thema aus dem Spätherbst 2002. Und schon gar nicht kann dahinter zurückgegangen werden! Daran hängt dann alles andere, mit der Akteneinsicht, mit der Rechtsbelehrung und dergleichen.

Was den Rechtsschutz noch anlangt, so darf ich an Funk anknüpfen, der meinte, § 106 ist, was den Einspruch betrifft, höchstens ein Placebo, wenn nicht überhaupt ein verstecktes falsches Signal. – Ich darf vom Einspruch logischerweise zum Beschwerderecht gehen, § 107, wo es um Beschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen geht, die in erster Instanz der Ermittlungsrichter traf. In zweiter Instanz soll es dann an das Oberlandesgericht gehen. Auch da haben wir jetzt im Abänderungsvorschlag ein Novum enthalten, das eigentlich dieses Beschwerderecht weitestgehend aushöhlt, wenn hier etwa steht, die Beschwerde kann vom Oberlandesgericht abgelehnt werden, wenn es sich nicht um grundsätzliche Fragen handelt, außer es soll von einer Judikatur abgegangen werden und ähnliches.

Auch hier wieder: Offenbar will man das Ziel erreichen, eine vermutete Beschwerdeflut zurückzudrängen. – Das ist jedoch sicher nicht das geeignete Mittel, denn jeder Verteidiger wird versuchen, zu argumentieren: Es ist gerade ein Ausnahmefall, mit dem ich mich an das Oberlandesgericht wende! Das muss ja so sein, man muss das Recht auf Seiten der Verteidigung bis zum Äußersten ausreizen, das ist einzusehen.

Das Oberlandesgericht wird sich die Arbeit überhaupt nicht ersparen können, denn wenn es auch letztlich zum Ergebnis käme, es liegt ein Ablehnungsgrund vor, so muss es vorher die gedankliche Arbeit leisten, die dann vielleicht in einen kurzen schriftlichen Absatz mündet. Aber von der Gedankenarbeit her, von der Beratung her wird überhaupt nichts eingespart.

Also auch hier gilt eigentlich das beim Einspruch Gesagte: ein völlig untaugliches Mittel, um einen angeblich überbordenden Rechtsschutz hintanzuhalten, und wahrscheinlich auch wieder ein falsches Signal. – Es könnte zwar als Interpretationshilfe angesehen werden.

o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Manfred Burgstaller (Universität Wien; Institut für Strafrecht und Kriminologie): In der Tat enthält dieser umfangreiche Abänderungsvorschlag so viele wichtige Punkte, dass ich auch das Bedürfnis verspürte, das konzentriert systematisch zu erörtern. Es ist mir aber vollkommen klar, dass das in diesem großen Kreis und in dieser beschränkten Zeit völlig ausgeschlossen ist. Ich bitte also, darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten seitens des Unterausschusses und seiner Leitung bestehen, diese Diskussion noch zu führen. Es wäre bei dem großen und von mir sehr geschätzten Aufwand, der bisher dazu erbracht wurde, schade, wenn das nicht weiter erörtert werden könnte.

Zur Neuformulierung der Unschuldsvermutung, die wesentlich über das hinausgeht, was in der Menschenrechtskonvention steht. Dort heißt es ja nur: Bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld wird jemand als unschuldig erachtet. – Jetzt steht im § 8, dass jede Person bis zur Feststellung ihrer Schuld durch gerichtliches Urteil nach öffentlicher und mündlicher Verhandlung als unschuldig gilt. – Ich weiß nicht, ob man sich der Tragweite so einer Festlegung bewusst ist. Ich nehme wohl an, man müsste systematisch interpretierend sagen, es soll auch künftighin einen Ausschluss der Öffentlichkeit in begründeten Fällen geben können, ohne in Konflikt mit dem Grundsatz zu kommen. Das scheint mir selbstverständlich zu sein.

Ich bin aber auch nicht sicher, ob man sich hier für alle Zeit etwa eine Erledigung durch Strafverfügung verbauen sollte. So, wie die Diskussion um die Diversionsproblematik mit gewissen Schwächen läuft, scheint mir das eine nicht von vornherein auszuschließende Alternative zu sein. Ich würde also dafür plädieren, in diesem Punkt zu einer vorsichtigen Formulierung zurückzukehren.

Was die Verteidigerproblematik anlangt, möchte ich als Erstes betonen, dass ich die hier vorliegenden Vorschläge und die aus ihnen hervorgehenden Meinungsdivergenzen essentiell als eine Wertungsfrage ansehe, die letztlich zu entscheiden in einem großen Umfang wirklich den politisch Legitimierten, also den Abgeordneten, zukommt. Die Eckpunkte, die man bei dieser Wertung nicht zu überschreiten vermag, scheinen mir wesentlich enger gesetzt, als einige Vorredner gesagt haben.

Ich bin nicht bereit, ohne weiteres das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs als so einen Eckpunkt anzusehen. Das ist aus einer ganz spezifischen Situation heraus gefällt worden, und wie mir aus glaubwürdiger Quelle berichtet wurde, waren einige Mitglieder des entscheidenden Senats nachher auch erschrocken darüber, welche Tragweite das hat. Ich sehe jedenfalls dieses Erkenntnis nicht zwingend in der Europäischen Menschenrechtskonvention grundgelegt.

Ich habe versucht, soweit es mir in der Geschwindigkeit möglich war, mich mit den Forderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, in concreto des Artikels 6, zu den anstehenden Fragen vertraut zu machen, und ich muss sagen, dass auch diesbezüglich durchaus Zurückhaltung und Vorsicht am Platz ist.

Am weitesten scheint das jüngste Erkenntnis zu gehen, das auch in der uns bei der letzten Sitzung vorgelegten Unterlage des Justizministeriums zitiert ist. Das ist das berühmte Urteil Öcalan gegen die Türkei. Ich habe mir das gestern noch ausdrucken lassen, und dort heißt es ausdrücklich – ich habe eine englische Version und versuche, das einigermaßen korrekt zu übersetzen –: Die Art, in der Artikel 6 Abs. 1 und 3 während der Untersuchungsperiode anzuwenden ist, hängt von den speziellen Umständen des Verfahrens und den konkreten Fakten des Falles ab.

Also da muss man schon sehen, sie haben eben diesen ganz speziellen Fall vor Augen. Und dieser Fall ist dadurch charakterisiert, dass Öcalan für sieben Tage lang von jedem Verteidigerkontakt ferngehalten wurde. Vor diesem Hintergrund müssen die zentralen rechtlichen Aussagen gesehen werden, die in der Tat so lauten, wie das Ministerium damals korrekt zitierte: Artikel 6 EMRK wird normalerweise erfordern, dass dem Beschuldigten gestattet wird, Vorteil von der Unterstützung durch einen Rechtsanwalt bereits in den Anfangsstadien der polizeilichen Befragung zu haben. Allerdings kann dieses Recht, das nicht ausdrücklich in der Konvention niedergelegt ist, Einschränkungen aus guten Gründen unterliegen. Das sind die Kernsätze, um die es geht.

Wenn man das zugrunde legt, dann, glaube ich, muss man, ohne dass ich jetzt auf Paragraphenformulierungen eingehen kann, drei Dinge unterscheiden:

Das Erste ist: Wie ist der Verteidigerkontakt vor der ersten polizeilichen Vernehmung zu gestalten? Darf ich ihn generell oder darf ich ihn nur aus bestimmten Gründen darauf beschränken, was in dem strengeren Vorschlag steht, nämlich auf die Vollmachtsverteilung und eine allgemeine Rechtsbelehrung, das heißt: kein Eingehen auf den konkreten Fall?

Zweitens: Darf der Verteidiger an der ersten polizeilichen Vernehmung teilnehmen, generell, üblicherweise? Darf man diese Teilnahme einschränken, generell oder nur aus einem ganz bestimmten Grund?

Drittens: Wie ist diese Teilnahme an der Vernehmung zu gestalten? Ist das eine Teilnahme nur dahin gehend, dass er eben anwesend ist und damit sozusagen eine Art Vertrauensschutz gewährleistet und auch eine Gewähr bietet, dass die Vernehmung ordnungsgemäß nach den Prozessregeln abläuft, insbesondere ohne Zwangsmittel? Oder soll er auch intervenieren können in dieser Vernehmung? Und schließlich: Was ist nachher? Da steht ja wohl außer Streit, dass es dann einen substantiellen Verteidigerkontakt geben soll. Ist dieser Verteidigerkontakt zu überwachen? Soll es generelle Ausnahmemöglichkeiten beim unüberwachten Verkehr oder nur ganz spezifizierte geben und wie lange?

Ich glaube, dass alles zusammen zu betrachten allein dem entspricht, wie traditionellerweise der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an solche Fragen herangeht. Er prüft nicht punktuell, sondern er prüft insgesamt, ob dem Beschuldigten eine ausreichende Verteidigungsmöglichkeit gewährleistet ist.

Insbesondere muss ich explizit meinem verehrten Kollegen Bertel widersprechen: Meines Wissens hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nirgends ausgesprochen: Es muss unbedingt ein Verteidiger bei der Vernehmung dabei sein. Und das ist auch in vielen Mitgliedsstaaten des Europarates und auch der Europäischen Union nicht der Fall.

Ich habe natürlich versucht, mir auch selber eine Meinung zu bilden – und bin zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen. Es geht ja wohl um eine Abwägung zwischen Maximierung von Beschuldigtenrechten einerseits und Optimierung von Effizienz der Strafverfolgung andererseits, und ich meine, dass uns hier die Praktiker, vornehmlich die Polizeipraktiker, sagen sollten, was besser ist: ob man die Unterredung vor der Vernehmung beschränken kann oder ob es so störend ist, wenn da der Verteidiger dabei sitzt. – Ich persönlich könnte mir eine Lösung vorstellen, die zwischen den beiden Vorschlägen, die derzeit ausformuliert sind, liegt.

Eines will ich schon sagen: Der reine Partik-Pablé-Vorschlag mit der Kumulation der Restriktionen schiene mir schon sehr riskant, denn es ist schon die Frage, ob das in der Kumulation nicht dem Artikel 6 EMRK widerspricht. Das Bedürfnis, da Abstriche zu machen, hätte ich also schon.

Meine persönliche derzeitige Prävalenz wäre wohl, ich könnte sympathisieren mit der generellen Beschränkung des Verteidigerkontakts vor der ersten Vernehmung auf Vollmachtsverteilung und allgemeine Rechtsauskunft. Ich würde aber den Verteidiger ohne Interventionsrecht bei der Vernehmung dabei sein lassen wollen, mit der Variante, die das Justizministerium vorschlägt, dass er am Ende der Vernehmung Beweisanträge zu Protokoll geben lässt. Und was die spätere Überwachung anlangt, würde ich auch eher die großzügigere Linie des Ministeriums verfolgen. Vielleicht kann man bei diesen Fristen auch einen Kompromiss finden – zwei Monate sind verdammt lange –, zwischen den 14 Tagen und den zwei Monaten liegt ein Monat.

Aber wie gesagt, ich fühle mich da eigentlich als Experte nicht berufen, diese Wertungsfragen zu entscheiden. Ich wollte nur helfen, diese Diskussion nachvollziehbar rational zu führen.

Obfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Herr Professor Burgstaller, bezüglich Ihrer ganz zu Beginn geäußerten Befürchtung, dass nicht ausreichend Möglichkeit besteht, die Details zu erörtern, möchte ich sagen: Es ist allen Experten unbenommen, auch schriftliche Beiträge dem Unterausschuss zur Verfügung zu stellen; wir haben ja schon welche bekommen. Außerdem wird es noch eine weitere Sitzung dieses Unterausschusses geben.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Professor Burgstaller! Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, haben Sie am Ende das Gegenteil dessen gesagt, was Sie am Anfang gesagt haben.

o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Burgstaller (Universität Wien; Institut für Strafrecht und Kriminologie): Mir ist es nicht aufgefallen! (Heiterkeit.)

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Ihr Resümee war, dass das, was das Ministerium jetzt im Abänderungsantrag vorgeschlagen hat, im Großen und Ganzen, mit allen Abstrichen, die jetzt alle in der Bewertung gemacht haben, Ihre Zustimmung mehr findet als etwaige Alternativvarianten. Interpretiere ich Sie richtig?

o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Burgstaller (Universität Wien; Institut für Strafrecht und Kriminologie): Mein Wort war: dazwischen! Der entscheidende Unterschied ist: Ich sympathisiere mit der Möglichkeit, den Verteidigerkontakt vor der ersten Vernehmung ohne einschränkende Gründe auf Vollmachtserteilung und allgemeine Rechtsausführungen zu beschränken. – Das ist nicht im Ministeriumsvorschlag.

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Was den vorliegenden letzten Entwurf betrifft, so ist mir nicht erklärbar, warum die Vorschläge, die von den verschiedenen Opferschutzeinrichtungen gekommen sind, nicht vollständig umgesetzt worden sind. Ich denke, dass dort Experten und Expertinnen am Werk sind, die einerseits tagtäglich mit den Betroffenen arbeiten und andererseits vor allem mit der Materie, die wir beschließen sollen, dann arbeiten werden. Im Zuge der Tätigkeit dieses Unterausschusses konnte ich mir ein Bild davon machen, dass gerade diese Experten und Expertinnen zum Beispiel der Interventionsstellen, und zwar von ganz Österreich – Wien, Salzburg, Linz –, oder auch der Weiße Ring in diesem Bereich hervorragende Arbeit geleistet und auch gute Vorschläge eingebracht haben. Ich orte aber auch ein zähes Ringen auf Seiten des Justizministeriums, wenn es darum geht, diese Vorschläge in den Gesetzentwurf einzubringen; auf der anderen Seite arbeiten aber Gott sei Dank auch die Expertinnen und Experten sehr zäh. Ich möchte mich an dieser Stelle auch herzlich dafür bedanken, dass diese Punkte in dieser Form immer wieder eingebracht und wir mit Informationen versorgt werden.

Auf Grund der Erstinformationen, die ich erhalten habe, denke ich, dass zum einen positive, zum anderen aber auch negative Dinge darin enthalten sind. Als positiv werte ich, dass es keine Differenzierung von Opfern mehr gibt, als negativ werte ich jedoch, dass nach wie vor die schonende Einvernahme für alle Gewaltopfer fehlt oder auch dass Opfer nur dann einen Rechtsbeistand bekommen, wenn der Schaden 4 000 € übersteigt, und dass es dann auch noch auf die Höhe des Einkommens ankommt.

Meine Frage an die Vertreter und Vertreterinnen dieser Materie lautet nun: Stimmt meine Einschätzung? Ist noch nicht genug getan? – Oder reicht es?

Und auch eine Frage an das Ministerium: Warum wurden die Vorschläge nicht vollständig übernommen?

Obfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter stellt fest, dass die Ausführungen der Abgeordneten Stadlbauer vorerst hintangestellt würden, da Gegenstand der Debatte nach wie vor die Grundsätze und die Beschuldigtenrechte – und noch nicht die Opferrechte – seien.

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ) hält fest, es sei ihr nur wichtig gewesen, dies bereits an dieser Stelle zu deponieren, da an der Debatte die Zeit voranschreite und sie nicht möchte, dass die Opferrechte dann quasi als kleine Fußnote nur nebenbei behandelt werden.

Obfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter hält nochmals dezidiert fest, dass Gegenstand der derzeitigen Debatte die Grundsätze, die Beschuldigtenrechte – §§ 49 ff. – und die Verteidigerkontakte – §§ 57 ff. – sind.

RA Dr. Elisabeth Rech (Österreicher Rechtsanwaltskammertag): Wenn man sich die Entwicklung der Beschuldigtenrechte im Laufe der Zeit, quer durch die Reform, anschaut und das Ganze unter eine Überschrift stellen möchte, dann muss man wirklich feststellen: Die Entwicklung ist katastrophal! Waren in der Regierungsvorlage die Beschuldigtenrechte zwar noch ungenau, aber sicherlich auch zu Gunsten der Sicherheitsbehörden formuliert, so sind sie jetzt, in Anbetracht mancher der in diesem Abänderungsantrag enthaltenen Vorhaben, schlicht und einfach menschenrechts- und verfassungswidrig.

Ich möchte mich hier insbesondere auf die Verteidigerproblematik, wie es Herr Professor Burgstaller formuliert hat, also auf den Verteidigerkontakt beziehen. Diesbezüglich gibt es tatsächlich aus dem Vorjahr eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, die Entscheidung Öcalan, mit der auch ich gestern das Vergnügen hatte, mich näher zu beschäftigen. Ich habe da, ehrlich gesagt, andere Merksätze herausgelesen.

In dieser Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass ein faires Verfahren es verlangt, dass der Beschuldigte durch einen Verteidiger vertreten wird, und zwar schon bei Beginn der Vernehmung vor der Polizei. Interessant ist, dass dann in diesem Erkenntnis auch noch ausgesprochen wird, dass dieses Recht umso dringender ist, wenn er sich belastet, wenn er also Angaben macht, die im weiteren Verfahren verwendet und seiner Verurteilung zugrunde gelegt werden können. Und das ist bitte in Österreich der Fall: Die Protokolle, die vor der Polizei aufgenommen werden, verfolgen uns im ganzen Verfahren.

Das heißt, das Argument, das wir bis jetzt immer gehört haben, dass der Verteidiger bei der Vernehmung nicht dabei sein darf, weil er ja sonst Geständnisse verhindert, ist eindeutig gegen Artikel 6 EMRK.

Weiters gibt es, wie wir heute auch bereits gehört haben, tatsächlich auch innerstaatlich ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes. Auch dieses sagt ganz klar, dass der Verteidiger dabei sein darf. Das heißt, wenn man die vorgeschlagenen Regelungen tatsächlich nehmen will, dann setzt man sich über zwei Erkenntnisse von Höchstgerichten hinweg. Das muss einem klar sein. Es erstaunt mich insofern, dass man das eigentlich alles so locker sieht, wo doch gerade dieses Gremium – wie ich aus der Diskussion immer wieder gesehen habe – höchsten Wert darauf legt, dass ein unabhängiger Richter entscheidet. – Hier haben wir zwei Höchstgerichte, die entschieden haben, und jetzt soll das auf einmal alles nicht mehr gelten?!

Weil auch gesagt wird, in der Praxis sei das alles so schwierig mit den Verteidigern, soll man sich bitte einmal anschauen, dass es das in Österreich bereits gibt: Das ist in der Steiermark schon gang und gäbe! Dort haben meine Kollegen, nachdem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist, einen anwaltlichen Notdienst eingerichtet, und dieser funktioniert Tag für Tag. Daran sieht man ganz deutlich, dass die Bevölkerung und auch die Sicherheitsbehörden überhaupt kein Problem haben, das tatsächlich zu machen. Ganz im Gegenteil: Sie sind zufrieden, wenn sie einen Anwalt erreichen können und dieser sich mit dem Beschuldigten auseinandersetzt und auch unterstützend für diesen tätig wird.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in diesem Zusammenhang auch noch zu vielen anderen Dingen eine Meinung – und eine solche auch bereits zum Ausdruck gebracht. Das hat Herr Professor Bertel sehr ausführlich dargelegt, auch Professor Fuchs und Dr. Aistleitner, sodass ich es mir erspare, weiter darauf einzugehen.

Ich möchte aber doch noch Folgendes erwähnen – weil es geheißen hat, in den europäischen Staaten sei es auch noch nicht so sehr gang und gäbe –: Wir haben auch noch eine Verfahrensordnung des Internationalen Strafgerichtshofes, in der drinnen steht, der Verteidiger hat dabei zu sein – und diese ist in Österreich anzuwenden! Auch wird in Europa gerade ein Grünbuch ausgearbeitet, in dem das drinnen stehen wird – und auch das ist dann in Österreich anzuwenden! Und: Wir haben immerhin sieben europäische Staaten, wo es schon vollkommen klar ist, dass der Anwalt dabei sein kann beziehungsweise – in manchen Staaten – auch dabei sein muss.

Ich darf in diesem Zusammenhang abschließend sagen, dass ich wirklich bestürzt und erschrocken darüber bin, wie wenig Bedeutung das Grundrecht auf Verteidigung hat und insbesondere auch mit welchem Misstrauen man den Rechtsanwälten gegenübertritt. Ich kann mich nicht erinnern, dass dieses Misstrauen durch irgendetwas begründet wäre.

Rechtsanwalt Dr. Rudolf Breuer (Niederösterreich): Darf ich zunächst einmal aus der Praxis heraus sagen, dass das Gesetz sicherlich entsprechend handhabbar ist, dass es aber einige Bestimmungen enthält, die in der vorliegenden Form nach Meinung der Verteidigung – beziehungsweise meiner Meinung nach – einfach nicht stehen bleiben können.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich heute in Form eines Appells vor allem an die Abgeordneten wenden: Gesetze zu machen kann doch nur dann wirklich einen Sinn haben, wenn es ganz klare und handhabbare Gesetze sind. Je mehr Einschränkungen in eine Norm aufgenommen werden, desto mehr Auslegensmöglichkeiten werden geschaffen, desto mehr verbreitete Judikatur wird geschaffen, die sich im Laufe der Jahre auch immer wieder widersprechen kann. Das zeigt die Praxis – ich bin seit fast 40 Jahren als Verteidiger im Gerichtssaal; ich kann aus dieser langen Zeit die Praxis wirklich bestens wiedergeben.

Meine Auffassung ist folgende: Die Menschenrechtskonvention ist ein Katalog von Mindestrechten. Die Diskussion, die hier darüber geführt wird, was wir ändern müssen, damit wir gerade noch diesen Mindestrechten entsprechen, ist meiner Auffassung nach schon beschämend genug, denn was hindert einen europäischen Mittelstaat demokratischer Prägung daran, einen Katalog zu schaffen, Rechte eines Beschuldigten zu schaffen, die nicht nur Mindestrechte gerade noch erreichen, sondern einen wirklichen, ordentlichen Standard von Rechten eines Beschuldigten und Verdächtigen wiedergeben?

Ich bin der Auffassung – und das sage ich ganz deutlich –: Keinerlei Einschränkung in dem Recht der Beiziehung des Verteidigers! Der Verteidiger kann von Anfang an beigezogen werden. Der Verteidiger muss die Möglichkeit haben, mit dem Verdächtigen auch alleine ein Gespräch zu führen, nicht überwacht zu werden und im Zuge der Vernehmung auch mitzuwirken.

Es wird sich vielfach auch die Polizei und die Sicherheitsbehörde dahin gehend äußern, dass es dankenswert ist, dass auch ein Verteidiger mitgewirkt hat, denn es gibt vielfach Fälle, in denen man einem Beschuldigten, einem Verdächtigten klarlegen kann – und das auch tut –, dass irgendein – man kann es manchmal sagen – geradezu haarsträubendes Leugnen, das einfach nur das Verfahren erschweren würde, aber für den Beschuldigten nichts bringt, aufzugeben ist und dass es für ihn besser ist, wenn er ein vernünftiges, reumütiges Geständnis ablegt, wenn man an der Wahrheitsfindung mitwirkt. Auch das ist durchaus der Fall, und ich bin daher der Meinung, dass man hier wirklich keine Beschränkungen machen soll.

Was das Zuhören betrifft, so meine ich: Das ist doch ein Etikettenschwindel! Dann entscheiden wir uns gleich dazu, zu sagen, der Verteidiger hat bei den Vernehmungen nichts zu suchen; denn dabeizusitzen, zuzuhören und nichts anderes machen zu können, als am Schluss Beweisanträge zu stellen – wobei man dann nicht einmal weiß: werden diese dann noch von der Polizei durchgeführt oder kümmert sich dann der Staatsanwalt darum? –, das ist doch, bitte, gar nichts! Das ist null!

Ich glaube, dass es ein notwendiger Standard ist, dass ein Verdächtiger und Beschuldigter, der plötzlich vor der Tatsache steht, dass er einer Straftat verdächtigt wird, auch einen Verteidiger beiziehen kann, der ihm nicht nur „eine Rechtsvorlesung“ hält. Dann würde es nämlich genügen, wenn man ihm die gesetzlichen Bestimmungen mit dem Kommentar in die Hand drückt; lesen kann er selbst, dazu braucht er keinen Verteidiger.

Ich bin daher der Meinung, dass es überflüssig ist, diese Diskussion zu führen. Man muss sich entscheiden: Gibt man ihm von Anfang an einen Verteidiger oder nicht? – Gibt man ihm einen solchen von Anfang an, dann muss der unbeschränkte Umgang des Verteidigers mit dem Verdächtigen gegeben sein, ohne dass jemand überwacht, ohne dass jemand zuhört. Ich glaube, das ist einfach ganz und gar nicht anders möglich.

Was den § 6 betrifft, so hätte ich dazu eine Frage – vielleicht kann ein späterer Redner darauf eingehen. Es heißt im vorliegenden Entwurf:

„Der Beschuldigte ist im gesamten Verfahren mit der gebührenden Achtung seiner persönlichen Würde zu behandeln.“

Ich stelle folgende Frage: Wenn der Beschuldigte durch einen erkennenden Richter – nehmen wir das an, unterstellen wir das theoretisierend – in der Verhandlung nicht mit der gebührenden Achtung seiner Würde behandelt wird, welche Konsequenz hat das? Wozu steht das da?

Um hier eine Konsequenz vorzusehen, müsste man wie folgt formulieren: Wenn eine nicht gebührende Achtung gegeben ist, dann ist das ein Ablehnungsgrund. – Das müsste man normativ festlegen, denn eine nicht gebührende Behandlung muss nicht gleichzusetzen sein mit Befangenheit des Richters. Es kann sich jemand eines Tonfalles, einer Art bedienen, die nicht angebracht ist, ohne dass er befangen ist – was sich aber der Beschuldigte nicht gefallen lassen muss, denn er hat immerhin bis zur Feststellung seiner Schuld als unschuldig zu gelten.

Das heißt: Wenn, dann mit Konsequenz!, denn in der derzeitigen Form ist das, bitte – wie soll ich sagen? –, das Hinhängen von Illusionen, das Hinhängen eines Zuckerls auf den Weihnachtsbaum, wobei aber in dem Papier, in das es eingepackt ist, nichts drinnen ist. Wenn es hier heißt: „mit der gebührenden Achtung ... zu behandeln“, dann kann ich genauso gut sagen: Das ist doch ohnedies selbstverständlich! Er muss doch ohnehin ordentlich behandelt werden bei Gericht! – Dazu, dass man das festlegt, würde ich durchaus ja sagen – natürlich kann man das festlegen –, aber ich muss ehrlich sagen: Ich brauche eine Konsequenz für den Fall, dass das nicht eingehalten wird. – Und dann muss ich eben sagen: Welche Konsequenz kann es geben? – Diesen Richter will ich nicht mehr, diesen Richter kann ich nicht mehr in Anspruch nehmen! – Das heißt, dass ich einen Ablehnungsgrund haben muss. Dieser ist allerdings im Entwurf nicht formuliert.

Was den Ausschluss des Verteidigers betrifft, so möchte ich im Folgenden zu § 60 Stellung nehmen: Ich bin vollkommen damit einverstanden, dass der Verteidiger, wenn gegen ihn auch ein Verfahren wegen derselben Straftat anhängig ist, von der Verteidigung ausgeschlossen sein soll – selbstverständlich soll das so sein –, aber was die anderen Gründe betrifft, so möchte ich hier insbesondere auf Punkt 1 und 2 dieser Gründe eingehen.

Man muss nämlich eines bedenken: Man geht hier davon aus, dass der Beschuldigte selbst bis zur Feststellung seiner Schuld als unschuldig gilt, aber beim Verteidiger geht man davon aus, dass er allenfalls eine Begünstigung des Beschuldigten begangen haben kann. Das heißt, der Beschuldigte selbst gilt bis dahin als unschuldig, aber beim Verteidiger kann man in Verdacht ziehen, dass er den als unschuldig zu Geltenden begünstigt hat. – Das ist meines Erachtens etwas, wo man sich selbst ins Gesicht schlägt! Das kann man, bitte, nicht als eine Bestimmung hineinnehmen!

Meine Auffassung ist die, dass man hier den Ausschluss des Verteidigers auf den Fall zu beschränken hat, dass wirklich ein Verfahren gegen ihn anhängig ist, dass er selbst in irgendeiner Form an der Straftat mitgewirkt hat. Alle anderen Gründe aber sind meines Erachtens als nicht tragfähig anzusehen.

Ich darf an einen Vorredner anschließen, der gesagt hat: Wenn es einen Verteidiger gibt – der ja ab dem Vermittlungsverfahren beigezogen wird –, der der Exekutive vielleicht nicht konveniert, kann man natürlich Mittel und Wege finden, um einen solchen Verteidiger sozusagen herauszuschießen. – Diese Möglichkeit besteht, und wir müssen auch immer solche Dinge berücksichtigen, die einmal eintreten können.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit – weil ich glaube, dass das zur Verteidigung und zu den Rechten des Beschuldigten dazugehört – auch auf Folgendes Bezug nehmen:

Wir hatten schon bisher in der Strafprozessordnung die Bestimmung – und das wird weiter so gehandhabt –, dass erst dann, wenn zwei Haftverhandlungen stattgefunden haben, der Beschuldigte auf eine weitere Haftverhandlung verzichten kann.

Ich darf Ihnen aus der Praxis Folgendes sagen: Es genügt die eine Haftverhandlung, bei der einmal der Untersuchungsrichter von seiner Warte aus die rechtliche Prüfung vornimmt, und man kann durchaus ab der zweiten verzichten; denn es besteht das Recht, jederzeit einen Enthaftungsantrag zu stellen, und das Gericht hat auf einen  Enthaftungsantrag zu reagieren. Wenn der Staatsanwalt nicht zustimmt, ist eine Haftverhandlung durchzuführen.

Es gibt so viele Fälle – das kann ich aus meiner Praxis sagen –, wo man fünf Minuten zu einer Haftverhandlung gehen muss – völlig sinnlos, denn die Haft ist ja nicht aufzuheben, zum Beispiel aus dem Grund, dass eine klassische Tatbegehungsgefahr vorliegt, sodass man sagen kann, der Betreffende kann und wird mit Sicherheit vor der Hauptverhandlung nicht enthaftet werden.

Wozu die Bemühung des Gerichtes, wenn der Verteidiger selbst gemeinsam mit seinem Beschuldigten überzeugt ist, dass diese zweite Haftverhandlung reine Formsache ist? – Das heißt, das sollte man machen: Es wäre eine Ersparnis für das Gericht, denn es ist für alle eine Mühe, die man da fünf oder zehn Minuten lang hat.

Ich glaube, man sollte diese Überlegung im Rahmen dessen einbeziehen. Wenn der Verteidiger mit dem Beschuldigten auf eine zweite Haftverhandlung verzichtet, dann sollte das im Gesetz auch ermöglicht werden. Wir haben jederzeit die Möglichkeit, einen neuen Enthaftungsantrag zu stellen. – Das, glaube ich, ist ein Punkt, der in diesem Zusammenhang bedeutsam scheint.

Univ.-Doz. Dr. Richard Soyer: (Rechtsanwalt, Wien): Aus der Verteidigerperspektive sehe und schätze ich natürlich die Verbesserungen, die hier vorgesehen sind, ich glaube aber doch, dass, wenn die Regierungsvorlage in dieser Form beschlossen wird, das kein Jahrhundertgesetz, keine Jahrhundertreform mehr sein wird. Ich möchte nicht sagen, dass das nur marginale Verbesserungen sind, aber wir Strafverteidiger haben uns doch viel mehr erwartet.

Im Wesentlichen konzentriere ich mich auf eine Kernfrage, nämlich auf die Regelung des Verteidigerkontaktes und der Verteidigerüberwachung. Das ist, wenn ich das so formulieren darf, das Eingemachte an der Regelung der Verteidigungsrechte im Reformentwurf. Ich teile die Ansicht, und zwar die sehr fundiert und für mich sehr klar vorgetragene Stellungnahme des Herrn Professor Burgstaller, in einigen Teilen, ich teile sie aber nicht im Ergebnis.

Ich meine, dass die Wertungsfrage durch die Öcalan-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte doch enger eingegrenzt ist. Es ist mir daher ein Anliegen – ich hoffe, dass ich dieses Forum sozusagen nicht sprenge –, hier ganz präzise zu sein. Ich betrachte es als Herausforderung, dass Herr Professor Burgstaller das Öcalan-Erkenntnis zur Hand genommen, daraus zitiert und eine ganz klare Struktur vorgelegt hat.

Worum geht es? – Es geht um drei Fragestellungen. Es geht erstens um den Kontakt des Verteidigers vor der ersten polizeilichen Vernehmung und es geht dabei um die Frage: Ist er einschränkbar? Wenn ja, ist er generell oder ist er nur fallbezogen einschränkbar?

Die zweite zentrale Frage, bezogen auf die erste polizeiliche Vernehmung, ist: Gibt es selbst eine Mitwirkung des Verteidigers bei dieser Vernehmung, ein Fragerecht oder nur die bloße Anwesenheit? Und wieder die Frage: generell oder fallbezogen einschränkbar?

Letztlich stellt sich die Frage der Art der Teilnahme, wie der Verteidiger mitwirkt. Das Öcalan-Erkenntnis, das ich hier in der Übersetzung der „Europäischen Grundrechte-Zeitschrift“ vorliegen habe, besagt ganz klar:

Art. 6 EMRK wird normalerweise verlangen, dass dem Angeklagten zugestanden wird, in den Genuss des Beistandes eines Anwalts bereits in der Anfangsphase der polizeilichen Vernehmung zu kommen. – In den Genuss des Beistandes in der Anfangsphase! – Und im nächsten Satz heißt es: Dieses Recht, welches nicht ausdrücklich in der Konvention festgelegt ist, kann jedoch aus guten Gründen Einschränkungen unterworfen werden.

Das heißt, es gibt ein Recht, das in der Konvention nicht festgeschrieben ist, wonach in der Anfangsphase der polizeilichen Vernehmung ein Kontakt mit dem Verteidiger bestehen darf. Die Frage ist nur: Was ist die Anfangsphase der polizeilichen Vernehmung: Ist das die Vernehmung selbst oder ist das die Vorbereitung der Vernehmung? – Das ist auf jeden Fall eine Wertungsfrage. Das ist noch auslegungsbedürftig.

Ich meine aber, dass dieses Erkenntnis eines ganz klar macht: Der Vorschlag Partik-Pablé ist nicht konventionsgemäß. Dieser Vorschlag, der diese Rechte generell einschränkt, ist verfassungswidrig. Die Frage ist nur, ob die Regelung, die das Bundesministerium für Justiz vorschlägt, auf der Höhe der Zeit ist. Diese Regelung ist sicher MRK-konform, ich denke aber, sie ist sehr moderat. Man darf nicht vergessen – und das, finde ich, hat Herr Kollege Breuer sehr schön gesagt – Art. 6 Abs. 3 regelt Mindestgarantien.

Es heißt dort: Jeder Angeklagte hat mindestens – beziehungsweise in der französischen Übersetzung: insbesondere – die folgenden Rechte: ... . – Wir können natürlich sagen, wir begnügen uns mit diesen Mindestgarantien. – Ich bin jedoch der Meinung, in einem Land wie Österreich, das im Herzen Europas liegt, das in Europa eine Vorreiterrolle hat, kann man nicht so halbherzig sein und sagen, wir wollen die Minimalstandards erfüllen – und nicht mehr.

Daher muss man sich überlegen, warum die Regelung des § 59 nicht zufrieden stellend ist. Es sind zwei Argumente, die ich hier ins Treffen führe. Das eine Argument ist: § 59 Abs. 1 erfüllt genau diese Mindeststandards der MRK. Ich möchte das jetzt nicht zu sehr angreifen, aber ich finde, diese Bescheidenheit steht uns Österreichern nicht gut an. Wir sind nicht in Rumänien, wir sind im Herzen Europas, und Österreich verdient sich eine liberalere Regelung.

Die ursprüngliche Regierungsvorlage hat diese Einschränkung, wie wir sie im § 59 Abs. 1 finden, aus guten Überlegungen vorgesehen. Es war nämlich daran gedacht, dass nicht nur Rechtsanwälte, sondern auch Vertrauenspersonen in Kontakt mit dem Beschuldigten treten können. Vor diesem Gesichtspunkt machten und machen diese Einschränkungen Sinn. Wenn man aber, so wie jetzt, die Vertrauensperson mit guten Gründen eliminiert, weil Anwälte professionelle Rechtsbestände sind und wir keine Winkelschreiber oder sonstigen Kontakt- oder Vertrauenspersonen in diesem heiklen Verfahren haben wollen, dann macht es keinen Sinn mehr, den Kontakt vor der Einlieferung auf eine allgemeine Rechtsbelehrung zu beschränken. Das geht zu weit, mit dem kann man nicht mehr reüssieren.

Wenn ich jetzt zur Regelung des Absatzes 2 komme, in dem eine Überwachung des Verteidigerkontaktes vorgesehen ist, dann möchte ich vorher wiederum auf das Öcalan-Erkenntnis zurückkommen, denn auch dazu spricht diese Entscheidung Klartext. Ich zitiere:

Der Gerichtshof verweist auf seine gefestigte Rechtsprechung und wiederholt, dass das Recht des Angeklagten, mit seinem Rechtsbeistand außer Hörweite einer dritten Person zu kommunizieren, zu den Grundvoraussetzungen eines fairen Verfahrens in einer demokratischen Gesellschaft gehört und dass dieses Recht aus Art. 6 Abs. 3 lit. c der Konvention folgt. – Kurz: Es gibt ein Recht auf einen unüberwachten Kontakt mit dem Verteidiger.

Ein paar Sätze weiter wird natürlich klar gestellt – und das sei der Vollständigkeit halber hier nicht nur gesagt, sondern betont –: Gleichwohl können auch diesem Recht Beschränkungen auferlegt werden.

Die Frage, die sich jetzt stellt, ist: Sind die Beschränkungen, die § 59 Abs. 2 vorsieht, a) MRK-konform? – Da sage ich: ja! Und sind sie b) auf der Höhe der Zeit für ein Land im Herzen Europas? – Da sage ich: nein!

Ich teile nicht die Auffassung von Herrn Professor Burgstaller, dass ein Zeitraum von 14 Tagen zu kurz bemessen ist. Ich bin der Auffassung, dass es einen einzigen Grund gibt, diesen Verteidigerkontakt überhaupt zu überwachen, und zwar maximal für 14 Tage. Und dieser eine Grund ist nicht, wie die derzeitige Regelung sagt, die Beeinträchtigung von Beweismitteln, denn das ist eine Wischiwaschi-Bestimmung. Damit können Sie letztlich jeden Verteidigerkontakt überwachen; und wenn Sie das wollen, dann können Sie das beschließen. Wenn Sie dagegen die Polizei und die Strafverfolgungsbehörden sozusagen zähmen wollen, dann dürfen Sie das nicht beschließen.

Die einzige Ausnahme, die legitim ist, ist, dass sich Verteidiger an derselben strafbaren Handlung beteiligt haben. Wenn ein Verteidiger sozusagen selbst kriminell ist, im Verdacht steht, eine solche Handlung begangen zu haben, dann mag es legitim sein, ihn auszuschließen. Ich meine daher, dass die Alternative des Justizministeriums ein sehr halbherziger Kompromissvorschlag ist. Ich bin der Meinung, dass das massiv eingeschränkt gehört. Ich verkenne nicht die Qualität dieses Vorschlags gegenüber der Regierungsvorlage, die da sind: nunmehr Anordnung durch die Staatsanwaltschaft, und die Polizei kann nicht mehr tun und lassen, was sie will und kann auch das entscheiden.

Ich verkenne nicht die Einschränkung auf 14 Tage, ich bin aber der Meinung, dass einzig der Ausschlussgrund nach § 60 eine Überwachung in den ersten 14 Tagen rechtfertigen könnte. Und ich bin mit anderen Rednern des heutigen Tages einer Meinung, dass aber auch die Regelung des Verteidigerausschlusses im § 60 viel zu weit geht. Was dort steht, ist – ich möchte nicht sagen ein „Freibrief“ –, aber es soll nicht so sein, dass man professionell hart, aber im Rahmen der Gesetze agierende Verteidiger aus einem Strafprozess quasi hinausschießen kann. Das befürchte ich, das befürchten Kollegen aus der Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen, für die ich hier auch spreche: Das geht zu weit. Ich könnte das jetzt noch explizieren, will es aber nicht.

Noch ein letzter Gedanke, der mir hier ganz wichtig ist. Dieser Gedanke betrifft nicht nur die Rolle von uns Strafverteidigern, sondern meines Erachtens auch die Rolle von Staatsanwälten, die Frage des Vertrauens. Sind Verteidiger „Komplizen der Angeklagten“, oder ist das eine Berufsgruppe, die im Rahmen der Gesetze rechtstreu agiert und die auch Regelungen vorgesehen hat, wenn es einzelne schwarze Schafe gibt? Dann ist natürlich hart durchzugreifen.

Grundsätzlich muss ein gesetzliches Regelwerk so beschaffen sein, dass man davon ausgeht, Verteidiger sind keine Komplizen.

Es ist schon vor über hundert Jahren von einem der bedeutendsten Strafrechtslehrer des vorvergangenen und des vergangenen Jahrhunderts, von Franz von Liszt, ganz klar gesagt worden, dass auch der Verteidiger eine ganz wichtige Rolle in dem Geschehen spielt, und zwar im Sinne einer Wahrheitsfindung.

Franz von List sagte: „Auch er ist da, um der Wahrheit zu dienen, indem er seiner Parteirolle treu bleibt. Seine persönliche Überzeugung ist gleichgültig. Er hat die Interessen des Beschuldigten wahrzunehmen. Je entschiedener er das tut, desto fester hoffen wir, dass die Wahrheit zutage treten werde.“

Das heißt, es beeinträchtigt nicht die Wahrheitsfindung im Strafprozess. Es ist im öffentlichen Interesse gelegen, dass die Verteidigung eine gute, eine professionelle Verteidigung ist, denn dann, wenn es trotz einer professionellen Verteidigung zu einer Verurteilung kommt, weiß man im Rechtsstaat, es gibt eine erhöhte Gewähr der Richtigkeit. Und das wollen wir. Wir wollen, dass Leute in einem fairen Verfahren zur Verantwortung gezogen werden.

Daher ist es ein völlig falscher Zugang, den Verteidigerkontakt zu beschränken und Verteidiger zu überwachen. Es sind scharfe Regelungen zu treffen, aber es ist meines Erachtens die Regierungsvorlage in diesen Punkten ganz wesentlich zu verbessern, und zwar in Richtung einer nicht nur an den Mindeststandards der MRK orientierten Regelung, sondern ein wenig darüber hinausgehend.

Obfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Es ist mir ein Bedürfnis zu sagen, dass wir erst 20 Prozent der Paragraphen beraten haben. Ich bitte Sie, sich kurz zu fassen.

Erster Staatsanwalt Dr. Wolfgang Swoboda (Staatsanwaltschaft Eisenstadt): Ich werde versuchen, es möglichst knapp und präzise zu machen, und darf aus der Diskussion feststellen – auch aus den Medien kann man das feststellen –, dass sich zwei Kernthemen wie ein roter Faden durchgezogen haben. Das eine ist die Frage der Verteidigung, das andere ist die Frage der Rollenverteilung Richter – Staatsanwalt.

Mit dem Abänderungsantrag werden beide Themen explizit angesprochen. Ich darf an die Vorredner hier auf der Verteidigerbank anschließen, wenn ich das so formulieren darf, und zu beiden das gleiche Symptom feststellen. Es ist geprägt von einem Misstrauen gegenüber den Fähigkeiten und dem rechtsstaatlichen Denken der jeweiligen Berufsgruppe. Das ist eine Klammer, die mir erst jetzt aufgefallen ist und die für mich – ich weiß nicht, wie sie entstanden ist – ein sehr neuer Aspekt ist.

Das Kernstück der Verteidigungsrechte ist die Präsenz bei der ersten Einvernahme; davon wieder das Kernstück ist das Geständnis, das dann in der Hauptverhandlung hinterfragt wird, ob es eben korrekt, rechtsstaatlich korrekt und inhaltlich richtig zustande gekommen ist. Da kann ich auf der einen Seite aus der Perspektive der Staatsanwälte berichten, dass – die Fälle, bei denen das Geständnis hinterfragt wird, sind Legion – die Frage einer unzulänglichen Einflussnahme, dass das mangelnde Vertrauen in die Verteidigung nie der kritische Punkt sind. Prinzipiell wird korrekt agiert.

Auf der anderen Seite muss man sagen, diese psychologische Drucksituation für den Beschuldigten schreit beim Beschuldigten nach Erleichterung. Das heißt, sie ist geständnisfördernd. Das ist immer von den Ermittlungsbehörden ausgenutzt worden, berechtigt und legitim ausgenützt worden, um zu einem Geständnis zu kommen. Das Erhöhen des Drucks birgt aber nicht nur die Gefahr, dass man in die Beschuldigtenrechte eingreift, sondern dass man auch die Qualität dieser Angaben vernichtet.

Da bin ich genau bei der Abwägungsproblematik, die Herr Professor Burgstaller vollkommen richtig angesprochen hat. Sein Vorschlag, wie man diese Sache angehen kann, mit einer Art einschleifender Regelung war: Am Anfang die Transparenz und den Kontakt, je weiter das Stadium geht von Belehrung, Teilnahme, Fragestellung, Anträgeüberwachung, dann die Verteidigungsrechte kontinuierlich, gut und am Schluss bei der Überwachung sehr wenig eingeschränkt wachsen lassen. Auf diese Art und Weise kann man, so glaube ich, diese zutiefst rechtspolitische Abwägung am besten lösen.

Schenkt man sich auch wechselseitig das Vertrauen, von dem die Rede ist, dass die Verteidigung keinen Einfluss nehmen wird, dann braucht sie eine große, umfassende, ins Detail gehende, die Strategie betreffende Belehrung im Erstgespräch mit dem Beschuldigten nicht. Und umgekehrt gilt auch, dass das Vertrauen von der Verteidigungsseite der Ermittlungsseite gegenüber gegeben ist und nicht nur der Vorwurfsansatz das Ermittlungsziel ist. Ich glaube, hier ist ein sehr schöner Weg aufgezeichnet worden.

Ich darf jetzt eine kleine Themaverfehlung begehen und das Misstrauen ansprechen, nämlich das Misstrauen, das in der Stellung der Staatsanwälte im Abänderungsantrag zum Ausdruck kommt. Im § 101 Abs. 2 wird jetzt vorgesehen, dass bei so genannten – es heißt dort anders, aber diese sind gemeint – clamorosen Fällen der Staatsanwalt den Richter einzuschalten hat, er gerichtliche Ermittlungen zu beantrauen hat. Ziel dieser Bestimmung kann wohl nur sein, die Diskussion um die Anscheinswirkung in den Griff zu bekommen.

Aber: Was passiert mit dieser Art der legistischen Lösung? – Die Zwei-Klassengesellschaft, die durch das Weisungsrecht entstanden ist – in bestimmten Fällen denken nicht nur ein Staatsanwalt und vielleicht sein Chef über einen Fall nach, sondern es denkt in der Weisungskette eine ganze Hierarchie nach –, wird a) festgeschrieben und b) noch zusätzlich ergänzt durch einen Richter, der nicht statt, sondern zusätzlich mit ermittelt. Damit wird nicht nur das ursprüngliche Konzept über Bord geworfen, den Staatsanwalt wirklich zum Ermittlungsleiter zu machen, sondern es wird auch dramatisch an der Effizienz „geknabbert“.

Last but not least – und das am deutlichsten –: Es wird die gewünschte Wirkung, nämlich Vertrauensbildung bei der Bevölkerung, dass es gerade bei diesen kritischen Fällen völlig korrekt vor sich geht, geradezu untergraben. Bei zwei verschiedenen Bevölkerungsgruppen – „Otto Normalbürger“ oder dem im öffentlichen Blickpunkt Stehenden – andere Ermittlungsschienen zu legen, wobei die eine Weisungskette noch dazu im Dunklen bleibt, das schafft Misstrauen und nicht Vertrauen. – Ich glaube, dass dieser Ansatz daher völlig am gewünschten Ziel vorbeigeht.

Ich möchte das mit einigen Beispielen unterlegen.

Erstens: Wenn der vorsichtige Staatsanwalt bei solch einem clamorosen Verfahren in einem Vorhaben vorschlägt, zu Gericht zu gehen und Ermittlungen zu beantragen, dann wird vollkommen korrekt – ich setze jetzt den qualitätsvollen Ist-Zustand im Ministerium voraus – die Weisungsspitze sagen: Da braucht man das wirklich nicht!, und es wird die Anrüchigkeit haben, dass da etwas unter den Tisch gekehrt wird.

Zweitens – stellen wir uns den umgekehrten Fall vor! –: Der Staatsanwalt macht erst gar keinen Bericht, sondern es wird an ihn herangetragen: Da ist etwas, was im öffentlichen Interesse, im Blickpunkt steht, da sind gerichtliche Ermittlungen zu führen!

Gerichtliche Ermittlungen hatten immer schon den Anschein des etwas höheren Verdachtsgrades. Also mit dem Titel, da besonders rechtsstaatlich unterwegs zu sein, wird die Möglichkeit geschaffen, jemand anderen erst recht in den Blickpunkt der Medien zu rücken.

Drittens: Die Sicherheitsbehörden können mitsteuern, über welche Ermittlungsschiene der Fall ergeht.

Viertens: Natürlich kann das auch die Verteidigung tun. Viele Fälle werden großartig über die Medien gespielt. Es hängt dann vom taktischen Geschick des Verteidigers ab, wieviel Medienpräsenz gelockt wird, um unter Umständen auf eine gerichtliche Schiene zu kommen. Da kommt ein Misstrauen gegenüber der Staatsanwaltschaft heraus, das nicht berechtigt ist.

Besonders im Zusammenhang mit dem § 104 Absatz 2 letzter Satz, wo das Gericht die Staatsanwaltschaft um die Durchführung bestimmter weiterer Ermittlungen und um Mitteilung ihrer Ergebnisse ersuchen kann, darf ich sagen: Da kann über ein Hintertürchen über das Ersuchen die Voruntersuchung wieder eingeführt werden.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass das Gericht den Ermittlungsleiter aufmerksam machen kann, dass noch etwas zu tun ist, aber Selbstverständlichkeiten sollen dort hinkommen, wo sie hingehören, nämlich in die Fußnote. Hier steht in der Fußnote, dass es die Ermittlungsbefugnis des leitenden Staatsanwaltes nicht beeinträchtigen soll. – Hier ist eine Verdrehung gegeben.

Ich meine daher, dass diese Problematik ganz deutlich aufzeigt, dass wir das, ohne uns der Diskussion über das Abhängigkeits- und Weisungsverhältnis des Staatsanwaltes zu stellen, nicht wirklich lösen können. Wenn wir es lösen wollen, dann muss der Ansatz ein anderer sein, und zwar so, dass das „Hat“ in dieser Bestimmung zumindest durch ein „Kann“ ersetzt wird und sich der Staatsanwalt von dem Vorwurf: Du wirst von oben gedrückt, beeinflusst! freispielen kann. Das kann dazu beitragen, diese Öffentlichkeitswirkung zu bekommen.

Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Werner Pleischl (Oberstaatsanwaltschaft Wien): Zur Frage von Frau Abgeordneter Mag. Wurm, wie die Praxis dieses Gesetz aufnehmen wird, so Sie es beschließen sollten. – Ich spreche dazu natürlich in erster Linie als Staatsanwalt, der an der Umsetzung des Gesetzes mitwirken wird, aber natürlich auch aus dem Blickpunkt des Mitverfassers der Regierungsvorlage.´

Diese Frage ist mehrschichtig. Zunächst einmal muss man davon ausgehen, dass Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen, die jetzt in einem bestimmten Berufsfeld arbeiten, die Grundlagen ihrer Arbeit völlig geändert sehen werden. Es macht natürlich normalerweise nicht Freude, wenn man das, was man tut, plötzlich anders tun soll, wenn man plötzlich lernen soll, wie man damit umgeht, wenn man vielleicht auch bestimmte administrative Erschwerungsgründe darin sieht. Natürlich besteht auch die Sorge, dass die zur Umsetzung des Gesetzes notwendigen Personen nicht vorhanden sein könnten. Also eine gewisse Skepsis der Praxis ist durchaus verständlich.

Im Großen und Ganzen ist es aber so – und das höre ich überall –, dass das Gesetz im Prinzip erwartet wird. Es werden damit riesige rechtsstaatliche Defizite ausgefüllt, es werden die Beschuldigtenrechte erweitert, es werden die Opferrechte wesentlich erweitert, es wird vieles – insbesondere was die praktische Polizeiarbeit betrifft – festgeschrieben, was jetzt im Gesetz nicht oder nur ganz unzureichend vorhanden ist. Wir schließen eine Lücke, die über 130 Jahre lang besteht, also die seit langer Zeit klafft, wo man endlich einmal handeln sollte.

Der zweite Punkt ist die Frage, wie der Geist dieses Gesetzes umgesetzt werden wird. Dazu muss man sagen, dass eine Strafprozessordnung ja keine Handlungsanleitungen enthält. Es steht nicht drinnen, wann eine Hausdurchsuchung gemacht werden soll und wann nicht, sondern es sind darin nur die gesetzlichen Voraussetzungen beschrieben. Es kann nur ein gesetzlicher Rahmen für ein Dürfen, aber niemals ein Sollen in einer Strafprozessordnung stehen. Diese Frage kann daher noch nicht entschieden werden. Sie kann erst entschieden werden, wenn wir beginnen, das zu tun, und die wird – das sage ich jetzt als Staatsanwalt – auch ganz wesentlich davon abhängen, ob wir die zur Umsetzung des Geistes dieses Gesetzes, das auf allen Gebieten eine Verbesserung bringen soll, notwendige Personenanzahl bekommen.

Die dritte Schicht ist sozusagen die Lesbarkeit, die Erfahrbarkeit des Gesetzes, und da haben wir – ich sage jetzt noch wir, weil ich mich mit den Verfassern der Regierungsvorlage identifiziere – bisher eigentlich einhellige Zustimmung bekommen.

Wir haben uns sehr bemüht, eine übersichtliche, klare Gliederung anzubringen, und diese ist auch allenthalben gelobt worden; ich kann mich an keine kritischen Stimmen erinnern. Es schaut so aus, dass die Prozessgrundsätze, die im derzeitigen Gesetz – wenn überhaupt – nur sehr verstreut vorhanden sind, an die Spitze gestellt wurden, dann die einzelnen Rechte der verschiedenen Berufsgruppen und der durch das Verfahren Betroffenen aufgelistet und mit Querverweisen versehen wurden.

Denken Sie nur an die verstreuten Bestimmungen in der Bundesverfassung! Wie schön wäre es, wenn man eine Zusammenfassung in einem Artikel des B-VG hätte, in welchem aufgelistet wäre, wo bestimmte Dinge geregelt sind, die dann weiter hinten oder in anderen Gesetzen dargestellt werden!

Solch ein Gesetz liest man ja nicht wie ein Buch von vorne bis hinten, um sich zu überzeugen, sondern es ist ein Nachschlagewerk mit entsprechenden Querverweisen, das aus der Gliederung heraus dem Leser ermöglichen soll, das aufzufinden, was er für seine Tätigkeit oder für seine Arbeit braucht. – Dafür hat es, wie gesagt, bisher keinerlei Kritik, jedoch sehr viel Lob gegeben.

Betreffend den Inhalt des Gesetzes möchte ich mich auf einen einzigen Punkt beschränken, und da spreche ich jetzt weder als Staatsanwalt, weil das für die staatsanwaltschaftlichen Belange, nämlich die Vernehmung des Beschuldigten beziehungsweise die Beiziehung des Verteidigers, in der praktischen Tätigkeit nur von geringer Relevanz sein wird – wir werden nur, wenn überhaupt, sehr wenige Beschuldigtenvernehmungen vornehmen –, noch als seinerzeitiger Legist, weil der § 164 und die korrespondierenden Bestimmungen für die Struktur des neuen Verfahrens sehr wenig Bedeutung haben.

Ich stimme jenen zu – vor allem Herrn Professor Burgstaller, dem ich in diesem Punkt auch in vieler anderer Hinsicht zustimmen darf –, die sagen, dies sei eine grundsatzpolitische, eine rechtspolitische Frage, und daher spreche ich hier sozusagen als expertiver Staatsbürger zu dieser Frage, weil sich meine Meinung in der Zwischenzeit ein bisschen geändert hat.

Wir haben uns bei der Regierungsvorlage die letzten drei Stunden unserer Gespräche ausschließlich mit dem § 164 Absatz 2 der Regierungsvorlage beschäftigt, bis wir eine Formulierung gefunden haben, mit der beide Seiten leben konnten, wobei uns klar war – nämlich den Kollegen vom Innenministerium, die davon sehr stark betroffen sind, und auch uns von der Justiz –, dass das eine offene Formulierung ist, die man in irgendeiner Weise in Zukunft wird ausfüllen müssen. Wir haben auch die Möglichkeiten dargelegt, die es gibt, und ich glaube, dass der Trend in der Zwischenzeit doch in eine andere Richtung gegangen ist.

Die Beiziehung einer Vertrauensperson soll quasi eine psychische Unterstützung des Betroffenen bewirken und dazu einen gewissen Schutz vor Misshandlungen oder überhaupt vor Verletzungen des Gesetzes.

Die Beiziehung eines Verteidigers in dieser Situation darüber hinaus hat einen wesentlichen anderen Gesichtspunkt, nämlich die professionelle Beratung in einer schwierigen Situation, in einer Ausnahmesituation. – Ich habe den Eindruck, dass der Trend in Europa doch in Richtung Stärkung der Beiziehung des Verteidigers geht.

Ich glaube, dass man in einer modernen europäischen Gesetzgebung über das grundsätzliche Recht auf Beiziehung eines Verteidigers zur Beschuldigtenvernehmung nicht hinwegkommt. Ich glaube, dass das ganz wesentliche Vorteile für das Verfahren haben kann, weil Beweismittel, die in Gegenwart eines Verteidigers produziert werden, in weiterer Folge des Verfahrens viel mehr Gewicht haben werden als solche, die jederzeit – zum Beispiel durch unsubstanziierten Hinweis auf verbotene Vernehmungsmethoden – in Frage gestellt werden können.

Ohne Zweifel ist es so, dass praktisch tätige Kollegen – Polizisten und Untersuchungsrichter – befürchten, auf diese Weise weniger erfahren zu können, aber ich denke, dass das zwar eine zu Recht geäußerte Befürchtung ist, dass man aber mit diesem Effekt leben muss.

Nicht darf man blauäugig sein bei dieser Geschichte und sich auf grundsätzliche Haltungen eines Standes berufen. Es gibt überall nicht nur schwarze Schafe, sondern auch sehr viele graue und dunkelgraue Schafe, und ich glaube, es wäre völlig blauäugig, zu meinen, dass man mit einer grundsätzlichen Verteidigerbeiziehung das Auslangen finden könnte, ohne im Einzelfall zu ermöglichen, bestimmte Personen auszuschließen.

Einen konkreten Verdacht einer strafbaren Handlung gegen einen Verteidiger zu haben, ist außergewöhnlich schwierig und außergewöhnlich selten. Ich glaube daher, dass man einen bestimmten Spielraum einräumen muss. – In diesem Sinne halte ich die Alternative der Regierungsvorlage für sehr vernünftig, die grundsätzlich vorsieht, dass ein Verteidiger beigezogen werden kann.

Ich glaube auch, dass § 60, mit dem Hinweis auf die Sicherheit in der Vollzugsanstalt, ein guter Ansatz ist, der ein wenig darüber hinausgeht, dass ein Verteidiger nur dann ausgeschlossen werden könnte, wenn man ihm eine strafbare Handlung nachweist.

Ich denke, dass man da genau über die Frage der Erfordernisse der Praxis zur Verschleierungshandlung gegen ganz bestimmte Personen, die da tätig werden könnten und denen man eben nicht nachweisen kann, dass sie in Wirklichkeit mit dem Beschuldigten unter einer Decke stecken – ich meine jetzt nicht bestimmte Personen, sondern ganz wenige in Bezug auf den Stand gesehen –, nachdenken muss, und ich meine daher, dass das Recht der Ausschließung vorhanden sein muss. Dieses Recht der Ausschließung soll aber nicht dazu dienen, die Verteidigungsrechte, die verfassungsrechtlich garantiert sind, so weit einzuschränken, dass man vom Grundsatz absehen würde.

Zusammenfassend sei gesagt: Ich finde, dass die Alternative der Regierungsvorlage eine sehr vernünftige Regelung ist, obwohl man sie im Einzelnen und in der letzten Formulierung noch überprüfen muss.

o. Univ.-Prof. Dr. Kurt Schmoller (Universität Salzburg; Institut für Strafrecht und Strafprozessrecht und Kriminologie): Seit ich die Strafprozessreform mitverfolge, besteht, wie mir scheint, ein parteiübergreifender Konsens darüber, dass mit der Strafprozessreform vor allem zwei Ziele verfolgt werden sollten: zum einen die Erhöhung der Effizienz im Sinne des organisatorischen Verfahrensablaufs – man wollte die etwas schwerfällige und zum Teil repetierende Voruntersuchung nicht in der bestehenden Form beibehalten – und zum anderen die Erhöhung der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere im kriminalpolizeilichen Vorverfahren, und die Verbesserung des Rechtsschutzes in diesem Bereich.

Wenn wir jetzt einen nahezu fertigen Gesetzestext vor uns liegen haben, dann können wir uns fragen, inwieweit diese Ziele verwirklicht wurden.

Hinter beiden Zielen stehe ich grundsätzlich. Im Unterschied zu anderen Kollegen bin ich immer für die organisatorische Änderung des Konzepts eingetreten, nämlich dafür, die Verfahrensleitung durch den Staatsanwalt im Vorverfahren der Voruntersuchung vorzuziehen. Ich glaube, dass das die einfachere und auch effizientere organisatorische Struktur ist. Das ist aber nur dann vertretbar und akzeptabel, wenn auf der anderen Seite im Gegengewicht an der Schaffung erhöhter Rechtsstaatlichkeit und eines erhöhten Rechtsschutzes ebenfalls festgehalten wird.

Im gegenwärtigen Entwurf ist das erste Ziel, nämlich die organisatorische Verfahrensvereinfachung, im Wesentlichen erreicht. Ob die Einschränkungen, die Kollege Swoboda angesprochen hat, die in Richtung Voruntersuchung gehen, notwendig sind, das weiß ich nicht, aber ich glaube, dass sie das System noch nicht so wesentlich durchbrechen, dass sie ins Gewicht fallen.

Auf der anderen Seite muss man feststellen, dass, soweit es um den Rechtsschutz geht, das Ziel, das bei dieser Reform ursprünglich angepeilt wurde, doch deutlich eingeschränkt wurde. Wenn man sich das Ergebnis ansieht, nämlich auf der einen Seite die organisatorische Effizienz erhöht zu haben, aber auf der anderen Seite nicht das Gegengewicht durch einen Ausbau des Rechtsschutzes geschaffen zu haben, dann stellt sich die Frage, ob das Ziel, das ursprünglich ins Auge gefasst wurde, hinreichend erreicht wurde.

Im Detail glaube ich, dass Ausbau von Rechtstaatlichkeit und von Rechtsschutz bedeutet, dass dem Beschuldigten jedenfalls die faktische Möglichkeit eingeräumt werden soll, von den ihm zugestandenen Rechten möglichst Gebrauch zu machen, und dass die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben ihm gegenüber möglichst sicherzustellen ist.

Was die Möglichkeit der Anwesenheit einer Vertrauensperson bei Vernehmungen, die jetzt aus dem Gesetzestext genommen wurde, betrifft, so habe ich darin immer eine sehr einfache, also mit relativ geringem Aufwand zu bewerkstelligende, aber sehr effektive Möglichkeit gesehen, der Anwendung unzulässiger Vernehmungsmethoden vorzubeugen. Ich glaube, ein Argument, das dagegen spricht, könnte nur sein, dass es nicht zu unangemessenen Verzögerungen kommen darf, bis die Vertrauensperson anwesend sein kann. Wenn eine Vertrauensperson aber vorhanden ist, sehe ich keinen Grund, der dagegen spräche, die bloße Anwesenheit während einer Vernehmung zu gestatten.

Der Schutz gegen unzulässige Vernehmungsmethoden scheint mir wesentlich effizienter zu sein, als mit anschließenden Verwertungsverboten zu agieren, bei denen sich ja immer dann die Frage darum dreht, ob der Vernehmungsverstoß überhaupt stattgefunden hat, der das Verwertungsverbot nach sich zieht.

Ich würde es auch nicht als rechtsstaatlich ansehen, eine Verfahrensgestaltung so auszurichten, dass man auf die Unwissenheit des Beschuldigten hinsichtlich seiner Verfahrensrechte und verfahrensmäßigen Stellung aufbaut. Das ist ein Argument dafür, in der Tendenz eine Verteidigerunterstützung möglichst weitgehend zuzulassen.

Es soll ja auch der unbefriedigende Zustand vermieden werden, dass ein rechtskundiger Beschuldigter, der seine Rechte ohne Verteidiger kennt und wahrnehmen kann, von vornherein gegenüber den Strafverfolgungsbehörden besser gestellt ist als ein Rechtsunkundiger. Das Manko der Rechtsunkundigkeit einer größeren Zahl von Personen gleicht die Unterstützung durch den Verteidiger aus. Jede Beschränkung der Verteidigerrechte hat zur Folge, dass man gezielt die Unwissenheit oder die mangelnde rechtliche Information des Beschuldigten ausnützt – etwas, was in einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht vorkommen sollte.

Das Verfahren soll also organisatorisch effizient gestaltet werden, es soll aber nicht sozusagen heimtückisch auf Informationsmängel des Beschuldigten, nämlich auf Rechtsunkundigkeit des Beschuldigten bauen.

Der zweite Bereich, in dem der Rechtsschutz nicht notwendigerweise eingeschränkt wird, ist jener der Rechtsmittel des Einspruchs und der Beschwerde. – Ich halte die im Entwurf nun vorgesehenen Einschränkungen erstens für sehr kompliziert und – was heute schon angesprochen wurde – in der Auslegung etwas ungewiss, zweitens sehe ich aber auch keine Notwendigkeit dafür. Nach der gegenwärtigen Strafprozessordnung besteht im Vorverfahren eine Reihe uneingeschränkter – vom Ansatz her oder allgemein formuliert – Rechtsmittel, nämlich der Rechtsweg an den UVS, insbesondere die Beschwerde nach § 113, sowie auch der Einspruch gegen die Anklageschrift. Obwohl es sich bei all diesen Rechtsmitteln um uneingeschränkt formulierte Rechtsmittel handelt, wurde in der Praxis von ihnen nicht in überbordender oder nicht zu bewältigender Weise Gebrauch gemacht.

Ich glaube daher, dass sich auch die Möglichkeiten des Einspruchs und der Beschwerde, wie sie im Entwurf ursprünglich vorgesehen waren – also ohne diese etwas komplexen, nun nicht genau auslotbaren Einschränkungen –, in der Praxis so einspielen würden, dass von ihnen vornehmlich dann Gebrauch gemacht wird, wenn man sich dadurch ein Erfolg erwarten kann, zumal in Rechnung zu stellen ist, dass Rechtsmittel, bei denen von vornherein absehbar ist, dass sie nicht erfolgreich sein werden, nur der Verfahrensverlängerung dienen, was für den Beschuldigten wiederum, zumindest im Regelfall, nicht wünschenswert sein wird, und für den Beschuldigten negative Entscheidungen dieser Rechtsmittel eine Verdachtslage eher bestätigen und perpetuieren, der Verteidiger beziehungsweise der Beschuldigte aber im Normalfall bemüht sein werden, negative Rechtsmittelentscheidungen für den Beschuldigten, die immer auch eine gewisse präjudizierende Wirkung haben, zu vermeiden.

Man könnte also meiner Ansicht nach – wie bisher schon im Strafprozessrecht und auch in anderen Verfahren – sehr wohl uneingeschränkte Rechtsmittel zur Verfügung stellen und es der Praxis überlassen, diese Rechtsmittel so anzuwenden, dass sie sich nicht als unbewältigbar herausstellen, denn ich gehe davon aus, dass das nicht überbordend gehandhabt wird.

Das Ziel sollte nach wie vor sein, organisatorische Effizienz des Strafverfahrens mit einer möglichst uneingeschränkten Rechtsstaatlichkeit und uneingeschränktem Rechtsschutz zu verbinden. Dies soll ein Plädoyer dafür sein, die Einschränkungen, die bei den Beschuldigten- und Verteidigungsrechten sowie im Rechtsmittelbereich vorgenommen wurden, sehr kritisch zu sehen und vielleicht noch einmal zu überdenken.

Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Walter Pilgermair (Oberstaatsanwaltschaft Linz): Der nunmehr vorliegende Abänderungsvorschlag verändert meines Erachtens die von der Regierungsvorlage deutlich besser gewahrte Balance zwischen den Erfordernissen der Rechtsstaatlichkeit einerseits und der Ökonomie des Verfahrens andererseits, aber auch die Rollenverteilung zwischen Staatsanwalt und Ermittlungsrichter nachhaltig, und zwar erstens durch die Einschränkung der Verteidigungsrechte, über die wir gerade debattieren, und zweitens durch die Vermehrung der Zuständigkeiten des Ermittlungsrichters, durch die es zu Doppelgleisigkeiten und damit zu deutlichen Effizienzverlusten kommen würde.

Ich sehe diesen Punkt deutlich stärker als mein Vorredner, möchte darauf aber erst in einer späteren Wortmeldung näher eingehen und kehre jetzt in der gebotenen und empfohlenen Kürze, Frau Vorsitzende, zu den Verteidigungsrechten zurück.

Ich bin der Auffassung, dass betreffend § 59, Kontakt mit den Verteidigern, und auch § 164, Vernehmung des Beschuldigten, die im Abänderungsvorschlag enthaltenen Vorschläge deutlich zu kurz greifen und der diesbezügliche Mindeststandard derjenige sein muss, der in den beiden Alternativen des Justizministeriums vorgeschlagen wurde. Ich sympathisiere in diesen Fragen sehr mit den Ausführungen von Frau Dr. Rech und ihrer beiden Herren Kollegen und kann auf diese verweisen, um uns Wiederholungen zu ersparen.

Es besteht, wie auch schon der Präsident der Standesvertretung der Staatsanwälte, Dr. Swoboda, gesagt hat, tatsächlich kein Grund für ein grundsätzliches Misstrauen gegen die Verteidiger. Wenn wir die anzustrebende Qualität der Rechtsstaatlichkeit in dieser Reform wahren wollen, dann müssen wir auch in diese Richtung Vertrauen in die Anwälte setzen. Ich denke, dass wir das mit gutem Grund tun können.

Dazu darf ich vielleicht auf meine Erfahrungen mit Deutschland hinweisen. Von den Bayern habe ich wiederholt gehört, dass sie in bestimmten Angelegenheiten, in denen sie das für wichtig halten, selbst an der ersten Vernehmung teilnehmen. Es sind also dann der Verteidiger und der Staatsanwalt anwesend, sodass es zu einem für die Sache und für die Klärung der Sache durchaus ersprießlichen, effizienten Dialog kommen kann und man das Ganze um einiges abkürzen kann – auch Herr Dr. Breuer hat das heute schon gesagt. Beschleunigung und Effizienzgewinn lassen das also durchaus sinnvoll erscheinen.

Ich würde also unter diesem Gesichtspunkt sehr dafür eintreten, die Verteidigungsrechte nicht mit einem Mindeststandard, sondern angemessen der Rechtsstaatlichkeit zu regeln.

Staatsanwalt HR Dr. Walter Nemec (Staatsanwaltschaft Wien): Auch ich möchte mich kurz fassen und nur auf die Verteidigungsrechte zu sprechen kommen. Dem sei eine grundsätzliche Bemerkung vorangestellt, die allerdings an das anschließt, was Professor Burgstaller schon angedeutet hat, nämlich die Fragen: Was verstehe ich denn unter Verteidigungsrechten? Wie sehe ich sie? Wie setze ich sie ein? Und von der Antwort auf diese Fragen hängen dann wahrscheinlich das weitere Vorgehen und die weiteren Vorschriften ab.

Sehe ich diese Verteidigungsrechte als eine möglichst breite Palette dazu, einem verdächtigen Täter, einem tatsächlichen Täter zu ermöglichen, möglichst ungeschoren davon zu kommen, ihn als Opfer des Verfahrens zu sehen, das er offenbar nach Meinung vieler geworden ist, weil die rechtsstaatliche Verfolgung ihn überfällt, und gehe ich so gegen die Rechte der eigentlichen Opfer, die durch die Tat geschädigt worden sind, vor? Oder sehe ich die Verteidigungsrechte in einer Beschränkung auf rechtsstaatliches Vorgehen mit Betonung der Möglichkeit, die Wahrheit zu erforschen und auf diese Weise die Opferrechte in angemessener Weise zu schützen? – Von der Antwort auf diese Frage wird dann die Antwort auf die Frage: Wie weit kann ich mit den Verteidigungsrechten gehen? abhängen.

Zur Begründung werden die Entscheidungen des EGMR und auch jene des Verwaltungsgerichtshofes herangezogen, die darstellen sollen, dass eine Beschränkung in den Verteidigungsrechten von Beginn an verfassungswidrig wären beziehungsweise dem europäischen Standard widersprächen.

Professor Burgstaller hat in einer unnachahmlich direkten Weise aufgezeigt, dass diese Meinung falsch ist. Ich versuche, dies zu bestätigen, obwohl das nicht wirklich notwendig ist: Es ist mir bisher nicht bekannt geworden, dass der EGMR irgendeine punktuelle Frage des Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften, die dem Schutz des fairen Verfahrens dienen könnten, beurteilt hätte. Der EGMR sieht immer den Zusammenhang des ganzen Verfahrens, oft sogar unter Vernachlässigung der Aufteilung in Vorverfahren und Hauptverfahren. Nicht der einzelne punktuelle Vorgang wird einer Beurteilung unterzogen, die Gesamtheit der Verfahrensschritte muss fair sein! Daher kann man auch die Entscheidung Öcalan sicherlich nicht in der Weise auslegen, dass eine Beschränkung der Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger zu einem bestimmten, nämlich beginnenden Zeitpunkt schon als der Menschenrechtskonvention widersprechend angesehen werden kann.

Noch weniger kann eine solche Auffassung durch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes bestätigt werden, die punktuell auf die gegenwärtige Rechtslage abstellt und nur den Mangel an einer direkten Regelung zur Einbindung der Kriminalpolizei in das justizielle Vorverfahren aufzeigt. Es wird nur ausgesprochen, dass die anzuwendenden Vorschriften bei der Kriminalpolizei derzeit in Verwaltungsnormen geregelt sind und diese Verwaltungsnormen die Vorschrift der Beiziehung des Anwaltes vorsehen. In keiner Weise wir ein Spruch darüber gefällt, ob auch im gerichtlichen Verfahren eine solche Beiziehung notwendig ist, vielmehr wird darauf verwiesen, dass sich eine solche Beiziehung nach den Regeln der Strafprozessordnung zu richten hätte.

Und genau diese Regeln sollen durch diesen Entwurf geschaffen werden. Diese Regeln würden dann vorsehen, dass eine solche Beschränkung möglicherweise nicht da ist und würden daher die Grundlage für ein ganz anderes Verwaltungsgerichtshof- oder Verfassungsgerichtshoferkenntnis geben.

Für diese Verteidigungsrechte ist natürlich auch von Bedeutung, wie ich die Stellung des Verteidigers sehe. § 57 des Entwurfes sieht ausdrücklich vor, dass er verpflichtet ist, den Beschuldigten, den Verdächtigen zu unterstützen, es wird ihm eine parteiliche Rolle zugewiesen. Das Objektivitätsgebot ist insofern also streng eingeschränkt; ich glaube, das sollte man dabei bedenken. Und das, was notwendig ist und was Grundlage einer solchen Beschränkung des Kontaktes ist, ist nicht so sehr das Wissen darum, dass der Verteidiger als „Kumpan“ des Beschuldigten einschreitet, sondern dass möglicherweise die Gefahr besteht, dass genau deswegen eine solche Beschränkung entstehen könnte – und dieser Gefahr sollte man im Sinne einer objektiven Wahrheitsforschung vorbeugen können.

Im Zusammenhang damit steht aber auch noch die wesentliche Frage, wie eine solche Gefahr bekämpft werden kann. Diese Frage sollte sich durch § 106 des Entwurfes regeln lassen. Nun haben wir heute von Professor Funk gehört, dass diese Regelung, der neu ergänzte, letzte Satz in Absatz 1 eine sinnlose Beschränkung wäre. Aber ich glaube, auch da muss man schon erkennen, dass es einen formalen und einen materiellen Aspekt einer solchen Regelung gibt.

Natürlich kann man unsinnige, sachlich unbegründete Beschwerden nie ausklammern. Auch jetzt gibt es Haftbeschwerden, die keinen Erfolg haben können und die von unrichtigen Voraussetzungen ausgehen. Tatsache ist aber, dass diese Regelung sehr wohl auch einen materiellen Aspekt hat, und dieser materielle Aspekt findet sich sicher in der Beweisverwertungsregelung des § 166, laut dem man einen Verstoß gegen subjektive Rechte, der durch eine solche Einspruchsentscheidung ausgedrückt worden wäre, als Beweisverwertungsregelung geltend machen kann.

Und hier, finde ich, hat diese Regelung doch eine vorbeugende Wirkung, weil sie den Verstoß gegen ein subjektives Recht ausschließen würde. Es ist daher durchaus notwendig, auch zur Sicherung der Durchsetzungen des Objektivitätsgebotes, das mit dieser Regelung zusammenhängt, diese Bestimmungen in dieser Form aufrechtzuerhalten.

Univ.-Ass. Dr. Alois Birklbauer (Universität Linz; Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie): Ich möchte kurz auf drei Punkte eingehen.

Der erste Punkt betrifft § 6, nämlich die Abänderung des Absatzes 1. Da ist nun im letzten Satz nicht nur vom „Recht“ des Beschuldigten, „während der Hauptverhandlung anwesend zu sein“, die Rede, sondern – unter dem Titel „Faires Verfahren“! – auch von der „Pflicht“. Ich habe keine Begründung dafür gefunden, warum die Pflicht „hineingerutscht“ ist, auch in der Anmerkung nicht. Zunächst habe ich gedacht, das sei ein Hinweis, es ist vielleicht das Abwesenheitsverfahren nach § 427 StPO damit abgeschafft. Das ist aber – ich habe nachgeschaut – nicht der Fall. Warum als schreibt man jetzt unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens die Pflicht des Beschuldigten fest? Ich glaube, das führt eher zu Missverständnissen und sollte wieder gestrichen werden.

Der zweite Punkt betrifft § 8, die Unschuldvermutung. Dort ist, für mich unverständlicherweise, das Wort „rechtskräftig“ vor „gerichtlichem Urteil“ herausgefallen. Inzwischen widerspricht also offensichtlich der Schuldspruch nach einem gerichtlichen Urteil nicht mehr der Unschuldvermutung. Aus Klarstellungsgründen sollte das Wort „rechtskräftig“ wohl wieder hinzugefügt werden, damit man auch auf Grund der außerstrafrechtlichen Nebenfolgen nicht auf die Idee kommt, dass diese bereits nach einem gerichtlichen Urteil ausgesetzt werden können.

Der dritte Punkt betrifft die Vertrauensperson. Es wurde zwar immer wieder gefordert, die Vertrauensperson zu streichen. Ich persönlich bin nicht damit einverstanden und von dieser Idee auch nicht überzeugt. Warum? – Die Vertrauensperson ist kein Ersatz für den Rechtsbeistand. Sie hat eine gänzlich andere Funktion, nämlich jene, dem Beschuldigten den Druck der Vernehmung zu nehmen, in dieser unguten Situation, in der man meist ist, wenn man zu Gericht, wenn man zu den Sicherheitsbehörden geht. Wir haben seit 1993 die Vertrauensperson für Zeugen verpflichtend vorgesehen – unabhängig von der Möglichkeit, einen Rechtsanwalt beizuziehen. Warum will man jetzt bei Zeugen diese Vertrauensperson belassen, den Beschuldigten diese Möglichkeit aber nicht einräumen? Es geht dabei auch um wesentliche ökonomische Interessen. Mitunter kann es sich ein Beschuldigter nicht leisten, einen Verteidiger beizuziehen, oder hält es auch nicht für nötig, einen Verteidiger beizuziehen, will aber trotzdem die ungute Situation bei der Vernehmung ein bisschen bessern und deswegen eine Vertrauensperson mitnehmen.

Ich glaube, es ist nicht notwendig, die Vertrauensperson wegzustreichen, im Gegenteil: Ich halte es in bestimmten Situationen sogar für geboten, diese Möglichkeit vorzusehen. Wir haben diese Regelung für Jugendliche und junge Erwachsene seit 1988 im Jugendgerichtsgesetz verankert. Ich kann aus eigener Erfahrung in meiner Funktion als ehrenamtlicher Bewährungshelfer berichten, dass ich davon immer wieder Gebrauch gemacht habe und dass das sehr gut war, auch im Sinne der Beschuldigten. Ich glaube, man sollte diese Möglichkeit zusätzlich zum Rechtsbeistand aufrechterhalten, weil die Vertrauensperson eine ganz andere Funktion hat als die Rechtsvertretung.

In gewisser Weise hat die Vertrauensperson auch eine Schutzfunktion für die Sicherheitsbehörden, nämlich jene, dass sie über die Ordnungsmäßigkeit der Amtshandlung wachen kann, so ähnlich wie es bereits jetzt in der StPO durch die Gerichtszeugen vorgesehen ist. Offensichtlich verfolgt der Entwurf hier einen anderen Zweck. Man will die Ordnungsmäßigkeit der Vernehmung durch diese Videoaufzeichnung – § 164 in Verbindung mit § 97 des Entwurfs – garantieren. Dabei ist interessant, dass der Verdächtige zwar darüber informiert werden muss, dass aufgezeichnet wird, dem aber nicht zustimmen muss, der Zeuge aber im Unterschied dazu schon. Wenn der Zeuge nicht zustimmt, darf nicht aufgezeichnet werden. Wenn der Verdächtige der Videoaufzeichnung nicht zustimmt, darf aufgezeichnet werden.

Warum diese Differenzierung bei der Gewährung von Persönlichkeitsrechten? Man muss ja immer damit rechnen, dass diese Videoaufzeichnung in der Hauptverhandlung vorgespielt wird. Wenn ich mir vorstelle, dass ein Verdächtiger, der vernommen wird, vielleicht nahe einem Nervenzusammenbruch ist, das alles auf Video ist und in einer öffentlichen Hauptverhandlung vorgespielt wird, frage ich schon: Ist das wirklich notwendig? Soll man nicht auch hier dem Verdächtigen die Möglichkeit einräumen, eine Videoaufzeichnung der Vernehmung nur dann vornehmen zu können, wenn er ausdrücklich damit einverstanden ist?

HR Mag. Max Edelbacher (Leiter des Kriminalkommissariates Süd): Ich möchte mich kurz fassen und primär auf die generelle Situation eingehen.

Das, was Abgeordneter Mag. Maier gesagt hat, nämlich dass man die Auswirkungen der Änderungen im Innenressort bedenken soll, hat eine gewisse Wichtigkeit und Richtigkeit, denn durch die Trennung der Behörde von der Exekutive kommen wir in ein gewisses Spannungsverhältnis zur Bundesverfassung. Erwähnt sei zum Beispiel die Weisungsfreiheit – Art. 20 B-VG oder Art. 102 B-VG. Man sollte schon auch bedenken, wie eine paramilitärische Polizeiorganisation mit der Staatsanwaltschaft zusammenwirken wird. Die Gefahr liegt in der Praxis, da ein schwaches staatsanwaltschaftliches Modell einer streng hierarchisch geordneten Exekutive weit unterlegen ist. Es ist wiederum eine Kostenfrage, wie also die Staatsanwaltschaft ausgestaltet wird. Und: Ersetzen wir nicht durch die Änderung im Exekutivbereich das – unter Anführungszeichen – „schwache U-Richter-Modell“ durch ein „schwaches staatsanwaltschaftliches Modell“? Die allgemeine Kriminalitätsentwicklung ruft aber nach einer Effizienzsteigerung.

Zur Frage des Ausbaus der Verteidigungsrechte hat mir sehr gut gefallen, was Professor Burgstaller als Denkanregung gegeben hat. Die Praktiker sollen sagen, was wirklich wichtig ist. Wenn ich an meine über 30-jährige Polizeierfahrung denke, dann weiß ich, dass bereits bei den ersten Schritten die erste Kontaktnahme mit den Verdächtigen eine sehr wichtige ist. Ich weiß jetzt nicht, wie sich das Modell in der Steiermark, was Rechtsanwältin Dr. Rech vorgetragen hat, praktisch ausgewirkt hat. Hier soll es auf keinen Fall zu Verzögerungen kommen. Ich glaube, die Exekutive hat keine Angst vor der Kooperation und der Würdigung des Rechtsschutzes. Wir können mit Rechtsanwälten und Verteidigungsschutz natürlich leben, in 80 bis 90 Prozent der Fälle funktioniert das auch klaglos.

Hiezu ist, glaube ich, die Strafprozessordnung die Plattform und das rechtliche Instrumentarium, um auch gewisse Limitierungen zu berücksichtigen, denn es sollte schon die Aufklärung der Straftat, der materielle Wahrheitsgrundsatz wesentlich sein, um eben die Opferrechte zu gewährleisten. Und die Öffentlichkeit ist ja durch diese strafbaren Handlungen und – dieses Problem werden wir in den nächsten paar Jahren auch haben – durch die EU-Erweiterung sehr gefährdet.

Ich kann also damit leben, was Prof. Burgstaller gesagt hat: dass man sich vor der Einvernahme auf die Vollmachterteilung und die Rechtsmittelbelehrung beschränken soll. Können wir es uns leisten, wenn der Fall leicht genug ist, dann natürlich soll jederzeit auch mehr möglich sein, aber die StPO sollte diese Minimalforderung berücksichtigen, insbesondere wenn es in Einklang mit den Erkenntnissen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes zu bringen ist.

Die Beschränkung während der Einvernahme auf die Anwesenheit und die Reduzierung, keine Interventionen zuzulassen, sollte möglich sein. Ich will jetzt nicht Misstrauen säen, aber es gibt Fälle, in denen viele Beteiligte involviert sind, und da soll nicht die Gefahr gegeben sein, dass der Anwalt dann die Informationen, die er aus einer Ersteinvernahme mithat, mit vielleicht anderen Verdächtigen abspricht. Ich denke primär an die Verabredungs- und Verdunklungsgefahr. In allen anderen Fällen wird sicherlich keine Problemstellung gegeben sein.

Richter Dr. Klaus Schröder (Landesgericht Innsbruck, Vorsitzender der Bundessektion 23 – Richter und Staatsanwälte – in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst): Zunächst einmal möchte ich ganz allgemein davor warnen, wie es einer meiner Vorredner zum Ausdruck gebracht hat, dass man gesetzliche Regelungen grundsätzlich als Ausdruck des Misstrauens gegenüber denjenigen betrachtet, die von einer gesetzlichen Regelung betroffen sind. Ich finde es schon grundsätzlich vernünftig, dass man, wenn man so will, allen, die irgendwo einer gesetzlichen Regelung unterworfen sein sollen, auch ein gewisses Maß an Misstrauen entgegensetzt. Sonst bräuchte man überhaupt keine Regelung. Sonst könnte man sagen, jeder wird es so machen, wie er glaubt. Das ist sicherlich nicht der Grund für gesetzliche Regelungen.

Zu diesen Verteidigerrechten: Die Äußerungen des Herrn Prof. Bertel, wonach das Grundrechtsbewusstsein der Richter wesentlich schlechter ausgeprägt ist – eines Einzelrichters, hat er gesagt – als das des unabhängigen Verwaltungssenates, hat mich etwas nachdenklich gestimmt, insbesondere deshalb, weil das an sich nicht dem guten Verhältnis entspricht, das die Universität Innsbruck auch mit den Innsbrucker Gerichtsbehörden hat.

Jetzt habe ich darüber nachgedacht, ob das vielleicht allenfalls damit zusammenhängen könnte – ich hoffe nicht! –, dass eine im Zivilberuf als Richter tätige Abgeordnete die Verteidigungsrechte so stark beschränken will. Das wird wohl auch nicht der Fall sein.Ich glaube, dass das, was hier vom Ministerium hinsichtlich der Verteidigungsrechte vorgeschlagen wird, durchaus ausgewogen ist.

Noch einmal ganz kurz zusammengefasst: Ich glaube, dass der Kontakt und die Besprechung auch vor der ersten Einvernahme durch die Polizei grundsätzlich möglich sein muss und soll, und zwar nicht nur deshalb, weil es rechtsstaatlich erforderlich ist, sondern auch, weil die Qualität dieser polizeilichen Erhebungen dadurch wesentlich gehoben wird.

Wir haben ja in der Praxis laufend das Problem – in fast jedem Schwurgerichtsverfahren sehen wir es –, dass das, was bei der Polizei gesagt wurde, dann schlussendlich vom Verteidiger in der Hauptverhandlung relativiert wird. Oft genug müssen wir dann noch Gutachten einholen, weil plötzlich die Behauptung auftaucht, der Verdächtige beziehungsweise der Beschuldigte sei zu diesem Zeitpunkt gar nicht vernehmungsfähig gewesen oder sonst etwas. – Alles Probleme, die sich dann im Hauptverfahren auswirken, die man damit umgehen kann.

Ich habe an sich sehr großes Vertrauen in die Anwaltei, was die Mitwirkung dort betrifft. Es ist ja nicht so, dass sie nur Geständnisse verhindern. In der Praxis ist es auch oft so, dass ein Anwalt, ein vernünftiger und pflichtbewusster Anwalt, seinen Mandanten auch rät: Herr Sowieso, legen Sie ein Geständnis ab, sagen Sie es so oder so! Es ist ja nicht so, dass die alles immer nur verhindern wollen. Aus Angst, weil sie niemanden dabei haben, der sie berät, leugnen die Betreffenden oft und versuchen zu verschleiern. Wenn jemand dabei ist und sagt: Schauen Sie, die Sache ist doch so, hören Sie auf damit!, dann ist es sogar oft verfahrensfördernd – und nicht verfahrenshemmend.

Ich bin der Meinung, dass auch die Überwachung des Verteidigerkontaktes möglichst weit zurückgedrängt werden sollte. Ich sehe an sich überhaupt keine zwingende Notwendigkeit, den Verteidigerkontakt zu überwachen, weil die Praxis zeigt, dass, wenn man es überwacht und damit die Ängste beseitigt, da könnten irgendwelche Absprachen und so weiter erfolgen, dann werden andere Mittel gefunden. Wir sind zum Beispiel nicht in der Lage, jeden Gesprächskontakt mit Angehörigen zu überwachen, schon rein personell nicht, und dann werden eben vielleicht anders mit einem Verteidiger, der glaubt, es muss da in irgendeiner Weise mitwirken, die notwendigen Absprachen getroffen. Ich glaube also, eine Überwachung des Verteidigerkontaktes ist weitgehend überflüssig.

Was ich aber für unverzichtbar halte, ist, dass zu diesen ersten Einvernahmen keine Vertrauenspersonen beigezogen werden, außer dort, wo es im Gesetz bei den Jugendlichen und so weiter vorgesehen ist, weil das führt wirklich zu unangenehmen Situationen, die nicht mehr lenkbar sind. Sie müssen sich nur vorstellen: Organisierte Kriminalität, Sie nehmen irgendeinen Täter aus einer kriminellen Organisation fest und der sagt: Ich will jetzt den Herrn Müller, den Herrn Meier oder den Herrn Sowieso als Vertrauensperson dabei haben, der noch nicht einmal in Verdacht stehendes Mitglied dieser kriminellen Organisation ist. Das können Sie nicht verhindern. Und da haben Sie dann wirklich sozusagen den Mittäter und den Mitverdächtigen im Zentrum der Vernehmung, der dann hinausgeht und sagt: Das und das ist herausgekommen – was man keinem Anwalt unterstellen darf. Und deshalb: Anwalt ja, Vertrauensperson nein.

Zu § 106 muss ich auch sagen, dass der jetzt hinzugekommene Zusatz völlig entbehrlich ist, weil das Gericht muss natürlich auch dann, wenn es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, prüfen, ob ein Ermessensexzess vorliegt, ob dieses Ermessen überschritten wurde. Damit ist also überhaupt nichts gewonnen worden. Es ist nur eine Scheinformulierung, um irgendwelche Beschwerden allenfalls formal zurückweisen zu können, die aber dann in der Praxis nicht funktioniert. Ich halte es aber, wie ich schon einmal gesagt habe, nicht für sehr sinnvoll, dass nach wie vor im § 107 enthalten ist, dass nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens ein Einspruch nicht mehr zulässig ist, aber doch – wenn auch jetzt mit Einschränkung des § 106 Abs. 1 Z. 1 über die nach Z. 2 erhobenen Einsprüche vom Verhandlungsrichter in einem Zwischenverfahren zu entscheiden ist.

Ich habe schon vor zwei Sitzungen darauf hingewiesen, dass das zu einer Überfrachtung des Hauptverfahrens führt. Das führt dazu, dass der Hauptverhandlungsrichter, wenn er diesem Einspruch nicht Folge gibt, in weiterer Folge wohl nicht ganz zu Unrecht möglicherweise auch als befangen abgelehnt wird. Auf der anderen Seite ist es sinnvoll, gerade wenn es um Fragen der Z. 2 geht, nämlich ob im Vorverfahren Ermittlungs- und Zwangsmaßnahmen unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet wurden, dass das vorweg abgeklärt wird, bevor man in das Hauptverfahren einschreitet. Man könnte es rein theoretisch auch so machen, dass man es dann als Nichtigkeitsgrund formuliert, aber dann führe ich vielleicht ein Verfahren durch im Ansehen eines nicht ordnungsgemäßen Ermittlungsschrittes im Vorverfahren.

Es sollte diese Entscheidung dann, auch wenn die Anklage eingebracht wird, der Ermittlungsrichter zu treffen haben – und dann erst der Akt zum Verhandlungsrichter gehen. Sonst wird das Hauptverfahren dadurch unnötig überfrachtet.

Zum § 8 wurde bereits zweimal gesagt, es ist völlig unverständlich, warum das nicht eine rechtskräftige Verurteilung sein muss, die die Unschuldsvermutung erst aufhebt, und warum die Worte „nach öffentlicher Verhandlung“ drinnen stehen. Natürlich muss auch bei einer Verhandlung mit rechtskräftigem Urteil nach Ausschluss der Öffentlichkeit diese Bestimmung zum Tragen kommen.

Was die Leitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft als allgemeiner Grundsatz betrifft, so ist sehr zu begrüßen, dass man sich jetzt dazu durchgerungen hat, im § 98 des Abänderungsantrages klar hineinzuschreiben, dass dann, wenn es Auffassungsdifferenzen gibt, tatsächlich die Staatsanwaltschaft entscheidet – und hier nicht vielleicht in Form eines Würfelspiels zwischen Polizei und Staatsanwalt ausgehandelt wird, wessen Anordnungen durchzuführen sind.

Zur Frage von Frau Abgeordneter Wurm hinsichtlich der Rechtsanwendung muss ich sagen, dass wir natürlich grundsätzlich darin geübt sind, neue Gesetze nach entsprechender Einarbeitungszeit auch anzuwenden. Also das wird an sich nicht das Problem sein. Ein Problem sehe ich beim § 101, auf den ich aber jetzt nicht eingehen will, weil er sicher später noch einmal zur Sprache kommt. Ein Problem sehe ich allenfalls auch in der Rechtsanwendung, wenn im Innenressort Fragen offen sind, was die dortige Struktur betrifft und auch was die Weisungsstruktur dort betrifft. Es kann natürlich etwas Kontraproduktives entstehen, denn wir haben einen anderen Ressortchef dort, es gibt teilweise ganz andere Interessenslagen und ganz andere Voraussetzungen, die dort zu erfüllen sind. Und da kann es sicherlich Reibungspunkte geben, die aus diesem Grund zu einer erschwerten Vollziehung dieses Gesetzes führen, aber sicherlich nicht im Bereich der Justiz selbst.

Und was natürlich auch die Rechtsanwendung an sich, insbesondere auch die Anwendung des Gesetzes dem Sinn nach, nämlich dass die Staatsanwaltschaft hier die leitungsbefugte Behörde ist, wesentlich erschweren kann, ist, wenn die sehr restriktiven Pläne des Justizressorts, was die personellen Ressourcen betrifft, tatsächlich umgesetzt werden sollten. Ich will darauf nicht näher eingehen, aber das, was an vorläufigem Ergebnis dieser Studie der Firma ROI vorliegt, das ist schlichtweg ein Skandal, möchte ich fast sagen, jedenfalls ist es so nicht tragbar! Wenn es zu diesen Kürzungen im Bereich der gerichtlichen Kapazitäten kommt, dann können wir uns die theoretische Diskussion über Rechtsschutz oder nicht Rechtsschutz schon jetzt ersparen. Da wird es nämlich in der Praxis schlichtweg keinen Rechtsschutz geben, weil viel zu wenig Leute da sind, die diesen tatsächlich gewähren können. – Aber das wird ein eigenes Thema sein, und ich bitte, das dann noch entsprechend zu berücksichtigen.

Sektionschef Dr. Roland Miklau (Bundesministerium für Justiz, Sektion II): Mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit möchte ich mich sehr knapp fassen. Ich möchte nur zwei strukturelle Fragen ganz kurz ansprechen und dann etwas zur Frage Vertrauensperson, Verteidigerbeiziehung sagen.

Erstens: Es ist die Sorge geäußert worden, dass gewisse Verfahrensgrundsätze, zum Beispiel Unschuldsvermutung nach öffentlicher Hauptverhandlung, zu strikt formuliert seien. Dazu möchte ich auf § 1 Abs. 3 verweisen: „Im Strafverfahren gelten, soweit das Gesetz im Einzelnen nichts Anderes bestimmt, die folgenden Grundsätze“. – Alle Ausnahmen des Gesetzes müssen beim Lesen der Grundsätze mitgedacht werden. Grundsätze können nicht so formuliert werden, dass alle Ausnahmen schon im Grundsatz stehen, sonst sind es keine Grundsätze mehr, sonst kann ich gleich das ganze Gesetz in die Verfahrensgrundsätze schreiben.

Zweiter Punkt: Professor Bertel war besorgt, dass der Beschuldigte mit Beweisanträgen nur in bestimmten Fällen und nicht generell an den Richter kommt. – Die Antwort wäre auch hier eine strukturelle. Der Beschuldigte kommt immer mit Beweisanträgen zum Richter, aber nur dann, wenn die Kriminalpolizei und/oder der Staatsanwalt seinem Beweisantrag nicht folgen. Dann hat er ein Einspruchsrecht, und unter den Voraussetzungen des Gesetzes kommt er zum Richter.

Ich würde sagen: So soll es sein. Direkt zum Richter soll er im Prinzip nicht. Der Regelfall wird sein, dass ein vernünftiger Beweisantrag schon von der Kriminalpolizei, und wenn nicht von dieser, dann vom Staatsanwalt erfüllt wird, und das Rechtsmittel ist dann sozusagen nur die Reißleine für den Ausnahmefall.

Jetzt zur Frage, die hauptsächlich hier diskutiert wurde: Vertrauensperson oder Rechtsanwalt.

Ich möchte zu zwei Punkten etwas beitragen, ohne jetzt hier eine abschließende rechtspolitische Meinung meinerseits zu äußern. Erstens: Was finden wir im geltenden Recht vor? Das ist nämlich noch nicht klar gesagt worden. Zweitens: Was ist der Kern des Öcalan-Erkenntnisses oder der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes?

Erstens: Wir finden im geltenden Recht im § 179 StPO für den festgenommenen Beschuldigten die Belehrung vor, dass es ihm frei steht, sich vor der Vernehmung mit einem Verteidiger zu verständigen, das heißt, mit einem Verteidiger in Kontakt zu treten. Hier ist also sozusagen nicht das Vertrauenspersonen-Modell, sondern das Verteidiger-Modell in der Strafprozessordnung. Freilich ordnet die Strafprozessordnung das für die Vernehmung durch den Richter an. Es ist aber der Grundsatz des ganzen Gesetzesvorhabens, dass es keinen Unterschied mehr geben soll zwischen kriminalpolizeilichen, künftig auch staatsanwaltschaftlichen und richterlichen Vernehmungen. – Das ist ein Punkt des geltenden Rechtes.

Der zweite Punkt – und das ist noch nicht genannt worden –, § 31 des Sicherheitspolizeigesetzes und § 6 der Richtlinienverordnung zu diesem gelten nicht nur für die Sicherheitspolizei, sondern auch für die Kriminalpolizei. Und dort heißt es, dass jede von einer Amtshandlung betroffene Person vor der Befragung oder Vernehmung darauf hinzuweisen sei, dass auf ihren Wunsch der Befragung oder Vernehmung eine Person ihres Vertrauens beigezogen werde – es sei denn, dass dies auf Grund besonderer Umstände die Aufgabenerfüllung gefährden würde.

Hier ist das Modell Vertrauensperson, nicht das Modell Verteidiger vorgesehen – mit der Ausnahme, dass davon abgesehen werden kann, wenn besondere Umstände die Aufgabenerfüllung gefährden.

Drittens haben wir das Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom vergangenen Jahr, das ein Recht auf Beiziehung des Verteidigers sehr wohl auch im Strafverfahren vorsieht. Die Auslegung durch Dr. Nemec kann ich nicht teilen. Das war ja das Sensationelle an diesem Verwaltungsgerichtshoferkenntnis: dass es eben verwaltungsverfahrensgesetzliche Bestimmungen kraft des Art. V EGVG auch für die Strafprozessordnung für anwendbar erklärt hat. Wir haben das auch durch Erlass umgesetzt, und wir haben heute gehört, dass es da oder dort sogar über den Inhalt des Erlasses hinaus angewendet wird.

Wir haben also im geltenden Recht schon Modelle: uneingeschränktes Recht auf Beratung mit einem Verteidiger vor einer Vernehmung, Möglichkeit der Beiziehung einer Vertrauensperson zu einer Vernehmung, mit Ausnahmen, geltend allgemein für Sicherheitspolizei und Strafverfahren. Und wir haben auf Grund des Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses ein grundsätzliches Recht auf Beiziehung des Verteidigers.

Was ist der Kern des Öcalan-Erkenntnisses? – Natürlich drückt sich dieses Erkenntnis relativ unbestimmt aus, weil es auf die völlig unterschiedlichen Systeme in den einzelnen Mitgliedstaaten Bedacht nehmen muss. Prof. Burgstaller hat das sehr zutreffend aufgegliedert. Es gibt da mehrere Punkte: Kontakt mit dem Verteidiger vor der Vernehmung, Anwesenheit bei der Vernehmung, Überwachung, zusätzliche Möglichkeiten, wie Fragerecht des Verteidigers bei der Vernehmung. Und hier besteht ein rechtspolitischer Spielraum; das ist ganz richtig von mehreren Vorrednern gesagt worden. Aber ich lese das Öcalan-Erkenntnis so, dass auch bei den ersten polizeilichen Befragungen – ich würde es noch vager formulieren: im Zusammenhang mit den ersten polizeilichen Befragungen – ein anwaltlicher Beistand hinzugezogen werden kann und dass dieses Verteidigungsrecht grundsätzlich eine freie und nicht überwachte Kommunikation erfordert. Wobei „grundsätzlich“ heißt: im Prinzip ja, Ausnahmen sind möglich.

Was heißt Beistand eines Verteidigers? –Und da bin ich jetzt nicht einer Meinung mit Prof. Burgstaller. Beistand eines Verteidigers im Sinne dieses Erkenntnisses kann nicht allgemeine Rechtsbelehrung bedeuten. Dazu braucht man eigentlich den Verteidiger nicht. Beistand des Verteidigers kann auch nicht nur Danebensitzen bedeuten, sondern muss Kommunikation bedeuten.

Was das Öcalan-Erkenntnis nicht sagt, ist, ob das vor oder bei der Vernehmung stattfinden muss. Was das Öcalan-Erkenntnis auch nicht sagt, ist, in welchen Fällen eine Überwachung stattfinden soll, in welchen Fälle eine Ausnahme von den Prinzipien stattfinden soll. Nur, was es meines Erachtens sagt, ist, dass irgendwann in diesem Vorgang – vor der Vernehmung oder bei der Vernehmung – ein wirksamer Beistand eines Verteidigers stattfinden muss.

In diesem Punkt ist dieses Erkenntnis, glaube ich, klar und bekommt für Österreich noch ein zusätzliches Gewicht dadurch, dass bei uns – im Gegensatz zu der großen Mehrheit aller vergleichbaren Rechtsordnungen – die Vernehmungsprotokolle bei der Polizei jetzt schon unmittelbar in der Hauptverhandlung verwertet werden und das kraft des Entwurfes unbestrittenermaßen künftig im Gesetz festgeschrieben werden soll.

Auf diesen Fall trifft genau jener Satz des Öcalan-Erkenntnisses zu, wo es heißt: In einer Situation, in der die Verteidigungsrechte in einer irreversiblen Weise beeinträchtigt werden können, ist die Verweigerung der Kontaktnahme konventionswidrig. – Wenn ein Beweismittel produziert wird in Form eines Vernehmungsprotokolls des Beschuldigten, das unmittelbaren Beweis macht im Urteil und unmittelbar verwertbar ist, dann ist genau diese Situation gegeben. Daher müssen wir in dieser Situation für den wirksamen Beistand eines Verteidigers und für eine Kommunikationsmöglichkeit sorgen.

In welchen Fällen, in welcher Form, mit welchen Ausnahmen: Diesbezüglich besteht ein großer Spielraum. Ich persönlich hätte eine leichte Präferenz, das Gewicht vor die Vernehmung zu verlegen als auf den Vorgang der Vernehmung selbst, weil aus dem Gesichtspunkt des Vernehmungsflusses der Kriminalpolizei eine unmittelbare Beteiligung des Verteidigers – als Verteidiger, nicht bloß als beisitzende Vertrauensperson – als Störung empfunden wird. Das kann man aus rechtsstaatlichen Gründen begrüßen, man kann es aber aus Gründen der kriminalpolizeilichen Vernehmungseffizienz auch nicht wollen.

Aber – und darin möchte ich doch Prof. Burgstaller widersprechen – wir können nicht sagen: nur eine allgemeine Belehrung und nur ein Dabeisitzen, keine Verteidigerfunktion und keine Kommunikation. – Das, glaube ich, geht nicht.

Selbst wenn wir der Meinung sind, das Öcalan-Erkenntnis sagt das, was ich gesagt habe, nicht zu 100, sondern nur zu 90 Prozent – das ist möglich, das gebe ich zu –, frage ich, Hoher Unterausschuss: Wollen Sie eine Strafprozessordnung, die im Jahre 2007 in Kraft tritt, beschließen, von der der Europäische Gerichtshof vielleicht schon vor Inkrafttreten sagt, dass der Mindeststandard der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt ist, und dass der Verfassungsgerichtshof dann nachzieht und sagt, das sei verfassungswidrig?! – Das können Sie doch aus rechtspolitischen Gründen nicht wollen. Dazu kann ich nicht raten.

O.Univ.-Prof. Dr. Frank Höpfel (Universität Wien; Institut für Strafrecht und Kriminologie): Ich möchte mich Herrn Sektionschef Miklau vollinhaltlich anschließen und insbesondere an die Appelle anknüpfen, die von Swoboda und Pilgermair, aber auch zuletzt von Schröder gekommen sind. Ich möchte ebenfalls jene Punkte problematisieren, in denen das Gesetz ein außergewöhnliches Misstrauen gegen ganze Berufsgruppen zum Ausdruck bringen würde.

Hinsichtlich des Staatsanwaltes behagt mir wenig, was der neu gefasste § 101 Abs. 2 über die Rollenverteilung gegenüber dem Gericht regelt. Die Bestimmung ist sehr vage. Nicht nur, dass die Ratio nicht erklärbar ist – außer dieser Beigeschmack des Misstrauens gegenüber dem Staatsanwalt –: Auch die Frage der möglichen Doppelgleisigkeiten ist nicht geklärt.

Die Übernahme der Idee, die „clamorosen Fälle“ einem Richter vorzubehalten, ist deshalb schwierig, weil sie sich spießt mit der Berichtspflicht, die gerade in diesen Fällen in Form eines Anfallberichtes vorher eingreift. Darauf wurde schon hingewiesen.

Nun zur Verteidigung. Es ist, glaube ich, wesentlich, gerade bei einer rechtsvergleichenden Betrachtung – Miklau hat das jetzt angesprochen –, dass darauf geachtet wird, dass ja die polizeiliche Vernehmung des Beschuldigten in der Hauptverhandlung verwertet werden kann. Daraus resultieren immer wieder die Fragen der Korrektheit der Vernehmung. Hier möchte ich wie Schmoller den präventiven Effekt hervorstreichen, den eine Beteiligung des Verteidigers zur Verhinderung unlauterer Methoden der Polizei hat.

Das Manko der Rechtsunkundigkeit des Beschuldigten kann nicht durch einen allgemeinen Rechtsvortrag ausgeglichen werden, sondern nur durch eine fallbezogene Beratung. Anderenfalls würde diese allgemeine Belehrung häufig darauf hinauslaufen, dass gesagt wird, der Beschuldigte, der Verdächtige solle den Mund halten; so hat es sich etwa in Deutschland entwickelt. Und noch dazu läuft diese Beratung leer, wenn sie nicht vor der ersten Vernehmung stattfindet.

Zur Anwesenheit während der Vernehmung möchte ich sagen, dass sie überflüssig ist, wenn sie kein Fragerecht des Verteidigers miteinschließt.

Die Überwachung als drittes Merkmal in der Beziehung mit dem Verteidiger ist entsprechend der Judikatur aus Straßburg, die ja im Fall Öcalan nur rekapituliert wurde, die ja schon eine lange Geschichte hat, wo Österreich nicht nur einmal verurteilt wurde, nicht zu lösen, wenn man die ersten 14 Tage etwa allgemein herausnimmt. Die ersten 14 Tage, das ist nicht eine Gruppe von Ausnahmefällen im Sinne der Straßburger Judikatur, sondern das ist zu beziehen gerade – siehe Öcalan – auf die Anfangsphase.

Meine übrigen Bemerkungen werde ich noch schriftlich zusammenfassen.

Univ.-Doz. Dr. Richard Soyer: (Rechtsanwalt, Wien): Ich möchte die Aufmerksamkeit des Ausschusses darauf lenken, dass der Abänderungsantrag die Abschaffung der Pflichtverteidigung des geltenden Rechts impliziert. Ganz kurz zur Erklärung: § 42 Abs. 2 Strafprozessordnung sieht derzeit vor, dass ab Untersuchungshaft – das ist im Regelfall ab dem vierten Tag bei Festnahmen – bis zur ersten Haftverhandlung – das ist ein Zeitraum von zirka 14 Tagen – ein Pflichtverteidiger tätig wird, der direkt entlohnt wird. Das heißt, mit diesem Abänderungsantrag wird auf ganz gravierende Weise in die Frage der Effektivität von Verteidigungsrechten eingegriffen. Wir haben somit in der Regierungsvorlage Rechte, die künftig eigentlich nur begüterte Menschen ausüben können. Wir haben für die Phase der ersten vier Tage einfach keine Pflichtverteidigung im Sinne der bisherigen Regelung.

Ich möchte vielleicht ganz kurz für die Damen und Herren Abgeordneten explizieren, dass die sogenannte Armenverteidigung in Österreich so geregelt ist, dass es ein Verfahrenshilfe-Verteidigungssystem ab der ersten Haftverhandlung, zirka 14 Tage nach Festnahme, und ein Pflichtverteidigungssystem gibt.

Das Verfahrenshilfe-Verteidigungssystem kennt keine direkte Entlohnung der Rechtsanwälte, daher sind hier – ich sage das einmal sehr moderat – sehr oft Kollegen tätig, die überhaupt nicht motiviert sind. Es gibt grundsätzlich sehr wohl eine Entlohnung, die fließt aber in die Pensionskasse der Anwälte.

Um dieses Defizit – welcher Berufsstand in Europa ist noch motiviert zu arbeiten, wenn er nicht irgendeinen persönlichen Leistungsanreiz hat?! – aufzuheben, hat man 1993 die Pflichtverteidigung eingeführt. Anstatt diese Pflichtverteidigung aber nun auf diese erste Phase des Verfahrens auszuweiten, schafft man sie ab.

Es soll allen bewusst sein, dass das eine strukturelle Schwächung der Verteidigungsrechte ist und dass wir damit wieder das Schlusslicht in Europa darstellen würden. Überall in Europa – egal, ob in Paris, in Madrid, in London, in Hamburg, in Rom, in Mailand, in Irland – findet man anwaltliche Bereitschaftsdienste, die nur funktionieren können, wenn es eine Minimalentlohnung gibt. – Das gewährleistet dieser Entwurf nicht, und ich meine, das ist eine gravierende Schwachstelle.

Statt Abschaffung der Pflichtverteidigung stünde es diesem Entwurf gut an, wenn er die Pflichtverteidigung erweitert genau auf jene Gruppe, die jetzt zwar formell Verteidigungsrechte hat, aber sich keinen Anwalt leisten kann; für die werden diese Rechte nur auf dem Papier stehen.

Prof. Dr. Otto F. Müller (Generalprokurator a.D.): In § 2 des Abänderungsantrages und in § 6 desselben Antrages ist zunächst von der materiellen Wahrheitsforschung und dann vom fairen Verfahren und rechtlichen Gehör die Rede.

Es heißt in § 2 Abs. 2 ausdrücklich, das Gericht habe im Hauptverfahren „alle zulässigen Beweismittel aufzunehmen, von denen zu erwarten ist, dass sie der Wahrheitsforschung dienen“.

Nun meine ich, dass es, wie auch nach geltender Rechtslage, so sein sollte, dass alle Beweismittel – die StPO kennt keine Beschränkung; anders im Zivilverfahren – heranzuziehen seien, die eben der Erreichung des gewünschten Zieles, nämlich der Wahrheitsforschung, dienen. Ich aber vermisse im jetzigen Abänderungsantrag, übrigens auch in der Regierungsvorlage – entgegen dem ursprünglichen Begutachtungsentwurf, wo in § 58 Abs. 4 ausdrücklich darauf Bezug genommen wurde –, die Anführung des Privatgutachtens. Und auch das betrifft wieder einmal das Vertrauensverhältnis zu einer bestimmten Berufsgruppe, nämlich zu Experten, zu Gutachtern, die vom Beschuldigten oder auch vom Privatbeteiligten von privater Seite herangezogen werden können, um dem Gericht ein bestimmtes Gutachten vorzulegen.

Ich halte es für notwendig, wenn man es schon nicht mehr wie seinerzeit in § 58 Abs. 4 ins Gesetz hineinschreiben will, doch zumindest in den Erläuterungen oder in den Fußnoten darauf Bedacht zu nehmen.

Privatgutachten dienen im Wesentlichen der Unterstützung des Gerichtes, sind jederzeit bei Gericht vom Richter überprüfbar, die Gutachter unterliegen sowohl in zivilrechtlicher als auch in strafrechtlicher Hinsicht der vollen Sanktion des Gesetzes, und es besteht – wie in den damaligen Erläuterungen zum Begutachtungsentwurf auf Seite 95 ausgeführt wurde – bloß im Formalakt der Bestellung und Beauftragung ein Unterschied zwischen dem vom Gericht bestellten Sachverständigen und dem Privatgutachter.

Diese Privatgutachten sollen von sich aus ein Element richterlicher Beweisfindung bilden und sollen zugelassen werden. Nach der jetzigen Rechtsprechung sollen sie in vielen Fällen gar nicht angenommen werden, das heißt, das Gericht kann gar nicht beurteilen, ob sie überhaupt ein Beweismittel wären, von dem zu erwarten ist, dass es der Wahrheitsforschung dient. Privatgutachten sollten zugelassen werden können, um dann auch der entsprechenden richterlichen Würdigung unterzogen zu werden.

Zu den Beschuldigten- beziehungsweise Verteidigungsrechten darf ich sagen, ich schließe mich da dem Alternativvorschlag im Abänderungsantrag zu den §§ 49, 59 und 164 an. Es wurde heute ja schon von vielen Berufenen aus der Praxis und der Wissenschaft darauf hingewiesen: Ein Verteidiger sollte einer Vernehmung beigezogen werden, und darüber hinaus sollte dem Verteidiger auch schon bei der Vernehmung ein Fragerecht eingeräumt werden. Was nützt es – aus Sicht der Prozessökonomie –, wenn am Ende der Vernehmung wohl Beweisanträge gestellt werden können, für den Fall etwa, dass erst nach langwierigen Vernehmungen klar herauskommt, worauf es noch weiter ankommen wird, wenn nicht schon während der Vernehmung entsprechende Fragen durch die Verteidiger gestellt werden können?

Meines Erachtens würde dadurch der Standard der Vernehmung, die Qualität der Vernehmung gehoben werden. Es würde auch dem Beschleunigungsgebot entsprochen werden, da dem Staatsanwalt schon für die weitere Antragstellung entsprechende Unterlagen zur Verfügung gestellt werden können.

Man sollte dem Verteidiger wenigstens am Ende der Vernehmung auch eine Abschrift des Protokolls ausfolgen können, was, wie ich höre, nach heutiger Praxis offenbar nicht geschieht. Der Verteidiger muss erst umständlich über Gericht oder sonst irgendwie versuchen, die Protokolle zu bekommen. Und um eine gute, eine faire, um eine wirklich allen Menschenrechtsbestimmungen entsprechende Vernehmung durchzuführen und das Verfahren zügig zu Ende zu bringen, sollte man diese Protokolle auch gleich nach der Vernehmung von den Sicherheitsbehörden ausfolgen können.

Noch nicht erwähnt wurde heute § 108 des Abänderungsantrages, der auch ein wesentliches Recht des Beschuldigten betrifft, nämlich den Antrag auf Einstellung des Verfahrens. – Ich folge da – bedauerlicherweise muss ich sagen – nicht dem Vorschlag meines verehrten Kollegen Lambauer.

In § 108 Abs. 2 heißt es, dass ein Antrag auf Einstellung des Verfahrens erst nach sechs Monaten beziehungsweise in bestimmten Fällen, die im Gesetz angeführt sind, erst nach einem Jahr ab Verfahrensbeginn eingebracht werden darf, was ich, weil gegen den Rechtsschutz und gegen die Rechte des Beschuldigten, für systemwidrig halte. Es kann sich ja schon früher herausstellen, dass das Verfahren einzustellen ist, weshalb also sollte man so lange zuwarten müssen! In keiner anderen Bestimmung der StPO ist meines Wissens solch eine Einschränkung eines Antragsrechtes eines Beschuldigten enthalten – und auch die soeben besprochene sollte beseitigt werden.

Insbesondere am Herzen liegt mir die Stellung des Staatsanwaltes, die mir durch die Bestimmung des § 102 Abs. 2 wesentlich eingeschränkt zu sein scheint. Das sollte entsprechend geändert werden.

Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Eckart Rainer (Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck): An dieser Stelle nur ein kurzes Plädoyer eines Staatsanwaltes für die Beiziehung des Verteidigers zur Vernehmung, für die Besprechungsmöglichkeit des Verteidigers mit dem zu Vernehmenden, verbunden aber – und da unterscheide ich mich von meinem Vorredner – mit der Unzulässigkeit der ständigen Beteiligung während der Vernehmung. Es muss eine durchgehende Vernehmung durch die Polizei oder den Staatsanwalt möglich sein, die nicht ständig durch den Verteidiger unterbrochen werden kann.

Ich würde sogar eine Sanktion daran knüpfen, denn man muss sich vorstellen, wie dann eine Vernehmung vor sich gehen könnte: Der Polizist vernimmt, der Verteidiger unterbricht, hält dieses Verbot der ständigen Beteiligung nicht ein, der Polizist ermahnt, der Verteidiger hält sich nicht daran, ein Strafverteidiger wird das ausnützen, und so kann es zu keiner ersprießlichen Vernehmung kommen. Daher sollte es eine Sanktion für die Nichteinhaltung dieses Verbots der ständigen Intervention geben, wobei diese Sanktion natürlich nicht im Ausschluss des Verteidigers grundsätzlich bestehen kann, aber wohl im Ausschluss von der Beteiligung an dieser Vernehmung. Das hat dann eben der Verteidiger, der sich nicht daran hält, zu verantworten.

Ich meine, im Gesetz müsste eine Sanktion dieser Art vorgesehen werden, damit – und somit beantworte ich auch die Frage der Frau Abgeordneten Wurm – derartige Vernehmungen in der Praxis einen ordnungsgemäßen Verlauf nehmen können.

O. Univ.-Prof. Dr. Reinhard Moos (Johannes Kepler Universität Linz; Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie,): Ich möchte etwas zur Beiziehung des Verteidigers sagen und mich diesem Drei-Stufen-Modell, das Herr Swoboda formuliert hat, anschließen. Die erste Stufe ist die vor der Vernehmung, die zweite Stufe ist die während der Vernehmung durch die Polizei, die dritte Stufe wäre die Beschränkung.

Zur ersten Stufe vor der Vernehmung: Ich würde dafür eintreten, dass sich das nicht nur auf die Bevollmächtigung eines Verteidigers beziehen soll, denn das finde ich geradezu selbstverständlich. Jemanden bevollmächtigen, der nichts weiter zu sagen hat, das kann man immer, jemanden telefonisch kontaktieren oder einen Brief schreiben, aber das hat dann keine Konsequenzen.

Es wurde schon gesagt, dass die Belehrung über die Rechtslage auch nicht sehr weit geht; das versteht der Beschuldigte vielleicht gar nicht. Da ist ein Gespräch nötig, das Gespräch wird notwendigerweise fallbezogen sein, und wie soll man das abgrenzen. Ich hielte es für unerlässlich, dass vor der Vernehmung eine Besprechung mit dem Verteidiger stattfinden können muss. Das ist in § 58  Abs. 1 für den Beschuldigten auf freiem Fuß erlaubt.

Nach § 59 soll es einem Beschuldigten, dem die Haft bevorsteht, einem festgenommenen Beschuldigten nicht möglich sein. – Ich würde sagen, es muss umgekehrt sein: Gerade dann muss es möglich sein, dass er sich eines Verteidigers bedient, wenn ihm ein solcher Rechtsnachteil droht. Warum dann nicht vor der Vernehmung durch die Polizei? Das ist in sich widersprüchlich.

Ferner – Herr Miklau hat schon darauf verwiesen – kann laut § 179 Abs. 1 der jetzigen StPO vor der Untersuchungshaft eine Besprechung stattfinden. Wenn wir das also künftig ausschließen würden, würden wir hinter dem gegenwärtigen Rechtsstandard zurückbleiben.

Zweite Stufe: während der Vernehmung. Da gibt es die Alternative, den Verteidiger wenigstens dabei sein zu lassen. Ich würde sagen: passive Anwesenheit – und die andere ist die aktive Anwesenheit, wo er sich einmischen kann. Wenn man einen Kompromiss sucht, dann sagt man, dann soll er wenigstens dabei sitzen dürfen, aber er soll nichts sagen dürfen, sozusagen als Beisitzer im wörtlichsten Sinne.

Ich glaube, das ist nicht nur eine Zumutung für den Anwalt und irgendwie lächerlich, sondern es ist auch rein praktisch eine komische Geschichte, denn der Beschuldigte und der Anwalt können sich durch Gestik und durch Mimik verständigen. Der guckt den Anwalt an, der schüttelt den Kopf, der reißt die Augen auf, und schon weiß man ungefähr, das sage ich besser nicht oder schon. Damit das ja nicht passiert, müsste in der StPO stehen: Zwischen Beschuldigtem und Verteidiger muss festgestellt werden, dass kein Sichtkontakt bestehen kann. Der Verteidiger muss also immer hinten auf der Galerie sitzen und der Beschuldigte in eine andere Gegend schauen. – Das werden Sie doch nicht auch noch hineinschreiben wollen.

Ich sehe einen guten Kompromiss, den Herr Prof. Höpfel angesprochen und Herr Dr. Müller genauer ausgeführt hat. Der Kompromiss bedeutet, der Anwalt darf da sein – und er hat ein Fragerecht. Schreiben Sie das hinein: nur Fragerecht. Er kann sich nicht beliebig einmischen, sozusagen selbst zum Vernehmenden werden und dauernd die Vernehmung durch die Polizei vereiteln, sondern er hört sich das an und hat ein Fragerecht an den zu Vernehmenden – und sonst nichts. Wenn Sie das hineinschreiben, ist das ein Kompromiss, der mir erträglich zu sein scheint.

Müller hat ganz richtig gesagt, hinterher soll er Beweisanträge stellen können. Das kann man verhindern, indem man zuvor schon fragen kann, das kann die Beweisanträge erübrigen. Das ist auch prozessökonomisch eine vernünftige Maßnahme.

Ich würde also vorschlagen: In einer zweiten Stufe Anwesenheit des Verteidigers ja, aber beschränkt auf ein Fragerecht. Ich glaube, das wäre eine akzeptable Zwischenlösung, die sich hier in der Diskussion abgezeichnet hat.

Die dritte Stufe ist die Beschränkung der Anwesenheit, also bei Verdacht gegen Verteidiger und so etwas. Da würde ich der Alternativformulierung des Justizministeriums zu § 59 Abs. 1 zustimmen, denn diese ist bestimmter und damit formell rechtsstaatlicher.

Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, grundsätzliche Ausführungen zum Verhältnis Staatsanwalt und Richter zu machen, also zu dieser klammheimlichen Einführung der Voruntersuchung, die in diesem Änderungsantrag enthalten ist. Dazu ist keine Zeit mehr. Ich bitte dringend, dazu noch einmal eine Sitzung zu machen. Ich mag das nicht alles schriftlich formulieren, und außerdem sollten Sie dazu wieder Stellung nehmen können. Ich halte das für einen der allerwichtigsten Punkte neben der Verteidigeranwesenheit. Dazu hat sich bis jetzt nur Herr Swoboda geäußert – und das außerhalb des Zeitplans. Ich hätte auch gern etwas dazu gesagt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich stimme also nicht Herrn Schmoller zu, dass das ein nebensächlicher Punkt ist. Er hat gemeint, damit könne er leben. – Ich kann damit nicht leben.

Oberstaatsanwalt Mag. Christian Pilnacek (BM für Justiz; Sektion II): Zu den Ausführungen von Prof. Müller muss man zwei Punkte sagen. Das mit der Ausfolgung des Protokolls steht schon in der Regierungsvorlage drinnen, wird also gemacht. Der zweite Punkt: Privatgutachten. Wir beschäftigen uns mit dem Vorverfahren und nicht mit der Hauptverhandlung. Wie und auf welche Weise ich einen zulässigen Beweisantrag zur Einbringung der Erkenntnisse aus einem Privatgutachten in der Hauptverhandlung stelle, ist jetzt nicht Gegenstand des Entwurfs. Der Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung legt es aber eher nahe, auf alles einzugehen, was dem Gericht vorliegt, ist also kein Widerspruch.

Zur Änderung in § 108 möchte ich schon bemerken: Das war grundsätzlich nicht meine Idee, sondern ist zurückzuführen auf eine Veröffentlichung von Prof. Lambauer in der Festschrift Steininger. Es geht hier ausschließlich um den Einstellungsgrund der überlangen Verfahrensdauer, und da ist das Kernmerkmal eben bereits: Dieser Antrag soll nur dann gestellt werden, wenn das Verfahren überlang anhängig war.

Wir müssen schon danach trachten – und das war immer eine Forderung, die an uns herangetragen worden ist –, das Verfahren praktikabel zu machen und sozusagen Rechtsmittel, die doch in einer bestimmten verzögernden Art und Weise immer wieder eingebracht werden, zu beschränken. Diese Idee des Herrn Prof. Lambauer habe ich mir aufzugreifen erlaubt. Das halte ich nicht für schlimm, denn das Fristensystem findet sich etwa auch bei der Höchstdauer der Untersuchungshaft in diesem Bereich, sechs Monate allgemein. Man soll bei der überlangen Verfahrensdauer diese Anträge nicht gehäuft, sondern erst nach einer bestimmten Regeldauer des Verfahrens stellen können.

Noch kurz zur Verteidigerproblematik: Bitte sich auch von idealisierenden Vorstellungen zu lösen! Wie läuft es derzeit in der Hauptverhandlung ab? – Wir wissen es doch alle ganz genau: Der Richter befragt einmal den Beschuldigten, den Angeklagten in der Hauptverhandlung in extenso. Dann kommt der Staatsanwalt und dann kommt der Verteidiger, und wenn der Verteidiger etwas Interessantes fragt, ist es doch oft so, dass der Richter das Fragerecht wieder an sich zieht. Diese Situation kann man nicht auf die Erstvernehmung übertragen, wo nämlich die Kriminalpolizei binnen 48 Stunden den Verteidiger verständigen, eine Besprechung in der Sache ermöglichen und binnen 48 Stunden ein Vernehmungsergebnis liefern soll, auf Grund dessen dann das Gericht über die Untersuchungshaft entscheiden kann. Bitte in dieser Situation auch keine überfordernde Anforderungen an – ich sage es jetzt einmal krass – Formalitäten zu stellen!

Dass man einen Zugang zu einem Rechtsbeistand haben soll, das scheint mir ganz klar zu sein, aber das jetzt zu überfrachten mit der Definition, wie lange man in diesen 48 Stunden, in denen der festgenommen ist, mit dem Beginn der Vernehmung zuwarten muss, ist zu viel. Jetzt muss ich ihm noch das Fragerecht gewähren. Das ist eine ganz spezifische Situation beim festgenommenen Beschuldigten, wo man auch – und das war immer Anliegen des Entwurfs – die Ermittlungsrealität der Kriminalpolizei beachten soll. Es ist schon auch Wunsch der Justiz, ein gutes Vernehmungsergebnis zu bekommen. Ich will als Richter bei der Untersuchungshaft schon etwas an Sachverhalt haben, denn sonst kann ich faktisch nicht wirklich gut darüber entscheiden. Das sollte das erste Ziel sein: eine Vernehmung, die unter rechtsstaatlichen Bedingungen ein Ergebnis liefert, mit dem Gericht und Verteidiger auch leben können.

Ganz kurz noch zur Frage des Abgeordneten Maier. In Verhandlungen mit dem Bundeskriminalamt, mit dem Verhandlungsteam des Bundesministeriums für Inneres wurde die Bestimmung über die Kriminalpolizei gerade so offen gestaltet, um Organisationsänderungen auf Ebene des Bundesministeriums für Inneres möglich zu machen. Wenn Abgeordneter Maier davon spricht, dass – was ich nicht bestätigen kann – weg von einer Anordnungsverantwortlichkeit zu einer Vollzugsverantwortlichkeit gegangen wird, dann entspricht das eher unserem System, denn nach unserem System soll der Staatsanwalt die Verantwortung für die Anordnung und soll die Kriminalpolizei die Verantwortung für die Vollziehung haben und in diesem Zusammenhang auch das Recht, auf fachliche Weisungen zu sehen.

Ich glaube, dass, soweit ich die Reformvorhaben kenne, sich diese grundsätzlich gut vereinbaren lassen, jedenfalls auf Stand der Regierungsvorlage und des derzeit vorliegenden Abänderungsantrages. Das ist kein gegenseitiger Ausschluss.

Ich möchte mich bei allen, die im Abänderungsantrag nicht erwähnt worden sind – es war wirklich wenig Zeit –, für die vielfältige, anregende Diskussion bedanken. Es kommt dann vielleicht noch was hinein. Manche Formulierungen sind auf Grund der Kürze der Zeit auch noch nicht perfekt, da wird man nachbessern können.

Noch kurz zu den Opferrechten. Also bei den Opferrechten glaube ich, uns den geringsten Vorwurf zu machen zu können. Wir haben lediglich in kleinen Teilaspekten Anregungen nicht aufgegriffen. Wenn Sie das, was in der Regierungsvorlage drinnen war, mit dem Ergebnis vergleichen, dann werden Sie sehen, das ist ein Quantensprung in der Wahrnehmung der Stellung des Opfers: vom gesetzlichen Anspruch auf Prozessbegleitung, wo ja auch die juristische Prozessbegleitung gewährt ist, eine bedeutende Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten, bis hin zur Verfahrenshilfe im selben Ausmaß, wie es im Zivilverfahren besteht. Sämtliche Forderungen können wir natürlich nicht erfüllen. Das tun wir nicht auf Verteidigerseite, und das können wir auch nicht auf Opferseite.

Obfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Ich möchte jetzt alle Experten noch bitten, Formulierungswünsche im Detail an uns schriftlich heranzutragen. Es wird am 17. Februar – 9.30 Uhr bis 14 Uhr – eine weitere Sitzung stattfinden, in der wir über Opferrechte und das gerichtliche Ermittlungsverfahren im Detail diskutieren werden. Am 20. Februar soll der Justizausschuss stattfinden. Wenn Sie also glauben, das Reformwerk zur Gänze umschreiben zu müssen, dann müssen Sie uns das etwas früher mitteilen. Das wird am 17. dann zu spät sein. Semantischen Formulierungsvorschlägen zu entsprechen, Wünschen nach Änderung von einzelnen Paragraphen, das schaffen wir locker in drei Tagen.

Es wird am 17. wieder die große Expertenrunde eingeladen, weil sich heute gezeigt hat, dass es bei disziplinierter Diskussion in der Sache ohneweiters möglich ist, eine Spezialdebatte auch über größere Teile abzuhalten. Bis dahin werden wir Ihnen vielleicht sogar die politische Einigung über das heutige Ergebnis im Vorfeld wieder mitteilen können, sollte bis dahin schon ein bisschen mehr politische Einigung vorhanden sein, als das jetzt in der Regierungsvorlage – im Abänderungsantrag sind ja doch noch mehrere Varianten enthalten – der Fall ist.

Ich bedanke mich sehr herzlich und schließe die Sitzung des Unterausschusses.

Schluss der Sitzung: 13.24 Uhr