1077 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Justizausschusses
über die Regierungsvorlage (994 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Verbandsverantwortlichkeitsgesetz erlassen wird und mit dem das Mediengesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, das Patentgesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Halbleiterschutzgesetz, das Musterschutzgesetz 1990 und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden
Der vorliegende
Gesetzesentwurf sieht vor, eine Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten
einzuführen. Unter Verbänden versteht der Entwurf einerseits juristische
Personen, andererseits auch bestimmte Gesellschaften, insbesondere
Personenhandelsgesellschaften. Verbände sollen im Rahmen des gerichtlichen
Strafverfahrens verurteilt werden können, wenn im Rahmen der Tätigkeit des
Verbandes von Personen, die für den Verband handeln, eine Straftat begangen
worden ist. Während nach bisheriger Rechtslage nur gegen natürliche Personen
ein Strafverfahren geführt werden kann, soll dies in Zukunft also auch gegen
Verbände möglich sein.
Unmittelbarer
Anlass für diese Systemänderung im österreichischen Strafrecht sind
internationale Verpflichtungen, einerseits zahlreiche Rechtsakte der EU,
andererseits völkerrechtliche Verpflichtungen.
Ein
materiellrechtlicher Abschnitt enthält Bestimmungen insbesondere darüber, unter
welchen Voraussetzungen ein Verband für Straftaten verantwortlich werden kann,
und über Sanktionen. Der Entwurf sieht vor, dass ein Verband grundsätzlich für
jeden Deliktstypus verantwortlich sein kann, der im Besonderen Teil des StGB
oder in den Nebengesetzen enthalten ist; offen bleibt lediglich die Anpassung
des Finanzstrafgesetzes. Bei der Ausgestaltung der Voraussetzungen
folgt der Entwurf grundsätzlich dem Modell der EU-Rechtsakte, die zwischen zwei
Grundfällen unterscheiden: einerseits die Begehung einer Straftat durch
Entscheidungsträger, andererseits die Begehung durch Mitarbeiter bei mangelnder
Überwachung oder Kontrolle. Über Verbände sollen Geldbußen verhängt werden, die
in einem Tagessatzsystem an der Ertragslage des Verbandes zu bemessen sein
sollen; es soll eine bedingte Nachsicht möglich sein. Große Bedeutung misst der
Entwurf Weisungen bei, die das Gericht dem Verband auferlegen kann, um die Begehung
weiterer strafbarer Handlungen hintan zu halten.
In einem weiteren
Abschnitt enthält der Entwurf Sonderbestimmungen für das Verfahren gegen Verbände.
Geregelt werden insbesondere die Zuständigkeit, die Vertretung von Verbänden,
die Beschuldigtenvernehmung, einstweilige Verfügungen und die Diversion. Im
Übrigen soll die Strafprozessordnung anwendbar sein.
Abweichend vom
Individualstrafrecht, wo die Staatsanwaltschaft grundsätzlich zur Verfolgung
verpflichtet ist, soll die Verfolgung von Verbänden unter bestimmten
Determinierungen in das Ermessen des öffentlichen Anklägers gestellt und so
eine flexible Handhabung des neuen Rechtsinstruments ermöglicht wird.
Weiters soll auch
im Verfahren gegen Verbände Diversion möglich sein, also der Rücktritt von der
Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder die Einstellung des Verfahrens
durch das Gericht, gegen Erfüllung bestimmter Auflagen. Durch die große
Bedeutung, die der Entwurf den Weisungen und der Diversion beimisst, wird im
Verbandsverantwortlichkeitsrecht eine womöglich noch größere Bedeutung der
Prävention als im Individualstrafrecht erreicht.
Der
Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am
20. September 2005 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich
außer der Berichterstatterin die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag.
Heribert Donnerbauer, Mag. Terezija Stoisits, Dr.
Helene Partik-Pable, Mag.
Johann Maier, Dr. Christian Puswald, Mag. Karin Hakl und
Dr. Peter Wittmann sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Dr. Maria
Theresia Fekter .
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Helene Partik-Pable einen Abänderungsantrag eingebracht.
Bei der Abstimmung
wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter
Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit
angenommen.
Ein von den Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Helene Partik-Pable eingebrachter Entschließungsantrag betreffend Evaluierung der Anwendung des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes wurde einstimmig beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle
1. dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige
Zustimmung erteilen;
2. die angeschlossene Entschließung annehmen.
Wien, 2005 09 20
Dr. Gertrude Brinek Mag. Dr. Maria Theresia Fekter
Berichterstatterin Obfrau