Bundesgesetz, mit
dem die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das
Tilgungsgesetz geändert werden
Der Nationalrat hat beschlossen:
Inhaltsverzeichnis
Artikel
Gegenstand
I Änderungen
der Strafprozessordnung 1975
II Änderungen
des Staatsanwaltschaftsgesetzes
III Änderungen
des Tilgungsgesetzes
IV In-Kraft-Treten
Artikel I
Änderungen der
Strafprozessordnung 1975
Die
Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975, in der zuletzt durch das
Bundesgesetz BGBl. I Nr. 164/2004 geänderten Fassung wird wie folgt geändert:
1. § 47a hat zu
lauten:
„47a. (1) Alle im Strafverfahren tätigen Behörden sind
verpflichtet,
1. auf die Rechte und Interessen der durch eine
strafbare Handlung verletzten Person angemessen Bedacht zu nehmen und sie über
ihre Rechte im Strafverfahren sowie über die Möglichkeit zu belehren,
Entschädigungs- oder Hilfeleistungen zu erhalten, soweit dies den Umständen
nach erforderlich erscheint,
2. die in § 49a Abs. 1 genannten Personen
spätestens vor ihrer ersten Befragung über die Voraussetzungen der
Prozessbegleitung und in Betracht kommende Einrichtungen zu informieren,
3. die durch eine strafbare Handlung verletzten
Personen während des Verfahrens mit Achtung ihrer persönlichen Würde zu
behandeln und bei ihren Amtshandlungen wie auch bei der Auskunftserteilung
gegenüber Dritten deren berechtigte Interessen an der Wahrung ihres
höchstpersönlichen Lebensbereiches zu beachten. Dies gilt besonders für die
Weitergabe von Lichtbildern und die Mitteilung von Angaben zur Person, die zu
einem Bekanntwerden ihrer Identität in einem größeren Personenkreis führen
können, ohne dass dies durch Zwecke der
Strafrechtspflege geboten ist.
(2) Personen, die
durch eine strafbare Handlung in ihrer sexuellen Integrität verletzt worden
sein könnten, sind überdies über die folgenden, ihnen zustehenden Rechte zu
informieren:
1. die Beantwortung von Fragen nach Umständen aus
ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich oder nach Einzelheiten der strafbaren
Handlung, deren Schilderung sie für unzumutbar halten, zu verweigern (§ 153
Abs. 2),
2. zu verlangen, im Vorverfahren und in der
Hauptverhandlung auf schonende Weise vernommen zu werden (§§ 162a, 250 Abs. 3),
3. zu verlangen, die Öffentlichkeit der
Hauptverhandlung auszuschließen (§ 229 Abs. 2).
(3) Von jedem
Rücktritt von der Verfolgung oder der Einstellung des Verfahrens sowie der Abbrechung
des Verfahrens gegen einen bekannten Täter und dessen Fortsetzung ist die
verletzte Person zu verständigen. § 83a zweiter Satz gilt sinngemäß.
(4) Der durch eine
strafbare Handlung verletzten Person ist nach Maßgabe der Voraussetzungen des §
38a Abs. 1 Übersetzungshilfe zu leisten, soweit dies zur Wahrung ihrer Rechte
im Strafverfahren, insbesondere des Rechts, sich dem Verfahren wegen ihrer
privatrechtlichen Ansprüche anzuschließen, erforderlich ist.“
2. Nach dem § 49
wird folgender § 49a eingefügt:
„§ 49a. (1) Personen, die durch die dem Beschuldigten
zur Last gelegte, vorsätzlich begangene Tat Gewalt oder gefährlicher Drohung
ausgesetzt oder in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sein
könnten, sowie der Ehegatte, der Lebensgefährte, Verwandte in gerader Linie,
der Bruder oder die Schwester einer Person, deren Tod durch eine Straftat herbeigeführt
worden sein könnte, oder andere Angehörige, die Zeugen der Tat waren, haben
Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung, soweit dies zur
Wahrung ihrer Rechte und im Hinblick auf ihre persönliche Betroffenheit
erforderlich ist. Sie sind überdies berechtigt, in die Akten in sinngemäßer
Anwendung des § 47 Abs. 2 Z 2 Einsicht zu nehmen.
(2) Psychosoziale
Prozessbegleitung umfasst die Vorbereitung der Betroffenen auf das Verfahren
und die mit ihm verbundenen emotionalen Belastungen sowie die Begleitung zu
Vernehmungen im Vor- und Hauptverfahren, juristische Prozessbegleitung die
rechtliche Beratung und Vertretung durch einen Rechtsanwalt.
(3) Die
Bundesministerin für Justiz ist ermächtigt, bewährte geeignete Einrichtungen
vertraglich mit der Gewährung von Prozessbegleitung im Sinne der vorstehenden
Absätze zu beauftragen.“
3. Im § 50 Abs. 1
hat der letzte Halbsatz zu lauten:
„sie können
sich auch eines in der Verteidigerliste eingetragenen Rechtsbeistandes, einer
nach § 25 Abs. 3 SPG anerkannten Opferschutzeinrichtung oder eines anderen
Bevollmächtigten bedienen.“
3a. In § 129 wird
ein Abs. 4 angefügt:
„(4) Wird für die
Beurteilung einer Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung ein
Sachverständiger bestellt, so ist ihm auch die Feststellung der Schmerzperioden
aufzutragen.“
4. Im § 162 Abs. 2
hat der zweite Satz zu lauten:
„Auf dieses
Recht und den Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung (§
49a) ist in der Vorladung unter Bekanntgabe geeigneter Opferschutzeinrichtungen
hinzuweisen.“
4a. In § 177 wird
nach dem letzten Satz des Abs. 2 der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt und
es werden folgende Worte angefügt:
„die im §
49a Abs. 1 genannten Personen sind zu verständigen.“
5. Nach dem § 194
wird folgender § 195 eingefügt:
„§ 195. Das Gericht hat die in § 49a Abs. 1 genannten
Personen und die Sicherheitsbehörde ihres Aufenthaltsortes von einer
Freilassung des Beschuldigten vor Fällung des Urteils erster Instanz,
gegebenenfalls unter Angabe der dem Beschuldigten auferlegten gelinderen
Mittel, unverzüglich von Amts wegen zu verständigen.“
6. § 211a hat zu
lauten:
„§ 211a. (1) Erachtet der Gerichtshof, dass die
Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 90b, anderen auf
ihn verweisenden gesetzlichen Bestimmungen oder gemäß § 37 des
Suchtmittelgesetzes (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, vorliegen, so weist er die
Anklageschrift an den Untersuchungsrichter mit dem Auftrag zurück, nach diesen
Bestimmungen vorzugehen.
(2) Kommt eine
Einstellung des Verfahrens nach den in Abs. 1 genannten Bestimmungen nicht
zustande oder ist das Verfahren nachträglich einzuleiten oder fortzusetzen (§
90h; § 38 SMG), so hat der Ankläger neuerlich die Anklageschrift einzubringen
oder sonst die zur Fortführung oder Beendigung des Strafverfahrens notwendigen
Anträge zu stellen.“
7. Im § 281 Abs. 1
hat die Z 10a zu lauten:
„10a. wenn nach der Bestimmung des § 90b über die
Einstellung des Verfahrens, anderen auf sie verweisenden Vorschriften oder nach
§ 37 SMG vorzugehen gewesen wäre;“
8. Im § 345 Abs. 1
hat die Z 12a zu lauten:
„12a. wenn nach der Bestimmung des § 90b über die
Einstellung des Verfahrens, anderen auf sie verweisenden Vorschriften oder nach
§ 37 SMG vorzugehen gewesen wäre;“
9. § 381 wird wie
folgt geändert:
a) Im Abs. 1 tritt
am Ende der Z 8 an die Stelle des Punktes ein Strichpunkt; folgende Z 9 wird
angefügt:
„9. die Kosten der Prozessbegleitung (§ 49a) in der
Höhe, wie sie durch das Bundesministerium für Justiz abgegolten werden.“
b) Im Abs. 2 wird
die Wendung „ ,7 und 8“ durch die Wendung „und 7 bis 9“ ersetzt.
Artikel II
Änderungen des
Staatsanwaltschaftsgesetzes
Das
Staatsanwaltschaftsgesetz, BGBl. Nr. 164/1986, zuletzt geändert durch das
Bundesgesetz BGBl. I Nr. 164/2004, wird wie folgt geändert:
1.
In § 13 Abs. 2 wird der
Hundertsatz „5 vH“ durch den Hundertsatz „6 vH“ ersetzt.
2. Nach dem § 34
werden folgende §§ 34a und 34b samt Überschriften eingefügt:
„Register,
sonstige Geschäftsbehelfe und elektronischer Rechtsverkehr“
„§ 34a. (1) Bei jeder Staatsanwaltschaft sind
Register und sonstige Geschäftsbehelfe zu führen, um einen Überblick über die
Gesamtheit der angefallenen Sachen, deren Auffindbarkeit und den Stand der
einzelnen Angelegenheiten zu bieten, die für die Erledigung der einzelnen
Strafsache nötige Übersicht zu erhalten und zugleich die unentbehrlichen
Anhaltspunkte für die Überwachung des gesamten Geschäftsganges und der
Vollziehung der einzelnen staatsanwaltschaftlichen Verfügungen, Anträge und
Aufträge zu sichern.
(2) In die Register
und Geschäftsbehelfe sowie Tagebücher dürfen nur solche Daten aufgenommen
werden, die erforderlich sind, um den Zweck des Registers, Geschäftsbehelfs
oder Tagebuchs zu erfüllen. Die Führung der Register, Tagebücher und sonstigen
Geschäftsbehelfe sowie die Speicherung des Inhalts der staatsanwaltschaftlichen
Tagebücher, Aktenbestandteile, Behelfe und sonstigen Unterlagen haben nach
Maßgabe der technischen und personellen Möglichkeiten mit Hilfe der
Verfahrensautomation Justiz (VJ) zu erfolgen. Die Daten der Register und
sonstigen Geschäftsbehelfe dürfen vom Inhalt der Tagebücher und den sonstigen
Geschäftsbehelfen nicht abweichen.
(3) Der Bundesminister
für Justiz hat durch Verordnung zu bestimmen, welche Register und
Geschäftsbehelfe bei den staatsanwaltschaftlichen Behörden zu führen sowie
welche Gattungen von Angelegenheiten darin einzutragen sind, welche Organe sie
zu führen haben und wie lange sie aufzubewahren oder verfügbar zu halten sind.
Die Form und Einrichtung der Register und Geschäftsbehelfe und wie bei deren
Führung im Einzelnen zu verfahren ist, ist im VJ-Online-Handbuch oder in
sonstigen Erlässen zu regeln. Das VJ-Online-Handbuch ist in der jeweils
aktuellen Fassung über die Intranethomepage der Justiz abrufbar zu halten; die
sonstigen Erlässe sind dort zu verlautbaren.
(4) Soweit Parteien
und Beteiligten ein Recht auf Einsicht in das Tagebuch zusteht, haben sie nach
Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten Anspruch darauf, Ablichtungen
oder Ausdrucke der ihre Sache betreffenden Akten und Aktenteile zu erhalten.
Den Parteien kann unter Bedachtnahme auf eine einfache und sparsame Verwaltung
und eine ausreichende Sicherung vor Missbrauch durch dritte Personen auch
elektronische Einsicht in sämtliche gemäß § 35 Abs. 4 zugängliche, ihre Sache
betreffende Daten, die in der Verfahrensautomation Justiz gespeichert sind,
ermöglicht werden.
(5) Für den elektronischen Rechtsverkehr mit
den Staatsanwaltschaften sind die §§ 89a bis 89g GOG anzuwenden.
Haftung für
IT- Einsatz
§ 34b. (1) Für die durch den Einsatz der Informations- und
Kommunikationstechnik verursachten Schäden aus Fehlern bei der Führung
staatsanwaltschaftlicher Geschäfte einschließlich der
Justizverwaltungsgeschäfte sowie der dafür notwendigen Register und sonstigen
Geschäftsbehelfe und der öffentlichen Register haftet der Bund. Die Haftung ist
ausgeschlossen, wenn der Schaden durch ein unabwendbares Ereignis verursacht
wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit noch auf einem Versagen
der Mittel der automationsunterstützten Datenverarbeitung beruht. Im Übrigen
ist das Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, anzuwenden.
(2) Bei der
elektronischen Übermittlung von Eingaben und Erledigungen haftet der Bund nach
Abs. 1, sofern der Fehler entstanden ist
1. bei Daten, die an die Staatsanwaltschaft
übermittelt worden sind, ab ihrem Einlangen bei der Bundesrechenzentrum GmbH;
2. bei Daten, die von der Staatsanwaltschaft zu
übermitteln sind, bis zu ihrem Einlangen im Verfügungsbereich des Empfängers.“
3. Dem § 42 wird
folgender Abs. 6 angefügt:
(6) Die §§ 13
Abs. 2, 34a und 34b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I
Nr. xxx/2005 treten mit 1. Jänner 2006 in Kraft. § 13 Abs. 2 tritt mit 31.
Dezember 2007 wieder außer Kraft. Mit dem Außerkraftreten tritt § 13 Abs. 2 in
der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 507/1994, wieder in Kraft.
Artikel III
Änderungen des
Tilgungsgesetzes
Das
Tilgungsgesetz, BGBl. Nr. 68/1972, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz
BGBl. I Nr. 100/2005, wird wie folgt geändert:
1. Im § 6 Abs. 1
wird nach der Z 2 folgende Z 2a eingefügt:
„2a. den zur Einleitung und Durchführung des
Strafvollzuges zuständigen Anstalten zum Zweck der Vorbereitung der
Klassifizierung (§§ 134, 161 des Strafvollzugsgesetzes),“
2. Im § 9 wird folgender
Abs. 1d eingefügt:
(1d)
§ 6 Abs. 1 Z 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/xxxx tritt
mit 1.Jänner 2006 in Kraft.“
Artikel IV
In-Kraft-Treten
Artikel I dieses
Bundesgesetzes tritt mit 1. Jänner 2006 in Kraft.