1081 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Antrag 663/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Dieter Böhmdorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Richterdienstgesetz geändert werden

Die Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Dieter Böhmdorfer, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 06. Juli 2005 im Nationalrat eingebracht und im wesentlichen wie folgt begründet:

Das Richterdienstgesetz (RDG) sah in seiner Stammfassung (§ 65 Abs. 1 und § 77 Abs. 1) „Richter beim Oberlandesgericht für den Sprengel des Oberlandesgerichtes“ vor. Diese Richter konnten innerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichtes, bei dem sie ernannt waren, bei einem anderen Gericht als dem Oberlandesgericht für den Fall vorübergehenden Bedarfes infolge Krankheit, Urlaubes, Geschäftsüberlastung oder infolge vorübergehender Vakanz eines Richterpostens für eine Dauer von höchstens sechs Monaten verwendet werden. Die Zahl dieser so genannten „Sprengelrichter alter Prägung“ war nach der Gerichtsverfassungsnovelle, BGBl. Nr. 422/1921, auf den vierten Teil der nach dem Stellenplan für die Bezirksgerichte außerhalb des Sitzes eines Gerichtshofes festgesetzten Richterstellen, ausschließlich der Gerichtsvorsteherstellen, nach der Stammfassung des RDG auf 30 vH dieser Richterstellen bezogen auf den Sprengel des Oberlandesgerichtes begrenzt.

Die betreffenden Bestimmungen des RDG wurden vom Verfassungsgerichtshof mit dem Erkenntnis VfSlg. 8523/1979 teilweise aufgehoben. In der Folge wurden Vertretungsregelungen (§ 77 Abs. 2 bis 4 und 6 RDG) eingeführt, die sich jedoch in der Praxis als nicht ausreichend erwiesen: Im Sinne des genannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes musste jeder Richter nach damaliger Verfassungsrechtslage auf eine Planstelle bei einem bestimmten Gericht ernannt werden, sein richterliches Amt unmittelbar bei diesem Gericht ausüben und in die Geschäftsverteilung dieses Gerichts einbezogen werden. Ein in die Geschäftsverteilung eines Gerichts einbezogener Richter konnte jedoch bei Auftreten eines Ersatzfalles kaum, und wenn überhaupt nur gegen große Widerstände aus der Geschäftsverteilung herausgelöst werden, um bei einem anderen Gericht eingesetzt zu werden (siehe näher RV 1597 d.B.
XVIII. GP, 44 f; AB 1717 d.B. XVIII. GP, 1 ff).

Durch den mit dem Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 506/1994 in das Bundes-Verfassungsgesetz (B‑VG) neu eingefügten Art. 88a wurde daher der einfachen Gesetzgebung die Möglichkeit eingeräumt, in der Gerichtsverfassung zu bestimmen, dass bei einem übergeordneten Gericht Stellen für Sprengelrichter vorgesehen werden können. Die Verwendung dieser Sprengelrichter bei den nachgeordneten Gerichten ist von dem durch die Gerichtsverfassung hiezu berufenen Senat des übergeordneten Gerichtes zu bestimmen, wobei Sprengelrichter nur mit der Vertretung von Richtern nachgeordneter Gerichte und nur im Fall der Verhinderung dieser Richter oder dann betraut werden dürfen, wenn diese Richter wegen des Umfangs ihrer Aufgaben an deren Erledigung innerhalb angemessener Frist gehindert sind. Durch diese Einführung von „Sprengelrichtern neuen Typs“ sollte sichergestellt werden, dass „der Gerichtsbetrieb auch bei unvorhergesehenen Ausfällen so funktionstüchtig bleibt, dass die rechtsschutzsuchende Bevölkerung nicht unzumutbare Verzögerungen hinnehmen“ muss (vgl. RV 1597 d.B. XVIII. GP, 44 f; AB 1717 d.B. XVIII. GP, 2).

Zeitgleich mit dieser B-VG-Novelle beschloss der Nationalrat ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, das Richterdienstgesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden, das in der Folge unter BGBl. Nr. 507/1994 kundgemacht wurde. Nach der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ausführungsbestimmung zu Art. 88a B‑VG, dem früheren § 65 Abs. 2 RDG (nunmehr § 65a RDG) war die Verwendung der Sprengelrichter in der Gerichtsbarkeit vom Außensenat des Oberlandesgerichtes zu bestimmen; diese konnten nur bei den unterstellten Gerichten und nur für die Vertretung von krankheits- oder unfallsbedingt abwesenden Richtern (Z 1), für die Vertretung von Richtern hinsichtlich jener Aufgaben, die sie wegen Bearbeitung von Akten ungewöhnlichen Umfangs nicht wahrnehmen können (Z 2), für die Entlastung von Richtern, in deren Gerichtsabteilungen Rückstände bestehen oder zu entstehen drohen (Z 3), und für die Vertretung von suspendierten oder enthobenen Richtern (Z 4) eingesetzt sind.

Die Zahl der Sprengelrichterstellen wurde durch Art. 88a B‑VG auf 2 vH der bei den nachgeordneten Gerichten bestehenden Richterplanstellen beschränkt. Im RDG wurde dies dahingehend präzisiert, dass die Zahl der Sprengelrichter eines Oberlandesgerichtssprengels 2 vH der bei den Bezirksgerichten und Gerichtshöfen erster Instanz systemisierten Planstellen nicht übersteigen dürfe.

Derzeit sind bei den Bezirks- und Landesgerichten im Sprengel des Oberlandesgerichtes Wien 673, in den Sprengeln der Oberlandesgerichte Graz und Linz jeweils 267 und im Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck 179 richterliche Planstellen ohne besondere gesetzliche Zweckwidmung systemisiert. Derzeit sind 13 Planstellen für Richter für den Sprengel des Oberlandesgerichtes Wien, je fünf für die Sprengel der Oberlandesgerichte Graz und Linz und drei Planstellen für den Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck vorgesehen.

Damit ist der (verfassungs)gesetzliche Rahmen ausgeschöpft. Die Regelung hat sich im Grunde sehr bewährt, allerdings reicht die vorhandene Sprengelrichterkapazität, insbesondere für den Einsatz zur Entlastung von Richtern, in deren Gerichtsabteilungen Rückstände bestehen oder zu entstehen drohen (§ 65a Abs. 1 Z 3 RDG), zahlenmäßig nicht aus. In etlichen dieser Fälle kann dem verfassungsrechtlichen Gebot einer Entscheidung innerhalb angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention) mangels einer ausreichenden Zahl von Sprengelrichtern nur durch Änderungen der Geschäftsverteilung („Sperre“ der betreffenden Gerichtsabteilung hinsichtlich des Aktenneuanfalls, Abnahme von Akten) entsprochen werden.

Um die Funktionstüchtigkeit des Gerichtsbetriebes sicherzustellen und Rechtsschutz innerhalb angemessener Frist gewährleisten zu können, soll daher durch die vorgeschlagene Änderung des Art. 88a B‑VG der verfassungsrechtlich zulässige Anteil der Sprengelrichter von 2 auf 3 Prozent erhöht werden. Davon abgesehen soll sich an der geltenden Rechtslage nichts ändern: Die Bestimmung der Verwendung der Sprengelrichter wird also weiterhin der kollegialen Justizverwaltung vorbehalten sein, und auch die Aufgaben der Sprengelrichter und die Voraussetzungen für ihren Einsatz bleiben dieselben.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 20. September 2005 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2005 09 20

Mag. Walter Tancsits Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

       Berichterstatter                     Obfrau