Abweichende
persönliche Stellungnahme
gemäß § 42 Abs. 5
GOG
der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek und Heidemarie
Rest-Hinterseer
zum
Bericht des Umweltausschusses über
die Regierungsvorlage für ein Umweltrechtsanpassungsgesetz 2005, Artikel 4,
Novelle zum Immissionsschutzgesetz-Luft, 1147 d. Beilagen
Die Grünen stimmen
dem Umweltrechtsanpassungsgesetz insbesondere wegen Ablehnung der vorgeschlagenen
Novellierung des Immissionsschutzgesetzes-Luft nicht zu. Dieser
Novellierungsvorschlag beseitigt nicht alle EU-Rechtswidrigkeiten des Gesetzes
und erhöht nicht die Effizienz des Gesetzes, sondern schwächt sie in
grundlegenden Punkten ab.
1. Nach wie
vor keine vorbeugenden Aktionspläne – Verstoß gegen Art 7 Abs 3 RL 96/62/EG
Der Entwurf stellt
nicht sicher, dass bereits „im Fall der Gefahr
der Überschreitung der Grenzwerte“ Maßnahmen zur Reduktion der Luftschadstoffe
ergriffen werden müssen. Das Programm nach §§ 9a und 9b und die
Maßnahmen nach § 10 sind erst vorgesehen, wenn Grenzwertüberschreitungen
stattgefunden haben, dh gemessen und ausgewiesen sind. Nach der geltenden
Rechtslage ist etwa eine Feinstaubgrenzwertüberschreitung erst im ersten
Halbjahr des Folgejahres im Jahresbericht auszuweisen, eine Statuserhebung ist
innerhalb von 9 Monaten zu erstellen und der Maßnahmenkatalog ist dann innerhalb
von 6 Monaten zu erlassen, das ist 21 Monate
nach Vorliegen der Jahresdaten.
Art 5 Abs 1 RL
1999/39/EG besagt aber eindeutig, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen
müssen, „dass die gemäß Art 7 beurteilten PM10-Konzentrationen in
der Luft die Grenzwerte des Anhangs III Abschnitt I ab den dort
genannten Zeitpunkten nicht überschreiten“. Dies hätte vorbeugende Maßnahmen
bedingt, wie sie in Art 7 Abs 3 RL 96/62/EG auch angesprochen sind. Die Grünen
haben deshalb auf der Grundlage des Gutachtens von Univ.-Prof. Dr. Monika
Hinteregger bereits am 27. 9. 2005
eine Beschwerde bei der EU-Kommission gegen die Republik Österreich eingebracht
(SG 2005/A 8844). Der
gegenständliche Entwurf verschleppt die Maßnahmen gegenüber der geltenden
Rechtslage sogar: Gemäß § 9a Abs 7 muss das „Programm“, das den
Maßnahmenkatalog ersetzen soll, erst 24 Monate nach Ablauf des Jahres,
in dem die Grenz- oder Zielwertüberschreitung gemessen wurde, veröffentlicht
werden.
Dieselbe Logik
tritt bei den Maßnahmenprogrammen für die gentoxischen Humankarzinogene
Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und einige polyzyklische aromatische
Kohlenwasserstoffe zutage, welche laut § 9a Abs 2 erst zum Zeitpunkt, da sie
bereits als Immissionsgrenzwerte gelten (31.12.2012) vorgelegt werden müssen.
Sinn der EU-Regelung ist es jedoch, dass Maßnahmen so frühzeitig ergriffen
werden, dass die Grenzwerte zum gegebenen Zeitpunkt schon eingehalten werden
können. Bereits die Statuserhebung für diese Stoffe ist aufgrund § 8 Abs 3 um eineinhalb Jahre verspätet vorzulegen.
Ebenso solllen die
Neuerungen bei den Statuserhebungen und den Maßnahmen erst für die ab 1. 1. 2005 gemessenen
Grenzwertüberschreitungen gelten. D.h., dass in etwa in den nächsten zwei
Jahren hier noch alles beim Alten bleibt (siehe § 9a Abs 9 des
Gesetzesentwurfs). Ursprünglich sollten diese Neuerungen für
Grenzwertüberschreitungen ab dem 1.1.2003 gelten.
2. Keine
Beseitigung der Ausnahmen bei verkehrs- und anlagenbeschränkenden Maßnahmen
Die Erläuterungen
zum Novellenentwurf bemerken selbstkritisch zum bestehenden Gesetz:
„...Überdies stellte sich heraus, dass die im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen zu
großzügig sind, so dass die Wirksamkeit von Maßnahmen dadurch beeinträchtigt
wird.“ Die Ausnahmen in den §§ 13 (Anlagen) und 14 (Verkehr) wurden jedoch
nicht, wie im ersten Ministerialentwurf vorgesehen, reduziert, sondern unter
dem Strich gesehen, sogar erweitert. Hervorstechend dafür ist die „Lex Gorbach“: Geschwindigkeitsbegrenzungen auf
Autobahnen und Schnellstraßen werden von Gesetzes wegen auf drei Monate
limitiert, soll die Beschränkung länger gelten, ist die Zustimmung des
Verkehrsministers zu dieser Maßnahme notwendig (siehe § 14 Abs 1). Diese
Regelung entbehrt jeder sachlichen Rechtfertigung und ist deren Verfassungskonformität
mehr als fraglich (Eingriff in die Vollzugshoheit der Landeshauptleute durch
den noch dazu sachlich unzuständigen Minister). Geschwindigkeitsbegrenzungen
dürfen (und müssen) ohnehin nur verfügt werden, wenn sie zum Schutz der
Bevölkerung vor Luftschadstoffen bzw zur Einhaltung der Grenzwerte notwendig
sind. Jede überschießende Verkehrsbeschränkung kann von jedem einzelnen
Verkehrsteilnehmer vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts bekämpft
werden. Es bedarf hier also keines
Autofahrerpatrons in der Person des Verkehrsministers im Vorfeld. Wenn
hier Rechte erweitert werden sollen, dann die der passiv betroffenen Anrainer
von Autobahnen von Schnellstraßen, die die Erlassung sie schützender
Verordnungen derzeit nicht rechtlich durchsetzen können.
Nach wie vor
dürfen in Sanierungsgebieten für Anlagen,
die nach der Gewerbeordnung, dem Mineralrohstoffgesetz, dem
Abfallwirtschaftsgesetz und dem Emissionsgesetz-Kesselanlagen genehmigt sind,
keine schärferen Emissionsgrenzwerte vorgeschrieben werden, auch keine
kurzzeitigen Betriebsbeschränkungen. Hier gelten ausschließlich die allgemeinen
Vorschriften dieser Materiengesetze und der dazu ergangenen Verordnungen.
Vorsorgliche Maßnahmen betreffend Dampfkessel, gewerbliche Anlagen und
Bergbauanlagen inklusive Schotterabbau liegen hier allein in der Hand des
Ministers für Wirtschaft und Arbeit. Da die genannten Anlagen wesentlich zur
Feinstaubbelastung beitragen, ist nicht einzusehen, warum hier keine besonderen
kurz- bzw langfristigen Maßnahmen
für Anlagen in Sanierungsgebieten vorgesehen sind. Nach wie vor dürfen auch
etwa für Maschinen, die auf gewerblichen Anlagen eingesetzt werden (siehe § 13
Abs 2 in Bezug auf § 13 Abs 1 lit d) keine strengeren Emissionsgrenzwerte
festgelegt werden.
3.
Neuzulassung von wesentlichen Luftschadstoffemittenten in Gebieten mit
Grenzwertüberschreitungen (Sanierungsgebieten)
Es ist eigentlich
selbstverständlich, dass man in belasteten, sanierungsbedürftigen Gebieten
nicht erhebliche zusätzliche Emissionen
zulassen kann. § 20 IG-L normiert daher, dass die Grenzwerte des IG-L auch in
den Genehmigungsverfahren für neue Anlagen und Anlagenerweiterungen zu beachten
sind. Aufgrund dieser Bestimmung iVm § 77 GewO wurde unter anderem das Projekt
Motorsportzentrum Spielberg vom Umweltsenat abgewiesen (US 5B/2004/11-18).
Nunmehr wird der in der Judikatur richtlinienkonform streng ausgelegte Satz
„Die Einhaltung der in den Anlagen 1 und 2 oder in einer Verordnung nach
§ 3 Abs 3 festgelegten Immissionsgrenzwerte ist anzustreben.“ völlig
gestrichen und durch eine neue Regelung ersetzt. Demnach ist eine Abweisung des
Ansuchens (zur Emission zusätzlicher Luftschadstoffe) nicht mehr möglich, wenn
die Anlage den Stand der Technik in wirtschaftlich zumutbarer Weise einhält und
die neuen Emissionen durch Einsparungen in der Zukunft („langfristig“)
kompensiert werden. Dabei genügt es, dass ein „Ankündigungs“-Programm mit den
beabsichtigten Reduktionsmaßnahmen nach § 9a vorliegt. Der Minimalinhalt
eines Programms ist die Aufstellung aller zur Luftschadstoffreduktion
zweckdienlichen Maßnahmen, es hat keinen verbindlichen Charakter. Entgegen den
Erläuterungen ist der neue § 20 Abs 3 eine Verschlechterung gegenüber der
geltenden Rechtslage, wie sie neuerdings judiziert wurde.
4. Die neuen
„umfassenden“ Programme – reine Wunschlisten
Im Unterschied zum
geltenden § 10 soll das Programm nach §§ 9a und 9b nicht mehr im
Verordnungswege ergehen, es kann daher keinerlei Verbindlichkeit für Dritte
erlangen. Dieser Weg wurde offenbar eingeschlagen, um einerseits den
Anforderungen von Art 8 Abs 3 RL 96/62/EG, der umfassende Pläne erfordert und
anderseits dem innerstaatlichen Fehlen einer derartigen umfassenden Kompetenz
eines einzigen Gesetzgebungs- bzw eines Verwaltungsorgans gerecht zu werden.
Gemäß den Erläuterungen soll der Landeshauptmann/die Landeshauptfrau alle zur
Luftschadstoffreduktion beabsichtigten Maßnahmen, „die in der Bundeskompetenz
liegen“, samt Umsetzungsfristen jeweils im Programm selbst aufstellen und in
einem Anhang auf die Maßnahmen in Landeskompetenz hinweisen. In die
Bundeskompetenz fallen aber auch Verordnungen der Ministerien, zB Verschärfung
der Emissionsverordnungen für Gewerbe- und Berganlagen (diese können ja nach wie
vor nicht durch Maßnahmen der LH nach § 13 erfasst werden). Welche Qualität hat
jedoch die Aufstellung einer Maßnahme durch ein zur Umsetzung unzuständiges
Organ? Es zeigt sich anhand des in § 9a vollführten Spagats wie notwendig eine
Arrondierung der Luftreinhaltungskompetenzen des Bundes wäre.
5. Keine
zwingenden Messungen für PM 2,5 – Verstoß gegen Art
5 Abs 2 RL 1999/30/EG
„PM10-Maßnahmenpläne, die gemäß Art 8 der Richtlinie 96/62/EG
erstellt werden, und allgemeine Strategien zur Verringerung der PM10-Konzentrationen
müssen auch auf die Verringerung der PM2,5-Konzentrationen
abzielen“ (Art 5 Abs 3 RL 1999/30/EG). Der Entwurf sieht zwar erstmals eine
Definition für PM2,5 vor und setzt Art 5 Abs 3 der
Richtlinie 96/62/EG in § 9a Abs 3 letzter Satz um („Programme für PM10 müssen auch auf die Verringerung der PM2,5-Konzentrationen abzielen.“), „vergisst“ zwingende
Messungen der PM2,5 vorzuschreiben, wie dies Art 5
Abs 2 vorsieht. § 4 IG-L (Messkonzept) stellt nur auf jene Schadstoffe ab, für
die Grenzwerte festgelegt sind; § 5 Abs 2 IG-L stellt es den Landeshauptleuten
frei, ob sie auch andere Schadstoffe messen.