1226 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über die Regierungsvorlage (1188 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird (SPG-Novelle 2006)

 

Die Sicherheitspolizeigesetz-Novelle 2006 enthält Regelungen, die unterschiedliche Bereiche des Gesetzes betreffend.

1.1. Ziel dieses Gesetzesentwurfes ist es, Gewalt bei Sportgroßveranstaltungen besser vorbeugen zu können und daher den Sicherheitsbehörden taugliche Mittel und Instrumente in die Hand zu geben, dem Phänomen europaweit zunehmender gewalttätiger Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit internationalen und nationalen Sportveranstaltungen verstärkt begegnen zu können. Der Entwurf schlägt daher nicht nur neue Befugnisse der Sicherheitsbehörden und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes „vor Ort“, also im Umfeld eines Veranstaltungsortes, z. B. einem Stadion, sondern auch die Möglichkeit der zentralen Speicherung von Gewalttätern bei Sportgroßveranstaltungen vor. Die zentrale Erfassung von Gewalttätern bezieht im Hinblick auf die internationale Zusammenarbeit (Fußballeuropameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz) auch ausländische gewaltbereite Fans mit ein. Ziel der Maßnahmen ist ein rascheres Erkennen des Gewaltpotentials in- und ausländischer „Hooligans“ und die Entwicklung wirksamer Gegenstrategien zum Schutz des Publikums. Die Eingriffsintensität dieser Maßnahmen ist in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsprinzips abhängig von einschlägigen Vorfällen in der Vergangenheit in Kombination mit der Einschätzung des Gefährdungspotentials im Einzelfall.

Die angesprochene internationale Zusammenarbeit ist auch in einer Reihe von europarechtlichen Dokumenten verankert:

1. Rechtsakte (in Anwendung des Titel VI EUV)

-       Beschluss des Rates (2002/348/JI) vom 24.04.2002 über die Sicherheit bei Fußballspielen von internationaler Bedeutung (ABl L 121, vom 08.05.2002);

2. Entschließungen

-       Entschließung des Rates (2003/C 281/01) vom 17.11.2003 über den Erlass von Zugangsverboten zum Austragungsort von Fußballspielen von internationaler Bedeutung durch die Mitgliedsstaaten;

-       Entschließung des Rates (2002/C 22/01) vom 6.12.2001 betreffend ein Handbuch mit Empfehlungen für die internationale polizeiliche Zusammenarbeit und Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Gewalttätigkeiten und Störungen im Zusammenhang mit Fußballspielen von internationaler Dimension, die zumindest einen Mitgliedstaat betreffen;

3. Sonstige

-       Schlussfolgerungen des Rates über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Gewalt in Verbindung mit Fußball;

-       Vorschläge zum Ausbau der Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt in Verbindung mit Fußball (noch nicht angenommen, Dok.7017/1/04 REV 1 ENFOPOL 23) der Gruppe „Polizeiliche Zusammenarbeit“.

1.2. Die Aufnahme von Regelungen zur Erklärung eines Veranstaltungsortes und eines bestimmten Bereiches um diesen zum Sicherheitsbereich und die Gefährderansprache dienen der Erfüllung präventiver Aufgaben der Sicherheitsexekutive in besonderem Zusammenhang mit Sportgroßveranstaltungen. Konkret sollen die Sicherheitsbehörden die Möglichkeit erhalten, Sicherheitsbereiche mittels Verordnung einzurichten. Daran anknüpfend werden die Befugnisse zu Wegweisung und Verhängung eines Betretungsverbotes von potentiell gefährlichen Menschen geregelt.

1.3. Mit dem neu zu schaffenden Instrument der Gefährderansprache bei Sportgroßveranstaltungen soll als Maßnahme mit geringer Eingriffsintensität eine Kontaktaufnahme zwischen Sicherheitsbehörde und einem potentiellen Gewalttäter im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen ermöglicht werden. Ziel dieser Maßnahme ist in erster Linie, durch persönliche Ansprache und Belehrung des Betroffenen eine Sensibilisierung für rechtskonformes Verhalten bei Sportgroßveranstaltungen zu erreichen und auf die Folgen einer Beteiligung an gewalttätigen Auseinandersetzungen  im Zusammenhang mit der Veranstaltung hinzuweisen.

1.4. Derzeit enthält das Sicherheitspolizeigesetz Regelungen, die es den Sicherheitsbehörden erlauben, für bestimmte Zwecke und unter genau definierten Voraussetzungen Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte einzusetzen. Darüber hinaus zeichnen in Österreich aber auch zunehmend Private oder andere Behörden mittels Videotechnik personenbezogene Daten auf, die für die sicherheitspolizeiliche Aufgabenerfüllung wertvolle und dienliche Informationen enthalten können. Es ist der Exekutive aber nur im Anwendungsbereich der Strafprozessordnung, also im Rahmen der Verbrechensaufklärung im Hinblick auf eine konkret begangene Straftat möglich, freiwillig oder mittels richterlich angeordneter Beschlagnahme gemäß § 143 StPO erlangtes, „privates“ Videomaterial auszuwerten. Mit der vorgeschlagenen Ermächtigung sollen die Sicherheitsbehörden im Einzelfall zur Bekämpfung von gefährlichen Angriffen oder kriminellen Verbindungen oder zur erweiterten Gefahrenerforschung auch einschlägiges Datenmaterial Dritter weiterverarbeiten dürfen, wenn dies zur Abwendung schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist.

1.5. Den Sicherheitsbehörden und –dienststellen wird mit dem Instrument des Sicherheitsmonitors ein tagesaktuelles kriminalpolizeiliches Informationstool zur Verfügung gestellt. Dadurch sollen aktuelle Kriminalitätsschwerpunkte (Hot Spots) über die geographischen Bezirksgrenzen hinaus rechtzeitig erkannt und sinnvolle Gegenmaßnahmen rasch eingeleitet (inkl. Ressourcenplanung für den Streifendienst u. dgl.) werden können. Unter anderem können auch Straftaten zu festgenommenen Tätern über die Bezirksgrenzen hinaus zugeordnet und Seriendelikte erkannt werden.

1.6. Das Instrument der erweiterten Gefahrenerforschung in seiner derzeitigen Ausgestaltung ist hinsichtlich der dafür einsetzbaren Befugnisse verbesserungsbedürftig, da weder die verdeckte Ermittlung noch der (verdeckte) Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten zulässig sind. Eine Ausweitung der Ermittlungsmethoden ist notwendig, um dem Bedürfnis der Vorfeldaufklärung im Verfassungsschutz und in der Terrorismusbekämpfung gerecht werden zu können.

1.7. Durch § 22 Abs. 1 Z 3 SPG wird den Sicherheitsbehörden die Aufgabe übertragen, Vertreter von ausländischen Staaten, internationalen Organisationen und anderer Völkerrechtssubjekte besonders zu schützen. Um diese Aufgabe bestmöglich erfüllen zu können, wird der präventive Einsatz moderner Videotechnik auch an öffentlichen Orten für zulässig erklärt, an denen sich anlässlich von internationalen Konferenzen oder anderen auch nationalen Ereignissen besonders zu schützende Menschen im Sinne der oben beschriebenen Aufgabenstellung aufhalten.

1.8. Die neuen Maßnahmen sollen unter der begleitenden Kontrolle des Rechtsschutzbeauftragten stehen, wie dies dem bewährten Muster im Sicherheitspolizeirecht seit Jahren entspricht. Durch die Übernahme immer weiterer Aufgaben durch den Rechtsschutzbeauftragten wird es notwendig, die Kontrollbefugnisse des Rechtsschutzbeauftragten zu erweitern und ihn verfassungsrechtlich zu verankern. Dies wird zum Anlass genommen, eine Zusammenfassung der Bestimmungen über den Rechtsschutzbeauftragten im Konnex mit einer Neugliederung des Teiles Rechtsschutz vorzunehmen.

 

Die vorgeschlagenen Bestimmungen betreffend die datenrechtlichen Neuregelungen und den Sicherheitsmonitor verursachen keine bezifferbaren Mehrkosten.

Durch die Erweiterung der Aufgaben des Rechtsschutzbeauftragten sind geringe Mehrkosten zu erwarten.

Durch den vorliegenden Gesetzesvorschlag werden im Hinblick auf die Erweiterung der besonderen Ermittlungsmaßnahmen zusätzliche Ausgaben im Anlagenbereich in Höhe von rund 900.000.- Euro im Bereich der Sicherheitsexekutive erwartet.

Einnahmen lassen die in § 84 Abs. 1 Ziffer 5 neu geschaffene Strafbestimmung erwarten; die Höhe ist wegen der Neuartigkeit dieser Strafbestimmung, basierend auf der gleichfalls neu geschaffenen Basis (§ 36b), nicht kalkulier- oder seriös abschätzbar.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die weiteren in den einzelnen Bestimmungen verankerten Aufgaben und Befugnisse der Behörden und deren Organe zu keinerlei Mehrbelastungen in budgetärer Hinsicht führen werden.

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seinen Sitzungen am 22. und 29. November 2005 in Verhandlung genommen. Im Zuge der Beratungen fand ein Hearing statt, bei dem folgende Experten gehört wurden: Univ.-Prof. DDr. Ludwig Adamovich, Präsident des Verfassungsgerichtshofes i.R.; Univ.-Prof. Dr. Bernd Christian Funk, Universität Wien; Univ.-Prof. Dr. Bernhard Raschauer, Universität Wien; Karl Schwing; Bezirksinspektor.

Weiters beteiligten sich an der Debatte die Abgeordneten Mag. Walter Posch, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Johann Maier, Günter Kößl, Dr. Peter Pilz, Mag. Gisela Wurm, Anton Gaál, sowie die Bundesministerin für Inneres Liese Prokop und der Ausschussobmann Abgeordneter Rudolf Parnigoni.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Günter Kößl, Rudolf Parnigoni, Dr. Helene Partik-Pablé, einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

 

„Zu Z 1 (§ 53 Abs. 5)

Der Anregung eines vom Ausschuss für innere Angelegenheiten geladenen Experten folgend wird die unklare Formulierung „Private oder andere Behörden…“ durch eine einfachere und verständlichere Formulierung ersetzt.

Zu Z 2 (§ 57 Abs. 1 Z 11a)

Die Änderung beseitigt ein Redaktionsversehen.

Zu Z 3 (§ 59 Abs. 2)

Diese Änderung stellt klar, dass die Protokolldaten jedenfalls 3 Jahre aufzubewahren sind und danach gelöscht werden müssen. Davon nicht berührt werden Bestimmungen des DSG 2000, wonach Protokolldaten eines anhängigen Verfahrens nicht gelöscht werden dürfen.

Zu Z 4 (§ 91d)

Gemäß § 91d Abs. 1 haben die Sicherheitsbehörden dem Rechtsschutzbeauftragten Einsicht in alle erforderlichen Unterlagen und Aufzeichnungen zu gewähren und auf Verlangen Abschriften auszufolgen. Ähnlich wie bei der parlamentarischen Kontrolle nach Art 52a B-VG existiert gegenüber dem Rechtsschutzbeauftragten eine Einschränkung dann, wenn es sich um Auskünfte und Unterlagen handelt, die die Identität von Personen oder Quellen betreffen und im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung der nationalen Sicherheit oder der Sicherheit von Menschen geheim zu halten sind. Für Ablichtungen gilt das gleiche, wenn das Bekannt werden der Information an sich die nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen gefährden würde.

Zu Z 5 (§ 94 Abs. 20)

Die Ergänzung des § 94 Abs. 20 soll eine möglichst schnelle Bestellung des Rechtsschutzbeauftragten und seiner Stellvertreter nach den neuen Regeln gewährleisten.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Günter Kößl, Rudolf Parnigoni, Dr. Helene Partik-Pablé mit Stimmenmehrheit angenommen.

 

Weiters wurde ein von den Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Günter Kößl, Dr. Helene Partik-Pablé eingebrachter Entschließungsantrag betreffend Videoüberwachung durch Private an öffentlichen Orten bzw. in öffentlich zugänglichen Räumen mit Stimmenmehrheit beschlossen.

Dieser Antrag war folgendermaßen eingeleitet:

„Der Datenschutzrat hat sich mit dem Begutachtungstext für eine Sicherheitspolizeigesetz-Novelle 2006 intensiv beschäftigt und eine umfassende Stellungnahme dazu abgegeben. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere auch die Frage der Zulässigkeit einer Videoüberwachung durch Private an öffentlichen Orten diskutiert.“

Ein vom Abgeordneten Dr. Peter Pilz eingebrachter Entschließungsantrag betreffend gesetzliche Regelung der Videoüberwachung durch Private an öffentlichen Orten bzw. in öffentlich zugänglichen Räumen fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

 

Hinsichtlich § 91c Abs. 2 SPG beschloss der Ausschuss für innere Angelegenheiten einstimmig folgende Feststellungen:

Zu § 91c Abs. 2 SPG

Es wird festgehalten, dass sich der Rechtsschutzbeauftragte, der von einer beabsichtigten Überwachung öffentlicher Orte mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten gemäß § 54 Abs. 6 oder 7 verständigt wurde und die Dreitagesfrist ungenützt (ohne sich zu äußern) verstreichen ließ, nicht der Möglichkeit begeben hat, auch zu einem späteren Zeitpunkt Einwände gegen die Ermittlungstätigkeit zu erheben. Diese Frist hemmt vorerst nur den Beginn der konkreten Überwachungstätigkeit durch die Sicherheitsbehörde, spätere Äußerungen des Rechtschutzbeauftragten zur Rechtmäßigkeit (etwa Verhältnismäßigkeit der zeitlichen oder räumlichen Ausdehnung der Videoüberwachung) sind selbstverständlich beachtlich.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2005 11 29

Norbert Sieber Rudolf Parnigoni

       Berichterstatter                  Obmann