Abweichende persönliche Stellungnahme
gemäß § 42 Abs. 5
GOG
des Abgeordneten Mag. Werner Kogler
betreffend den
Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über Außenprüfung bei den Finanzämtern
(III-158 der Beilagen)
Einleitung
Die Aktivitäten
von Finanzminister Karl-Heinz Grasser und der Industriellenvereinigung kreuzen
sich an zwei markanten Punkten: Im Jahr 2001 überwies die IV dem „Verein zur
Förderung der New Economy“ in zwei Tranchen ATS 3,9 Mio., also rund 283.000 €.
Endbegünstigter dieser Zuwendung war Karl-Heinz Grasser.
Nach heftigem
Lobbying durch die IV und jahrelangen Vorbereitungen durch den Finanzminister
wurde 2004 eine Steuerreform beschlossen. Hauptnutznießer dieser Reform waren
durch die Senkung der Körperschaftssteuer und die Einführung einer
Gruppenbesteuerung mit einer Steuerersparnis von jährlich mindestens 1,1 Mrd. €
– unter anderem – Mitglieder der Industriellenvereinigung.
Ob zwischen diesen
beiden Vorgängen ein Zusammenhang besteht, konnte im Rechnungshofausschuss nicht
behandelt und somit auch nicht ausgeschlossen werden.
Im Juni 2003
wurden die Zahlungen der IV an den Verein nach und nach bekannt. Da offenbar
keine Steuer bezahlt worden war, riet Mitte Juni 2003 der Steuerrechtsexperte
Prof. Werner Doralt zur Selbstanzeige. Diese erfolgte auch in Form von
„Auskunftsersuchen“ an die zuständigen Finanzbehörden, sowohl durch BM Grasser
als auch den Verein zur Förderung der New Economy.
Am 11. Juli 2003
präsentierte Staatssekretär Finz das Ergebnis der steuerrechtlichen Auskünfte:
Es wurde auf keiner Ebene eine Steuerpflicht festgestellt. Dieses erstaunliche
und von den meisten Steuerexperten heftig kritisierte Ergebnis warf unter
anderem die Frage auf, wie die Finanzämter in ähnlichen Fällen zu entscheiden
pflegen. Der Vorsitzende des Rechnungshofausschusses regte daher in einem Brief
an Rechnungshofpräsidenten Heinz Fiedler an, die Gebarung des BMF und der
Finanzämter in diesem und ähnlichen Fällen zu prüfen. Diese Anregung wurde im
Rahmen einer Prüfung der Finanzämter aufgegriffen.
Der Rechnungshof
prüfte im Frühjahr bis Sommer 2004 die Außenprüfungen bei den Finanzämtern. In
diesem Rahmen machte er eine Einzelfeststellung über die steuerliche
Beurteilung des Vereins zur Förderung der New Economy.
Der Rechnungshof
prüfte hier nicht die Steuerakte Grasser bzw. Homepageverein erneut, sondern
die Abläufe im Ministerium und den Finanzämtern. Er prüfte, „ob die von der
Finanzverwaltung in Abgabenverfahren getroffenen Entscheidungen den bestehenden
Vorschriften entsprechen oder nicht“.
Staatssekretär
Finz qualifizierte diese Prüfung allerdings als „abstrus“ (Ö1 Mittagsjournal,
3.2.04).
‚Homepage’
und Rechnungshofprüfung
Der Verein zur
Förderung der New Economy, gegründet am 23.3.2001 von Kabinettsmitarbeitern von
Finanzminister Grasser, erhielt Einnahmen allein durch „Zuwendungen“ der
Industriellenvereinigung. Schon ein Monat nach Gründung, am 24.4.2001 trafen ATS 2,4 Mio. am Vereinskonto ein, am 9.11.2001 weitere ATS 1,5 Mio. Eine dritte Überweisung in Höhe von 75.000 € erfolgte gerade zum Zeitpunkt, als der
Homepageskandal aufbrach, am 13.6.2003. Diese Überweisung wurde von der IV als
„irrtümlich“ bezeichnet und vom Verein rücküberwiesen.
Vereinszweck zum
Zeitpunkt der ersten beiden Überweisungen war unter anderem „Errichtung und
Betrieb einer Homepage für NN“. Im Frühjahr 2001 gab der Verein die Errichtung
einer Homepage bei der Firma Firstinex Internet Services bzw. Martrix Dr.
Hochegger Marketing Consulting GmbH in Auftrag und im Mai 2001 wurde die Domain
„karlheinzgrasser.at“ registriert.
Aus dem Umstand,
dass der Verein erst kurz vor dem ersten Zahlungseingang gegründet wurde, dass
weiters sämtliche Vereinseinnahmen von der IV kamen, und dass schließlich über
90% der Vereinsausgaben mit der Erstellung einer Homepage begründet wurden,
lässt sich folgern, dass dieser Verein einzig und allein dazu geschaffen wurde
um Gelder der IV entgegenzunehmen und eine Homepage für Karl-Heinz Grasser zu
erstellen.
Privat oder
dienstlich?
BM Grasser hatte
(im Rahmen der Diskussion über missbräuchliche Verwendung öffentlicher Gelder
für Werbung) am 12.Juni 2003 im Nationalrat erklärt: „Natürlich
ist diese Homepage privat und über Sponsoren finanziert.“ Staatssekretär
Finz widersprach jedoch ein Monat später dieser Auffassung in seiner berühmten
Weißwaschaktion am 11.Juli. Da bei einer Zuwendung für eine „private“ Homepage
natürlich Steuerpflicht bestanden hätte, war die Homepage jetzt plötzlich eine
Angelegenheit im dienstlichen Interesse, „ähnlich wie ein Dienstwagen“. Da aber
Grassers Baby- und Kinderfotos schlecht zu den Dienstaufgaben eines
Finanzministers passen, wurden sie flugs von der Homepage entfernt. Die Aussage
Grassers, dass die Homepage privat und nicht dienstlich sei, wurde von den
Finanzbehörden ignoriert.
Gemeinnützig?
Der Verein zur
Förderung der New Economy war als gemeinnütziger Verein angemeldet. Nun ist die
behauptete Gemeinnützigkeit völlig unhaltbar, wenn man die Vereinsrichtlinien
sowie die Statuten dieses Vereins betrachtet. Dort heißt es: „Eine Förderung
der Allgemeinheit liegt nicht vor, wenn die beruflichen und wirtschaftlichen
Interessen von bestimmten Personengruppen gefördert werden.“
Dass trotzdem
zuerst Gemeinnützigkeit vorgeschützt wurde, um keine
Einkommens- und Körperschaftssteuer zahlen zu müssen, wirft ein eigenartiges
Bild auf die Gründer und Funktionäre des Vereins. Schließlich handelt es sich
bei diesen um höchstrangige Mitarbeiter des Finanzministeriums.
Dass sich der
Status der Gemeinnützigkeit beim vorliegenden Vereinszweck nicht werde halten
lassen, dürfte den Vereinsfunktionären schon Anfang 2002 gedämmert sein. Damals
änderten sie die Statuten und entfernten
den Punkt aus dem Vereinszweck: „Errichtung und Betrieb einer Homepage
für NN“. An der steuerrechtlichen Beurteilung hätte das für den Verein wohl
kaum etwas verbessern können, waren doch praktisch die gesamten Ausgaben des
Vereins der Homepage gewidmet und deren alleiniger Nutznießer war Karl-Heinz
Grasser.
Satzungsgemäß?
Mit der Statutenänderung
schuf der Verein aber ein neues Problem: Wie der Rechnungshof in seinem Bericht
ausführlich begründet, wurde karlheinzgrasser.at im Jahr 2002 freigeschalten,
also nach der Änderung. Damit war die Zuwendung an Karl-Heinz Grasser nicht
mehr „satzungsgemäß“. Die von Staatssekretär Finz so wortreich wie wenig
überzeugend vorgebrachte Argumentation, bei satzungsgemäßen Zuwendungen
entstehe keine Steuerpflicht, brach damit in sich zusammen. Karl-Heinz Grasser
wäre somit für diesen Bezug einkommensteuerpflichtig!
Die
Argumentationskapriolen erreichten bei der Begründung der „satzungsgemäßen
Zuwendung“ ihren Höhepunkt und auch einen hohen Unterhaltungswert. So
wurde von Sektionschef Quantschnigg und Staatssekretär Finz behauptet, dass in
dieser Frage Vereine wie Stiftungen zu behandeln seien. Nun ist es aber
geradezu ein Charakteristikum von Stiftungen, dass ihre Satzungen bei der
Errichtung festgelegt werden und danach nicht mehr geändert werden können.
Anders bei Vereinen, die ihre Statuten jederzeit ändern können, wie gerade auch
der Verein zur Förderung der New Economy beweist. Würde diese Auffassung
allgemeine Gültigkeit haben, so hätten Vereine und wahrscheinlich auch
Kapitalgesellschaften in der Hand, den Umfang ihrer
Steuerpflicht selbst zu bestimmen.
Als Beleg für die
Rechtsmeinung des Ministeriums in Sachen Homepage wurde ein veralteter
Kommentar zur deutschen Schenkungssteuer aus dem Jahr 1975 herangezogen, der in
den späteren Auflagen dieses Buches gestrichen wurde (Troll/Gebel/Jülicher,
2.Aufl).
Der Rechnungshof
prüfte ausführlich, ob diese Rechtsmeinung schon woanders angewandt wurde. Das BMF konnte aber keinerlei Nachweis liefern, dass die bei BM
Grasser gewählte Vorgangsweise allgemeine Verwaltungspraxis sei oder
auch nur in einem einzigen anderen Fall angewendet wurde.
Auch versuchten
einige Vereine und Firmen für sich eine Gleichbehandlung mit dem Verein zur
Förderung der New Economy zu erreichen, so der Abg. Pilz mit seinem Verein zur
Förderung der Friends Economy oder ein oberösterreichischer Privatradiosender.
Es gelang aber in keinem Fall die Finanzbehörden davon zu überzeugen, dass auch
andere ein Recht darauf haben, so wie Karl-Heinz Grasser behandelt zu werden
und keine Steuer zu zahlen.
Der schmale
Grat zwischen Lobbying und Bestechung
Der politisch
wichtige Aspekt dieser Groteske ist aber – neben der fatalen Vorbildwirkung und
der Senkung der Steuermoral – , dass der Finanzminister der Republik Zuwendungen einer Interessenvertretung entgegennimmt. Ein
Vorgang, der in anderen Demokratien fraglos für die Entlassung des Ministers
reicht.
Der Rechnungshof
kritisiert, dass in der Frage der Schenkungssteuerpflicht „Tatbestandsmerkmale
unzureichend erhoben wurde“. Es geht hier um die Frage, ob die Zuwendung
durch die Industriellenvereinigung an den Verein eine Schenkung war, eine
freigebige Zuwendung oder eine satzungsgemäße Zuwendung. Wesentlich ist hier
die Frage, ob die Industriellenvereinigung sich etwas für ihre Zahlung
erwartete, ob sie eine bestimmte Absicht verfolgte, ob also ein subjektiver
Bereicherungswille beim Zuwendenden bestand.
Die Finanzbehörden
verneinten die Frage, ob sich die IV irgendeine Gegenleistung für ihr
großzügiges Geschenk erwartete. Sie hatten allerdings nicht geprüft, auf
welcher Grundlage die IV gezahlt hatte. Es lagen den Finanzbehörden keine
Organbeschlüsse der IV oder sonstige Belege vor, aus denen abzulesen gewesen
wäre, dass diese Zuwendung ohne eine Absicht erfolgte.
Es erscheint
äußerst seltsam, dass eine Interessenvertretung hohe Geldbeträge ausgibt, ohne
sich davon einen Vorteil für die von ihr vertretenen Mitglieder zu erwarten.
Es ist auch ungeklärt, wessen Gelder zum Homepageverein wanderten. Es
könnten nicht nur Gelder der IV sein sondern auch die einer bestimmten Firma.
Die IV hat immerhin offen zugegeben, hin und wieder eine Spende eines ihrer
Mitglieder weiterzuleiten und damit zu anonymisieren. Die
Industriellenvereinigung fungiert also mitunter zugegebenermaßen als
Spendenwaschanlage, ein Vorgang, der in der Bundesrepublik Deutschland
unter Strafe gestellt wurde.
Parlamentarische
Kontrolle – nur soweit die Mehrheit sie zulässt
Es wurde von den
Abgeordneten der Grünen Fraktion als unerträglich empfunden, dass BM Grasser
dem Ausschuss mitteilt, auf welche Auskunftspersonen verzichtet werden soll, da
sie seiner Meinung nach inkompetent oder irrelevant seien.
Es kann nicht
Aufgabe der Parlamentarier sein, anderslautende Meinungen zu unterdrücken, um
„ihrem“ Minister bei seiner Rechtfertigung zu helfen.
Der
Ausschussvorsitzende hat daher außerhalb des Ausschusses UnivProf Dr. Werner
Doralt die folgenden Fragen gestellt, deren Beantwortung für die
parlamentarische Behandlung der Homepage-Affäre von großer Wichtigkeit sind.
Frage: Wie sehen Sie die Frage der
Gemeinnützigkeit beim Verein zur Förderung der New Economy?
Dr.
Doralt: Das
Verhalten des BMF war von Anfang darauf gerichtet, den Minister zu decken: Als
die Spende der Industriellenvereinigung (IV) an den New Economy Verein bekannt
wurde, hat das Ministerium wochenlang behauptet, der dem Minister nahe stehende
Verein sei gemeinnützig und deshalb von der Schenkungssteuer befreit.
Als
die Gemeinnützigkeit nicht mehr haltbar war, kündigte das BMF eine neue
Erklärung an, wonach die Zuwendungen an den New Economy Verein trotz fehlender Gemeinnützigkeit
steuerfrei seien.
Frage: Welche
neuen Begründungen für die Steuerfreiheit wurden angeführt?
Dr.
Doralt: In der
Folge kam es zu einem Fernsehauftritt des Staatssekretärs Dr. Finz mit dem
stellvertretenden Sektionschef Dr. Quantschnigg. Dr. Quantschnigg erklärte –
unter Hinweis auf einen zunächst nicht genannten Kommentar –, die Zuwendungen
seien satzungsgemäß erfolgt und deshalb steuerfrei.
In
einem ORF-Interview korrigierte ich Dr. Quantschnigg tagsdarauf, dass diese
Auffassung nicht haltbar ist. – Die Kommentarmeinung bezog sich auf einen
Literaturpreis einer gemeinnützigen Einrichtung; davon abgesehen findet sich
die von Dr. Quantschnigg vertretene Auffassung in keinem einzigen Kommentar.
Als
ich Dr. Quantschnigg wegen des Radio-Interviews zuhause anrief, versicherte er
wiederholt, er habe mit der ganzen Sache nichts zu tun, gleichzeitig konnte er
aber zeilengenau die Fundstelle aus dem Kommentar zitieren.
Frage: Ist
Dr. Quantschnigg Ihrer Meinung nach befangen?
Dr.
Doralt: In der
Folge wurden die zuständigen Beamten in das BMF zu Gesprächsrunden geladen
(siehe auch den RH-Bericht, Tz 27), deren Teilnehmer streng geheim gehalten
worden sind.
Dabei
ging es insbesondere um die ebenfalls geheim gehaltene Teilnahme von
Dr. Quantschnigg an diesen Beratungen, weil Dr. Quantschnigg doppelt
befangen war: erstens als engster Mitarbeiter des Ministers (und mit diesem
nach eigenen Aussagen „freundschaftlich verbunden“) in einer Angelegenheit, die
den Minister politisch betrifft, zweitens als stellvertretender Sektionschef,
weil der Sektionschef, Dr. Nolz, also sein unmittelbarer Vorgesetzter, als
Rechnungsprüfer des New Economy Vereins vom Ergebnis des Abgabeverfahrens
betroffen war.
Erst
der „Standard“ lüftete das Geheimnis: Die Beratungen fanden im BMF unter
Mitwirkung von Dr. Quantschnigg statt.
Damit
war erwiesen, dass Dr. Quantschnigg trotz Befangenheit an den Beratungen
teilgenommen hat und sich damit nach dem Beamtendienstrechtsgesetz
verantwortlich gemacht hat (§ 47 BDG).
Frage: Welche
Rolle spielte Staatssekretär Finz?
Dr.
Doralt: Staatssekretär
Dr. Finz trifft die Verantwortung, die Teilnahme von Dr. Quantschnigg an den
Beratungen im Finanzministerium gedeckt zu haben, obwohl er wusste, dass Dr.
Quantschnigg befangen ist. – Staatssekretär Dr. Finz war vorher leitender
Beamter im Rechnungshof, kennt also die Rechtslage.
Frage: Wie
wird Ihrer Wahrnehmung nach an anderen Orten als dem BMF die Befangenheit von
Beamten gegenüber Vorgesetzten gehandhabt?
Dr.
Doralt: Während in den Finanzämtern die Befangenheit
streng gehandhabt wird, und seit jeher zB strenge Dienstanweisungen bestehen,
wonach die Beamten eines Finanzamtes im Verfahren des Vorstandes als befangen
gelten, wird die Befangenheit im Finanzministerium gegenüber dem unmittelbaren
Vorgesetzten sehr locker gehandhabt.
Eine
E-Mail-Anfrage in der Personalabteilung des Innenministeriums beweist, das man
auch anderenorts die Befangenheit genau nimmt: Als befangen gilt dort gegenüber
einer anderen Person ein Beamter dann, wenn er „in einem engen dienstlichen
Verhältnis steht, sodass dessen volle Unbefangenheit nicht gewährleistet
erscheint“. Diese Regelung „ist im gesamten Aufgabengebiet des öffentlichen
Dienstes anzuwenden“ (Dr. Kloibmüller, 24.1.2005).
Offenkundig
gelten unterschiedliche Verhaltensregeln: Was den Beamten in den Finanzämtern
strengstens untersagt wird, wird im Ministerium bedenkenlos gehandhabt.
Frage: Was
sagen Sie zur Theorie, dass satzungsgemäße Zuwendungen steuerfrei sind?
Dr.
Doralt: Die von Dr.
Quantschnigg „erfundene“ Theorie, dass satzungsgemäße Zuwendungen steuerfrei
seien, stützt sich insbesondere auf die Stiftungsrichtlinien. – Dr.
Quantschnigg kennt aber den Unterschied sehr genau: Während die Satzung einer
Stiftung nicht mehr geändert werden kann, ist die Satzung eines Vereins
jederzeit änderbar. – Käme es tatsächlich auf die Satzung an, wie Dr.
Quantschnigg behauptet, könnte sich jeder Verein nach Belieben selbst
steuerfrei stellen.
Der
Rechnungshof bezeichnet demgemäß auch die von Dr. Quantschnigg bzw vom BMF
vertretene Auffassung für „nicht haltbar“ (Tz 28.4).
Diese
vom RH gegenüber dem BMF ablehnende Haltung kann sich auf die einhellige
Meinung im Fachschrifttum stützen (Kommentar von HR Dr. Werner Fellner und
Kommentar von Dorazil/Taucher). Dagegen findet sich die von Dr. Quantschnigg
vertretene Auffassung in keinem einzigen aktuellen Kommentar zum
österreichischen bzw. deutschen ErbStG, wobei die Rechtslage in diesem Punkt in
beiden Ländern gleich ist. Mehrere deutsche Kommentarautoren haben, zu dem Fall
in Österreich befragt, einhellig die von Dr. Quantschnigg vertretene Auffassung
ebenfalls zurückgewiesen.
Keine
einzige der vom BMF dagegen angeführten Stellungnahme einer „Reihe von Steuern-
und Zivilrechtsexperten“ (RH-Bericht Tz 28.3) wurde offen gelegt; das BMF
argumentiert also mit geheim gehaltenen Gutachten, eine Vorgangsweise, die für
sich spricht.
In
parlamentarischen Anfragebeantwortungen behauptete allerdings das BMF
ursprünglich (noch vor der Prüfung durch den RH), die Steuerfreiheit
satzungsgemäßer Zuwendungen von Vereinen sei seit jeher Verwaltungspraxis, und
es gebe auch schriftlich erteilte Rechtsauskünfte. Dr. Quantschnigg hat sich
schon vorher auf diese angeblichen Auskünfte berufen, die allerdings dem
Amtsgeheimnis unterliegen.
Vom
RH aufgefordert, die schriftlich erteilten Auskünfte vorzulegen, musste das BMF
zugeben, dass es keine schriftlichen Anfragebeantwortungen gibt (RH-Bericht, Tz
28.2). Das heißt, das Finanzministerium gab vorher unrichtige parlamentarische
Anfragebeantwortungen ab.
Ablauf der
Ausschussarbeit
1.
Sitzung am 20.10.2005:
Die Sitzung im
Anschluss an die Plenarsitzung vom 19.10. diente der Ladung von
Auskunftspersonen. Grüne und SPÖ beantragten gemeinsam die Ladung von Dr. Peter
Quantschnigg und Dr. Peter Nolz aus dem Finanzministerium, die als „Berater“
der Finanzämter bzw. als Funktionär des Homepage Vereins mit dieser Sache
befasst waren, sowie der zwei Leiter der in dieser Steuersache tätigen
Finanzämter, Mag. Stöger und Dr. Gams.
Die Ladung von
Mag. Stöger und Dr. Gams wurde von den Regierungsfraktionen abgelehnt. Eine Aufklärung der vom Rechnungshof festgestellten
Widersprüche zwischen den zwei Finanzämtern in der steuerrechtlichen
Beurteilung des Vereins zur Förderung der New Economy wurde damit verhindert.
2.
Sitzung am 9.11.2005
Der Sitzungsablauf
litt unter einem augenscheinlich indisponierten
Abgeordneten der VP Fraktion und musste zur Bereinigung dieser Situation
auf längere Zeit unterbrochen werden.
Sektionschef Dr.
Nolz führte aus, dass er nur allgemein zu steuerlichen Fragen Stellung nehmen
könne, nicht aber in der speziellen Sache, da er als Rechnungsprüfer des
Vereins zur Förderung der New Economy befangen sei.
Dr. Quantschnigg
erläuterte ausführlich, wieso seiner Meinung nach keine Steuerpflicht
entstanden sei. Alle Versuche, ein umfassenderes Bild dieser Steuerproblematik
zu bekommen, scheiterten. Abg. Pilz forderte die Ladung von Generalsekretär
Lorenz Fritz, um mehr über die Hintergründe und Motive der Zuwendung durch die
IV zu erfahren. Dieser Antrag wurde abgelehnt.
Als nächste
Auskunftsperson wurde Dr. Michael Klackl von der Staatsanwaltschaft Wien
beantragt. Auch das wurde von VP und FP/BZÖ abgelehnt.
Nun setzten
intensive Verhandlungen zwischen den Fraktionen ein, um zumindest die Leiter
des Finanzamts für Gebühren und Verkehrsteuern Wien (FA10), Dr. Günter Gams,
und des Finanzamts Wien 4/5/10 (FA04), Mag. Christian Stöger, laden zu können.
Von diesen beiden Personen wurde Aufklärung darüber erwartet, wieso beide
Finanzämter diesen Fall unterschiedlich beurteilt hatten, sich aber in der
Folgerung – keine Steuerpflicht – einig waren. Auch stand die Frage im Raum,
wie intensiv sich das Finanzministerium, speziell in der Person von Dr.
Quantschnigg, in die Beurteilung der Steuersache „beratend“ eingebracht hatte.
Darüber hinaus
wurde gefordert, die Meinung eines unabhängigen Steuerexperten zu hören. Die
Ladung von UnivProf Dr. Werner Doralt, Uni Wien, und Dr. Karl-Werner Fellner,
Verwaltungsgerichtshof Wien, wurde vorgeschlagen.
BM Grasser lehnte
eine Ladung von Prof. Doralt ab, da dieser nie mit der Sachlage betraut war und
daher höchstens eine Fernmeinung abgeben könne. Diese Einmischung des Ministers
in die Rechte der Mandatare führte zu erregten Debatten.
Um weitere
Konsultationen und damit einen Kompromiss zu ermöglichen, wurde die Sitzung
unterbrochen.
Fortsetzung
der Sitzung am 25.11.2005
Der Kompromissvorschlag der Opposition sah vor, die
unterbrochene Sitzung im Anschluss an die Plenarsitzung am 16.11. wieder
aufzunehmen und nach der Ladung zusätzlicher Auskunftspersonen zu vertagen. Da
darüber keine Einigung zu erzielen war, wurde die Sitzung am nächsten
planmäßigen Ausschusstermin am 25.11. fortgesetzt. Damit war aber absehbar,
dass die für diesen Tag ursprünglich avisierte Tagesordnung nicht mehr
abgearbeitet werden konnte.
Die
Oppositionsparteien brachten Anträge auf Ladung von Mag. Stöger (FA04), Dr. Gams (FA10),
Mag. Winkler (Kabinett Grasser
und Vereinsobmann), Dr. Fellner und UnivProf Doralt ein. Alle
Anträge wurden von VP und FP/BZÖ abgelehnt.
Prof. Doralt hatte
sich bereit erklärt, in der laufenden Sitzung als Auskunftsperson zur Verfügung
zu stehen. Er wurde jedoch nicht zugelassen und musste vor
der Tür warten.
Der
Ausschussvorsitzende wies darauf hin, dass es einer fortgeschrittenen
parlamentarischen Demokratie unwürdig sei, wenn in einer derart heiklen
Situation nur Personen gehört werden dürfen, die sich selbst als befangen
erklären oder die nach Meinung unabhängiger Fachleute befangen sind. Hier gelte
es die Standards eines EU-Durchschnittslandes zu erreichen.
Abg. Kräuter
verlangte, die Sitzung zu unterbrechen, um erneut einen Kompromiss
zu suchen, wenn nötig unter Einbeziehung der Parlamentspräsidiale oder
des Bundespräsidenten.
Abg. Gahr stellte
den Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts. Nach einer letzten Wortmeldungsrunde
zur Geschäftsordnung wurde die Sitzung unterbrochen.
Fortsetzung
der Sitzung am 30.11.2005
Trotz der
Bemühungen des Ausschussvorsitzendem in den Tagen nach dem 25.11. eine
gemeinsame Vorgangsweise zu vereinbaren, um die offenen Fragen aus dem Bericht
angemessen behandeln zu können, gab es keine Bewegung mehr von Seiten der ÖVP.
Fraktionsführer Abg. Hermann Gahr fasste die Position der ÖVP zusammen: „Wir
brauchen keinen Kompromiss.“
Da der Antrag auf
Kenntnisnahme des Berichts bereits eingebracht war, wurde ohne weitere Debatte
die Behandlung des Rechnungshofberichts III-58 d.B. nach Mehrheitsbeschluss
beendet.
Resumee
Es war im
Ausschuss nicht möglich, die abgabenrechtliche Seite der Homepageaffäre
differenziert zu behandeln. Es konnte nur die eine Seite gehört werden, die
andere blieb ausgesperrt.
Die Kritik des
Rechnungshofs, dass Grasser und Homepageverein von den Finanzbehörden eine
Sonderbehandlung erfuhren und dass sich kein Parallelfall finden ließ, konnte
nicht entkräftet werden.
Die Begründungen,
warum in diesem Fall keinerlei Steuerpflicht entstand, blieben wenig
glaubwürdig. Der Steuerexperte und damalige Richter am Verwaltungsgerichtshof
Dr. Karl-Werner Fellner sagte dazu folgendes: „Auf irgendeiner Ebene, sei es
bei der Industriellenvereinigung, sei es beim geförderten Verein, sei es beim
Minister selbst, hätte auf jeden Fall Steuer gezahlt werden müssen. Alles andere
sind Ausflüchte.“
Die sich
gegenseitig widersprechenden steuerrechtlichen Beurteilungen durch die zwei
betroffenen Finanzämter konnten nicht geklärt werden.
Die vielen
Schwenks und Widersprüche bei den Versuchen, die Affäre zuzudecken zeigten vor
allem Folgendes: Immer wenn versucht wurde, ein Loch zu flicken, riss an einer
anderen Stelle ein neues Loch auf.
Die Motive der
Industriellenvereinigung, dem Finanzminister über einen eigens geschaffenen
Verein Millionenbeträge zukommen zu lassen, für eine Homepage, die nach
Gutachtermeinung nur einen Bruchteil dieser Summe wert war, konnten im
Ausschuss nicht erläutert werden.
Finanzminister
Grasser blieb bei seiner Auffassung, dass es sein Recht sei, Zuwendungen einer
Lobbying-Gruppe entgegenzunehmen, und das für alle Beteiligten steuerfrei.
Eine angemessene
parlamentarische Behandlung dieser Affäre steht noch aus.
Wien, 2. Dezember
2005
Mag. Werner Kogler