1255 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Menschenrechte

über die Regierungsvorlage (996 der Beilagen): Protokoll Nr. 14 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Änderung des Kontrollsystems der Konvention

Die Anzahl der bei dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) eingebrachten Beschwerden ist nicht zuletzt durch den Beitritt zahlreicher neuer Vertragsstaaten zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) stark angestiegen. Dies hat einen beträchtlichen Rückstand an offenen Verfahren nach sich gezogen, der es wiederum erforderlich macht, insbesondere Organisation und Verfahren des EGMR entsprechend umzugestalten, um die Erledigung der Beschwerden in angemessener Zeit zu gewährleisten. Das vorliegende Protokoll Nr. 14 zur EMRK über die Änderung des Kontrollsystems der Konvention (im Folgenden: 14. ZPEMRK) ergänzt die mit dem Protokoll Nr. 11 zur EMRK über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus, BGBl. III Nr. 30/1998, gesetzten Reformschritte mit dem Ziel, die langfristige Wirksamkeit des bestehenden Kontrollsystems zu sichern und zu verbessern.

Der Steigerung der Effizienz des EGMR dient vor allem die Übertragung der offensichtlich begründeten Beschwerden, die bisher von siebenköpfigen Kammern behandelt wurden, in die Zuständigkeit der dreiköpfigen Ausschüsse und die Übertragung der Gruppe der offensichtlich unbegründeten Beschwerden („clearly inadmissible cases“) in die Zuständigkeit von Einzelrichtern (Art. 26ff EMRK nF); beides bringt mit sich, dass die betreffenden Beschwerden im vereinfachten Verfahren erledigt werden. Zugleich wird die Möglichkeit eröffnet, Kammern zu bilden, die bloß aus fünf anstatt wie bisher sieben Richtern bestehen.

Darüber hinaus führt das 14. ZPEMRK verbesserte Instrumente zur Umsetzung von Urteilen des EGMR ein (Anträge des Ministerkomitees gemäß Art. 46 Abs. 3 und 4 EMRK nF: Antrag auf Auslegung eines Urteils, um die erforderlichen Durchführungsmaßnahmen leichter zu bestimmen; Antrag auf Klärung, ob ein Vertragsstaat seiner Verpflichtung zur Befolgung eines rechtskräftigen Urteils des EGMR nachgekommen ist). Außerdem wird die Amtszeit der Richterinnen und Richter auf neun Jahre ohne Möglichkeit der Wiederwahl verlängert (Art. 23 EMRK nF iVm. Art. 21 des 14. ZPEMRK), erhalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kanzlei des EGMR in bestimmten Bereichen die Funktion von Berichterstattern ohne Stimmrecht (Art. 24 Abs. 2 EMRK nF) und wird dem Kommissar für Menschenrechte des Europarates die Möglichkeit eingeräumt, in einzelnen Verfahren eine Stellungnahme zu erstatten (Art. 36 Abs. 3 EMRK nF).

Weiters werden die Zulässigkeitstatbestände um eine neue Zulässigkeitsschranke für Bagatellbeschwerden erweitert (Art. 35 Abs. 3 lit. b EMRK nF iVm. Art. 20 des 14. ZPEMRK).

Von der Leitidee der Effizienz des EGMR losgelöst schafft das 14. ZPEMRK die Voraussetzung für einen schon lange in Diskussion stehenden Beitritt der Europäischen Union zur EMRK (Art. 59 Abs. 2 EMRK nF) und nimmt Bereinigungen redaktioneller Natur an der EMRK vor.

Alle Maßnahmen, die zur Wahrung und Steigerung der Effizienz des EGMR ergriffen werden, basieren auf dem Subsidiaritätsprinzip (vgl. Art. 1 und 19 EMRK): Die Verantwortung für die Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte tragen in erster Linie die Vertragsstaaten der EMRK, sodass sie das EMRK-Kontrollsystem auf innerstaatlicher Ebene entsprechend zu unterstützen haben. Durch entsprechende Ausgestaltung der nationalen Rechtsordnungen, die eine Verletzung von Menschenrechten weitgehend verhindert und innerstaatliche Rechtsmittel gegen dennoch eingetretene Verletzungen bereitstellt, wird der EGMR ebenso entlastet wie durch die umgehende und umfassende Durchführung von EGMR-Urteilen, die einen Strukturmangel festgestellt haben. In Summe stellen solche nationalen Maßnahmen die wirksamste Prävention gegen Menschenrechtsverletzungen dar und nehmen mittelfristig Druck vom EGMR. Die in diesem Rahmen wünschenswerten Schritte hat der Europarat in mehreren Empfehlungen und Resolutionen zusammengefasst (Declaration Dec-12.05.2004/1E; Recommendation No. R (2000) 2 of the Committee of Ministers on the re-examination or reopening of certain cases at domestic level following judgments of the European Court of Human Rights; Recommendation Rec(2002)13 of the Committee of Ministers on the publication and dissemination in the member states of the text of the European Convention on Human Rights and of the case-law of the European Court of Human Rights; Recommendation Rec(2004)4E of the Committee of Ministers on the European Convention of Human Rights in university education and professional training; Recommendation Rec(2004)5E of the Committee of Ministers on the verification of the compatibility of draft laws, existing laws and administrative practice with the standards laid down by the European Convention of Human Rights; Recommendation Rec(2004)6E of the Committee of Ministers on the improvement of domestic remedies; Resolution Res(2004)3E of the Committee of Ministers on judgments revealing an underlying systemic problem).

Das 14. ZPEMRK bedarf als Änderungsprotokoll gemäß seinem Art. 19 zu seinem In-Kraft-Treten der Ratifizierung aller Vertragsstaaten. Der In-Kraft-Tretens-Zeitpunkt ist zur Zeit nicht abzuschätzen, da im April 2005 noch nicht alle Vertragsstaaten unterzeichnet hatten und lediglich die Ratifikationen von Armenien, Dänemark, Georgien, Irland, Malta, Norwegen und des Vereinigten Königreichs vorlagen; in der Deklaration „Ensuring the effectiveness of the implementation of the European Convention on Human Rights at national and European level“ hat das Ministerkomitee aber die Mitgliedstaaten dringend aufgefordert, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um das 14. ZPEMRK so rasch wie möglich zu ratifizieren, um dessen In-Kraft-Treten spätestens im Mai 2006 zu garantieren.

 

Aufgrund seiner verfassungsergänzenden und verfassungsändernden Natur bedarf der vorliegende Staatsvertrag der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 und 3 B-VG; eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG ist nicht erforderlich.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Der Staatsvertrag ist in deutscher, englischer und französischer Sprache abgefasst, wobei jeder Text gleichermaßen authentisch ist.

 

Der Ausschuss für Menschenrechte hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 02. Dezember 2005 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin Anna Höllerer der Abgeordnete Dietmar Keck sowie der Staatssekretär im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Hans Winkler.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Der Ausschuss für Menschenrechte vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.

Als Berichterstatterin für das Plenum wurde Abgeordnete Anna Höllerer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Menschenrechte somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll Nr. 14 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Änderung des Kontrollsystems der Konvention (996 der Beilagen) – der verfassungsändernd ist – wird genehmigt.

Wien, 2005 12 02

Anna Höllerer Mag. Terezija Stoisits

    Berichterstatterin                     Obfrau