Begründung
des Einspruches
gegen den Beschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2005 betreffend ein
Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre
Studien (Hochschulgesetz 2005)
Mit diesem
Gesetzesbeschluss des Nationalrates sollen die derzeit 51 Pädagogischen
Institutionen (Pädagogische Akademien, Berufspädagogische Akademien,
Pädagogische Institute etc.) bis 2007 zu 8 staatlichen „Pädagogischen
Hochschulen“ – ergänzt durch eine „Agrarpädagogische Hochschule“ –
zusammengeführt werden.
Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens wurde
massive Bedenken gegen den Gesetzesentwurf geäußert.
Die neuen
Pädagogischen Hochschulen entsprechen nicht den Herausforderungen für eine
qualifizierte Neuorientierung der LehrerInnenaus- und -weiterbildung:
- Die Aus- und Weiterbildung und ist nur für PflichtschullehrerInnen vorgesehen. Eine breite Ausbildung für alle pädagogischen Berufe (Kindergartenpädagogik, Freizeitpädagogik, Erwachsenenbildung) fehlt,
- die BerufschullehrerInnenausbildung ist nicht eindeutig vorgesehen,
- die Autonomie nicht gewährleistet (die Pädagogische Hochschule ist nach wie vor eine Einrichtung des BMBWK),
- die politische Einflussnahme herrscht vor (der Hochschulrat besteht aus 5 Mitgliedern, 3 davon entsendet das BMBWK, der jeweilige Landesschulratspräsident, 1 Mitglied entsendet die jeweilige Landesregierung)
- die Abschlüsse sind international nicht kompatibel (es wird ein neuer Titel „Bachelor“ geschaffen)
- die forschungsgeleitete Lehre ist nicht gesichert,
- Studiengebühren werden eingehoben.
- die qualitative Sicherung ist ungenügend (keine externe Evaluierung, keine qualitativen Ansprüche an die Lehrenden, Verweigerung der Vorschläge der Expertenkommission)
- Gefahr der Bildungssackgasse: (keine definierten Übergänge bzw. Schnittstellen zwischen Abschluss und Universitäten)
- inhaltliche Defizite (pädagogische Berufe wie Sozialarbeit, Kindergartenpädagogik und Erwachsenenbildung sind nicht erfasst)
- mit einer Länge von sechs Semestern bilden wir das Schlusslicht in Europa
- kein Masterstudium ist vorgesehen
Aufgrund des
Akademiestudiengesetzes 1999 wurde zur Vorbereitung der Einrichtung von
Pädagogischen Hochschulen im Bildungsministerium eine Planungs- und Evaluierungskommission
(PEK) eingerichtet. Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens hat die PEK eine
vernichtende Kritik zum Gesetzesentwurf abgegeben: So seien „erhebliche
Defizite zu jenen Standards erkennbar, die im Europäischen Raum konstituierend
für eine echte tertiäre Bildungseinrichtung sind“. Weiters hebt die PEK
folgende Bereiche hervor: „Der Wirkungsbereich der Pädagogischen Hochschulen
gegenüber den Vorgaben des Akademiestudiengesetzes werde in entscheidender
Weise eingeschränkt. Der Namenswechsel ‚von Hochschulen für Pädagogische
Berufe’ zu ‚Pädagogischen Hochschulen’ ist von inhaltlichen Defiziten
begleitet. Die Fokussierung auf die Volks- und HauptschullehrerInnen-Ausbildung
ist zwar organisatorisch verständlich, aber nicht inhaltlich akzeptabel. Andere
pädagogische Berufe, wie Sozialpädagogik, Kindergartenpädagogik,
Erwachsenenbildung, die im Akademiestudiengesetz ausdrücklich, jedenfalls
sinngemäß als Aufgabenbereich der Hochschulen für Pädagogische Berufe genannt
wurden, werden nicht angesprochen oder nur ansatzweise erwähnt
(Berufspädagogik). Weiters kritisiert die PEK, dass der Gesetzesentwurf nicht
zur Wahrnehmung der für eine hochschulische Institution zentralen
Forschungsaufgaben ermuntert, sondern diese in überdeutlicher Abgrenzung und
abwertender Abstufung zu den Universitäten einschränkt. Forschung wird durch
die Forderung nach ausschließlicher und unmittelbarer Berufsfeldbezogenheit und
mit der Eingrenzung auf das Berufsfeld ‚Schule’ (wobei es doch um pädagogische
Berufe gehen sollte) in einer Weise begrenzt, die weder einer qualitätsvollen
Verbindung von Lehre und Forschung gerecht wird, noch die Entwicklung einer
Forschungskultur, die sich unbehindert durch administrative Einschränkungen
entfalten kann, erlaubt und eine auch im öffentlich-rechtlichen Interesse
gelegene Aufgabe beschneidet, nämlich LehrerInnen pädagogische Berufsfelder
über den Lehrberuf hinaus zu öffnen, was angesichts der aktuellen
Arbeitsmarktsituation für AbsolventInnen der Pädagogischen Hochschulen eine
zentrale Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Trägers, aber auch
privat-rechtlicher Träger sein muss. Der verwendete Forschungsbegriff ist
außerordentlich einengend und hat nichts mit jener Freiheit der Forschung zu
tun, die echte hochschulische Institutionen kennzeichnet. Die Pädagogischen
Hochschulen werden überdies der Möglichkeit massiver politischer Einflussnahme
ausgesetzt.“
Auch in den
Stellungnahmen einzelner Bundesländer werden erhebliche Bedenken gegen den
Gesetzesentwurf geäußert.
· So führt der Landesschulrat für Oberösterreich in seiner Stellungnahme an: „Sollte dies Gesetz werden, würden wir gemeinsam mit Belgien innerhalb der EU das Pädagogische Schlusslicht in der Ausbildung der PflichtschullehrerInnen mit einer Länge von 6 Semestern bilden“. Weiters wird ausgeführt, dass „jede tertiäre Bildungseinrichtung in Österreich als zentrale Drehscheibe einen demokratisch gewählten Senat hat. Eine entsprechende Struktur ist an der Pädagogischen Hochschule nicht vorgesehen. Überdies wird die Studienkommission in ihren Kompetenz wesentlich beschnitten und die studentische Mitbestimmung auf ein Minimum beschränkt.“
· Der Landesschulrat fordert eine Klarstellung, dass auch die Ausbildung der BerufsschullehrerInnen an der Pädagogischen Hochschule erfolgt.
· Die Steiermärkische Landesregierung schließt sich der Ablehnung und Argumentation der Planungs- und Evaluierungskommission an.
Die
Österreichische Rektorenkonferenz merkt an, „dass die Pädagogischen Hochschulen
durch den Gesetzesentwurf keineswegs zu universitären Einrichtungen, weder in
struktureller noch in qualitativer Hinsicht, werden. Im Wesentlichen ist hier
eine Fortschreibung des Status quo durch den Gesetzesentwurf zu konstatieren.“
Der Rechnungshof
führt an, dass der Entwurf „den Empfehlungen des Rechnungshofes, wonach
Lehrkräfte an den Pflichtschulen und an den Höheren Schulen zumindest in die
didaktisch-pädagogischer Hinsicht gemeinsam auszubilden wären, widerstreitet.
Er zielt nämlich nur auf eine Weiterführung der Pädagogischen Akademien unter
geänderter Bezeichnung ab. Qualitätsstandards hinsichtlich der lehrenden
Qualifikation, wie etwa an Universitäten, fehlen bei den vorgeschlagenen
Pädagogischen Hochschulen.“
Der Katholische
Familienverband kritisiert die ausgeprägte politische Gewichtung im Hochschulrat,
„sie spricht eindeutig gegen das Prinzip der Autonomie und lässt eine
Instrumentalisierung des Studienbetriebes befürchten. Die parallelen
Ausbildungsmodelle der LehrerInnen im Bereich der 10-14-Jährigen lässt sich
kaum begründen. Die Zuteilung zusätzliche Ressourcen zur Forschung ist nicht
deutlich genug ausgewiesen.“
Ebenso lehnt der
Landesschulrat für Salzburg den Gesetzesentwurf ab, „da zwischen dem
vorliegenden Hochschul-Gesetz-Entwurf und der universitären Ausbildung
hinsichtlich der Bildungsabschlüsse keine Schnittstelle und auch de facto keine
Durchlässigkeit besteht und darüber hinaus auch im Sinne der Bologna-Erklärung
kein Professionalisierungskontinuum gewährleistet ist. Auch das Einheben von
Studiengebühren wird abgelehnt.“
Der Landesschulrat
Steiermark fordert die Miteinbeziehung der Kindergartenpädagogik und der
Bildungsanstalten für Sozialpädagogik in die Pädagogischen Hochschulen.
Auch der
Stadtschulrat für Wien meint, dass „von einer einheitlichen hochschulmäßigen
Lehrerbildung, wie sie im Akademiestudiengesetz 1999 als Zielbestimmung
formuliert wurde, die Hochschule auf Grund des gegenständlichen Entwurfes weit
entfernt ist. Die ‚Pädagogische Hochschule’ vermittelt keine vollakademischen
Abschlüsse. Ziel wäre es, alle Lehrerinnen und Lehrer – insbesondere auch die
der allgemein bildenden Pflichtschulen – in weiterer Folge alle in
pädagogischen Berufen Tätigen - mit vollakademischen Graden zu versehen. Es
werde zwar die Kooperation zu den Universitäten angesprochen, jedoch fehlen
konkrete Aufgabenfelder und Kooperationshinweise. Auf die Schnittstellen
zwischen ‚Pädagogischer Hochschule’ und Universitäten, vor allem im Bereich der
Ausbildung der LehrerInnen höherer Schulen, wird kaum eingegangen bzw. das
meiste offen gelassen. Die berufliche Bildung bzw. Berufsbildung wird nur am
Rande erwähnt. Es ist zu verlangen, dass neben der Allgemeinbildung die
berufliche Bildung gleichwertig hervorgehoben wird und eine integrative
ganzheitliche Lösung erarbeitet wird.“
Die
Bundesarbeitskammer kritisiert, „dass dem Ziel, PflichtschullehrerInnen auf
Hochschul-Niveau auszubilden mit vorliegendem Gesetzesentwurf keinesfalls
entsprochen werde, da weder eine wissenschaftlich fundierte und
forschungsgeleitete Lehre noch die Qualitätsentwicklung und –sicherung
gewährleistet ist. Darüber hinaus wurden auch wesentliche autonome Elemente
hochschulischer Einrichtungen nicht berücksichtigt. Es fehlen diese
konstitutiven Merkmale einer Hochschule, d.h., durch die vorgelegte
Konstruktion wird nicht einmal die Entwicklung in Richtung einer Hochschule
erkennbar. Der schulische Charakter der Lehrerausbildung bleibt erhalten. Daran
ändert auch die künftige Bezeichnung nichts. Das vorliegende Konzept einer
‚Pädagogischen Hochschule’ garantiert auch weiterhin, dass Österreich das
europäische Schlusslicht hinsichtlich der Länge der Ausbildungsdauer und der
Flexibilität innerhalb der pädagogischen Berufe bildet. Hier wird die bisherige
‚Sackgassenausbildung’ fortgeschrieben, da weder die Anerkennung des
Bakkalaureats seitens der Universitäten gesichert ist noch Masterstudien an der
Pädagogischen Hochschule angeboten werden können, die in einem Zusammenhang mit
der vorgelagerten Lehramtsausbildung stehen. Besonders kritisch wird die
fehlende Neuordnung der Berufsschullehrerausbildung einschließlich der
Lehrenden in den praxisorientierten Fächern der berufsbildenden mittleren und
höheren Schulen (BMHS) eingeschätzt. Es wird die Auffassung vertreten, dass
eine sechssemestrige, berufsbegleitende Ausbildung für diese Lehrergruppe unabdingbar
ist, um den steigenden pädagogischen und fachdidaktischen Anforderungen
entsprechen zu können. Gerade die Gruppe der Lehrlinge benötigt Lehrende, die
einerseits über einschlägige Berufspraxis und anderseits über bestes
pädagogisches Know-how verfügen.“ Die BAK fordert weiters die Einbeziehung der
Ausbildung für KindergärtnerInnen, Grundschul-, Mittelstufe-LehrerIn sowie
Erwachsenenbildnern.
Da die im Rahmen
der Begutachtung abgegebenen Stellungnahmen - insbesondere jene aus den
Bundesländern - überwiegend negativ sind und den Einwendungen keinesfalls
Rechnung getragen worden ist, das vorliegende Gesetz in keinster Weise den
Ansprüchen einer qualitativ hochwertigen LehrerInnenausbildung gerecht wird
sowie die Einhebung von Studiengebühren vorgesehen ist, erhebt der Bundesrat
gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates einen Einspruch.
Aus all den
genannten Gründen wird daher der Antrag gestellt, gegen den genannten
Gesetzesbeschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben.