Vorblatt

Probleme und Ziele der Gesetzesinitiative

Mit der vorgeschlagenen Verankerung einer Anti-Stalking-Bestimmung im StGB soll der materiellrechtliche Opferschutz ausgeweitet und damit gesellschaftlichen Entwicklungen, insbesondere dem gestiegenen Respekt vor der Persönlichkeit des Menschen und seinem Recht auf Selbstbestimmung Rechnung getragen werden.

Andererseits soll der Opferschutz auch im zivilrechtlichen Bereich gestärkt werden, indem ein Einschreiten der Sicherheitsbehörden bei der Vollziehung einstweiliger Verfügungen ermöglicht wird, um eine effektive Durchsetzung des Verbots der persönlichen Kontaktaufnahme, der Verfolgung und des Aufenthalts an bestimmten Orten sicherzustellen. Überdies sollen bestimmte Stalking-Handlungen im Wege einstweiliger Verfügungen verboten werden können, wobei es keiner Einbringung einer Unterlassungsklage zur Rechtfertigung einer solchen einstweiligen Verfügung bedarf.

In Ergänzung zu den vorgesehenen Änderungen des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung 1975 und der Exekutionsordnung soll auch durch das Sicherheitspolizeigesetz sichergestellt werden, dass Opfer von Stalking-Handlungen professionelle Hilfe durch bewährte geeignete Opferschutzeinrichtungen bekommen.

Grundzüge der Problemlösung

Durch die Schaffung des neuen Straftatbestandes der „beharrlichen Verfolgung“ nach § 107a StGB sollen bestimmte über eine längere Zeit hindurch fortgesetzte widerrechtliche Verhaltensweisen, die geeignet sind, das Opfer in seiner Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, pönalisiert werden, womit der politischen Forderung nach vermehrtem Schutz vor psychischer Gewalt entsprochen wird.

Im Bereich des Prozessrechts wird im Zusammenhang mit der Einführung des § 107a StGB die Aufnahme dieser Bestimmung in den Katalog jener Delikte, die trotz ihrer Strafdrohung nicht in die sachliche Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallen, vorgeschlagen (§ 9 Abs. 1 Z 1 StPO).

Alternativen

Keine.

Finanzielle Auswirkungen

Die Einführung neuer Straftatbestände in das StGB kann mit einem Mehraufwand im Bereich der Sicherheits- und Justizbehörden verbunden sein, der sich nicht genau absehen, vor allem nicht quantifizieren lässt und maßgeblich von der Kriminalitätsentwicklung sowie der Entdeckungsrate (und damit der Kontroll-, Nachforschungs- und Untersuchungsintensität) in den betroffenen Bereichen abhängen wird. Nach Maßgabe der damit einhergehenden möglichen Steigerung der Verurteiltenzahlen und des Ausmaßes der verhängten Strafen kann es auch zu einer nicht näher quantifizierbaren Zusatzbelastung im Bereich des Strafvollzugs kommen.

Schätzungsweise könnte es wegen des neuen § 107a StGB sowie im Zusammenhang mit dem in einer weiteren Regierungsvorlage vorgeschlagenen Wegfall des Ermächtigungserfordernisses bei gefährlichen Drohungen im Familienkreis nach § 107 Abs. 4 StGB zu rund 200 bis 300 zusätzlichen Strafverfahren pro Jahr (mit einem geschätzten Mehrbedarf von zwei Planstellen für RichterInnen, einer für einen Staatsanwalt/eine Staatsanwältin und insgesamt rund 10 für den nichtrichterlichen und den Vollzugsbereich) kommen.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Die vorgeschlagenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder stehen mit diesen in Einklang. Es handelt sich nicht um die Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich

Keine.

Besonderheiten des Gesetzgebungsverfahrens

Keine.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

I. Allgemeines

Der vorliegende Entwurf dient im Wesentlichen der Stärkung des Opferschutzes im straf- und zivilrechtlichen Bereich.

1. Strafgesetzbuch

Vorgeschlagen wird, einen neuen Straftatbestand (§ 107a) zum Schutz von Stalking-Opfern zu schaffen, der insbesondere beharrlich gesetzte widerrechtliche Verhaltensweisen unter Strafe stellen soll, die nicht von anderen Bestimmungen, wie beispielsweise jenen der gefährlichen Drohung, des Hausfriedensbruchs, der Körperverletzung etc erfasst, aber dennoch geeignet sind, beträchtlich in die Lebensführung des Opfers einzugreifen und daher von der Gesellschaft als unzumutbar gewertet werden. Wie im vom Konsens aller im Nationalrat vertretenen Parteien getragenen Entschließungsantrag vom 12. Mai 2005 betreffend wirksame gesetzliche und andere Maßnahmen gegen Stalking (111/E XXII.GP) festgehalten, trifft den Staat zur Verhinderung von Gewalt, insbesondere im privaten Bereich, eine besondere Verantwortung, weshalb Opfer auch ein korrespondierendes Recht auf staatliche Schutzmaßnahmen haben. Bereits mehrere Länder, etwa Kalifornien, Großbritannien, die Niederlande, Schweden oder Belgien, haben Stalking als eine Form von „sozialer“ Gewalt erkannt und entsprechende legistische Umsetzungsmaßnahmen getroffen. Auch in Deutschland sind derzeit Gesetzesentwürfe der Bundesregierung und des Bundesrates in Begutachtung, die beharrliche Nachstellungen pönalisieren. Wie der österreichische Vorschlag enthält auch der Entwurf der deutschen Bundesregierung zu § 241b dStGB (Nachstellung) eine taxative Aufzählung strafrechtlich unerwünschter Verhaltensweisen. Hingegen sieht der Entwurf des deutschen Bundesrates zu § 238 dStGB (Schwere Belästigung) zusätzlich die Verankerung einer Generalklausel vor, die die Vornahme „anderer, ebenso schwerwiegender Handlungen“ als schwere Belästigungen kriminalisiert. Von der Normierung eines derartigen Auffangtatbestandes wurde bei der Fassung des österreichischen Entwurfs zur Erhöhung der Rechtssicherheit jedoch bewusst Abstand genommen.

2. Strafprozessordnung 1975

Im Bereich des Prozessrechts wird im Zusammenhang mit der Schaffung des neuen Straftatbestandes nach § 107a StGB die Verankerung der Eigenzuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz in der StPO vorgeschlagen.

3. Einstweilige Verfügungen

In einstweiligen Verfügungen ausgesprochene Verbote können bisher grundsätzlich nur durch Geld- oder Haftstrafen, die auf Antrag der gefährdeten Partei im Exekutionsverfahren zu verhängen sind, vollzogen werden. Da beim Verbot der persönlichen Kontaktaufnahme, der Verfolgung und des Aufenthalts an bestimmten Orten unmittelbare Abhilfe zum Schutz des Opfers notwendig ist, soll das Gericht in diesen Fällen die Sicherheitsbehörden mit dem Vollzug der einstweiligen Verfügung betrauen können. Verstößt der Täter insoweit gegen die einstweilige Verfügung, muss das Opfer keinen Exekutionsantrag bei Gericht stellen, sondern kann sich unmittelbar an die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes wenden, die die Anordnungen der einstweiligen Verfügung durchsetzen.

Überdies soll die Möglichkeit geschaffen werden, bestimmte Stalking-Handlungen durch einstweilige Verfügung bis längstens ein Jahr zu verbieten, ohne der gefährdeten Partei eine Frist für die Einbringung einer Klage zu setzen. Das Opfer kann somit im Wege einer einstweiligen Verfügung rasch ein Kontaktaufnahmeverbot gegen den Täter erwirken, muss aber keine Unterlassungsklage einbringen.

4. Sicherheitspolizeigesetz (Interventionsstellen)

Als Abrundung der zur Bekämpfung von Stalking vorgesehenen Änderungen des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung 1975 und der Exekutionsordnung und in Ergänzung der bereits bestehenden Regelungen, bewährte geeignete Opferschutzeinrichtungen mit der Beratung und Unterstützung von Menschen zu betrauen, die von Gewalt bedroht sind, soll durch eine Änderung des § 25 SPG auch ermöglicht werden, solche professionelle Hilfe Menschen zukommen zu lassen, die Opfer beharrlicher Verfolgung im Sinne des neu vorgeschlagenen § 107a StGB sind.

II. Zu den finanziellen Auswirkungen

Die Einführung neuer Straftatbestände in das StGB kann mit einem Mehraufwand im Bereich der Sicherheits- und Justizbehörden verbunden sein, der sich noch nicht genau absehen, vor allem nicht quantifizieren lässt, und maßgeblich von der Kriminalitätsentwicklung sowie der Entdeckungsrate (und damit der Kontroll-, Nachforschungs- und Untersuchungsintensität) abhängen wird.

Näherungsweise können im vorliegenden Zusammenhang folgende Annahmen getroffen werden:

Nach einer repräsentativen US-Studie aus dem Jahr 1998 liegt – je nachdem, ob man eine eher weitere oder eine eher engere Definition von Stalking zu Grunde legt – die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch im Laufe seines Lebens Opfer von Stalking wird, zwischen rund 8 % (12 % der Frauen und 4 % der Männer) und rund 5 % (rund 8 % der Frauen und rund 2 % der Männer). Legt man diese Werte auf Österreich um und setzt man sie zur durchschnittlichen Lebenserwartung in Beziehung, so ergibt dies rund 6.000 Stalking-Fälle in Österreich pro Jahr. Geht man nun weiters davon aus, dass die angezeigten Fälle nur rund ein Fünftel der im Dunkelfeld verbleibenden Mehrzahl der Fälle ausmachen, so würde dies rund 1.000 Stalking-Anzeigen pro Jahr bedeuten. Da aber darüber hinaus davon auszugehen ist, dass bei diesen Fällen auch solche dabei sind, die schon derzeit, wenn auch unter einem anderen Tatbestand, strafbar sind (insbesondere etwa gefährliche Drohungen, Delikte gegen Leib und Leben, Sachbeschädigungen, Delikte gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung), könnte die Annahme gerechtfertigt erscheinen, von einer effektiven Gesamtzahl zusätzlicher Stalking-Anzeigen in einer Größenordnung von rund 500 Fällen pro Jahr auszugehen (was weniger als 0,1 % aller Anzeigen entsprechen würde). Legt man an diese Zahl in etwa das Verhältnis Anzeigen wegen der Delikte gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit sowie gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung – Verurteilungen wegen dieser Delikte an, so würden diese 500 Anzeigen rund 70 bis 80 Verurteilte wegen des vorgeschlagenen § 107a StGB pro Jahr in ganz Österreich bedeuten (was weniger als 0,2 % aller Verurteilungen ausmachen würde).

Ein zusätzlicher möglicher Mehranfall kann durch den in einer weiteren Regierungsvorlage vorgeschlagenen Wegfall des Ermächtigungserfordernisses bei gefährlichen Drohungen nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB (d.h. durch die vorgeschlagene Streichung des § 107 Abs. 4 StGB) entstehen. Nach dem vom Bundesministerium für Inneres herausgegebenen Kriminalitätsbericht 2004 spielen sich rund 30 % aller angezeigten gefährlichen Drohungen im familiären Bereich (einschließlich solcher Fälle, bei denen keine Wohngemeinschaft besteht) ab. Bezogen auf die Verurteiltenzahlen würde dies bedeuten, dass damit ein „Potential“ von maximal rund 400 zusätzlichen Verfahren gegeben wäre; nimmt man aber an, dass schon derzeit in nicht mehr als der Hälfte der Fälle die einmal erteilte Ermächtigung zurückgezogen oder von vornherein keine Ermächtigung erteilt wird, so würden sich danach maximal rund 200 zusätzliche Verfahren österreichweit ergeben.

III. Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich

Keine

IV. Kompetenzgrundlage

Die Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

V. Verhältnis zu EU-Recht

Vorschriften der Europäischen Union werden durch die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht berührt.


Besonderer Teil

Zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu Artikel I (Einführung des § 107a StGB):

Im Gegensatz zu den deutschen Gesetzesentwürfen der Bundesregierung bzw des Bundesrates führt der österreichische Vorschlag nicht die aus der Übersetzung des englischen Begriffs resultierende Formulierung „Nachstellen/Nachstellung“ zur Umschreibung der in Betracht kommenden Tathandlungen in das StGB ein, sondern fasst die darunter zu subsumierenden Verhaltensweisen unter der Bezeichnung „beharrliche Verfolgung“ zusammen. Einerseits soll die Verwendung von Anglizismen, wie jene des Begriffs „Stalking“, aber auch dessen deutsche Übersetzung, die bereits in § 137 im Zusammenhang mit „dem Wild nachstellen“ Eingang in das Gesetz gefunden hat, vermieden werden. Andererseits wird die Zusammenfassung der einzelnen Tathandlungen unter dem Überbegriff „Nachstellen“ im Gegensatz zu jenem der „Verfolgung“ als zu eng erachtet, zumal die in Abs. 2 zu Z 3 und 4 enthaltenen Verhaltensweisen wohl selbst bei extensiver Wortinterpretation nicht erfasst wären.

Aus Gründen der Übersichtlichkeit sowie zur Förderung der Bestimmtheit der verwendeten Gesetzesbegriffe erfolgte nach Auswertung der Stellungnahmen des Begutachtachtungsverfahrens eine Gliederung des Tatbestandes in zwei Absätze, wobei in Abs. 1 das widerrechtliche beharrliche Verfolgen unter Strafe gestellt und in Abs. 2 eine abschließende Aufzählung der erfassten Tathandlungen vorgenommen wird. In Abs. 3 wird klargestellt, dass in den Fällen des Abs. 2 Z 2 der Täter nur auf Antrag der verfolgten Person zu verfolgen ist.

Der in Abs. 1 festgelegte Tatbestand wird im Gegensatz zur ursprünglichen Fassung des Entwurfs des § 107a („Beeinträchtigung der Lebensführung“) nicht als Erfolgsdelikt, sondern als schlichtes Tätigkeitsdelikt ausgestaltet. Dadurch wird dem auch im Begutachtungsverfahren artikulierten Umstand Rechnung getragen, dass der Unwert des Stalking weniger durch einen eingetretenen Erfolg als durch ein intensives Täterverhalten gekennzeichnet ist. Da jedoch im Begutachtungsverfahren gewichtige Stimmen aus Praxis und Lehre andererseits auch vor der Gefahr einer zu starken Ausweitung der Strafbarkeit gewarnt haben, wird als Korrektiv zur Konzeption als Tätigkeitsdelikt die Eignung des durch den Täter gesetzten Verhaltens, das Opfer in seiner Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, verlangt (Abs. 2). Insoweit wird auch dem Entwurf des deutschen Bundesrates zu § 238 dStGB gefolgt, der vorschlägt, schwere Belästigungen, die geeignet sind, einen Menschen in seiner Lebensgestaltung erheblich zu beeinträchtigen, unter Strafe zu stellen. Als Erfolgsdelikt wäre § 107a erst bei Vorliegen einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Lebensführung des Opfers vollendet gewesen und der Fokus auf einer entsprechenden Reaktion des Opfers gelegen. Um den Eindruck, die Deliktsvollendung hänge vom Verhalten des Opfers bzw von dessen Sensibilität ab, nicht erst entstehen zu lassen, wird nunmehr die Eignung des Verhaltens, das Opfer unzumutbar in seiner Lebensführung zu beeinträchtigen, als objektives Element in den Tatbestand eingeführt.

Ebenfalls in Umsetzung der Anregungen aus dem Begutachtungsverfahren wird der Begriff „unbefugt“ durch „widerrechtlich“ ersetzt. Dessen ausdrückliche Verankerung erscheint erforderlich, weil es sich bei den in Abs. 2 präzisierten Tathandlungen auch um an sich sozialadäquate Verhaltensweisen handeln kann. Wie bereits bei § 99 soll die bewusste Einführung des Begriffs in den Gesetzestext einen Hinweis auf häufiger als sonst in Betracht zu ziehende Rechtfertigungsgründe darstellen (vgl Schwaighofer in WK² § 99 Rz 28 und EBRV 1971, 230). Gerechtfertigtes Handeln von Personen, die sich auf eine rechtliche Befugnis, etwa eine gesetzliche Erlaubnisnorm stützen können, ist vom Anwendungsbereich der Norm auszuscheiden. Dies soll beispielsweise für das Einschreiten von SicherheitsbeamtInnen oder GerichtsvollzieherInnen gelten. Als widerrechtlich wird ein Verhalten aber nicht erst bei Verstößen gegen rechtliche Gebote oder Verbote zu werten sein, sondern bereits bei beharrlich gegen den ausdrücklich oder schlüssig erklärten Willen des Opfers gesetzten Tathandlungen im Sinne des Abs. 2 Z 1 bis 4. Daher kann auch das an sich allgemein erlaubte Aufsuchen von öffentlichen Orten zwecks Kontaktaufnahme mit dem Opfer, ebenso wie das ständige Zusenden von Blumen gegen dessen deklarierten Willen, strafbarkeitsbegründend sein.

Abs. 2 stellt klar, dass „beharrliches Verfolgen“ nach Abs. 1 nur dann vorliegen kann, wenn einerseits bestimmte taxativ aufgezählte Verhaltensweisen über eine längere Zeit hindurch fortgesetzt werden und diese andererseits auch geeignet sind, das Opfer in seiner Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen.

§ 107a ist ein Dauerdelikt, dessen Tatbestand so lange weiter verwirklicht wird, wie der Täter sein tatbestandsmäßiges Verhalten fortführt und dadurch den rechtswidrigen Zustand aufrechterhält (vgl Schwaighofer in WK² § 99 Rz 25). Der Begriff „eine längere Zeit hindurch“ lässt sich nicht exakt zeitlich bestimmen, sondern nur in Relation zur Tathandlung festlegen und ist jeweils nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu deuten (vgl Eder-Rieder in WK² § 145 Rz 11; Fabrizy StGB8 § 145 Rz 3).

Der Begriff „beharrlich“ wird bereits in § 53 Abs. 2 verwendet und kann als wiederholtes Handeln oder andauerndes Verhalten interpretiert werden (vgl Jerabek in WK² § 53 Rz 16). Neben dem Zeitfaktor birgt „Beharrlichkeit“ jedoch auch ein Element der Intensität in sich, das der vorgeschlagene Gesetzestext durch das Erfordernis der „Eignung zu beeinträchtigen“ ausdrückt. Den Erläuterungen zum Entwurf der deutschen Bundesregierung folgend, wo ebenfalls Beharrlichkeit des strafbaren Verhaltens verlangt wird, bezeichnet diese eine in der Tatbegehung zum Ausdruck kommende besondere Hartnäckigkeit und eine gesteigerte Gleichgültigkeit des Täters gegenüber der Selbstbestimmungsfreiheit des Opfers, die zugleich die Gefahr weiterer, sei es auch in krimineller Energie gesteigerter Begehung indiziert.

§ 107a ist ein alternatives Mischdelikt. Die einzelnen Tathandlungen können aber auch kumulativ gesetzt werden und derart dem Tatbestandsmerkmal „beharrlich“ genügen.

Die Aufzählung in Abs. 2 soll grundsätzlich die nach den verfügbaren Statistiken am häufigsten gesetzten – und noch nicht in anderer Weise ausreichend (strafrechtlich) sanktionierten – Tathandlungen erfassen (vgl den Bericht der MA 57 zur Konferenz zum Thema Stalking im Jahr 2003). Von der Normierung einer Generalklausel als Auffangtatbestand, wie etwa im Entwurf des deutschen Bundesrates in § 238 dStGB („Schwere Belästigung“) vorgesehen und auch mehrfach im Begutachtungsverfahren zum StRÄG 2006 angeregt, wird bei der Fassung des österreichischen Entwurfs zur Erhöhung der Rechtssicherheit bewusst Abstand genommen.

In Abs. 2 Z 1 wird vorgeschlagen, das „Aufsuchen der räumlichen Nähe“ des Opfers unter Strafe zu stellen. Darunter soll jede vom Willen des Täters getragene unmittelbare Kontaktaufnahme, insbesondere durch Auflauern, Vor-dem-Haus-Stehen und sonstige häufige Präsenz etwa in der Nähe der Wohnung oder der Arbeitsstätte des Opfers, verstanden werden. Zufällige physische Annäherungen sollen hingegen nicht erfasst sein. Ein ungewolltes Zusammentreffen an einer in der Nähe der Wohnung gelegenen Bushaltestelle, beim Einkauf im Supermarkt, beim Besuch im Kino etc wäre zur Verwirklichung des Abs. 2  Z 1 nicht hinreichend. Erforderlich soll zudem die Wahrnehmbarkeit des vom Täter gesetzten Verhaltens durch das Opfer sein. Daher wäre beispielsweise das unbemerkte Beobachten mittels Fernglases als Tathandlung auszuscheiden.

Nach Abs. 2 Z 2 soll die Herstellung von mittelbarem Kontakt zum Opfer strafbar sein. Dieser kann im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels oder über Dritte erfolgen. Telekommunikation ist in diesem Zusammenhang auch nach Aufhebung und Neufassung des § 3 Z 13 TKG als technischer Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Nachrichten jeglicher Art in Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen mittels dazu dienender Einrichtungen zu verstehen. Insbesondere ist an Anrufe, E-Mails und SMS zu denken. Die Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels fasst die Kontaktaufnahme durch Briefe, Paketsendungen oder auch das Hinterlassen von Nachrichten an der Windschutzscheibe oä zusammen. Über Dritte wird der Kontakt hergestellt, indem der Täter über Angehörige oder sonstige Personen aus dem Umfeld des Opfers, beispielsweise über Kollegen, mit diesem in Verbindung tritt.

Tatbestandsmäßig iS des Abs. 2 Z 3 soll die Aufgabe von Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen durch den Täter unter Verwendung von personenbezogenen Daten des Opfers, sein. Zu erwägen ist beispielsweise das Schalten unrichtiger Anzeigen in Zeitungen und das Bestellen von Waren und Dienstleistungen auf allen denkbaren Kommunikationswegen. Bestellungen unter Verwendung von personenbezogenen Daten des Opfers waren als eigene Tathandlungen in den Straftatbestand aufzunehmen, zumal sie mangels Bereicherungsvorsatzes des Täters nicht als Betrug im Sinne der §§ 146 ff zu werten sind. Zu § 108 vgl Bertel in WK² Rz 4.

Unter Abs. 2 Z 4 des Entwurfs soll das Veranlassen von Dritten, mit dem Opfer unter Verwendung von dessen personenbezogenen Daten, Kontakt aufzunehmen, sanktioniert werden. Dabei ist als mögliche Tathandlung das Schalten von Annoncen in Erwägung zu ziehen, die durchaus unter dem Namen des Täters in Auftrag gegeben werden können, in denen aber der Name oder sonstige personenbezogene Daten des Opfers verwendet werden, um Dritte zu bewegen, auf diesem missbräuchlich eröffneten Wege mit dem Opfer in Verbindung zu treten. Ua könnte der Täter eine Kontaktanzeige mit dem Angebot sexueller Dienstleistungen aufgeben und dort die Telefonnummer des Opfers anführen. Im Begutachtungsverfahren wurde angeregt, bereits das einmalige Inserieren unter Strafe zu stellen, zumal dadurch in der Regel eine Vielzahl unerwünschter Antwortschreiben und Anrufe ausgelöst würde. Da das Ende der Belästigungen für das Opfer in diesem Fall jedoch absehbar ist, wird eine Gleichwertigkeit mit den sonstigen in Abs. 2 pönalisierten Verhaltensweisen erst durch das hinzutretende Element der zeitlichen Ungewissheit hergestellt und daher zur Begründung der Strafbarkeit ein beharrliches, das heißt über eine längere Zeit hindurch fortgesetztes Verhalten des Täters erforderlich sein.

Im Gegensatz zum Entwurf der deutschen Bundesregierung besteht ausgehend von der herrschenden österreichischen Rechtslage keine Notwendigkeit, die Drohung mit einer Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit des Opfers oder ihm nahe stehender Personen in den neu zu schaffenden Straftatbestand aufzunehmen, weil derartiges Verhalten bereits als gefährliche Drohung nach § 107 strafbar ist.

Die durch die beharrliche Verfolgung bewirkte unmittelbare oder mittelbare Konfrontation mit dem Täter muss zudem in einer Weise geschehen, die geeignet ist, Änderungen der bisherigen Lebensgestaltung des Opfers herbeizuführen und dieses dadurch in seiner Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen. Wie bei der gefährlichen Drohung nach § 107 iVm § 74 Abs. 1 Z 5, muss die Eignung objektiv begründet sein. Erfasst werden demnach nur Fälle, in denen die Tat bei einer Beurteilung ex ante die Gefahr in sich trägt, dass das Opfer auf Grund der beharrlichen Verfolgung in wesentlichen Belangen nicht mehr so leben kann wie zuvor. Der Begriff „beeinträchtigen“ wird nicht neu in das StGB eingeführt, sondern findet sich bereits an anderen Stellen wieder (vgl ua §§ 159, 180 ff, 303). Nach Verständnis des Entwurfs ist dem Wort immanent, dass die vom Täter gesetzten Handlungen nicht erwünscht sind und negativ konnotiert werden. Beispielsweise wird durch das Verhalten des Täters ein Zustand herbeigeführt, der die unbefangene Benützung von Kommunikationsmitteln, etwa die Entgegennahme von Anrufen oder Briefen, nicht mehr möglich macht und dazu führen kann, dass alle eingehenden Telefonate auf einen Anrufbeantworter umgeleitet oder die Telefonnummer oder E-Mail-Adresse geändert werden. Diese spezielle Eignung des Verhaltens des Täters liegt auch dann vor, wenn es Veranlassung dazu geben kann, dass das Opfer seine Wohnung nur unter Schutzvorkehrungen und schließlich nur noch selten verlässt, bestimmte Orte meidet, seine sozialen Kontakte einschränkt und sich im Extremfall zu einem Wohnungs- und/oder Arbeitsplatzwechsel gezwungen sieht. Ob das Opfer tatsächlich derartig reagiert oder nicht, ist unerheblich. Das subjektive Empfinden der verfolgten Person wird dennoch nicht vernachlässigt, kommt es doch meist nur über deren Betreiben zu einer Anzeigeerstattung und werden die in Abs. 2 aufgezählten Verhaltensweisen erst durch die mangelnde Zustimmung des Opfers widerrechtlich und damit strafbar.

Die beharrliche Verfolgung muss geeignet sein, die Lebensführung des Opfers „unzumutbar“ zu beeinträchtigen. Dies wird nur bei schwerwiegenden Eingriffen der Fall sein. Da es sich bei den Tathandlungen nach Z 1 und 2 um an sich sozialadäquate Verhaltensweisen handelt, die erst durch ihre Häufigkeit, Kontinuität und Intensität für das Opfer unzumutbar werden und Anlass für eine Veränderung der Lebensumstände geben können, wird eine Interessenabwägung und eine Abgrenzung der Freiheitssphären von Täter und Opfer vorzunehmen sein. Ein derartiges Vorgehen wird bei Tathandlungen nach Z 3 und 4 in geringerem Maße erforderlich sein, weil hier eher von einer Unzumutbarkeit auszugehen ist. Die Unzumutbarkeitsgrenze soll nach objektiven Kriterien bestimmt werden. Sie wird insbesondere dann überschritten sein, wenn durch die einzelnen Tathandlungen in die konkrete Lebenssituation des Opfers durch eine Verletzung der verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte (Privat- und Familienleben, Wohnung und Brief- und Telefonverkehr – Art 8 und 12 EMRK, Art 9 ff StGG, HausRSchG) eingegriffen wird (vgl Schroll in WK² § 51 Rz 15). Wenngleich unbestritten ist, dass die EMRK als solche Privatpersonen mangels Drittwirkung in diesem Bereich nicht zu bestimmten Handlungen verpflichtet, kann sie dennoch insoweit als Prüfungsmaßstab für die Unzumutbarkeit von Handlungen Dritter herangezogen werden, als die sich aus ihr ergebenden Rechte zwar nicht absolut zur Geltung kommen, aber im Rahmen der Interessenabwägung der Persönlichkeitsrechte des Opfers mit dem Recht des Täters auf allgemeine Handlungsfreiheit sehr wohl Beachtung finden (vgl Litzka/Strebinger, MedienG5 § 7b Rz 1).

Bedingter Vorsatz soll genügen, zumal gerade bei diesem Delikt Absichtlichkeit häufig auf Grund zu erwartender Beweisschwierigkeiten zu kurz greifen würde. Es kann nämlich angenommen werden, dass  sich Täter nicht selten darauf berufen werden, dass es ihnen nicht darauf ankomme – was aber nach § 5 Abs. 2 Voraussetzung wäre – die Lebensführung des Opfers zu beeinträchtigen, sondern dass sie „eigentlich“ aus Zuneigung handeln bzw dem Opfer etwas Gutes tun wollten. Dolus eventualis des Täters wird hingegen regelmäßig bereits aus der Tatsache, dass die Tathandlungen beharrlich gesetzt werden müssen, abgeleitet werden können.

Der Entwurf schlägt vor, für die Deliktsbegehung wie in den Grundtatbeständen der §§ 105, 107 eine Strafdrohung bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe vorzusehen. Ein Bedarf, eine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (§ 21) zu ermöglichen, welche erst bei Begehung einer Anlasstat erfolgen könnte, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, wird - trotz im Begutachtungsverfahren erhobener Forderungen nach Schaffung eines Qualifikationstatbestandes mit entsprechender Strafdrohung - insofern nicht gesehen, als einerseits niederschwelligere Reaktionsformen wie die Erteilung der Weisung, sich einer Therapie zu unterziehen oder eine Kontaktaufnahme zum Opfer zu unterlassen, bereits hinreichende spezialpräventive Wirkung auf den Täter entfalten sollten und andererseits bei den schwersten Formen des Stalking, nämlich jenen, die mit qualifizierten gefährlichen Drohungen oder anderen gravierenderen strafbaren Handlungen verbunden sind, ohnehin die Möglichkeit der Anstaltsunterbringung bestehen würde. Obwohl es sich bei Stalking um wahnhaftes Verhalten handeln kann, so ist doch Studien zufolge nur ein sehr geringer Prozentsatz von Tätern psychisch krank und damit zurechnungsunfähig im Sinne der Bestimmung des § 11.

Um den Sicherheitsbehörden ein weites Einschreiten zu ermöglichen, wurde der Tatbestand des § 107a Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1, 3 und 4 als Offizialdelikt konzipiert. Dadurch sollen der Polizei viele schon bestehende Befugnisse zur Abwehr gefährlicher Angriffe (wie Wegweisung und Betretungsverbot bei Gewalt in Wohnungen, Identitätsfeststellung oder erkennungsdienstliche Behandlung) nach dem SPG und die Sicherstellung von Tatwerkzeugen nach der StPO eröffnet werden. Da im Zusammenhang mit einer zur weiteren Stärkung des Opferschutzes geplanten Novellierung des StGB das Erfordernis einer Ermächtigung nach § 107 Abs. 4 fallen soll, wurde zur Vermeidung von Inkongruenzen von dessen Einführung im neu zu schaffenden Straftatbestand nach § 107a Abstand genommen. Jedoch wurde im Hinblick auf § 107a Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 2 im Begutachtungsverfahren artikulierten Forderungen, das staatliche Verfolgungsrecht an einen Antrag des Opfers zu koppeln, nachgegeben, erscheint es doch hier wegen der besonderen Tatumstände angezeigt, die Verfolgung der Tathandlungen und damit das Einschreiten der Exekutive von einem Antrag der verfolgten Person abhängig zu machen. Mit Blick auf die im Rahmen der StPO-Reform 2008 geplante Abschaffung von Antragsdelikten sollen bis dahin insbesondere die Begehungsarten nach Abs. 2 Z 2 evaluiert werden, um so Erkenntnisse über die anschließend zu wählende Vorgehensweise zu gewinnen.

Obgleich Eingriffe nach § 107a wie auch das Vergehen der sexuellen Belästigung nach § 218 gegen die Selbstbestimmung des Opfers gerichtet sind, war der Tatbestand der beharrlichen Verfolgung auf Grund der zu dessen Verwirklichung geforderten Dauer der Verletzungshandlung mit einer strengeren Strafe zu bedrohen. Denn im Gegensatz zu § 218 erfordert § 107a eine über eine längere Zeit hindurch fortgesetzte Verletzung der Rechte des Opfers; ein einmaliger Übergriff kann hingegen lediglich einen Versuch der Tat darstellen. Das für das Opfer in seiner zukünftigen Intensität unabschätzbare fortgesetzte Verhalten des Täters rechtfertigt eine den §§ 105, 107 angeglichene - gegenüber § 218 deutlich höhere - Strafdrohung.

Wegen der allfälligen Haftgeneigtheit der neuen Strafbestimmung wird eine Eigenzuständigkeit des Gerichtshofes vorzusehen und die StPO insofern anzupassen sein, weil andernfalls die Verhängung von Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungs- und Tatausführungsgefahr nicht möglich wäre.

Da es sich bei Stalking-Opfern oftmals um Personen handeln wird, die durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat Gewalt ausgesetzt worden sein könnten, kann diesen ein Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung im Sinne der mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Bestimmung des § 49a StPO zustehen. Aus der Regierungsvorlage zum Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz geändert werden, BGBl. I Nr. 119/2005, geht hervor, dass neben dem Erleiden von körperlichen auch seelische Qualen als Folge einer vorsätzlich begangenen Straftat als eine Art der Gewaltanwendung im Sinne des § 49a StPO zu begreifen sind.

Zu Artikel II (Änderung des § 9 Abs. 1 Z 1 StPO)

Nach dem neu eingeführten § 107a StGB soll die beharrliche Verfolgung mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht sein, weshalb das Strafverfahren wegen dieses Delikts auf Grund der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 den Bezirksgerichten zugewiesen wäre. Die allfällige Haftgeneigtheit der neuen Bestimmung erfordert deren Aufnahme in den Kreis der in die Zuständigkeit des Einzelrichters des Gerichtshofes fallenden Delikte, weil andernfalls die Verhängung von Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungs- und Tatausführungsgefahr nicht möglich wäre. Zudem wäre im bezirksgerichtlichen Verfahren auch nicht die (für die Durchsuchung von Dateien und Computern analog anzuwendende) Durchsuchung von Papieren dritter Personen und die Beschlagnahme oder Öffnung von Briefen (§ 452 Z 4) zulässig.

Zu Artikel III (Änderungen der Exekutionsordnung)

Zu Artikel III Z 1 (§ 382g EO):

Der zivilrechtliche Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre ist durch §§ 16 und 1328a ABGB gewährleistet. Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist eine drohende Gefährdung der Privatsphäre des Opfers. In der Regel wird bei Stalking-Fällen Wiederholungsgefahr anzunehmen sein, weil der Täter bereits in die Privatsphäre eingegriffen und damit absolut geschützte Rechte des Opfers verletzt hat. Ausnahmsweise ist es aber auch denkbar, dass ein Unterlassungsanspruch schon gerichtlich geltend gemacht werden kann, wenn etwa alle Anzeichen daraufhin deuten, dass mit einem solchen Angriff zu rechnen ist. Da bereits das geltende Recht eine materiell-rechtliche Grundlage zur Abwehr von Verletzungen der Privatsphäre bietet, kann die Schaffung eines besonderen Unterlassungsanspruchs unterbleiben. Der noch im Ministerialentwurf enthaltene Artikel III kann daher – wie von mehreren Seiten im Begutachtungsverfahren gefordert – entfallen, ohne dass damit eine Schmälerung der Unterlassungsansprüche bei Eingriffen in die Privatsphäre verbunden wäre.

Zur Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs, der sich aus den §§ 16 und 1328a ABGB ergibt, ist - insbesondere in Fällen des Stalkings - rasche Abhilfe erforderlich, um weiteren Eingriffen in die Persönlichkeitssphäre des Opfers umgehend Einhalt zu gebieten. Eine solche rasche Abhilfe gewährleisten einstweilige Verfügungen, mit denen der Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre auf Grundlage des § 381 Z 2 EO gesichert werden kann. Voraussetzung für die Erlassung einer solchen einstweiligen Verfügung ist dabei nur die Bescheinigung des Anspruchs auf Unterlassung weiterer Stalking-Handlungen. Mit der Anspruchbescheinigung sind gleichzeitig auch die Anforderungen des § 381 Z 2 EO erfüllt, weil bei Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten, die einen Unterlassungsanspruch begründen, eine einstweilige Verfügung durchwegs zur Abwehr eines drohenden unwiederbringlichen Schadens notwendig sein wird.

Abs. 1 zählt – in Ergänzung des § 382 EO – typische Sicherungsmittel auf, die für diese einstweiligen Verfügungen in Betracht kommen. Die Aufzählung der Sicherungsmittel wurde gegenüber dem Ministerialentwurf noch erweitert, um die Problematik des Stalkings möglichst umfassend darzustellen.

Für das Verbot der persönlichen Kontaktaufnahme sowie der Verfolgung (Abs. 1 Z 1) und für das Aufenthaltsverbot (Abs. 1 Z 3) soll die Durchsetzung dadurch erleichtert werden, dass nach dem Vorbild des § 382d Abs. 4 EO auch Sicherheitsbehörden mit dem Vollzug betraut werden können (Abs. 2). Da die Unterlassungsexekution nach § 355 EO, die die Verhängung von Geld- oder Haftstrafen vorsieht, keine unmittelbare Abhilfe schaffen kann, soll zur Durchsetzung der einstweiligen Verfügung ein Einschreiten der Sicherheitsbehörden ermöglicht werden. In den Fällen des Kontaktaufnahme- und Aufenthaltsverbots, in denen sich die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden bereits bei der einstweiligen Verfügung zum Schutz vor Gewalt in der Familie bewährt hat, soll demnach auch für Fälle des Stalkings eine effektive, für die Opfer einfach zu handhabende Durchsetzungsmöglichkeit geschaffen werden. Damit werden all jene Fälle abgedeckt, in denen der Täter – entgegen den Anordnungen in einer einstweiligen Verfügung - physische Nähe zum Opfer herstellt oder herzustellen versucht und insofern ein besonderes Sicherheitsbedürfnis des Opfers besteht. In diesen Fällen soll unmittelbare Hilfe durch die Sicherheitsbehörden gewährleistet werden können. In Fällen der brieflichen, telefonischen oder sonstigen Kontaktaufnahme (wie auch in den übrigen in Abs. 1 genannten) Fällen hat es hingegen bei der Unterlassungsexekution durch Geld- oder Haftstrafen zu bleiben, zumal es auch den Sicherheitsbehörden nicht möglich wäre, solche Handlungen (Anrufe, E-Mails, Bestellungen unter falschem Namen etc) durch unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt zu unterbinden.

Anders als noch im Ministerialentwurf soll die Beiziehung der Sicherheitsbehörden auf die Vollziehung einstweiliger Verfügungen beschränkt sein, aber kein allgemeines Exekutionsmittel bei der Vollstreckung von Kontaktaufnahme- und Aufenthaltsverboten darstellen. Um den Opfern dennoch ausreichenden Schutz zu gewährleisten, soll unter anderem im Kernfall des Stalkings – der unerwünschten Kontaktaufnahme und der Verfolgung (Abs. 1 Z 1 und 2) – eine auf längstens ein Jahr zu befristende einstweilige Verfügung vorgesehen werden, die keiner klagsweisen Rechtfertigung bedarf (Abs. 3). Die gefährdete Partei soll nach Erlassung einer einstweiligen Verfügung bis zu einem Jahr die Unterstützung der Sicherheitsbehörden zur Durchsetzung des Verbots der persönlichen Kontaktaufnahme und des Verbots der Verfolgung (Abs. 1 Z 1) in Anspruch nehmen können, ohne eine Unterlassungsklage einbringen zu müssen. Auch das Verbot der brieflichen, telefonischen und sonstigen Kontaktaufnahme (Abs. 1 Z 2) soll bis zu einem Jahr ohne das Erfordernis eines Unterlassungsklage aufrecht bleiben können. Ein bloßes Kontaktaufnahme- und Verfolgungsverbot mit einer Person, die keinen Kontakt wünscht, ist dem Gegner der gefährdeten Partei auch ohne Hauptverfahren zumutbar, weil es keine wesentlichen Eingriffe in seine Lebensführung mit sich bringt. Eine auf längstens ein Jahr zu befristende einstweilige Verfügung soll überdies in den Fällen des Abs. 1 Z 4 bis 6 ohne das Erfordernis einer klagsweisen Rechtfertigung möglich sein. Auch die in Z 4 bis 6 genannten Fälle betreffen nämlich Verhaltensweisen, deren Verbot für den Gegner der gefährdeten Partei mit keiner relevanten Belastung verbunden sein wird. Zudem kann schwerlich ein schützenswertes Interesse des Täters bestehen, gegen den Willen des Opfers seine Daten oder Lichtbilder weiterzugeben (Z 4), Waren oder Dienstleistungen unter dem Namen des Opfers zu bestellen (Z 5) oder Dritte zur Kontaktaufnahme mit dem Opfer zu veranlassen (Z 6). Wie beim Kontaktaufnahme- und Verfolgungsverbot soll daher auch in diesen Fällen eine auf ein Jahr befristete einstweilige Verfügung ohne Rechtfertigungsklage möglich sein. Beim Verbot des Aufenthalts an bestimmten Orten (Z 3) wie auch bei sonstigen einstweiligen Verfügungen zur Sicherung des Anspruchs auf Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre ist aber eine Frist für die Einbringung einer Unterlassungsklage zu setzen. Wird die Klage fristgerecht eingebracht, bleibt die einstweilige Verfügung für die Dauer des Hauptverfahrens aufrecht.

Zu Artikel III Z 2 (§ 390 Abs. 4 EO):

Wie in den Fällen der einstweiligen Verfügung zur Bestimmung eines einstweiligen Unterhalts und der einstweiligen Verfügung zum Schutz vor Gewalt in der Familie sollen auch einstweilige Verfügungen zur Verhinderung von Stalking nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden können. Dadurch soll ein potentielles Erschwernis bei der Erlangung einer solchen Maßnahme auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung entfallen.

Zu Artikel III Z 3 (§ 393 Abs. 3 EO):

Da auf einstweilige Verfügungen nach § 382g Abs. 1 Z 1 und 2 sowie Z 4 bis 6 EO kein Hauptverfahren folgt, in welchem über den Kostenersatz abgesprochen werden könnte, ist – wie schon bei § 382b EO – bei Erlassung der einstweiligen Verfügung eine Kostenentscheidung nach den Bestimmungen der ZPO zu treffen.

Zu Artikel III Z 4 (§ 409 EO):

Die neuen Bestimmungen für einstweilige Verfügungen sollen nur auf jene Verfahren anzuwenden sein, die ab dem In-Kraft-Treten eingeleitet werden.

Zu Artikel IV (Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes)

Die vorgeschlagene Neufassung des § 25 Abs. 3 SPG soll eine Abrundung der zur Bekämpfung von Stalking vorgesehenen Änderungen des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung 1975 und der Exekutionsordnung darstellen. In Ergänzung der bereits bestehenden Regelungen, bewährte geeignete Opferschutzeinrichtungen mit der Beratung und Unterstützung von Menschen zu betrauen, die von Gewalt bedroht sind, soll nunmehr auch ermöglicht werden, solche professionelle Hilfe Menschen zukommen zu lassen, die Opfer beharrlicher Verfolgung im Sinne des neu vorgeschlagenen § 107a StGB sind. Auch diese Menschen sind oft in einer physischen und psychischen Verfassung, in der sie Hilfe von außen benötigen. Dazu ist es erforderlich, dass die Sicherheitsbehörden dann, wenn wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung gemäß § 107a StGB Ermittlungen im Dienste der Strafrechtspflege eingeleitet worden sind, die entsprechenden Informationen auf Grundlage von § 56 Abs. 1 Z 3 SPG an geeignete Opferschutzeinrichtungen übermitteln, soweit dies zum Schutz der durch beharrliche Verfolgung gefährdeten Menschen erforderlich ist.


Textgegenüberstellung

Geltende Fassung

Vorgeschlagene Fassung

Artikel I

Änderungen des Strafgesetzbuches

 

 

Beharrliche Verfolgung

 

       § 107a. (1) Wer eine Person widerrechtlich beharrlich verfolgt (Abs. 2), ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.

 

(2) Beharrlich verfolgt eine Person, wer in einer Weise, die geeignet ist, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt

 

           1. ihre räumliche Nähe aufsucht,

 

           2. im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels oder über Dritte Kontakt zu ihr herstellt,

 

           3. unter Verwendung ihrer personenbezogenen Daten Waren oder Dienstleistungen für sie bestellt oder

 

           4. unter Verwendung ihrer personenbezogenen Daten Dritte veranlasst, mit ihr Kontakt aufzunehmen.

 

(3) In den Fällen des Abs. 2 Z 2 ist der Täter nur auf Antrag der beharrlich verfolgten Person zu verfolgen.

Artikel II

Änderungen der Strafprozessordnung 1975

I. Bezirksgerichte

I. Bezirksgerichte

§ 9. (1) Den Bezirksgerichten obliegt:

§ 9. (1) Den Bezirksgerichten obliegt:

           1. das Strafverfahren wegen aller Vergehen, für die nur Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe angedroht ist, deren Höchstmaß ein Jahr nicht übersteigt, mit Ausnahme der Vergehen der Nötigung (§ 105 StGB), der gefährlichen Drohung (§ 107 StGB), der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB), der fahrlässigen Beeinträchtigung der Umwelt (§ 181 StGB), des fahrlässigen umweltgefährdeten Behandelns von Abfällen (§ 181c StGB) und der pornographischen Darstellungen Minderjähriger (§ 207a Abs. 3 StGB) sowie mit Ausnahme der den Geschworenengerichten zur Aburteilung zugewiesenen Vergehen.

           1. das Strafverfahren wegen aller Vergehen, für die nur Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe angedroht ist, deren Höchstmaß ein Jahr nicht übersteigt, mit Ausnahme der Vergehen der Nötigung (§ 105 StGB), der gefährlichen Drohung (§ 107 StGB), der beharrlichen Verfolgung (§ 107a StGB), der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB), der fahrlässigen Beeinträchtigung der Umwelt (§ 181 StGB), des fahrlässigen umweltgefährdeten Behandelns von Abfällen (§ 181c StGB) und der pornographischen Darstellungen Minderjähriger (§ 207a Abs. 3 StGB) sowie mit Ausnahme der den Geschworenengerichten zur Aburteilung zugewiesenen Vergehen.

           2. ...

           2. ...

(2) ...

(2) ...

Artikel III

Änderungen der Exekutionsordnung

 

Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre

 

§ 382g. (1) Der Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre kann insbesondere durch folgende Mittel gesichert werden:

 

           1. Verbot persönlicher Kontaktaufnahme sowie Verbot der Verfolgung der gefährdeten Partei,

           2. Verbot brieflicher, telefonischer oder sonstiger Kontaktaufnahme,

           3. Verbot des Aufenthalts an bestimmt zu bezeichnenden Orten,

           4. Verbot der Weitergabe und Verbreitung von persönlichen Daten und Lichtbildern der gefährdeten Partei,

           5. Verbot, Waren oder Dienstleistungen unter Verwendung personenbezogener Daten der gefährdeten Partei bei einem Dritten zu bestellen,

           6. Verbot, einen Dritten zur Aufnahme von Kontakten mit der gefährdeten Partei zu veranlassen.

 

(2) Das Gericht kann mit dem Vollzug von einstweiligen Verfügungen nach Abs. 1 Z 1 und 3 die Sicherheitsbehörden betrauen. § 382d Abs. 4 ist sinngemäß anzuwenden. Im Übrigen sind einstweilige Verfügungen nach Abs. 1 nach den Bestimmungen des Dritten Abschnitts zu vollziehen.

 

(3) Auf einstweilige Verfügungen nach Abs. 1 Z 1 und 2 sowie Z 4 bis 6 ist § 391 Abs. 2 nicht anzuwenden. Die Zeit, für die eine solche einstweilige Verfügung getroffen wird, darf ein Jahr nicht übersteigen.

Anordnung

Anordnung

§ 390 (1) …

§ 390 (1) …

(2) …

(2) …

(3) …

(3) …

(4) Die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung nach dem § 382 Abs. 1 Z 8 lit. a, § 382a oder § 382b kann nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

(4) Die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs. 1 Z 8 lit. a, §§ 382a, 382b oder 382g kann nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

§ 393 (1) …

§ 393 (1) …

(2) Im Verfahren über einstweilige Verfügungen nach § 382b richtet sich die Kostenersatzpflicht nach den Bestimmungen der ZPO.

(2) Im Verfahren über einstweilige Verfügungen nach §§ 382b und § 382g Abs. 1 Z 1 und 2 sowie Z 4 bis 6 richtet sich die Kostenersatzpflicht nach den Bestimmungen der ZPO.

(3) …

(3) …

 

In-Kraft-Treten und Übergangsbestimmungen zum Anti-Stalking-Gesetz

 

§ 409. (1) §§ 382g, 390 Abs. 4 und § 393 Abs. 2 in der Fassung des Anti-Stalking-Gesetzes, BGBl. I Nr. xxx/2006, treten mit 1. Juli 2006 in Kraft.

 

(2) §§ 382g, 390 Abs. 4 und § 393 Abs. 2 in der Fassung des Anti-Stalking-Gesetzes, BGBl. I Nr. xxx/2006, sind anzuwenden, wenn der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung nach dem 30. Juni 2006 bei Gericht einlangt.“

Artikel IV

Änderungen des Sicherheitspolizeigesetzes

Kriminalpolizeiliche Beratung

Kriminalpolizeiliche Beratung

§ 25 (1) …

§ 25 (1) …

(2) …

(2) …

(3) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, bewährte geeignete Opferschutzeinrichtungen vertraglich damit zu beauftragen, Menschen, die von Gewalt bedroht sind, zum Zwecke ihrer Beratung und immateriellen Unterstützung anzusprechen (Interventionsstellen). Sofern eine solche Opferschutzeinrichtung überwiegend der Beratung und Unterstützung von Frauen dient, ist der Vertrag gemeinsam mit der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz abzuschließen, sofern eine solche Einrichtung überwiegend der Beratung und Unterstützung von Kindern dient, gemeinsam mit dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie.

(3) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, bewährte geeignete Opferschutzeinrichtungen vertraglich damit zu beauftragen, Menschen, die von Gewalt einschließlich beharrlicher Verfolgung (§ 107a StGB) bedroht sind, zum Zwecke ihrer Beratung und immateriellen Unterstützung anzusprechen (Interventionsstellen). Sofern eine solche Opferschutzeinrichtung überwiegend der Beratung und Unterstützung von Frauen dient, ist der Vertrag gemeinsam mit dem Bundesminister für Gesundheit und Frauen abzuschließen, sofern eine solche Einrichtung überwiegend der Beratung und Unterstützung von Kindern dient, gemeinsam mit dem Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz.