1383 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (1316 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, die Exekutionsordnung und das Sicherheitspolizeigesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen beharrliche Verfolgung und des zivilrechtlichen Schutzes vor Eingriffen in die Privatsphäre geändert werden (Anti-Stalking-Gesetz),

über die Regierungsvorlage (1325 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird und

über die Regierungsvorlage (1326 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden

 

Mit der vorgeschlagenen Verankerung einer Anti-Stalking-Bestimmung im StGB soll der materiellrechtliche Opferschutz ausgeweitet und damit gesellschaftlichen Entwicklungen, insbesondere dem gestiegenen Respekt vor der Persönlichkeit des Menschen und seinem Recht auf Selbstbestimmung Rechnung getragen werden. Andererseits soll der Opferschutz auch im zivilrechtlichen Bereich gestärkt werden, indem ein Einschreiten der Sicherheitsbehörden bei der Vollziehung einstweiliger Verfügungen ermöglicht wird, um eine effektive Durchsetzung des Verbots der persönlichen Kontaktaufnahme, der Verfolgung und des Aufenthalts an bestimmten Orten sicherzustellen. Überdies sollen bestimmte Stalking-Handlungen im Wege einstweiliger Verfügungen verboten werden können, wobei es keiner Einbringung einer Unterlassungsklage zur Rechtfertigung einer solchen einstweiligen Verfügung bedarf. In Ergänzung zu den vorgesehenen Änderungen des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung 1975 und der Exekutionsordnung soll auch durch das Sicherheitspolizeigesetz sichergestellt werden, dass Opfer von Stalking-Handlungen professionelle Hilfe durch bewährte geeignete Opferschutzeinrichtungen bekommen. Durch die Schaffung des neuen Straftatbestandes der „beharrlichen Verfolgung“ nach § 107a StGB sollen bestimmte über eine längere Zeit hindurch fortgesetzte widerrechtliche Verhaltensweisen, die geeignet sind, das Opfer in seiner Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, pönalisiert werden, womit der politischen Forderung nach vermehrtem Schutz vor psychischer Gewalt entsprochen wird. Im Bereich des Prozessrechts wird im Zusammenhang mit der Einführung des § 107a StGB die Aufnahme dieser Bestimmung in den Katalog jener Delikte, die trotz ihrer Strafdrohung nicht in die sachliche Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallen, vorgeschlagen (§ 9 Abs. 1 Z 1 StPO).

Mit der vorgeschlagenen StGB-Novelle soll der materiellrechtliche Opferschutz eine weitere Stärkung erfahren, indem etwa die Privilegierungen der gefährlichen Drohung durch nahe Angehörige sowie der Ehenötigung durch den präsumtiven Ehepartner aufgehoben und derart - wie auch durch die Regierungsvorlage zum „Anti-Stalking–Gesetz“ (Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, die Exekutionsordnung und das Sicherheitspolizeigesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen beharrliche Verfolgung und des zivilrechtlichen Schutzes vor Eingriffen in die Privatsphäre geändert werden) der Fall – der Respekt vor der Persönlichkeit des Menschen und sein Recht auf Selbstbestimmung betont werden. Der Entwurf schlägt die ersatzlose Streichung des § 107 Abs. 4 vor, die zur Folge hätte, dass die gefährliche Drohung unter bestimmten nahen Angehörigen nicht länger als Ermächtigungsdelikt ausgestaltet wäre. Der privilegierende Tatbestand der Ehenötigung nach § 193 soll aufgehoben und stattdessen die Bestimmung des § 106 Abs. 1 Z 3 um die Tathandlung der Nötigung zur Eheschließung ergänzt und damit klargestellt werden, dass es sich in jedem Fall um eine schwere Nötigung handelt. Weiters soll eine Ausweitung des § 212 Abs. 2 Z 1 (Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses) auf die Berufsgruppe der Seelsorger erfolgen. In Aussicht genommen wird zudem, die Verjährungsfrist nach § 58 Abs. 3 Z 3 auch im Falle von Genitalverstümmelungen (§ 90 Abs. 3) durch Nichteinrechnung der Zeit bis zum Erreichen der Volljährigkeit des Opfers zu verlängern. In technischer bzw terminologischer Hinsicht werden Änderungen bei den §§ 64 Abs. 1, 88 Abs. 2 Z 3, 119 Abs. 1, 120 Abs. 2a, 212 Abs. 2 Z 1, 215a Abs. 2 und 278 Abs. 2 umgesetzt.

Mit dem vorliegenden Entwurf zum Strafgesetzbuch und zur Strafprozessordnung soll die internationale Vorgabe im Bereich der Umweltkriminalität, nämlich die Konvention des Europarates zum Schutz der Umwelt durch Strafrecht vom 4. November 1998 umgesetzt werden. Die Europarats-Konvention erfordert es, einige der im siebenten Abschnitt des Strafgesetzbuches („Gemeingefährliche Handlungen und strafbare Handlungen gegen die Umwelt“) angesiedelten Bestimmungen zu überarbeiten. Zum einen werden die bestehenden Vorsatzdelikte – etwa im Hinblick auf deren Schutzbereich – angepasst. Zum anderen müssen korrespondierende Fahrlässigkeitsdelikte zu den §§ 177b, 181d eingefügt werden, um den Umsetzungsverpflichtungen gerecht zu werden. Grundsätzlich ist dazu jedoch festzuhalten, dass im Hinblick auf den bereits erfassten Schutz der Umwelt im österreichischen Strafrecht der die Europarats-Konvention einen nur begrenzten Umsetzungsbedarf auslöst. Mit der Umsetzung dieser Konvention in innerstaatliches Recht soll gleichzeitig auch dem gestiegenen gesellschaftlichen Bewusstsein für die Schutzbedürftigkeit der Umwelt entsprochen und die seit 1975 schrittweise vorgenommene Reform des Umweltstrafrechts fortgeführt werden.

Der Justizausschuss hat die gegenständlichen Regierungsvorlagen in seiner Sitzung am 23. März 2006 in Verhandlung genommen. Als Berichterstatter zu den einzelnen Punkten fungierte Abgeordneter Michael Praßl. An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Brigid Weinzinger, Mag. Walter Tancsits und Mag. Terezija Stoisits sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Mag. Dr. Maria Theresia Fekter einen umfassenden Abänderungsantrag eingebracht, der wie nachstehend ausgeführt, begründet war:

„Um eine mehrfache gleichzeitige Änderung des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung zu vermeiden, wurden drei Regierungsvorlagen zusammengefasst.

 

Im Einzelnen handelt es sich um:

·         Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (1325 d.B.) 

·         Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden (1326 d.B.)  und

·         Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, die Exekutionsordnung und das Sicherheitspolizeigesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen beharrliche Verfolgung und des zivilrechtlichen Schutzes vor Eingriffen in die Privatsphäre geändert werden (Anti-Stalking-Gesetz) (1316 d.B.)

Zu Artikel I

Zu Z 8:

Durch die Ergänzung des Abs. 2 sowie eine entsprechende Änderung der Überschrift soll der Tatbestand auf Strahleneinrichtungen (z.B. Röntgenanlagen) erweitert werden, weil auch von diesen eine den radioaktiven Stoffen vergleichbare Gefahr ausgehen kann. Die Legaldefinition von „Strahleneinrichtungen“ des Abs. 5 orientiert sich an der Definition des Strahlenschutzgesetzes (vgl. dessen § 2 Abs. 39 iVm Abs. 41).

Durch eine weitere Ergänzung des Abs. 5 soll klargestellt werden, dass radioaktive Abfälle – ungeachtet ihrer für die Zwecke des Strahlenschutzgesetzes dort vorgenommenen gesonderten Definition (vgl. dessen § 2 Abs. 32) – hinsichtlich der Anwendbarkeit des hier vorliegenden gerichtlichen Straftatbestandes radioaktiven Stoffen gleich stehen. Die „sonstige Verwendung“ im Sinne des Abs. 2 schließt daher hier auch die Beseitigung ein (vgl. dazu die Definition des „vorsätzlichen rechtswidrigen Umgangs mit radioaktiven Stoffen“ nach § 2 Abs. 48 des Strahlenschutzgesetzes, die gleichfalls die Beseitigung umfasst). Soweit danach daneben überhaupt noch ein Anwendungsbereich des § 181b denkbar ist, sei an dieser Stelle klargestellt, dass der Begriff „Abfälle“ dort nicht auf konventionelle Abfälle beschränkt ist.

Zu Z 9:

Für den Fahrlässigkeitstatbestand des § 177c gilt das zum Vorsatztatbestand des § 177b Ausgeführte sinngemäß.

Zu Z 17:

Wie schon anlässlich des Strafrechtsänderungsgesetzes 1996 um den damals neu geschaffenen § 181c wäre die den Irrtum über Rechtsvorschriften und behördliche Aufträge bei Umweltdelikten regelnde Bestimmung nunmehr um den neuen § 181e zu erweitern.

Zu Artikel IV

Zu Z 2:

Die neue Z 2 dient der Behebung eines redaktionellen Versehens in der SPG-Novelle 2006, das rasch einer legistischen Bereinigung zugeführt werden sollte.“

Bei der Abstimmung wurde der umfassende Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Mag. Dr. Maria Theresia Fekter teils einstimmig, teils mit Stimmenmehrheit angenommen.

Zwei von den Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Bettina Stadlbauer eingebrachte Abänderungsanträge zu 1316 der Beilagen und zu 1326 der Beilagen fanden nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

 

Ferner beschloss der Justizausschuss einstimmig folgende Feststellung:

„Der Justizausschuss geht davon aus, dass die Anwendung der neuen Bestimmungen gegen Stalking einer Evaluierung unterzogen werden und  würde eine Berichterstattung über die praktischen Erfahrungen mit diesen Regelungen sowohl im Bereich des Innen- wie auch des Justizressorts nach Ablauf von zwei Jahren nach Inkrafttreten gemeinsam mit allfälligen Vorschlägen für Änderungen für wünschenswert erachten.“

 

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Michael Praßl gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2006 03 23

Michael Praßl Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

       Berichterstatter                     Obfrau