Entschließung

 

Der Nationalrat

·         verfolgt konsequent das Ziel eines europäischen Atomausstieges und hält fest, dass dazu tiefgreifende Reformen in der EU-Nuklear- und Energiepolitik notwendig sind;

·         bekräftigt insbesondere das Ziel einer möglichst raschen Stillegung grenznaher AKWs

und ersucht die Bundesregierung

·         für das Ziel eines Umstieges auf eine Energieversorgung aus Erneuerbaren Energieträgern europaweit aktiv einzutreten. Die Europäische Union soll - auch im Hinblick auf die Erweiterung – zu einer gemeinsamen Politik für eine nachhaltige und umweltfreundliche Energieversorgung verpflichtet werden.

·         sich für das Auslaufen und kurzfristig für die Revision des EURATOM-Vertrages im Sinne einer Elimination der Förderziele und einer völligen Neudefinition der Inhalte dieses Vertrages wie einer Forcierung erneuerbarer Energieträger und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz der Energienutzung insbesondere im Hinblick auf "Ausstiegsszenarien" einzusetzen und gleichzeitig die Fragen der Sicherheit, des Gesundheitsschutzes, der Entsorgung, des Transports von spaltbarem Material, des Rückbaus von Atomkraftwerken und der Abfallbehandlung im EURATOM-Vertrag zu verankern

·         den Plänen zur Erhöhung des EURATOM-Kreditvolumens bzw. betreffend Neu-Gewährung von Euratom-Krediten mit der gebotenen Skepsis entgegenzutreten und im EU-Rat und den vorgelagerten EU-Gremien nur unter folgenden – ausschließlich sicherheitsrelevanten und ausstiegsorientierten - Bedingungen zuzustimmen:

o        die Entscheidungen sind darauf auszurichten, dass Kredite nur für bestehende, in Betrieb befindliche Anlagen gewährt werden und dass keine Mittel für den Neubau oder Kapazitätsausweitungen bzw. Effizienzsteigerungen von AKW und die Nachrüstung von AKW mit einer damit verbundenen Laufzeitverlängerung verwendet werden. Die EURATOM-Mittel sollen allenfalls für Sicherheitsverbesserungen mit – von der jeweiligen Regierung offiziell gegenüber der EU-Kommission zugesagten - verbindlich fixierten Schließungsdaten, für Dekommissionierungen von Atomanlagen oder für Endlagerprojekte verwendet werden können, sofern die Betreiber dazu aus eigener finanzieller Kraft nicht in der Lage sind;

·         dafür einzutreten, das Europäische Parlament in Analogie zur Verfassung in die EURATOM-Entscheidungsverfahren einzubinden;

·         auf europäischer Ebene dafür einzutreten,

o        dass das EURATOM-Forschungsprogramm im Sinne der bisherigen   österreichischen Positionen anstelle neuer Nuklearprojekte weiter an das Ziel eines EU-weiten Atomausstiegs angepasst wird und die zukünftig zu gewährenden Mittel in das allgemeine EU-Rahmenforschungsprogramm integriert werden

o        dass das bisher mit 4 Milliarden Euro begrenzte EURATOM-Kreditvolumen nur zu den von Österreich vorgeschlagenen Konditionen erhöht und neu definiert wird und

o        dass die an der Finanzierung von AKW in Osteuropa hauptbeteiligten Banken (Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung/EBRD und European Investment Bank/EIB) keine neuen Finanzierungen oder Kredite für Atomprojekte vergeben, sondern Mittel in den Ausstieg umlenken;

·         dafür einzutreten, dass das Wettbewerbsregime der EU im Rahmen des Elektrizitätsmarktes strikte Anwendung findet, auch für das Betreiben von Atomanlagen uneingeschränkte Gültigkeit hat und dass seitens der Europäischen Union alles unternommen wird, um Stromdumping zu verhindern. 

Österreich bekräftigt seine Forderung nach der Stillegung von Kernkraftwerken, insbesondere solcher, die nahe der österreichischen Grenze gelegen sind. Die Bundesregierung wird daher ersucht

·         gegenüber Tschechien ihre Position bezüglich eines Ausstieges aus der Kernenergie im allgemeinen und aus dem AKW Temelin im besonderen erneut zu bekräftigen;

·         und so bald als möglich in Stilllegungsverhandlungen mit der tschechischen Regierung einzutreten;

·         den entsprechenden tschechischen Regierungsbehörden im Zuge der Erstellung des neuen tschechischen Energiekonzeptes größtmögliche Unterstützung anzubieten, mit dem Ziel, den Ausstieg aus der Atomenergie im allgemeinen und Temelin im besonderen und den Umstieg auf die Nutzung erneuerbarer Energieträger - auch durch eine Verstärkung der Energiepartnerschaften - zu fördern;

·         aktiv gegen einen allfälligen weiteren Ausbau der Atomenergie in Tschechien einzutreten;

·         hinsichtlich der Umsetzung des Melker Prozesses weiterhin für eine volle Offenlegung aller relevanter Daten seitens der tschechischen Behörden einzutreten.

Hinsichtlich des EU-Nuklearpakets wird die Bundesregierung ersucht

·         den Richtlinienvorschlägen der EU-Kommission zu Nuklearer Sicherheit und Entsorgung von radioaktivem Abfall in der Ende 2003 vorliegenden Fassung nicht zuzustimmen;

·         den Richtlinienvorschlägen nur unter der Bedingung zuzustimmen, wenn – dem einstimmigen Beschluss des Umweltausschusses des Europaparlaments vom 4. November 2003 folgend – ein höchstmögliches Maß an Sicherheit verankert wird, d.h. im Konkreten:

hinsichtlich des Richtlinienvorschlages betreffend Sicherheit kerntechnischer Anlagen

- Der Richtlinientext soll dahingehend verbessert werden, dass er Sicherheitsnormen, Durchsetzungsmechanismen und Zeitpläne schafft, die dem Stand der Technik (technische, rechtliche und betriebstechnische Systeme müssen der besten verfügbaren Praxis entsprechen, die derzeit in der Union eingesetzt wird oder sich in Entwicklung befindet) entsprechen und die es der Gemeinschaft ermöglichen, das höchstmögliche Sicherheitsniveau für kerntechnische Anlagen sicherzustellen;

- die Richtlinie soll in Folge durch die Einführung gemeinsamer, konkreter Normen und Kontrollmechanismen ergänzt werden mit dem Ziel, unter Berücksichtigung des technologischen Wandels ein höchstmögliches Sicherheitsniveau aufrechtzuerhalten;

- Finanzmittel aus der Nuklearstromerzeugung für Stilllegungs- und Abfallentsorgungsmaßnahmen sollen verpflichtend und zweckgebunden mit einer eigenen, von den Betreibern abgekoppelten Rechtspersönlichkeit eingerichtet werden; dazu soll durch entsprechende EU-Rechtsvorschriften sichergestellt werden, dass Mittel für Stilllegungs- und Abfallentsorgungsmaßnahmen in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen und gleichzeitig eine Behinderung des Wettbewerbs im EU-Energiemarkt vermieden wird; die Mittel sollen nachvollziehbar nur für Stilllegungs- und Abfallbehandlungstätigkeiten eingesetzt werden und nicht unmittelbar oder mittelbar zur Finanzierung marktbezogener Tätigkeiten verwendet werden;

- die Mitgliedsstaaten sollen durch die Richtlinie verpflichtet werden, die Exposition der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegenüber ionisierender Strahlungen während des Baus, des Betriebs und der Stilllegung von kerntechnischen Anlagen auf das niedrigste technisch erreichbare Niveau zu beschränken;

- der Zugang zu Information und die Beteiligung der Öffentlichkeit muss gewährleistet sein;

hinsichtlich des Richtlinienvorschlages betreffend Abfallentsorgung

- Alle Anstrengungen müssen unternommen werden, damit die ökologischen und gesundheitlichen Lasten für künftige Generationen auf ein absolutes Mindestmaß beschränkt werden; dies impliziert die Minimierung von Transportrisiken und -wegen. Bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente muss das höchste technisch erreichbare Schutzniveau festgeschrieben werden;

- eine ausschließliche Festlegung auf die Lagerung von radioaktivem Abfall in tiefen geologischen Formationen als geeignetste Option soll nicht getroffen werden;

- Exporte von strahlenden Abfällen aus Kernenergieanlagen – einschließlich Plutonium und abgebrannter Brennelemente - in Drittstaaten zu Zwecken der Wiederaufbereitung, zur Herstellung von MOX oder zur Abfallbehandlung sollen verboten werden;

- die EU-Kommission sollte die gegenwärtigen Pläne der einzelnen Mitgliedstaaten für die Entsorgung und Endlagerung radioaktiver Abfälle erheben, veröffentlichen und Bemerkungen dazu ermöglichen;

- die Kommission sollte Leitlinien dafür aufstellen, welche Abfallentsorgungsmechanismen nicht akzeptabel sind, z.B. Verklappung im Meer, Einbringung in den Weltraum, Wiederaufarbeitung;

- die Kommission sollte eine Richtlinie mit Leitlinien für die Anhörung der Öffentlichkeit bezüglich der Erschließung von Standorten zur Endlagerung radioaktiver Abfälle ausarbeiten. Dabei wären geltende internationale Verträge – wie das Übereinkommen von Århus – und geltende Richtlinien wie die Richtlinie über die strategische Umweltprüfung als Grundlage heranzuziehen, und es wäre das Erfordernis zu formulieren, dass die Personen, die von der Entscheidung einer Behörde oder Aufsichtsbehörde betroffen sind, den Status einer Verfahrenspartei und die Möglichkeit erhalten, ungeachtet nationaler Grenzen Einwände zu erheben;

- der Zugang zu Information und die Beteiligung der Öffentlichkeit muss gewährleistet sein;

weiters wird die Bundesregierung ersucht

·         sich weiterhin im Sinne der österreichischen Position im Umweltministerrat dafür einzusetzen, dass im Rahmen der Verhandlungen zur EU-Umwelthaftungsrichtlinie – entsprechend den Vorschlägen des EU-Parlaments und nach Vorbild des österreichischen Atomhaftungsrechts - ein strenges europäisches Atomhaftungsregime verankert wird;

·         sich auf EU-Ebene für die rasche Überprüfung aller europäischer AKW hinsichtlich Terrorsicherheit (v.a. Terror-Attacken mit Flugzeugen) einzusetzen und für eine entsprechende Diskussion und für die Einrichtung bzw. Ausweitung von Flugverbotszonen um alle europäischen Nuklearanlagen einzutreten;

·         in Folge aktiv für die Schließung jener – veralteten – Anlagen einzutreten, für die keine ausreichende Sicherheit gegenüber Terror-Anschlägen mit Flugzeugen gegeben ist;

·         sich auf EU-Ebene für eine einheitliche, klare Stromkennzeichnung nach dem Prinzip des Händlermixes einzusetzen;

·         sich dafür einzusetzen, dass es bei den sogenannten Hochrisikoreaktoren (Kosloduj, Ignalina, Bohunice) zu keiner Verzögerung von den gegenüber der EU zugesagten Schließungsdaten kommt;

·         für eine strenge Anwendung und eine Weiterentwicklung der Störfallinformationsabkommen einzutreten.