Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs.5 GOG

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits

zum Bericht des Justizausschusses über das Strafrechtsänderungsgesetz 2004 (Sexualstrafrechtsnovelle)

Die Grünen haben das Gesetzesvorhaben zur Modernisierung des Sexualstrafrechts grundsätzlich begrüßt. Immerhin werden damit einige langjährige Forderungen der Grünen umgesetzt. Hier sei vor allem auf die Streichung der Begünstigung von Vergewaltigung in der Ehe, einer – leider inkonsequent gebliebenen – Modernisierung der Begrifflichkeit und einige Verbesserungen bei der Bekämpfung der Kinderpornographie verwiesen.

Leider weist das Gesetzesvorhaben aber auch einige schwerwiegende Defizite auf:

Die Grünen fordern die Streichung des Paragraphen 207 b, der Nachfolgebestimmung des „Homosexuellenparagraphen“ 209. Die Praxis hat die Befürchtungen bestätigt, dass diese Bestimmung nahezu ausschließlich gegen homosexuelle Männer eingesetzt wird. Statt einer Streichung kommt es nun sogar zu einer Verschärfung durch die Verlängerung der Verjährungsfristen von fünf auf bis zu neun Jahren.

Selbst bei der Bereinigung des österreichischen Sexualstrafrechts von überkommenen Begrifflichkeiten, wie „Unzucht“, bleibt das Vorhaben inkonsequent: So hat der Ministerialentwurf noch die ersatzlose Streichung  des Paragraphen 219 – „Ankündigung zur Herbeiführung unzüchtigen Verkehrs vorgesehen, da es keine „zeitgemäße“ Bestimmung mehr sei. Im vorliegenden Abänderungsantrag der Regierungsparteien findet sich diese antiquierte Bestimmung aber leider wieder.

Unsere Hauptkritik richtet sich gegen die überschießenden und schwammigen Bestimmungen im Zusammenhang mit der Kinderpornographie. Die Neuregelung von Paragraph 207 a kriminalisiert nämlich selbst private sexuelle Abbildungen von 17-Jährigen, sobald diese freiwillig anderen zugänglich gemacht werden, etwa in Chat-Foren ausgetauschte Bilder. Damit werden die Behörden künftig auch mit derartigen Fällen belastet werden, anstatt sich auf die Bekämpfung von Kinderpornographie zu konzentrieren zu können. Hier müssten klare Prioritäten gesetzt werden.

Im Justizausschuss hat am 11. Dezember 2003 ein ExpertInnenhearing stattgefunden. Wir anerkennen das ausdrücklich als Zeichen eines konstruktiven Diskussionsklimas im Justizausschuss, bedauern aber zugleich, dass die Ergebnisse des Hearings weitgehend unbeachtet geblieben sind.

Einhellige Kritik gab es im Hearing an einigen Einzelmaßnahmen, vor allem an der Ausweitung der Kinderpornografie-Regelung auf über 14-jährige Jugendliche. Der Rechtsanwalt Dr. Helmut Graupner warnte vor "absurden Konsequenzen", da damit auch Bilder von voll entwickelten 17-jährigen Jugendlichen strafbar würden.

Die Psychotherapeutin und Juristin Rotraud Perner, der Kinderpsychiater Ernst Berger und der Journalist Robert Altenburger schlossen sich dieser Kritik Graupners vollinhaltlich an. Die ExpertInnen warnten, dass hier bei dem grundsätzlich positiven Ansatz übers Ziel hinaus geschossen wird und dass der Gesetzesentwurf dem von Jugendlichen betriebenen "Wertesampling" nicht gerecht werde. Insgesamt sprachen sich die ExpertInnen für Anpassungen aus und wiesen darauf hin, dass der bestehende Entwurf mit einigen kleinen Formulierungs-Änderungen einen brauchbaren Ansatz darstellen wurde.

Die Stellungnahmen der ExpertInnen wurden von den Regierungsfraktionen leider nur sehr ungenügend berücksichtigt. Die Einschränkung im § 207 a auf „reißerisch verzerrte“ Abbildungen geht zwar in die richtige Richtung, greift aber viel zu kurz.

Deshalb habe ich gemeinsam mit Abgeordneten Dr. Jarolim einen Abänderungsantrag zu § 207 a und § 219 im Ausschuss gestellt. Nach diesem soll § 207a StGB (weiterhin) die Darstellungen nur mit Unmündigen erfassen. Für mündige Minderjährige („Jugendliche“) soll ein eigener Tatbestand (§ 219 StGB) geschaffen werden, der im Sinne deren Grundrechts auf einverständliche sexuelle Kontakte und in Berücksichtigung des Umstands, dass – im Gegensatz zur Situation bei Unmündigen – grundsätzlich legale Kontakte abgebildet werden (auf die die Beteiligten sogar einen grundrechtlichen Anspruch haben), nicht Abbildungen sexueller Vorgänge generell pönalisiert und dann Ausnahmen schafft, sondern umgekehrt jene Umstände festlegt, in denen auch bei mündigen Personen der Umgang mit pornografischen Darstellungen den Einsatz des Strafrechts erfordert, insb. dort wo der Bereich der privaten Sexualität verlassen wird.

Wird eine pornographische Darstellung einer Person ohne deren Zustimmung an andere verbreitet, so erscheinen auch erwachsene Personen schutzbedürftig. Die Minderjährigkeit sollte hier kein Kriterium sein.

Ebenso erscheint die Herstellung von Gewaltpornografie nicht nur bei Minderjährigen strafbedürftig. Es soll idealkonkurrierend mit den §§ 201, 202, 205, 212 und 106 (letzterer, dann wenn keine geschlechtliche Handlungen sondern nur die Genitalien abgebildet werden) zur Anwendung kommen (so wie etwa auch § 214).

Bei Minderjährigen sollte allerdings die Verbreitung an einen größeren Personenkreis generell untersagt werden, ohne Rücksicht auf ihre Zustimmung.

Ebenso sollen bei Minderjährigen kommerzielle Motive anderer Personen ausgeschaltet werden.

Auch bei nichtpornografischen (bloß erotischen oder bloßen Nackt)Darstellungen kann es zu unerträglichen Verletzungen der Privat- und Intimsphäre kommen (so etwa bei heimlichem MMS-Versand per Handy oder Veröffentlichung auf einer Internetseite). Solche Verletzungen werden durch § 7 MedienG und § 78 UrhG zivilrechtlich geahndet. Die Einführung auch strafrechtlicher Sanktionen erscheint (auch im nicht-pornografischen Bereich und bei nicht wirklichkeitsnahen Darstellungen) überlegenswert, soll aber einer generellen Regelung vorbehalten bleiben, die nicht nur sexuelle Vorgänge erfasst, sondern umfassend unerträgliche Verletzungen der Privat- und Intimsphäre auch strafrechtlich ahndet.

§ 207b wurde in Abs. 4 nicht einbezogen, weil jene Fälle, die nicht von den Abs. 1 bis 3 erfaßt sind und keine Begehungsweisen nach den §§ 201, 202, 205 oder 212 als Teil legaler privater Sexualkontakte Jugendlicher erscheinen. Gerade in diesem Bereich erscheint aber § 207b problematisch und wird deshalb im Nationalen Aktionsplan Kinder- und Jugendrechte (YAP) die Forderung nach einer Evaluierung dieser Bestimmung im Hinblick auf die befürchtete Einschränkung jugendlicher Selbstbestimmung erhoben. Vor Vorliegen des Ergebnis dieser Evaluierung sollte der Anwendungsbereich des § 207b nicht erweitert werden.

ÖVP und FPÖ waren im Ausschuss leider nicht bereit, diese konstruktiven Änderungsvorschläge aufzugreifen, und haben mit ihrer ablehnenden Halten einen breiteren Konsens verhindert.

 

Mag. Terezija  Stoisits