Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser

zum Bericht 382 der Beilagen des Verfassungsausschusses betreffend die Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz, mit dem ein E-Government-Gesetz erlassen wird sowie das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Zustellgesetz, das Gebührengesetz 1957, das Meldegesetz 1991 und das Vereinsgesetz 2002 geändert werden

Der Entwurf der Bundesregierung zur Erlassung eines E-Government-Gesetzes wurde im Begutachtungsverfahren überwiegend massiv kritisiert und abgelehnt. Dies vor dem Hintergrund, dass die meisten der begutachtenden Institutionen E-Government grundsätzlich positiv gegenüberstehen und nur die Form der gewählten Umsetzung ablehnen, da sie vielfältige Probleme aufwirft. Auf die vorgebrachten Bedenken wurde allerdings in der Regierungsvorlage kaum reagiert.

Die zentralen Kritikpunkte aus dem Begutachtungsverfahren wurden durch die Stellungnahmen der ExpertInnen im Verfassungsausschuss am 22.1.2004 bestätigt. Leider wurden auch diese Stellungnahmen von den Regierungsparteien im Verfassungsausschuss nicht berücksichtigt, weshalb die Grüne Fraktion das Gesetz ablehnt und in dieser abweichenden Stellungnahme ihre Hauptkritikpunkte nochmals darlegt.

1. Verständlichkeit des Gesetzes kaum gegeben

Der Gesetzestext ist so kompliziert, dass er weder für TechnikerInnen noch für JuristInnen lesbar und verständlich ist. Das übertriebene Bemühen um Identifikation von BürgerInnen hat dazu geführt, dass  der Entwurf extrem technokratisch formuliert ist. Damit wird dem Grundanliegen einer verständlichen und „anwenderInnenfreundlichen“ Gesetzgebung zuwidergehandelt. Andererseits werden wichtige inhaltliche Punkte überhaupt nicht ausgeführt, sondern per Verordnungsermächtigung an die MinisterInnen delegiert. So enthält der Gesetzesentwurf alleine 7 Verordnungsermächtigungen, z.B. betreffend die nähere Ausgestaltung der Verwaltungssignatur.

2. Ausschließlicher Fokus auf die elektronische Personenkennzeichnung

Beim E-Government sollten durch Förderung der elektronischen Kommunikation zwischen Behörden und BürgerInnen für beide Seiten Vorteile und Vereinfachungen geschaffen sowie bestmöglich für Datenschutz und –sicherheit gesorgt werden. Im Entwurf wird auf die Seite der BürgerInnen komplett vergessen - dadurch reduziert sich das Gesetz auf die elektronische Personenkennzeichnung und schafft „gläserne BürgerInnen statt gläserner Behörden“. Im ganzen Entwurf finden sich keine Regelungen zur Bereitstellung von Leistungen und Service für BürgerInnen durch die öffentliche Hand in Form des E-Government.

3. BürgerInnenrechte fehlen

BürgerInnenrechte wie z.B. jenes auf Informationserteilung, auf Vertraulichkeit, etc. sind im Gesetzesentwurf nicht enthalten, ebenso wenig Leistungsstandards bei Amtsbesuchen von BürgerInnen. Diese Leistungsstandards, wie etwa eine sofortige Antragserledigung, die Weiterleitung von Anträgen an die zuständigen Stellen, eine verbindliche Auskunft über zuständige Stellen oder Information über Alternativen zu Anträgen, sind im Zusammenhang mit E-Government essentiell.

Der Entwurf enthält auch noch weitere bürgerInnenfeindliche Elemente: So werden BürgerInnen, die weiterhin Amtswege persönlich erledigen, finanziell benachteiligt (indem diverse Verwaltungsgebühren nur bei elektronischer Erledigung wegfallen), die Chipkartensystem-Benutzung ist technisch aufwändig, Nachteile wie z.B. verspätetes Einlangen von Anträgen wegen technischer Störungen gehen zulasten der BürgerInnen, für BürgerkartensystemnutzerInnen gibt es keinen Rechtsanspruch auf elektronische Erledigung.

4. Keine Gleichstellung von Menschen mit Behinderung

Menschen mit Behinderung werden im Entwurf nicht ausreichend berücksichtigt, erst 2008 sollen die europäischen Standards hinsichtlich des barrierefreien Zugangs zu Webseiten für behinderte Menschen gewährleistet sein. Diese widerspricht der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU und bedeutet, dass auch neue Internetseiten nicht barrierefrei sein müssen.

5. Keine Einheitlichkeit gewährleistet

Es sind keinerlei einheitliche Standards für Verwaltungsbehörden aller Ebenen festgelegt, bereits bestehende E-Government-Angebote werden nicht berücksichtigt. So gibt es in einigen Ländern beispielsweise bereits seit einiger Zeit sehr unbürokratische Zugangsformen (über Nutzernamen und Passwort) zu Dokumenten. Die Länder befürchten nun, dass mit dem Bürgerkartenmodell des E-Government-Gesetzes solche Angebote verunmöglicht werden.

6. Keine Kostenwahrheit

Der Gesetzesentwurf enthält keine Kostenschätzung, es ist nur äußerst vage von Einsparungspotenzialen die Rede. Zahlreiche begutachtende Institutionen sind überzeugt, dass bei Umsetzung des Gesetzes tatsächlich hohe Kosten anfallen werden – die Schätzungen liegen etwa bei 2 bis 3 Mio. Euro Fixkosten für den Start der Personenkennzeichen sowie ca. 10 Euro pro verwaltetem Datensatz und Jahr.

7. Behördenunvereinbarkeit

Die Datenschutzkommission ist im Entwurf als Stammzahlenregisterbehörde vorgesehen, dafür aber ungeeignet. Dies vor allem deshalb, weil die Kommission eine unabhängige Kontrollbehörde zur Wahrung des Datenschutzes ist und mit dieser Aufgabe selbst eine Beteiligte in E-Government-Vorgängen wird. Dadurch verliert die DSK ihre Unabhängigkeit. Auch könnten Situationen entstehen, in denen die DSK sich selbst überprüfen müsste. Überdies ist die DSK bereits derzeit überlastet und könnte eine Zusatzaufgabe ohne zusätzliche Ressourcen nicht bewältigen.

8. Datenschutzprobleme

a. Es soll für unterschiedliche Bereich der öffentlichen Verwaltung unterschiedliche, sog. bereichsspezifische Personenkennzeichen (bPK) geben, allerdings fehlt eine Abgrenzung dieser Bereiche. Dadurch besteht die Gefahr, dass eine relativ weitgehende Verknüpfung von Daten möglich sein wird.

b. Bisherige Signatur-Standards werden unterschritten: eine Übergangsbestimmung sieht für eine bestimmte Zeit für genau jene Verfahren, wo vom Signaturgesetz eine sichere Signatur gefordert wird, eine „Verwaltungssignatur“ vor, die weniger sicher ist.

c. Da die Datenschutzkommission bereits derzeit an Arbeitsüberlastung leidet, soll die tatsächliche Verwaltung der Personenkennzeichen im BMI erfolgen, womit dieses faktisch Einblick in alle elektronisch geführten Behördenwege erhält.

d. Der Sicherheitsaspekt reduziert sich auf einen einheitlichen komplexen Mechanismus, der wegen seiner Einheitlichkeit korruptionsanfällig sein kann und auch Überwachungsprozesse ermöglicht.

9. Verfassungsrechtliche Probleme

Aus verfassungsrechtlicher Sicht sind Eingriffe in die Kompetenzen der Länder problematisch, die zur Anpassung ihrer Kommunikationssysteme gezwungen sind. Auch die Stammzahlenverwaltung und die Zustellung im Zusammenhang mit Ausschreibungen für das Beschaffungswesen sind aus kompetenzrechtlicher Sicht nicht unproblematisch.

10. Änderungen im Zustellgesetz problematisch:

Die Änderungen im Zustellgesetz sind sehr weitreichend, gehen häufig zulasten der BürgerInnen (z.B. Kostenüberwälzung bei Druckkosten, etc.) und sind nicht bedacht in ihren möglichen Auswirkungen.

 

Dr. Gabriela Moser