493 der Beilagen zu den Stenographischen
Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Justizausschusses
über den Antrag 376/A der Abgeordneten Dr.
Helene Partik-Pablé, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter , Kolleginnen und Kollegen
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem vorübergehende Maßnahmen für die Anhaltung
in Untersuchungshaft und im Strafvollzug getroffen werden
Die Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé,
Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Kolleginnen und Kollegen haben den
gegenständlichen Initiativantrag am 5. Mai 2004 im Nationalrat eingebracht und
wie folgt begründet:
„Seit Jänner 2002 ist die Zahl der
Häftlinge in den österreichischen Justizanstalten von 6.840 auf ca. 8.300
angestiegen. Dieser Entwicklung hat die Bundesregierung im Regierungsprogramm
2003 bis 2006 Rechnung getragen und darin „Maßnahmen zur Anpassung des
gestiegenen Haftraumbedarfes“ vorgesehen.
Eine zum Häfltingsanstieg eingeholte
wissenschaftliche Untersuchung kam zu folgenden Ergebnissen:
Der überwiegende Anstieg der Kriminalität
und damit der Haftzahlen ist im Raum Wien zu verzeichnen. Hier ist die Anzahl
der als tatverdächtig inhaftierten bzw. straffälligen Personen deutlich
angestiegen (in manchen Deliktsgruppen bis zu 30%). Die Untersuchungen haben
ergeben, dass diese Steigerungen überwiegend abgrenzbaren geografischen, aber
auch deliktsspezifischen Bereichen zugeordnet werden können. So ist unter
anderem die Zahl der wegen Diebstahlsdelikten verurteilten Personen aus dem Bereich
von Osteuropa (ausgenommen EU-Beitrittsstaaten 2004) um 365,6% angewachsen.
Auffallend ist der hohe Anteil jugendlicher
Häftlinge (unter 18 Jahren); in etwas geringerem Maß ist der Anteil junger
Erwachsener (18 bis 21 Jahre)
gewachsen.
Die Strafvollzugsverwaltung hat alle
Anstrengungen unternommen, um die beinahe dramatische Veränderung der
Häftlingszahlen nicht in ein Sicherheitsproblem umschlagen zu lassen. Dichter
Belag führt zu erheblichen Aggressionssteigerungen der Häftlinge untereinander,
aber auch gegenüber dem Personal. Unbeschäftigte Strafgefangene und
gleichzeitig reduzierte Angebote an strukturierten Betreuungsangeboten in Folge
Personalmangels verstärken das Problem.
Eine unveränderte Beibehaltung der
bisherigen Vollzugskapazitäten und Vollzugsbedingungen – ohne Berücksichtigung
der geänderten Verhältnisse – wäre mit gravierenden Vollzugsdefiziten, einer
Beeinträchtigung des allgemeinen Vollzugsklimas und letztlich mit dem Risiko
einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit verbunden.
Unzureichende Sicherheitsverhältnisse sind
kurzfristig nicht sanierbar. Die Ausbildung von Justizwachebeamtinnen und
Justizwachebeamten erfordert zumindest einen Zeitraum von etwa 18 Monaten,
ebenso der Bau von neuem Haftraum in Österreich. Eine Entlastung der derzeit
äußerst angespannten Situation im Untersuchungshaft- und Strafvollzug ist
grundsätzlich nur in zwei Richtungen denkbar:
a) Ausweitung der
Haftraumkapazitäten (durch Neu- oder Zubauten);
b) Maßnahmen zur
Verringerung des Häftlingsbelages, insbesondere Ausbau der bedingten Entlassung
sowie Beschleunigung der Übertragung der Strafvollstreckung an den Heimatstaat
des ausländischen Insassen.
Die erste Variante führt allerdings nicht
kurzfristig zu einer Entlastung der angespannten Situation. Im Bereich der zweiten
Variante wurde bereits mit Artikel
65 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, in Form
des Bundesgesetzes, mit dem vorübergehende Maßnahmen im
Bereich des Strafaufschubs getroffen werden, eine – zeitlich befristete –
Maßnahme zur Abhilfe geschaffen.
Zumal (auch) diese Maßnahme von vornherein
nur als Teil eines Maßnahmenbündels zu sehen war, dem andere Maßnahmen zu
folgen hätten, wird nun als weitere Maßnahme – gleichfalls zeitlich befristet
und nach dem Vorbild früherer Sondermaßnahmen bei ähnlicher Gelegenheit
konzipiert (vgl.
BGBl. Nr. 467/1992 und 528/1993 sowie das Erkenntnis des VfGH
vom 29.6.1995, G 13/95 = VfSlg 14.197) – der Entwurf eines Bundesgesetzes, mit
dem vorübergehende Maßnahmen für die Anhaltung in Untersuchungshaft und im Strafvollzug
getroffen werden, vorgelegt.
Mit diesem Vorschlag können die
Belagszahlen zwar nicht reduziert werden; er soll jedoch dazu dienen, bei
Belagsspitzen im Bereich gerichtlicher Gefangenenhäuser, also insbesondere auch
im Bereich des Landesgerichts für Strafsachen Wien, flexibler reagieren zu
können, als dies derzeit der Fall ist, indem in den vom Entwurf umfassten
Fällen auch auf Vollzugsanstalten „ausgewichen“ werden kann. Diese Fälle
betreffen die Untersuchungshaft nach dem Urteil erster Instanz, wenn der
Vollzug einer Freiheitsstrafe zu erwarten ist, sowie den Vollzug von
Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten (in einer Vollzugsanstalt) auch ohne
Zustimmung des Verurteilten, wenn dies nicht unzumutbar ist.“
Der Justizausschuss hat den gegenständlichen
Initiativantrag in seiner Sitzung am 18. Mai 2004 in Verhandlung genommen.
An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters
die Abgeordneten Otto Pendl, Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Christian Puswald,
Mag. Terezija Stoisits, Dr. Johannes Jarolim sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Dr.
Maria Theresia Fekter.
Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf
unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages der Abgeordneten Otto Pendl, Mag. Heribert Donnerbauer
und Detlev Neudeck mit Stimmenmehrheit angenommen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt
der Justizausschuss somit den Antrag, der
Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf
die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2004-05-18
Johann
Ledolter Mag. Dr. Maria Theresia Fekter
Berichterstatter Obfrau