499 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Gleichbehandlungsausschusses

über die Regierungsvorlage (307 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz - GlBG) erlassen und das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben (Gleichbehandlungsgesetz) geändert werden

Im Hinblick auf das EU-Recht ist eine Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes erforderlich. So sind die Richtlinie gemäß Artikel 13 EG-Vertrag 2000/43/EG des Rates zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft und die Richtlinie gemäß Artikel 13 EG-Vertrag 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, die Diskriminierungen auf Grund der Religion oder einer Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung verbietet, durch die geltende österreichische Rechtslage nicht erfüllt. Weiters besteht hinsichtlich von Teilen der Richtlinie 2002/73/EG des Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, worin unter anderem auch die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes nachvollzogen wurde, Umsetzungsbedarf. Schließlich haben die Erfahrungen bei der Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes gezeigt, dass auch sonstige Verbesserungen des materiellen Rechts und von Verfahrensvorschriften notwendig sind.

Ziel des gegenständlichen Gesetzentwurfes ist die Anpassung des Gleichbehandlungsgesetzes an das EU‑Recht, vor allem an die Richtlinie 2000/43/EG sowie die Richtlinie 2000/78/EG - ausgenommen der Diskriminierungstatbestand der Behinderung, der in einem eigenen Gleichstellungsgesetz geregelt wird - und die Richtlinie 2002/73/EG sowie Verbesserungen des Instrumentariums zur verstärkten Kontrolle und Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, soweit dem Bund die entsprechende Regelungskompetenz zukommt. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie um die Lesbarkeit zu gewährleisten, erfolgt die Umsetzung in zwei Gesetzen. Das bisherige Gleichbehandlungsgesetz wird in das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft - GBK/GAW-Gesetz umbenannt und insoweit novelliert, als es nunmehr - unter Berücksichtigung des Anpassungsbedarfes auf Grund der Richtlinien - die Institutionen (Gleichbehandlungskommission und Anwaltschaft für Gleichbehandlung) sowie das Verfahren regelt. Darüber hinaus wird ein Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz - GlBG) erlassen, das die materiellen Bestimmungen des bisherigen Gleichbehandlungsgesetzes übernimmt und um jene Regelungen erweitert wird, die sich aus dem Umsetzungsbedarf der Richtlinien ergeben. Schließlich werden geschlechtsneutrale Formulierungen verwendet.

Inhalt des gegenständlichen Gesetzentwurfes sind:

-       Ausweitung des Geltungsbereiches des Gleichbehandlungsgesetzes und der Diskriminierungstatbestände in Anpassung an die geänderte EU-Gleichbehandlungsrichtlinie und die Antidiskriminierungsrichtlinien gemäß Artikel 13 EG-Vertrag, ausgenommen der Tatbestand der Diskriminierung auf Grund einer Behinderung,

-       Ausdehnung des Geltungsbereiches auf arbeitnehmerähnliche Personen,

-       Ausdehnung des Geltungsbereiches auf Entsendefälle in Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie,

-       Aufnahme der ausdrücklichen Definition der Begriffe der unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung,

-       Einführung des Diskriminierungstatbestandes der geschlechtsbezogenen Belästigung sowie der Belästigung auf Grund eines Diskriminierungstatbestandes der beiden Antidiskriminierungsrichtlinien und Beweismaßerleichterung bei allen diesen Formen der Belästigung,

-       Aufnahme der Zielbestimmung der aktiven Gleichstellung von Frauen und Männern,

-       Ausdehnung der Möglichkeit der Setzung von positiven Maßnahmen auf alle vom Entwurf erfassten Bereiche,

-       Ausdehnung der Verpflichtung zur Legung von Berichten an den Nationalrat auf alle vom Entwurf erfassten Bereiche,

-       Einführung von Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung inklusive Schadenersatzregelungen in Anpassung an die geänderte EU-Gleichbehandlungsrichtlinie und die beiden Antidiskriminierungsrichtlinien,

-       Einführung eines Benachteiligungsverbotes als Maßnahme zur Verstärkung des Schutzes vor Diskriminierungen (auch für Zeug/inn/en) in Umsetzung der geänderten EU‑Gleichbehandlungsrichtlinie sowie der beiden Antidiskriminierungsrichtlinien,

-       Ausweitung der Strafsanktion bei Verletzung des Gebotes der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung auf Arbeitgeber/innen (mit Verwarnung beim ersten Verstoß) sowie Einführung des Gebotes der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung inklusive Strafsanktion,

-       Einführung besonderer mit der Gleichbehandlung befasster unabhängiger Stellen im Sinne des Art. 13 der Antirassismusrichtlinie und des Art. 8a der Änderungsrichtlinie 2002/73/EG durch entsprechende Ausgestaltung der Gleichbehandlungsanwaltschaft,

-       Absicherung der Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern, der Regionalanwältin, des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt, des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft in sonstigen Bereichen sowie des/der Regionalvertreters/Regionalvertreterin,

-       Einführung der Parteistellung der Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern, der Regionalanwältin, des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt, des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft in sonstigen Bereichen sowie des/der Regionalvertreters/Regionalvertreterin im Verfahren bei Verletzung des Gebotes der geschlechtsneutralen bzw. der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung und eines Antragsrechtes der Regionalanwältinnen und Regionalvertreter/innen an die Gleichbehandlungskommission.

Der Gleichbehandlungsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seinen Sitzungen am 18. März 2004 sowie am 19. Mai 2004 in Verhandlung genommen.

In der Sitzung am 18. März 2004 wurden folgende Auskunftspersonen den Ausschussberatungen beigezogen: MR Mag. Wolf-Dietrich Böhm (Bundeskanzleramt, Abteilung III/1), Dr. Di-Tutu Bukasa (African Community), Dr. Alix Frank-Thomasser (Rechtsanwältin), RA Dr. Helmut Graupner (Präsident des Rechtskomitees Lambda (RKL), Österreichs Mitglied der EU-Experten, AG zur Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung), Dr. Brigitte Hornyik (Verein österreichische Juristinnen), Mag. Andrea Huber (Amnesty International Österreich), Dr. Christoph Kainz (Wirtschaftskammer Österreich – Bundessparte Industrie), Univ.-Prof. Dr. Beatrix Karl (Universität Graz, Institut für Arbeits- und Sozialrecht), Dr. Alice Karrer-Brunner (Vorsitzende der Gleichbehandlungskommission), Dr. Ingrid Nikolay-Leitner (Gleichbehandlungsanwältin), Dr. Anna Ritzberger-Moser (Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit), Mag. Dieter Schindlauer (ZARA – Verein für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit), Mag. Thomas Schmied (Jurist), Mag. Martina Thomasberger (Arbeiterkammer Wien), Hannes Tretter (Ludwig Boltzmann Institut), Dr. Silvia Ulrich (Universität Graz).

Weiters haben die Fraktionen folgende Experten nominiert: ÖVP: Christine Gubitzer (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst) und RA Dr. Helga Wagner, SPÖ: Mag. Iris Woltran (Volkshilfe Österreich) und Mag. Volker Frey (Wiener Integrationsfonds), FPÖ: Irene Slama (Staatssekretariat für Familie, Generationen und Konsumentenschutz), Grüne: Mag. Birgit Weyss (Boltzmann-Institut für Menschenrechte).

An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin die Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Mag. Walter Posch, Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler, Mag. Terezija Stoisits, Bettina Stadlbauer, Ridi Steibl, Mares Rossmann, Gabriele Heinisch-Hosek, Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Mag. Elisabeth Grossmann, Heidrun Walther, Kai Jan Krainer, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter sowie der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein, die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat, der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Barbara Prammer.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler und Dipl.-Ing. Elke Achleitner einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Mit dem Abänderungsantrag sollen - abgesehen von sprachlichen Klarstellungen bzw. verbesserten Formulierungen - folgende Änderungen gegenüber der Regierungsvorlage erfolgen:

         - Teilung des Genderbereichs von den übrigen Diskriminierungsregelungen, um die besondere Bedeutung der Gleichstellung von Frauen und Männern hervorzuheben; damit verbunden sind zahlreiche Zitatanpassungen gegenüber der Regierungsvorlage.

         - generelle Ersetzung des Begriffs „Rasse und ethnische Herkunft“ durch „ethnische Zugehörigkeit“, womit keine Einschränkung des Anwendungsbereichs gegenüber der Richtlinie verbunden ist, sondern ausschließlich der im deutschen Sprachgebrauch verpönte Begriff „Rasse“ entfallen soll.

         - geänderte Beweislastregelung: Die Beweislastregelungen der einschlägigen EU-Richtlinien verpflichten die Mitgliedstaaten, im Einklang mit ihrem nationalen Gerichtswesen zu gewährleisten, dass es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat. Wenngleich die in der Regierungsvorlage vorgesehene Beweislastregelung, die dem seit langem in Österreich geltenden Recht entspricht und auch von der EU-Kommission noch nicht beanstandet wurde - diesen Anforderungen der Richtlinien Rechnung trägt, weil der Beklagte entgegen den Grundsätzen des österreichischen Zivilprozessrechts zu aktivem Tun („Beweis“) verpflichtet wird, soll nunmehr, um jeden Zweifel an der vollständigen Umsetzung der Richtlinien in diesem Punkt auszuschließen, bereits aus der sprachlichen Formulierung der Beweislastregelung erkennbar sein, dass der Beklagte zur Beweisführung verpflichtet ist.

         - Mindestschadenersatz bei Aufstiegsdiskriminierung: In der Regierungsvorlage ist vorgesehen, dass der Mindestschadenersatz bei Aufstiegsdiskriminierung die Entgeltdifferenz für einen Monat betragen soll. Obgleich es sich bei dieser Festsetzung nur um einen nach oben offenen Mindestbetrag handelt, soll nunmehr vorgesehen werden, dass der Mindestschadenersatz jedenfalls die Entgeltdifferenz für drei Monate zu betragen hat, um so besser zur Bewusstseinsbildung beizutragen.

         - Verlängerung der Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen aus sexueller oder geschlechtsbezogener Belästigung auf 12 Monate: Diese Fristverlängerung soll es den Opfern sexueller oder geschlechtsbezogener Belästigung erleichtern, ihre Ansprüche durchsetzen zu können, weil die betroffenen Personen nach solchen Erfahrungen in der Regel erst nach längerer Zeit in der Lage sind, sich zu artikulieren.

         - Begründungspflicht des Gerichts, wenn das Urteil von einem vorgelegten Gutachten der Gleichbehandlungskommission abweicht.

         - Beteiligung der Nichtregierungsorganisationen im gerichtlichen Verfahren (Nebenintervention): Die einschlägigen EU-Richtlinien verlangen, dass die Mitgliedstaaten beim Rechtsschutz sicherzustellen haben, dass Verbände, Organisationen oder andere juristische Personen, die gemäß den in ihrem einzelstaatlichen Recht festgelegten Kriterien ein rechtmäßiges Interesse daran haben, für die Einhaltung der Bestimmungen der Gleichstellungs- und Antirassismus-Richtlinien zu sorgen, sich entweder im Namen der beschwerten Person oder zur deren Unterstützung und mit deren Einwilligung an den zur Durchsetzung der Ansprüche vorgesehenen Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren beteiligen können. Eine Klagemöglichkeit der Nichtregierungsorganisationen kraft eigenen Rechts - also unabhängig vom individuellen Fall, beispielsweise durch Verbandsklage - ist im EU-Recht nicht vorgesehen. Bereits in der Regierungsvorlage war eine entsprechende Beteiligung der Nichtregierungsorganisationen am Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission vorgesehen, es fehlte aber noch eine entsprechende Regelung für das Gerichtsverfahren. Nach der nunmehr vorgesehenen Regelung soll die Beteiligung der Nichtregierungsorganisationen im Rahmen des bewährten zivilprozessualen Instituts der Nebenintervention (§§ 17 bis 19 ZPO) erfolgen. Nebenintervenient nach diesen Bestimmungen der ZPO ist jemand, der sich, ohne selbst Partei des Verfahrens zu sein, an einem zwischen anderen Personen anhängigem Rechtsstreit zur Unterstützung einer Partei beteiligt. Die Aufnahme dieser Regelung, wonach sich der Klageverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern als Nebenintervenient zur Unterstützung von Diskriminierungsopfern im Gerichtsverfahren beteiligen kann, gewährleistet die vom EU-Recht geforderte Beteiligung der Nichtregierungsorganisationen auch im gerichtlichen Verfahren in vollem Umfang.

         Ferner wird davon ausgegangen, dass nach einer Evaluierungsphase von einem Jahr auch die Frage der personellen Ausstattung vor allem in Bezug auf einen derzeit noch nicht abschätzbaren Aufwand bei den Gerichten geklärt werden muss. Man geht weiters davon aus, dass eine analoge Vorgangsweise auch hinsichtlich der Gleichbehandlungsanwaltschaft erfolgen wird.

         - Tragung der Dolmetschkosten im Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission von Amts wegen.

         - Veröffentlichungen der Gleichbehandlungskommission im Internet (um damit auch einen leichteren und kostenlosen Zugang zu ihren Entscheidungen zu ermöglichen).

         - Inkrafttreten 1. Juli 2004.“

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Berichterstatterin für das Plenum wurde Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gleichbehandlungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2004 05 19

Dr. Gertrude Brinek          Mag. Barbara Prammer

    Berichterstatterin                     Obfrau