Vorblatt

Problem:

Die Seeverkehrsbeziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Volksrepublik China haben sich in jüngster Zeit intensiviert. Es bestehen zwar mehrere bilaterale Seeverkehrsabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten und China, es erscheint aber zweckmäßig, die verbesserten Geschäftsbeziehungen durch einen Ansatz auf Gemeinschaftsebene weiter zu konsolidieren. Zwischen Österreich und der Volksrepublik China bestand bisher kein bilaterales Seeverkehrsabkommen.

Ziel:

Durch ein Seeverkehrsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Volksrepublik China andererseits soll der rechtliche Rahmen für die weitere Förderung der Seeschifffahrtsbeziehungen geschaffen werden.

Inhalt:

Das Seeverkehrsabkommen regelt die Bedingungen des Seefrachtverkehrs von und nach China, von und nach der Europäischen Gemeinschaft sowie von und nach China einerseits und Drittländern andererseits im Sinne der Grundsätze der Dienstleistungsfreiheit im Seeverkehr, des freien Zugangs zu Ladungen und Drittländerverkehren sowie des unbeschränkten Zugangs zu Häfen und Hilfsdiensten.

Alternativen:

Beibehaltung der bestehenden bilateralen Seeverkehrsabkommen der EU-Mitliedstaaten ohne ergänzenden gemeinschaftlichen Ansatz.

Auswirkung auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Da die derzeit einzige österreichische Reederei gegenwärtig chinesische Häfen nicht anläuft, ergeben sich keine Auswirkungen auf inländische Seeverkehrsunternehmungen. Die durch das Abkommen zu erwartenden Verbesserungen der Seeverkehrsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und China könnten allerdings indirekt positive Effekte auf die österreichische Außenhandelswirtschaft haben.

Finanzielle Auswirkungen:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Das Seeverkehrsabkommen wird von der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten abgeschlossen und zählt damit zum gemeinschaftlichen Rechtsbestand im Bereich des Seeverkehrs.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Sonderkundmachung gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG.


 

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Seeverkehrsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Volksrepublik China andererseits hat gesetzändernden und gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf gemäß Artikel 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es enthält keine verfassungsändernden bzw. verfassungsergänzenden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Es ist der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen  Rechtsbereich zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Da durch das Seeverkehrsabkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG. Das Seeverkehrsabkommen ist in zwölf Sprachen authentisch. Hinsichtlich aller anderen Sprachfassungen des Seeverkehrsabkommens als der deutschen ist eine Sonderkundmachung gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG vorgesehen.

Als drittgrößter Handelspartner der Europäischen Gemeinschaft außerhalb Europas und bedeutender Dienstleistungsanbieter im internationalen Seeverkehr ist die Volksrepublik China aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft ein wichtiger Partner in diesem Transportsektor. Die Seeverkehrsbeziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und China haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, nicht zuletzt da der chinesische Markt für europäische Reedereien von großem wirtschaftlichen Interesse ist.

Vor diesem Hintergrund hat der Rat im Februar 1998 der Europäischen Kommission ein Mandat zur Aushandlung eines bilateralen Seeverkehrsabkommens mit China erteilt. Nach ersten Sondierungsgesprächen in den Jahren 1999 und 2000 fanden die eigentlichen Konsultationen im Jahr 2001 statt. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen in Beijing im Dezember 2001 konnte von der Kommission ein Abkommenstext paraphiert werden, der den inhaltlichen Grundsätzen der seinerzeitigen Verhandlungsdirektiven entspricht.

Mit Beschluss vom 9. Juli 2002 (sh. Pkt. 4.1 des Beschl.Prot. Nr. 106) hat die Bundesregierung das Seeverkehrsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Regierung der Volksrepublik China andererseits genehmigt und mit abänderndem Beschluss vom 19. November 2002 (sh. Pkt. 27 des Beschl.Prot. Nr. 119) den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zur Unterzeichnung bevollmächtigt. Im Dezember 2002 wurde der Abkommenstext schließlich in Brüssel vom Präsidenten des Rates und den Verkehrsministern der damaligen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, der zuständigen Kommissarin sowie dem chinesischen Verkehrsminister unterzeichnet.

Das Seeverkehrsabkommen dient im Sinne der betroffenen Wirtschaftsunternehmen der Verbesserung der Bedingungen des Seeverkehrsbetriebes zwischen China und der Gemeinschaft. Das Seeverkehrsabkommen beruht auf den Grundsätzen der Dienstleistungsfreiheit im Seeverkehr, des freien Ladungszugangs sowie des unbeschränkten Zugangs zu Häfen und Hilfsdiensten. Weiters soll es die diskriminierungsfreie Behandlung bei den Handelspräsenzen sicherstellen und alle Aspekte der Haus-zu-Haus-Services abdecken.

Das Abkommen stellt die vorhandenen, von den Mitgliedstaaten geschlossenen bilateralen Seeverkehrsabkommen in einen gemeinschaftlichen Rahmen und erzielt darüber hinaus gegenüber den bisher bestehenden bilateralen Seeverkehrsabkommen einiger Mitgliedstaaten mit China ein höheres Maß an Liberalisierung und damit insgesamt eine Verbesserung der Seeverkehrsbeziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und China. Darüber hinaus ergänzt der bilaterale Ansatz der Europäischen Gemeinschaft gegenüber China die Verhandlungen auf multilateraler Ebene im Rahmen der WTO. Zwischen Österreich und China bestand bisher kein bilaterales Seeverkehrsabkommen. Im Hinblick auf den derzeitigen Operationsbereich der unter österreichischer Flagge betriebenen Seeschiffe wird die Bedeutung des gegenständlichen Abkommens für Österreich als Binnenland in erster Linie im Bereich des Außenhandels zu suchen sein.

Das Seeverkehrsabkommen wird für einen Zeitraum von fünf Jahren geschlossen und erneuert sich danach stillschweigend alljährlich um ein weiteres Jahr, sofern es nicht sechs Monate vor seinem Auslaufen schriftlich gekündigt wird. Das Seeverkehrsabkommen tritt am zweitfolgenden Monatsersten in Kraft, nachdem die Vertragsparteien einander den Abschluss des jeweiligen Genehmigungsverfahrens mitgeteilt haben. Die Notifizierung auf Seite der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft erfolgt durch den Präsidenten des Rates.

Es ist beabsichtigt, den Geltungsbereich des Seeverkehrsabkommens noch vor dem Inkrafttreten durch ein mit China noch zu unterzeichnendes Protokoll auf die am 1. Mai 2004 beigetretenen neuen Mitgliedstaaten zu erweitern. Der Beitrittsvertrag sieht vor, dass der Rat ein solches Protokoll im Namen der Mitgliedstaaten abschließt. Für das Inkrafttreten des Protokolls und seiner Anlagen bedarf es daher keiner Genehmigung durch den Nationalrat. Es ist nämlich beabsichtigt, die authentischen Texte in estnischer, lettischer, litauischer, maltesischer, polnischer, slowakischer, slowenischer, tschechischer und ungarischer Sprache dem Protokoll als Anlagen beizuschließen.

Beim Seeverkehrsabkommen ist von einer gemischten Kompetenz zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten auszugehen.

Besonderer Teil

Zu Art. 1:

Das Abkommen bezweckt die Bedingungen für den Seefrachtverkehr zwischen der Gemeinschaft und China zum Nutzen der Wirtschaftsbeteiligten zu verbessern und beruht auf den Grundsätzen der Dienstleistungsfreiheit im Seeverkehr sowie des freien und uneingeschränkten Zuganges zu Ladungen sowie zu Häfen und Hilfsdiensten.

Zu Art. 2:

Der Anwendungsbereich des Abkommens erstreckt sich auf den internationalen Seefrachtverkehr und logistische Dienstleistungen einschließlich multimodaler Beförderungen mit einer seeseitigen Komponente zwischen den Häfen Chinas und der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft. Das Seeverkehrsabkommen gilt nicht für ausschließlich innerstaatliche Verkehre. Bestimmungen der bilateralen Seeverkehrsabkommen zwischen China und den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, die außerhalb des Anwendungsbereiches dieses Seeverkehrsabkommens liegen, bleiben unberührt.

Zu Art. 3:

Dieser Artikel enthält die Begriffsbestimmungen.

Zu Art. 4:

Die bereits faktisch weitgehend verwirklichte Inländergleichbehandlung für Schiffe der Vertragsparteien im Hinblick auf den Zugang zu Häfen und die Nutzung der Hafeninfrastruktur und der Hilfsdienste sowie auf die damit verbundenen Abgaben und Gebühren wird in dieser Bestimmung festgelegt. Die Vertragsparteien verpflichten sich dem Grundsatz des unbeschränkten und diskriminierungsfreien Zugangs zum internationalen Seeschifffahrtsmarkt. In diesem Sinne sollen in künftigen Vereinbarungen mit Drittländern über Seeverkehrsdienstleistungen keine Ladungsanteilsklauseln aufgenommen werden und in bestehenden bilateralen Seeverkehrsabkommen bereits enthaltene derartige Klauseln in angemessener Frist gekündigt werden.

Zu Art. 5:

Die Vertragsparteien ermöglichen den Schifffahrtsgesellschaften der anderen Partei im Hinblick auf die Erbringung internationaler Seeverkehrsdienstleistungen und logistischer Dienstleistungen, einschließlich multimodaler Abläufe, die Gründung von Tochtergesellschaften und Zweigstellen und deren Wirtschaftstätigkeit gemäß ihren Rechts- und Verwaltungsvorschriften. In der Folge werden Beispiele für derartige Tätigkeiten, wie Ladungsakquisition, Buchung von Frachtraum, Vorbereitung der Beförderungs- und Zolldokumente, Abschluss von Verträgen für LKW- und Eisenbahnbeförderung, Lieferung von Geschäftsinformationen sowie die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen mit ortsansässigen Schifffahrtsagenturen genannt.

Zu Art. 6:

Alle allgemein anwendbaren einschlägigen Maßnahmen der Vertragsparteien, welche die Durchführung des Abkommens betreffen, sind von den Vertragsparteien zu veröffentlichen oder in anderer Weise öffentlich zugänglich zu machen. Spezifischen Auskunftsersuchen der anderen Vertragspartei über derartige Maßnahmen ist unverzüglich zu entsprechen.

Zu Art. 7:

Dieser Artikel nimmt Bezug auf die inländischen Verwaltungsbestimmungen. Alle den Handel mit Seeverkehrsdienstleistungen betreffenden allgemein anwendbaren Maßnahmen sind nach objektiven Kriterien zu vollziehen. Im Falle von Genehmigungspflichten haben die Behörden den Antragsteller innerhalb angemessener Frist über ihre Entscheidung über den rechtmäßig eingebrachten Antrag zu informieren bzw. auf dessen Ersuchen ohne unangemessene Verzögerung Auskunft über den Verfahrensstand zu geben. Genehmigungsverfahren sind nach von vornherein festgelegten und transparenten Gesichtspunkten auszurichten.

Zu Art. 8:

Diese Bestimmung gestattet es hundertprozentigen Tochtergesellschaften oder Gemeinschaftsunternehmen, Zweigstellen oder Vertretungen gemäß den im Gastland geltenden Rechtsvorschriften Führungspersonal zu beschäftigen. Die Vertragsparteien bekunden ihre Absicht, sich bei Anwendung dieser Rechtsvorschriften einer möglichst vereinfachten Vorgehensweise zu bedienen.

Zu Art. 9:

Die Regelung ermöglicht es, die aus internationalem Seeverkehr und multimodalem Transport stammenden Einkünfte in frei konvertierbaren Währungen zu berechnen und die Erlöse aus der Wirtschaftstätigkeit von Tochtergesellschaften, Zweigstellen und Vertretungen zum Bankwechselkurs am Tage der Überweisung frei ins Ausland zu überweisen.

Zu Art. 10:

Die Vertragsparteien fördern die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden, der Schifffahrtsgesellschaften und der einschlägigen Forschungs- und Bildungsinstitutionen insbesondere auf den Gebieten der Seeverkehrssicherheit, der Verhütung der Meeresverschmutzung, der Seefahrerausbildung, der Terrorbekämpfung und des wissenschaftlichen Informationsaustauschs.

Zu Art. 11:

Dieser Artikel befasst sich mit Konsultationsmechanismen und Streitbeilegungsverfahren.

Zu Art. 12:

Änderungen des Abkommens bedürfen einer schriftlichen Vereinbarung der Vertragsparteien.

Zu Art. 13:

Diese Bestimmung definiert den territorialen Anwendungsbereich des Abkommens.

Zu Art. 14:

Der Artikel legt die rechtsverbindlichen Sprachfassungen fest.

Zu Art. 15:

Das Seeverkehrsabkommen wird für fünf Jahre geschlossen. Sofern nicht sechs Monate vor seinem Auslaufen eine schriftliche Kündigung durch eine der Vertragsparteien erfolgt, wird es alljährlich stillschweigend verlängert.

Der Artikel legt weiters fest, dass vorteilhaftere Bestimmungen aus bestehenden Verträgen zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und China unbeschadet gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen gegenüber dem Inhalt dieses Vertrages Vorrang haben. Zwischen Österreich und China hat bisher kein Seeverkehrsabkommen bestanden.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass gemäß den Feststellungen des EuGH in den „Open Skies-Urteilen“ vom 5. November 2002 der Vorrang von günstigeren Bestimmungen in bilateralen Verträgen gegebenenfalls auf nichtdiskriminierende Weise sämtlichen im jeweiligen Mitgliedstaat niedergelassenen Schifffahrtsunternehmen der Gemeinschaft zugute kommen müsste.


 

Die Bundesregierung hat beschlossen, dem Nationalrat vorzuschlagen, anlässlich der Genehmigung des Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass dessen chinesische, dänische, englische, finnische, französische, griechische, italienische, niederländische, portugiesische, schwedische und spanische Sprachfassungen dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie aufliegen.

Daran anknüpfend wurde mit Rücksicht auf eine sparsame und zweckmäßige Verwaltung gemäß § 23 Abs. 2 GOG-NR von der Vervielfältigung und Verteilung dieser Sprachfassungen Abstand genommen.

Die gesamte Regierungsvorlage liegt in der Parlamentsdirektion zur Einsicht auf.