638 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (613 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung des Europäischen Übereinkommens vom 27. Jänner 1977 über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2004)

1. Die Verfassungsbestimmung des § 1 DSG 2000 legt fest, dass jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten hat, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse hat. Darüber hinaus sind Auskunfts-, Richtigstellungs- und Löschungsrechte vorgesehen. Die Geltendmachung dieser Rechte im Bereich der Gerichtsbarkeit ist teilweise ungeregelt bzw. verweisen einzelne Bestimmungen noch auf das Datenschutzgesetz aus 1978. Mit dem Entwurf sollen nun die die Justiz betreffenden Gesetze an die Vorgaben des Datenschutzgesetzes 2000 angepasst und ein Rechtsbehelf gegen die Verletzung des Grundrechts auf Geheimhaltung durch Organe der Gerichtsbarkeit geschaffen werden.

2. Die RL 2003/8/EG des Rates vom 27. Jänner 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen soll in Zivil- und Handelssachen mit grenzüberschreitendem Bezug eine angemessene Prozesskostenhilfe (Verfahrenshilfe) für alle Unionsbürger (unabhängig von deren Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in der EU) und für Drittstaaten-Angehörige, die sich rechtmäßig in der EU aufhalten, gewährleisten und Schwierigkeiten, die auf Grund des grenzüberschreitenden Bezugs einer Streitsache entstehen können, reduzieren. Diese Richtlinie ist bis 30. November 2004 ins österreichische Recht umzusetzen.

3. Die Jurisdiktionsnorm ermöglicht durch die Festlegung fiktiver Mindeststreitwerte die Führung von sogenannten „Musterprozessen“ durch die in § 29 KSchG genannten Verbände zur Abklärung der materiellrechtlichen Rechtslage im Interesse breiter Bevölkerungskreise. Derzeit können nur Geldforderungen Gegenstand solcher Verfahren sein, nicht jedoch Ansprüche anderer Art. Auch für diese ist aber die Abklärung der Rechtslage sinnvoll. In Hinkunft sollen daher auch Musterprozesse für abtretbare Ansprüche jedweder Art ermöglicht werden.

4. Darüber hinaus enthält der Entwurf dem technischen Fortschritt Rechnung tragende Regelungen zur Führung der gerichtsinternen Register und Einsichtnahme in diese, Ermöglichung der Einvernahme von Zeugen und Parteien mittels Videotechnologie, eine Zuständigkeitsvorschrift für Klagen aus einer dem CMR unterliegenden Beförderung sowie weitere Änderungen von Justizgesetzen.

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 6. Oktober 2004 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Mag. Johann Maier, Dr. Dieter Böhmdorfer, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Christian Puswald, Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Dieter Böhmdorfer, Dr. Johannes Jarolim und Mag. Terezija Stoisits einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Die vorgeschlagene Änderung stellt klar, dass in allen Angelegenheiten der außerstreitigen Gerichtsbarkeit, sofern nicht ausdrücklich Abweichendes angeordnet ist,  jedenfalls der Einzelrichter entscheidet.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf in der Fassung des oben erwähnten Abänderungsantrages einstimmig angenommen.

 

Ein von den Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Dieter Böhmdorfer, Dr. Johannes Jarolim und Mag. Terezija Stoisits eingebrachter Entschließungsantrag betreffend Massnahmen zur Bewältigung von Massenverfahren wurde ebenfalls einstimmig beschlossen. Diesem Antrag war folgende Begründung beigegeben:

„In den letzten Jahren ist es vermehrt zu Schadensfällen gekommen, die eine Vielzahl von Einzelpersonen betreffen. Die gerichtliche Durchsetzung solcher Ansprüche durch jeden Geschädigten individuell hat den Nachteil, dass gleiche Sach- und Rechtsfragen mehrfach geklärt werden müssen. Dies verursacht unnötige, die Rechtsverfolgung oder –verteidigung oft unnötig erschwerdende Kosten für die Parteien und belastet die Gerichte.

Vor diesem Hintergrund hat sich eine rege Diskussion zum Problem der Bewältigung von Massenklagen entwickelt, insbesondere wird die Schaffung von Regelungen gefordert, die es ermöglichen, einzelne Musterprozesse zu führen, ohne dass damit für die anderen Geschädigten, die den Ausgang des Musterprozesses abwarten, das Risiko der Verjährung ihrer Forderung besteht. Nach derzeitiger Rechtslage sind in der prozessualen Abwicklung solcher Massenverfahren den Gestaltungsmöglichkeiten der Gerichte und der Parteien enge Grenze gesetzt.“

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2004-10-06

Mag. Walter Tancsits Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

       Berichterstatter                     Obfrau