739 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (677 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch, das Bankwesengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz, das Pensionskassengesetz,  das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz und das Nationalbankgesetz 1984 an die IAS - Verordnung angepasst und die Modernisierungs- sowie die Schwellenwertrichtlinie umgesetzt und das Firmenbuchgesetz, das Aktiengesetz sowie das GmbH-Gesetz geändert werden (Rechnungslegungsänderungsgesetz 2004 - ReLÄG 2004)

 

Der legislative Handlungsbedarf ergibt sich aus Vorgaben des Europarechts. Zum einen ist das österreichische Rechnungslegungsrecht an die Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend internationale Rechnungslegungsstandards („IAS-Verordnung“), ABl. L 243 S. 1, anzupassen, zum anderen sind die Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen („Modernisierungsrichtlinie“), ABl. L 178 S. 16, und die Richtlinie 2003/38/EG des Rates vom 13. Mai 2003 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich der in Euro ausgedrückten Beträge („Schwellenwertrichtlinie“), ABl. L 120 S. 22, umzusetzen.

In diesem Entwurf werden die Wahlrechte der oben genannten Rechtsakte so ausgeübt, dass das österreichische Rechnungslegungsrecht vorsichtig an die IAS/IFRS herangeführt wird.

Bei der IAS-Verordnung wird neben dem verpflichtenden Konzernabschluss nach IAS/IFRS für kapitalmarktorientierte Gesellschaften nur von dem Wahlrecht des befreienden Abschlusses nach IAS/IFRS für alle Konzernabschlüsse Gebrauch gemacht.

Die Umsetzung der Modernisierungsrichtlinie beschränkt sich auf technische Anpassungen sowie die Übernahme der (verpflichtenden) Erweiterungen des Lageberichtes und des Bestätigungsvermerks.

Die Schwellenwertrichtlinie erhöht die Betragsgrenzen für die Unterscheidung der Größenklassen von Kapitalgesellschaften.

In den Artikeln I bis VII werden die Anpassungen zur Umsetzung der oben genannten Ziele vorgenommen.

Weiters sollen im Hinblick auf das neue Außerstreitgesetz, das am 1. Jänner 2005 in Kraft treten wird (BGBl. I Nr. 111/2003; im Folgenden: „AußStrG“), einige Anpassungen im Firmenbuchverfahren als Sonderverfahren vorgenommen werden. Die im 2. Abschnitt des FBG normierten, vom AußStrG abweichenden Verfahrensbestimmungen sollen erweitert werden, wobei die vorgesehenen Bestimmungen keine Neuerungen darstellen, sondern lediglich die bisherige Rechtslage und Praxis im Firmenbuchverfahren festschreiben. Im GmbHG und im AktG ist durch das neue AußStrG eine Änderung der Regelungen über die Bestellung eines Notvertreters zweckmäßig.

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 1. Dezember 2004 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter die Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Dr. Johannes Jarolim sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Dieter Böhmdorfer einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu Artikel I (Änderung des Handelsgesetzbuchs):

Zu Z 1 (§ 27 Abs. 2 HGB):

Mit dem Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetz 2004 (FamErbRÄG 2004), BGBl. I Nr. 58/2004, das am 1.1.2005 in Kraft tritt, wird das ABGB an das ebenfalls am 1.1.2005 in Kraft tretende neue Außerstreitgesetz angepasst. Unter anderem wird § 810 ABGB dahingehend geändert, dass künftig dem unbestrittenen Erben, der bei „Antretung der Erbschaft“ sein Erbrecht hinreichend ausweist, die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft nicht mehr erst durch einen Überlassungsbeschluss des Gerichtes zukommt, sondern bereits mit der Erbserklärung und dem Erbrechtsausweis. Künftig räumt § 810 ABGB dem ausgewiesenen Erben ein Recht auf Vertretung, Benützung und Verwaltung der Verlassenschaft ein, solange das Verlassenschaftsgericht nichts anders anordnet.

§ 27 Abs. 2 in der geltenden Fassung verweist auf § 810 ABGB und normiert, dass ein Erbe, der ein zu einem Nachlass gehörendes Handelsgeschäft unter seiner bisherigen Firma fortführt, nach den Bestimmungen des § 25 für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten haftet, wobei die unbeschränkte Haftung nach § 25 Abs. 1 nicht eintritt, wenn die Fortführung des Geschäfts vor dem Ablauf von drei Monaten eingestellt wird. Bei der Berechnung der dreimonatigen Frist wird auf die Einantwortung der Verlassenschaft oder auf den Benützungsbeschluss nach § 810 ABGB abgestellt. Da dieser jedoch mit 1.1.2005 abgeschafft wird, ist eine Anpassung des § 27 Abs. 2 an die durch das FamErbRÄG 2004 geänderte Rechtslage erforderlich. Die dreimonatige Frist, binnen der der Erbe die Fortführung des Unternehmens einstellen kann, soll mit der Einantwortung zu laufen beginnen. Falls das Unternehmen bereits während des Verlassenschaftsverfahrens eingestellt wird, kommt § 27 Abs. 2 HGB gar nicht zur Anwendung. Die bisherige Bestimmung, wonach es bereits vor Einantwortung zu einer unbeschränkten Haftung des Erben kommen kann, birgt zahlreiche Probleme (siehe Schauer, Rechtsprobleme der erbrechtlichen Nachfolge bei Personengesellschaften [1999], 275, FN 866), sodass künftig nur noch auf die Einantwortung abgestellt werden soll. Wenn der erbserklärte Erbe schon vor der Einantwortung ein zum Nachlass gehörendes Unternehmen fortführt, haftet er als Verwalter fremden Vermögens für die gebotene Sorgfalt (siehe Schauer aao 308ff). Ferner soll nunmehr – entsprechend dem Vorschlag eines § 27 Abs. 2 UGB im Begutachtungsentwurf eines Handelsrechts-Änderungsgesetzes – im Sinn der herrschenden Lehre klargestellt werden, dass die unbeschränkte Haftung des Erben nicht nur durch Einstellung des Unternehmens, sondern auch durch Bekanntgabe oder Mitteilung eines Haftungsausschlusses ausgeschlossen werden kann.

Zu Artikel III (Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes):

Die Änderungen betreffen Ergänzungen, Klarstellungen und eine technische Anpassung.

Zu Artikel IX (Änderungen des Firmenbuchgesetzes):

Die nunmehr eingefügten Änderungen des Firmenbuchgesetzes wurden im Rahmen des Entwurfes für ein Sozialbetrugsgesetz (SozBeG) gemeinsam mit strafrechtlichen Bestimmungen zur Bekämpfung des Sozialbetrugs zur Begutachtung versendet und als Regierungsvorlage eingebracht. Da sowohl das ReLÄG 2004 als auch das SozBeG Änderungen des Firmenbuchgesetzes enthalten, sollen diese nunmehr im Rahmen des ReLÄG 2004 zusammengeführt werden.

Zu Z 1 (§ 3 Z 4a) und 7 (§ 21 Abs. 2 bis 5):

Sowohl das ReLÄG 2004 als auch das SozBeG sehen Änderungen des § 21 FBG vor, die nunmehr im ReLÄG 2004 zusammengeführt werden.

Die zentrale Bestimmung der hier erläuterten Vorschläge zur Bekämpfung des Sozialbetrugs ist § 21 Abs. 3, der nun Ediktalzustellungen ermöglicht: Gemäß § 3 Z 4 ist bei allen Rechtsträgern im Sinn des § 2 die für Zustellungen maßgebliche Geschäftsanschrift im Firmenbuch einzutragen, gemäß § 10 Abs. 1 sind Änderungen eingetragener Tatsachen beim Firmenbuchgericht unverzüglich anzumelden. Aus den Worten „für Zustellungen maßgebliche“ Anschrift nach § 3 Z 4 folgt, dass es sich hierbei auch um eine Abgabestelle im Sinn des § 2 Z 5 ZustG handeln muss, wie dies bereits in den Materialien zum FBG (AB 23 BlgNR 18. GP) ausdrücklich klargestellt wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die eingetragene Geschäftsanschrift, etwa im Fall der Angabe einer falschen Geschäftsanschrift oder einer nicht angemeldeten Änderung derselben, kraft Gesetzes (weiterhin) für Zustellungen maßgeblich ist und unter Berufung auf § 15 HGB als Abgabestelle fingiert werden könnte. Nach der Rechtsprechung kann die Bestimmung des § 15 HGB hier keine Anwendung finden; denn bei einer gerichtlichen Zustellung handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Hoheitsakt, sodass eine Berufung auf die Gutgläubigkeit im Sinn des § 15 HGB für die Wirksamkeit der Zustellung ausscheidet (vgl. HS 9020 mwN). Die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsanschrift einer GmbH ist - trotz der Eintragungspflichten nach § 3 Z 4 und § 26 GmbHG bzw. der Publizität nach § 15 HGB - keine taugliche Abgabestelle im Sinn des § 2 Z 5 ZustG (vormals § 4 ZustG), wenn der Empfänger laut Postfehlbericht verzogen ist oder dort nie irgendeine Tätigkeit ausgeübt hat (vgl. OLG Wien 28 R 57/98b).

Bei der im Zusammenhang mit dem Sozialbetrug besonders relevanten Rechtsform der GmbH trägt § 26 Abs. 1 letzter Satz GmbHG die Verpflichtung zur Anmeldung jeder Änderung der Geschäftsanschrift den Geschäftsführern auf; diese Bestimmung statuiert iVm § 3 Z 4 und § 10 Abs. 1 aber lediglich die Pflicht des Geschäftsführers einer GmbH, die jeweils aktuelle Abgabestelle im Sinn des § 2 Z 5 ZustG zum Firmenbuch anzumelden (siehe auch Zib, Das Firmenbuchgesetz, WBl 1991, 44ff). Eine Zustellung durch Hinterlegung ohne Zustellversuch in analoger Anwendung des § 8 Abs. 2 ZustG scheidet aus, da dadurch eine Verletzung der Bestimmung des § 26 Abs. 1 GmbHG einer Verletzung des § 8 Abs. 1 ZustG gleichgestellt würde. Als Sanktion der Nichteinhaltung normiert § 26 Abs. 1 GmbHG jedoch nicht, dass die Zustellung an die im Firmenbuch zuletzt bekannt gegebene Adresse mit der Wirkung einer gültigen Zustellung vorgenommen werden könnte, sondern lediglich einen Schadenersatzanspruch gegen den Geschäftsführer für einen durch die schuldhaft verzögerte oder unterlassene Einreichung dieser Angaben verursachten Schaden. Es kommt daher auch eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 2 ZustG nicht in Frage (vgl OGH 8 ObA 132/98i mwN; OGH 8 ObA 230/98a). § 8 Abs. 2 ZustG bezieht sich nur auf anhängige Verfahren und ist einer analogen Anwendung auf die Einleitung eines Verfahrens nicht zugänglich.

Kann durch Hinterlegung nicht zugestellt werden, kommt nach derzeitiger Rechtslage nur entweder ein Vorgehen zur Bestellung eines Kurators nach den §§ 115, 116 ZPO iVm § 25 ZustG oder die Bestellung eines Notgeschäftsführers auf Antrag eines Beteiligten (§ 15a GmbHG, § 76 AktG) in Betracht. Um Verfahren nicht durch die gerade bei „Scheingesellschaften“ zu erwartenden Zustellanstände zu verzögern und um die mit Kostenfolgen verbundene Bestellung bzw. Beantragung eines Kurators oder Notgeschäftsführers zu vermeiden, soll die Zustellung künftig durch öffentliche Bekanntmachung in der Ediktsdatei, dass ein zuzustellendes Schriftstück bei Gericht liegt und die Zustellung innerhalb von zwei Wochen als bewirkt gilt, erfolgen können. Dies wird im Amtslöschungsverfahren nach § 41 Abs. 1 und 2 in der geltenden Fassung bereits jetzt in diesem Sinn praktiziert. Durch Aufnahme des Hinweises auf § 25 Zustellgesetz wird klargestellt, dass in der Ediktsdatei nicht der Beschluss als solcher (bzw der Inhalt sonstiger Schriftstücke), sondern die Bekanntmachung, dass ein zuzustellendes Schriftstück bei Gericht liegt, verbunden mit dem Hinweis auf die Zustellfiktion, zu veröffentlichen ist. Allerdings wird in der Bekanntmachung auch auf den wesentlichen Inhalt des Schriftstückes hinzuweisen sein. Die Veröffentlichung eines Beschlusses in seinem ganzen Wortlaut ist im Firmenbuchverfahren dagegen nicht notwendig. Anders als etwa Veröffentlichungen in der Insolvenzdatei im Konkursverfahren erfüllt eine derartige Veröffentlichung in der Ediktsdatei im Firmenbuchverfahren keine Schutzfunktion zugunsten der Gläubiger oder Dritter. Diese sind bereits durch die Eintragung in das Firmenbuch, dass eine für Zustellungen maßgebliche Geschäftsanschrift nicht vorhanden ist, gewarnt. Daher werden auch im Konkursverfahren jene zuzustellenden Schriftstücke, die nicht in der Insolvenzdatei, sondern nach dem Entwurf eines Sozialbetrugsgesetzes (SozBeG) gemäß § 174a KO in der Ediktsdatei veröffentlicht werden, nicht in ihrem Wortlaut bekannt zu machen sein. Vielmehr hat in diesen Fällen eine mit § 21 Abs. 3 vergleichbare Bekanntmachung zu erfolgen. Im Firmenbuchverfahren muss zuvor allerdings die Zustellung an die persönliche Abgabestelle des Kaufmanns und der Mitglieder des vertretungsbefugten Organs sowie allfälliger Prokuristen erfolglos versucht worden sein. Ein Zustellversuch an die Privatadressen kommt nur dann in Betracht, wenn dem Gericht diese Anschriften vorliegen. Zu Erhebungen über allfällige persönliche Anschriften ist das Gericht nicht verpflichtet (siehe dazu die Materialien zu der vergleichbaren Bestimmung des § 41, RV 1588 BlgNR 20. GP).

Durch den vorgeschlagenen § 21 Abs. 3 werden sohin künftig raschere Zustellungen insbesondere an Gesellschaften ermöglicht, deren Abgabestelle (die für Zustellungen maßgebliche Geschäftsanschrift) unbekannt ist bzw. deren vertretungsbefugte Personen unbekannten Aufenthaltes sind, und zwar ohne das Erfordernis der Bestellung eines Kurators oder eines Notgeschäftsführers. Im Fall der Vermögenslosigkeit einer solchen Gesellschaft können dadurch auch die Kosten für die Bestellung eines Notgeschäftsführers oder Kurators eingespart werden. Eine Abgabestelle ist insbesondere in den folgenden Fällen als „unbekannt“ anzusehen: Es gab eine Abgabestelle, die geändert wurde, aber die Änderung wurde nicht bekannt gegeben und die neue Abgabestelle lässt sich trotz zumutbarer Ermittlungen nicht erheben; es gab eine Abgabestelle, die aufgelassen wurde und nun gibt es keine mehr; es bestand schon von Anfang an keine Abgabestelle: dies ist z.B. der Fall, wenn eine Gesellschaft bloß zum Schein an einer Anschrift gemeldet ist (es hat sich gezeigt, dass sozialbetrügerisch tätige Firmen in der Praxis wiederholt an Wohnungsanschriften dritter Personen angemeldet wurden, ohne jemals an dieser Adresse erreichbar gewesen zu sein); es gibt zwar eine Abgabestelle, eine Zustellung ist aber nicht möglich, weil der Geschäftsführer unbekannten Aufenthaltes ist.

Das Firmenbuchgericht soll allerdings in Wahrung des rechtlichen Gehörs dazu verpflichtet sein, alle ihm zu Gebote stehenden Mittel zur Erforschung der Abgabestelle auszuschöpfen und die ihm nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen durchzuführen. Dazu gehören unter anderem eine Abfrage im VJ-neu Client (Abfrage im Wege der Verfahrensautomation Justiz) oder die Befragung der im Firmenbuch als Gesellschafter, Geschäftsführer oder Prokuristen eingetragenen Personen an, sofern deren Anschrift bekannt ist. Ein Postfehlbericht wird jedenfalls nicht ausreichend sein. Da die Anschrift der Gesellschafter keinen Eintragungstatbestand darstellt, können die Gesellschafter Änderungen ihrer Anschrift dem Gericht jederzeit formlos bekannt geben und dadurch selbst dafür Sorge tragen, dass sie für etwaige Erhebungen durch das Gericht erreichbar sind.

Die vorgeschlagene Maßnahme einer Fiktion der Zustellung durch Aufnahme einer Bekanntmachung in die Ediktsdatei ist auch angesichts des Umstands vertretbar, dass die gesetzlichen Vertreter aller im Firmenbuch eingetragener Gesellschaften verpflichtet sind, Änderungen der für Zustellungen maßgeblichen Geschäftsanschrift unverzüglich zum Firmenbuch anzumelden. Es erscheint daher zumutbar, dass die Gesellschaft bei Unterlassen der Anmeldung einer Änderung der Abgabestelle die für sie nachteilige Folge einer Zustellfiktion zu tragen hat. Dies umso mehr, als durch das Fehlen einer Abgabestelle auch die Rechte Dritter beeinträchtigt werden, die mit der Gesellschaft in Geschäfts- oder sonstiger rechtlicher Beziehung stehen.

Wenn im Sinn der obigen Ausführungen entsprechende Ermittlungen zur Ausforschung der Abgabestelle erfolglos geblieben sind, und die Voraussetzungen für eine Zustellung durch Aufnahme einer Bekanntmachung in die Ediktsdatei gegeben sind, soll das Gericht den Umstand, dass eine Abgabestelle unbekannt ist, von Amts wegen in das Firmenbuch eintragen. Dieser Umstand soll daher auch in den Katalog der eintragungspflichtigen Tatbestände in § 3 als neue Z 4a aufgenommen werden. Dies muss selbstverständlich auch für die Fälle gelten, in denen eine Zustellung durch Aufnahme einer Bekanntmachung in die Ediktsdatei deshalb unterbleibt, weil ein Notgeschäftsführer oder Kurator bestellt ist. Der neue Eintragungstatbestand bringt den Vorteil mit sich, dass die Tatsache der unbekannten bzw. unrichtigen Geschäftsanschrift im Geschäfts- und Behördenverkehr aus dem Firmenbuchauszug ersichtlich ist. Behörden und Dritten, denen derartige Firmenbuchauszüge vorgelegt werden, soll diese Eintragung als Warnhinweis im Hinblick auf etwaige Verdachtsmomente in Richtung Sozialbetrug dienen. Sobald eine Abgabestelle (wieder) besteht und diese ordnungsgemäß angemeldet wurde, wird die nach § 3 Z 4a vorgenommene Eintragung gemäß § 10 Abs. 1 zu löschen sein. Dabei wird an die Prüfpflicht des Gerichts, ob es sich bei der neu angemeldeten Geschäftsanschrift tatsächlich um eine Abgabestelle handelt oder nur eine Scheinanmeldung vorliegt, ein strengerer Maßstab anzulegen sein.

§ 21 Abs. 4  sieht für Fälle der öffentlichen Bekanntmachung nach Abs. 3 eine zeitliche Beschränkung des Einsichtsrechts im Interesse der Beteiligten und aus datenschutzrechtlichen Erwägungen vor. Die Einsicht ist bis zu einem Jahr ab Veröffentlichung zu gewähren. Die Einsichtsfrist ist an die im Konkursverfahren für Veröffentlichungen in der Ediktsdatei vorgesehene Einsichtsfrist nach § 174a Abs. 2 des Entwurfs angeglichen. Sie weicht insofern von der in § 10 Abs. 1 HGB normierten Frist von zumindest einem Monat ab, um Parteien, deren Abgabestelle erst im Laufe des Verfahrens bekannt wird, noch ausreichend lange die Möglichkeit der Einsicht in alle bislang im Verfahren ergangenen Entscheidungen zu gewähren. Der Zeitpunkt der Kenntnis einer Abgabestelle durch das Gericht soll für die zeitliche Beschränkung der Einsichtsfrist dagegen nicht maßgeblich sein. Würden sämtliche Eintragungen in der Ediktsdatei gelöscht, sobald dem Gericht eine Abgabestelle bekannt wird, wäre der Partei damit das Einsichtsrecht hinsichtlich aller bisheriger Verfahrensschritte genommen. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Wahrung des rechtlichen Gehörs wäre es in einem solchen Fall nicht gerechtfertigt, würde man der Partei das Einsichtsrecht bereits ab diesem Zeitpunkt verwehren.

Zu § 21 Abs. 2:

Wie bereits die Materialien zum neuen AußStrG ohne jeden Zweifel klarstellen, soll mit dem in § 2 AußStrG geschaffenen Parteienbegriff die bisherige Rechtsprechung, insbesondere zu § 9 AußStrG‑aF, grundsätzlich nicht geändert, sondern vielmehr fortgeschrieben werden (RV 224 BlgNR 22. GP zu § 2 AußStrG). Die Definition des Parteienbegriffs wird daher auch im Firmenbuchverfahren fortgeführt werden können.

Die Rechtsprechung im Firmenbuchverfahren geht von einem abgestuften Parteienbegriff aus (OGH 6 Ob 2274/96x, OGH 6 Ob 183/01g, siehe auch Burgstaller in Jabornegg, HGB, § 15 FBG Rz 14ff mwN, Schenk in Straube, HGB I3 § 18 FBG mwN). Einerseits sind dem Gesetzeswortlaut folgend nur jene Parteien dem Verfahren gemäß § 18 beizuziehen, in deren „in das Firmenbuch eingetragene Rechte“ durch eine vorgesehene Verfügung eingegriffen werden soll (siehe zu dieser engen Auslegung der – in der Praxis auch als „Beteiligtenstellung“ bezeichneten - Parteistellung die Materialien zum FBG, AB 23 BlgNR 18. GP zu § 18 FBG). Diesen Parteien wird auch gemäß § 21 Abs. 1 ein Beschluss über eine Eintragung zuzustellen sein. Die übrigen in § 21 Abs. 1 angeführten Parteien sind vor der Beschlussfassung nicht unbedingt gemäß § 18 zu verständigen und müssen erst mit dem Eintragungsbeschluss beigezogen werden (siehe dazu auch Burgstaller in Jabornegg, HGB, § 21 FBG Rz 1).

Davon unterscheidet die Rechtsprechung jene Parteien, die nicht vom Verfahren im Sinn des § 18 zu verständigen sind und denen auch der Eintragungsbeschluss nach § 21 nicht zugestellt wird, denen jedoch unter Berufung auf § 9 AußStrG‑aF ein Rekursrecht eingeräumt wird, wobei die Rekursfrist mit der Eintragung im Firmenbuch zu laufen beginnt. Diesen abgestuften Parteienbegriff begründet die Rechtsprechung damit, dass diese Parteien zwar kein rechtliches Interesse wegen eines eingetragenen Rechts im Sinn der – auch vom Gesetzgeber vorgegebenen - engen Auslegung des § 18 haben, aber sehr wohl ein rechtliches Interesse am Ausgang des Verfahrens, das in einem anderen Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden kann (Burgstaller in Jabornegg, HGB, § 15 FBG Rz 14 ff; OGH 6 Ob 168/02b). Beispielsweise hat ein GmbH-Gesellschafter nach der Judikatur im Verfahren zur Löschung der Gesellschaft kein Anhörungsrecht nach § 18, auch wird ihm die Entscheidung nicht zugestellt (§ 21 Abs. 1), jedoch bejaht der OGH seine Rekurslegitimation. Ein anderes Beispiel wäre die von der Rechtsprechung bejahte Rekurslegitimation Dritter bei ähnlichem Firmenwortlaut (OGH 6 Ob 45/00m).

Für jene Parteien, denen der Beschluss über eine Eintragung nicht nach § 21 Abs. 1 zuzustellen ist, sollen daher die Zustellwirkungen – wie schon bisher (Schenk in Straube, HGB3 § 8 Rz 32 mwN) – mit der Bekanntmachung im Firmenbuch eintreten. Das heißt, dass für sie auch die Rekursfrist ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt. Notwendig wird diese Regelung durch das neue AußStrG, das in seinem § 46 für den Beginn der Rekursfrist auf die Unterscheidung zwischen „aktenkundiger“ und „nicht aktenkundiger“ Partei abstellt. Diese Unterscheidung kann im Firmenbuchverfahren nicht ohne Schwierigkeiten übernommen werden. Denn jene Parteien, denen das Gesetz ‑ wie oben dargestellt ‑ zwar kein Recht auf Verständigung im Sinn der §§ 18 und 21 einräumt (weil sie nicht unmittelbar in ihren eingetragenen Rechten berührt sind), die jedoch (wegen eines rechtlichen Interesses am Ausgang des Verfahrens) rekurslegitimiert sind, werden in der Regel aktenkundig sein (z.B. die Gesellschafter, die nach der Rechtsprechung im Löschungsverfahren kein Recht auf Zustellung des Löschungsbeschlusses, wohl aber ein Rekursrecht haben). Mangels persönlicher Zustellung an diese könnte ein Eintragungsbeschluss niemals rechtskräftig werden. Eine Subsumierung dem Gericht bekannter Parteien unter den Begriff „nicht aktenkundig“ lässt sich dagegen selbst bei extensiver Interpretation des Wortlautes nicht rechtfertigen. Auch ‑ nicht nach §§ 18 und 21 zu verständigende ‑ nicht aktenkundige Parteien sollen von der vorgeschlagenen Regel mitumfasst sein. Gegenüber all diesen Parteien, also ohne Unterscheidung, ob diese aktenkundig sind oder nicht, sollen Eintragungsbeschlüsse daher mit der Bekanntmachung im Firmenbuch als zugestellt gelten ‑ mit der Folge, dass auch die Frist zur Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt. Die Einsicht in das Firmenbuch zur Wahrung ihrer Rechte kann diesen Personen – wie auch schon in der bisherigen Praxis ‑  zugemutet werden.

Anderes gilt selbstverständlich für Parteien, die im Sinn der §§ 18 und 21 zu verständigen sind. Für diese beginnt die Rekursfrist – der allgemeinen Bestimmung des § 46 AußStrG folgend ‑ mit der (persönlichen) Zustellung, sofern sie aktenkundig sind. Ist die Partei nicht aktenkundig, kann sie Rekurs bis zu dem Zeitpunkt erheben, bis zu dem eine aktenkundige Partei Rekurs erheben kann (§ 46 Abs. 2 AußStrG).

Zu Z 2 (§ 3 Z 14a):

Das Konkursgericht soll nach dem in der Regierungsvorlage für ein Sozialbetrugsgesetz (SozBeG) enthaltenen Entwurf eines § 77a Abs. 1 Z 7 KO in Hinkunft auch die Verpflichtung treffen, die Eintragung der Zurückweisung eines Antrags auf Eröffnung des Konkurses gemäß § 63 KO im Firmenbuch zu veranlassen. Diese Erweiterung des Katalogs der eintragungspflichtigen Tatsachen wird auch gerade in den Fällen schlagend, in denen lediglich ein leerer Gesellschaftsmantel vorliegt. Nach der Rechtsprechung ist das Zuständigkeitskriterium des Vermögens im Sinn des § 63 KO bei einer GmbH nämlich nicht schon deshalb gegeben, weil der bloße Mantel einer GmbH einen Wert haben mag, da er kein Vermögen der Gesellschaft, sondern eines der Gesellschafter ist (Mohr, KO9 E 20 zu § 63). Ist nun in einem solchen Fall mangels Vermögens mit einer Zurückweisung nach § 63 KO vorzugehen, so soll künftig das Firmenbuchgericht darüber informiert und die Einleitung eines amtswegigen Löschungsverfahrens der GmbH ermöglicht werden.

Zu Z 3 (§ 10 Abs. 4):

Der neue § 3 Z 14a sieht vor, dass das Gericht nunmehr auch die Zurückweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkurses gemäß § 63 KO in das Firmenbuch einzutragen hat. Konkursanträge werden mangels Zuständigkeit gemäß § 63 KO zurückgewiesen, wenn der Gemeinschuldner im Inland kein Unternehmen betreibt, er im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und sich auch keine Niederlassung oder Vermögen des Gemeinschuldners im Inland befindet. Das Konkursgericht soll künftig eine entsprechende Eintragung im Firmenbuch veranlassen und diesen Umstand dadurch dem Firmenbuchgericht zur Kenntnis bringen (§ 77a Abs. 1 Z 7 KO in der vorgeschlagenen Fassung der RV für ein Sozialbetrugsgesetz), damit dieses nach Prüfung der Vermögenssituation bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Verfahren zur amtswegigen Löschung nach den §§ 40 und 41 einleiten kann.

Grundsätzlich hat das Firmenbuchgericht nach § 10 Änderungen eingetragener Tatsachen auf Antrag oder unzulässige Eintragungen von Amts wegen zu löschen. Stellt sich nach der Eintragung des rechtskräftigen Zurückweisungsbeschlusses nach § 3 Z 14a heraus, dass sich die hinter der Eintragung nach § 3 Z 14a stehenden Tatsachen geändert haben, wird die Eintragung jedoch nicht per se unrichtig, da ja der rechtskräftige Zurückweisungsbeschluss des Konkursgerichtes besteht. Indiz für das Bestehen eines Unternehmens kann unter anderem die Bescheinigung sein, dass eine für Zustellungen maßgebliche Geschäftsanschrift besteht. Es muss daher in § 10 eine Bestimmung eigens für den Fall geschaffen werden, dass die hinter der Zurückweisung des Konkurseröffnungsantrags nach § 63 KO stehenden Umstände unrichtig waren oder geworden sind. Der Rechtsträger hätte ansonsten keine Möglichkeit, die entsprechende Eintragung im Firmenbuch einer Löschung zuzuführen. Ein Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss des Konkursgerichtes würde regelmäßig an der rechtlichen Beschwer scheitern; die Erhebung eines derartigen Rekurses scheint darüber hinaus wohl auch nicht praxisnah. Daher wird durch § 10 Abs. 4 die Möglichkeit der Löschung dieser Eintragung unter den normierten Voraussetzungen eingeräumt.

Zu Z 8 und 9 (§ 41):

Da nunmehr mit § 21 Abs. 2 eine dem bisherigen § 41 Abs. 1 in der Fassung des Gesellschaftsrechtsänderungsgesetzes 2004 (GesRÄG 2004) entsprechende Bestimmung in den allgemeinen verfahrensrechtlichen Abschnitt des Firmenbuchgesetzes übernommen wurde, erübrigt sich die bis dato nur für das Löschungsverfahren vermögensloser Gesellschaften geltende besondere Zustellregel des § 41 Abs. 1.

Die sinngemäße Anwendung des § 25 Zustellgesetz stellt klar, dass nicht der gesamte Inhalt des zuzustellenden Schriftstückes, sondern nur ein Hinweis darauf in die Ediktsdatei aufzunehmen ist.“

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Dieter Böhmdorfer einstimmig  angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2004 12 01

Mag. Heribert Donnerbauer Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

       Berichterstatter                     Obfrau