776 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales
über die
Regierungsvorlage (703 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine
Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das
Bauern‑Sozialversicherungsgesetz und das Beamten‑Kranken- und
Unfallversicherungsgesetz geändert werden
(3. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2004 –
3. SVÄG 2004)
Die gegenständliche Regierungsvorlage betreffend eine
63. Novelle zum ASVG verfolgt das Ziel, die Struktur des Hauptverbandes
der österreichischen Sozialversicherungsträger unter Bedachtnahme auf die
Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) bezüglich einer weisungsfreien
Selbstverwaltung neu zu ordnen.
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 10. Oktober 2003
im Gesetzesprüfungsverfahren G 222/02 und G 1/03 die §§ 441c und
442b ASVG zur Gänze sowie im § 441e Abs. 2 ASVG die Wortfolge „ebenso
wie die leitenden Funktionäre kollektivvertragsfähiger Körperschaften und
Vereine, auch wenn sie die Kollektivvertragsfähigkeit in fremdem Namen ausüben“
als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des
31. Dezember 2004 in Kraft. Die Kundmachung der Aufhebung erfolgte im
Bundesgesetzblatt I Nr. 96/2003.
Zu grundsätzlichen Fragen der Selbstverwaltung hat der
VfGH in dem zitierten Erkenntnis ausdrücklich festgehalten, dass gegen die
indirekte Organbestellung, welche die soziale Selbstverwaltung kennzeichnet
(die als Versicherungsvertreter bezeichneten Mandatare werden nicht aus der
Mitte der Dienstnehmer/Dienstgeber von diesen unmittelbar gewählt, sondern sind
aus dem Kreis gewählter Funktionsträger der zuständigen Interessenvertretungen
zu entsenden), keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
Bereits in seinem einschlägigen Prüfungsbeschluss vom
26. Juni 2002 hat es der VfGH hingegen als bedenklich erachtet, dass die
Funktionäre des Verwaltungsrates des Hauptverbandes entsendet werden, ohne dass
auch den im Hauptverband zusammengeschlossenen Sozialversicherungsträgern dabei
ein Mitwirkungsrecht zukommt. Im oben zitierten Erkenntnis vom 10. Oktober
2003 bekräftigt der VfGH seine Auffassung, wonach dem Hauptverband die Stellung
eines Selbstverwaltungskörpers der Sozialversicherungsträger zukommt, sodass es
unzulässig sei, die Versicherungsträger zur Gänze von der Bestellung des
Verwaltungsrates auszuschließen. Die Legitimation der Organe eines
Selbstverwaltungskörpers müsse sich auf seine Angehörigen, hier also in erster
Linie auf die Sozialversicherungsträger, beziehen. Die Entsendung von
Versicherungsvertretern durch die einzelnen gesetzlichen beruflichen
Vertretungen in einen Verwaltungskörper des Hauptverbandes kann – wie der
VfGH ausdrücklich ausspricht – unter dem Gesichtspunkt der Repräsentation
der vom Hauptverband Verwalteten nicht einer Entsendung durch die jeweils
„entsprechenden“ Sozialversicherungsträger gleichgehalten werden. Angesichts
des Wirkungskreises des Hauptverbandes sei es jedenfalls verfassungswidrig, die
Sozialversicherungsträger von der Mitwirkung an der Kreation des
Verwaltungsrates als obersten Organs des Hauptverbandes auszuschließen.
Nach Auffassung des VfGH ist die Geschäftsführung
mangels demokratischer Legitimation somit nicht als Organ der Selbstverwaltung
im verfassungsrechtlichen Sinn zu beurteilen. Da dieses Organ bei Besorgung der
ihm übertragenen Aufgaben auch nicht an Weisungen des obersten Organs des
Selbstverwaltungskörpers (also des Verwaltungsrates) gebunden ist, sind die
Bestimmungen betreffend die Geschäftsführung verfassungswidrig. Die Befugnis
des Verwaltungsrates zur Abberufung von Mitgliedern der Geschäftsführung mit
einer qualifizierten Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen bestätigt nach
Auffassung des VfGH lediglich den Befund der Verfassungswidrigkeit, zumal eine
eingeschränkte Abberufungsmöglichkeit typischerweise der Stärkung der
Unabhängigkeit der Mitglieder des betreffenden Organs dienen.
Der VfGH hält ferner die Unvereinbarkeitsregelung des
§ 441e Abs. 2 ASVG für überschießend und damit unsachlich, da sie die
darin bezeichneten Funktionäre schlechthin von der Mitgliedschaft im
Verwaltungsrat ausschließt.
Auf Grund des zitierten Erkenntnisses des VfGH ist es
erforderlich, den Hauptverband mit Wirkung vom 1. Jänner 2005 in
organisatorischer Hinsicht neuerlich zu reformieren. Nach dem vorliegenden
Entwurf soll der Hauptverband wieder ein echter Verband der Sozialversicherungsträger
werden; die Versicherungsvertreter der Sozialversicherungsträger sollen in die
Entscheidungen direkt eingebunden werden. Im Vordergrund soll die Stärkung des
Hauptverbandes als zentralen Netzwerkmanagers im Sozialversicherungssystem
stehen. Dabei soll sich der Hauptverband auf die Aufgaben Strategie- und
Kooperationsmanagement sowie Monitoring konzentrieren. Gleichzeitig soll er
operative Aufgaben an einzelne Sozialversicherungsträger oder gemeinsame
Dienstleistungseinrichtungen der Sozialversicherung abgeben und damit die
heutige Trägerstruktur stärken. Die im Hauptverband zusammengefassten
Sozialversicherungsträger sollen wieder direkten Einfluss auf die Bestellung
des geschäftsführenden Organs haben. Mit der vorgeschlagenen Neuorganisation des
Hauptverbandes soll weiters eine Effizienz- und Effektivitätssteigerung der
Sozialversicherung einhergehen.
Weiters soll durch die gegenständliche
Regierungsvorlage Änderungen und Ergänzungen des Sozialversicherungsrechtes
vorgenommen werden, die der Anpassung an die Rechtsentwicklung und der weiteren
Harmonisierung des Sozialversicherungsrechtes dienen. Im Einzelnen sind
diesbezüglich folgende Maßnahmen hervorzuheben:
- Ausweitung der
Zuschussregelung bei Entgeltfortzahlung auf durch Krankheit bedingte Arbeitsverhinderungen;
- Entfall der mit
1. Jänner 2005 vorgesehenen gesetzlichen Reihenfolge der
Leistungszuständigkeit bei Mehrfachversicherung in der Krankenversicherung;
- legistische
Anpassungen im Zusammenhang mit der Zusammenführung der Versicherungsanstalt
der österreichischen Eisenbahnen mit der Versicherungsanstalt des
österreichischen Bergbaues;
- Einführung einer
Zuschussregelung für bestimmte Tumorbehandlungen;
- Verschiebung des
Zeitpunktes für die Einhebung des Service-Entgeltes und vorübergehende
Aufrechterhaltung der Krankenscheingebühr; Vorlagepflicht hinsichtlich der
Chipkarte, sobald diese dem/der Versicherten zur Verfügung steht;
- Aussetzung der
Bewilligungspflichten für Arzneispezialitäten bis zur Einführung der e-card
durch Rahmenvereinbarung des Hauptverbandes und der Österreichischen
Ärztekammer bzw. Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen oder
durch Vereinbarung der Gesamtvertragspartner;
- Aufnahme einer
Verpflichtung des Hauptverbandes, einen Vorschlag für eine Neuregelung über
einen Strukturausgleich zwischen den Gebietskrankenkassen zu übermitteln;
- Schaffung der
Möglichkeit, dass Landeslehrer/innen im B-KUVG versichert sein können;
- Verlängerung der
Übergangsregelungen für geringfügig Beschäftigte im B-KUVG;
-
Beitragsbefreiung für freiwillige Einzahlungen in eine Pensionskasse nach dem
B-KUVG;
- ausdrückliches
Abstellen der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 1 Z 2 B-KUVG auf die
jeweilige Tätigkeit und nicht wie bisher auf die Person;
- redaktionelle
Bereinigungen.
Der Ausschuss für
Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung
am 3.Dezember 2004 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im
Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Maximilian Walch die Abgeordneten Dr. Richard Leutner,
Mag. Walter Tancsits, Karl Öllinger,
Maximilian Walch, Manfred Lackner,
Franz Riepl, Mag. Christine Lapp,
Mag. Walter Posch, Karl Donabauer,
Sigisbert Dolinschek, Dietmar Keck,
die Ausschussobfrau Heidrun Silhavy, der Bundesminister
für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, Mag. Herbert Haupt sowie die
Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, Maria Rauch-Kallat.
Bei der Abstimmung
wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit
angenommen.
Als Ergebnis
seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung
vorgelegten Gesetzentwurf (703 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung
erteilen.
Wien,
2004 12 03
Maximilian
Walch Heidrun
Silhavy
Berichterstatter Obfrau