Vorblatt
Problem:
Die Österreichische Gebärdensprache ist bundesverfassungsgesetzlich
bisher nicht formell anerkannt worden. Der Nationalrat hat daher die Bundesregierung am
17. Nove mber 2004 in einer Entschließung ersucht, ihm den Entwurf einer
entsprechenden Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle zuzuleiten.
Lösung:
Bundesverfassungsgesetzliche
Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache.
Alternativen:
Keine.
Auswirkungen
auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:
Keine.
Finanzielle
Auswirkungen:
Keine.
Verhältnis
zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:
Das Recht der
Europäischen Union wird durch das vorgeschlagene Bundesverfassungsgesetz nicht
berührt.
Besonderheiten
des Normerzeugungsverfahrens:
Zweidrittelmehrheit
im Nationalrat gemäß Art. 44 Abs. 1 B‑VG.
Erläuterungen
Zu Z 1 (Art. 8 Abs. 3):
Schätzungen
zufolge gibt es in der Europäischen Union heute etwa 1,6 Millionen gehörlose
Personen. Eine große Mehrheit der Gehörlosen hat Sprachschwierigkeiten, und die
Gebärdensprache ist für die meisten von ihnen eine – oft die einzige –
Möglichkeit, sich auszudrücken.
Gebärdensprachen
sind wissenschaftlich als eigenständige und vollwertige Sprachen anerkannt. Sie
haben eigene grammatische Strukturen, die sich von der Lautsprache des
jeweiligen Landes grundlegend unterscheiden (für die Österreichische
Gebärdensprache siehe Skant et al., Grammatik der
Österreichischen Gebärdensprache, Veröffentlichungen des Forschungszentrums für
Gebärdensprache und Hörgeschädigtenkommunikation der Universität Klagenfurt,
Bd. 4 [2002]). Die Gebärdensprachen unterscheiden sich von Land zu Land
und können auch innerhalb eines Landes verschiedene Dialekte haben. Trotzdem
sind sie einander ähnlicher als die verschiedenen Lautsprachen.
In den Jahren 1988 und 1998 hat das Europäische Parlament die Kommission
in zwei Entschließungen aufgefordert, dem Rat einen Vorschlag für die offizielle Anerkennung der von den
Gehörlosen in den einzelnen Mitgliedstaaten verwendeten Gebärdensprache zu
unterbreiten (ABl. Nr. C 187 vom 18.07.1988 S. 236; ABl.
Nr. C 379 vom 07.12.1998 S. 66). Auch die Parlamentarische
Versammlung des Europarates hat im Jahr 2003 eine Entschließung angenommen
(1598 [2003]), in der sie dem Ministerkomitee empfiehlt, die Mitgliedstaaten
dazu zu ermutigen, die auf ihrem Staatsgebiet praktizierten Gebärdensprachen
formell anzuerkennen.
In der
Europäischen Union ist die Gebärdensprache bisher nur in wenigen
Mitgliedstaaten anerkannt worden. In § 17 der Verfassung Finnlands heißt es
etwa:
„Die Rechte der
Anwender der Gebärdensprache sowie die Rechte jener, die aufgrund einer
Behinderung auf Dolmetsch- und Übersetzungshilfe angewiesen sind, werden durch
Gesetz gesichert.“
Da die deutsche
Sprache gemäß Art. 8 Abs. 1 B-VG, unbeschadet der Rechte der
sprachlichen Minderheiten, die Staatssprache der Republik ist, bedarf die
Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache einer
bundesverfassungsgesetzlichen Regelung. Der Nationalrat hat daher die Bundesregierung
am 17. November 2004 in einer Entschließung ersucht, ihm den Entwurf einer
entsprechenden Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle zuzuleiten. Diesem Wunsch des
Nationalrates soll mit dem Entwurf entsprochen werden.
Aus Art. 8
Abs. 3 erster Satz ergibt sich, dass die Österreichische Gebärdensprache
im Verkehr mit Verwaltungsbehörden und Gerichten neben der deutschen Sprache
gebraucht werden kann. Satz 2 macht deutlich, dass diese Bestimmung nicht
unmittelbar anwendbar ist, sondern der näheren Konkretisierung und
Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber bedarf. Im Übrigen ändert diese Bestimmung
nichts daran, dass die deutsche Sprache (unbeschadet der Rechte der
sprachlichen Minderheiten) die Amtssprache der Republik bleibt, dass sich also
die Verwaltungsbehörden und Gerichte sowohl im Verkehr untereinander als auch
im Verkehr mit den Beteiligten bzw. Parteien und in ihren Erledigungen der
deutschen Sprache zu bedienen haben.
Die Ausführung des
Art. 8 Abs. 3 erster Satz obliegt nach dem vorgeschlagenen
Art. 8 Abs. 3 zweiter Satz der nach der Kompetenzverteilung des B‑VG
zuständigen Gesetzgebung. Entsprechende bundesgesetzliche Regelungen sind
bereits erlassen worden (siehe § 185 Abs. 1a ZPO, § 4
Abs. 3 AußStrG, §§ 164 und 198 Abs. 3 StPO, § 76
Abs. 1 AVG, § 313a BAO, §§ 84 Abs. 3, 127 Abs. 1 und
185 Abs. 1 und 2 FinStrG).
Zu Z 2 (Art. 151 Abs. 31):
Bereinigung eines
aus Anlass der letzten Novelle unterlaufenen Redaktionsversehens.