998 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 595/A der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen , Kolleginnen und Kollegen, betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird

Die Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen , Kolleginnen und Kollegen, haben den gegenständlichen Initiativantrag am 27. April 2005 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Nach allgemeiner Auffassung hat sich Bundesrat Kampl durch seine Aussagen, wonach Deserteure der deutschen Wehrmacht „Kameradenmörder“ gewesen seien und es nach 1945 zu einer „Naziverfolgung“ in Österreich gekommen sei, für die Ausübung der Funktion des Vorsitzenden des Bundesrates disqualifiziert. Die derzeitige Textierung der Bundesverfassung sieht aber vor, dass der Vorsitz im Bundesrat automatisch vom erstgereihten Vertreter des vorsitzführenden Bundeslandes geführt wird. Somit wäre der Umstand, dass Kampl in der zweiten Jahreshälfte 2005 den Vorsitz im Bundesrat führt, nicht mehr revidierbar.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg 10705 festgehalten: „Die kompromißlose Ablehnung des Nationalsozialismus ist ein grundlegendes Merkmal der wiedererstandenen Republik. Ausnahmslos jede Staatstätigkeit hat sich an diesem Verbot (dem Verbot nationalsozialistischer Wiederbetätigung; Anm. der AntragstellerInnen) zu orientieren.“ Die derzeitige Rechtslage, wonach der Vorsitz im Bundesrat nicht gewählt wird, sondern automatisch einem bestimmten Bundesrat – unabhängig von dessen Eignung für das Amt – zufällt, sollte daher gerade im Jubiläumsjahr der Gründung der Republik und des Abschlusses des Staatsvertrages nicht aufrechterhalten werden.“

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 7. Juni 2005  in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin Abgeordneter Mag. Terezija Stoisits die Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Stefan Prähauser, Dr. Josef Cap, Josef Bucher, Dipl.-Ing.Mag. Roderich Regler, Dr. Reinhold Lopatka und Mag. Karin Hakl.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer und Josef Bucher einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Nach dem geltenden Art. 36 Abs. 2 B‑VG fungiert als Vorsitzender des Bundesrates der an erster Stelle entsendete Vertreter des zum Vorsitz berufenen Landes.

Durch den vorgeschlagenen Art. 36 Abs. 2 soll den Landtagen die Ermächtigung eingeräumt werden, zu beschließen, dass der Vorsitz von einem anderen der auf die mandatsstärkste (bzw. stimmenstärkste oder durch Los bestimmte) Partei entfallenden Vertreter des Landes geführt werden soll. Dadurch kann ein Landtag auf Umstände reagieren, die eine Vorsitzführung durch den an erster Stelle entsendeten Vertreter als untunlich erscheinen lassen. Das von einem solchen Landtagsbeschluss betroffene Mitglied des Bundesrates ist damit zwar von der Vorsitzführung ausgeschlossen, behält jedoch sein Mandat.

Die Fassung eines Beschlusses nach der vorgeschlagenen Bestimmung ist voraussetzungsgemäß nur dann möglich, wenn auf die Partei, die den Vorsitzenden stellt, mehr als ein Vertreter des Landes im Bundesrat entfällt. Im Übrigen kann eine solche Beschlussfassung jederzeit innerhalb der Gesetzgebungsperiode des Landtages und auch während der Vorsitzführung des betreffenden Landes erfolgen.“

Ein von den Abgeordneten Dr. Josef Cap und Dr. Peter Wittmann eingebrachter Abänderungsantrag, wonach in Zukunft auf Vorschlag entsendungsberechtigter Landtagsfraktionen der Landtag auch eine Umreihung oder Neuwahl von Bundesräten vornehmen kann, fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

 

Ferner brachten die Abgeordneten Dr. Josef Cap, Mag. Terezija Stoisits und Dr. Peter Wittmann einen Abänderungsantrag betreffend Ablehnung eines erstgereihten Vorsitzenden durch den Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit und in diesem Fall Umreihung durch den Landtag ein, der abgelehnt wurde.

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf in der Fassung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer und Josef Bucher mehrstimmig angenommen.

 

Ferner beschloss der Verfassungsausschuss mit Stimmenmehrheit folgende Feststellungen:

Der Verfassungsausschuss geht davon aus, dass das alleinige Vorschlagsrechtsrecht hiezu jenem Klub des jeweiligen Landtages zusteht, welcher den an erster Stelle entsendeten Vertreter des Landes nominiert hat. Zum Begriff des „Klubs“ vgl. folgende Bestimmungen der jeweiligen Geschäftsordnung der einzelnen Landtage:

Burgenland: § 10 Gesetz vom 14. September 1981 über die Geschäftsordnung des Burgenländischen Landtages;

Kärnten: § 7 K-LTGO;

Niederösterreich: § 14 LGO 2001;

Oberösterreich: § 3 Oö. LGO;

Salzburg: § 8 GO-LT;

Steiermark: § 10 GeoLT;

Tirol: § 10 Gesetz vom 7. Oktober 1998 über die Geschäftsordnung des Tiroler Landtages;

Vorarlberg: § 6 Landtagsbeschluß über eine Geschäftsordnung für den Vorarlberger Landtag, LGBl. Nr. 11/1973 idgF;

Wien: § 3 Geschäftsordnung des Landtages für Wien

 

Als Berichterstatterin für das Plenum wurde die Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2005 06 07

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer          Dr. Peter Wittmann

    Berichterstatterin                  Obmann