IV-3 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

Mittwoch, 21. Mai 2003

 

 

 

 


Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XXII. Gesetzgebungsperiode                   Mittwoch, 21. Mai 2003

 

Tagesordnung

 

 

 

Themenbereich EU-Konvent

Bericht der Ständigen Vertretung über die Sitzung der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer im Europäischen Konvent vom 24./25. April 2003
(8052/EU XXII.GP)

 


Beginn der Sitzung: 13.01 Uhr

 

Bericht der Ständigen Vertretung über die Sitzung der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer im Europäischen Konvent vom 24./25. April 2003
(8052/EU XXII.GP)

Obmann Dr. Andreas Khol eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und gibt bekannt, dass zuerst ein Beschluss nach § 31c Abs. 5 des Geschäftsordnungsgesetzes zu fassen ist, dass Ton- und Bildaufnahmen von dieser Sitzung zulässig sind.

Da dazu niemand das Wort wünscht, wird sogleich die Abstimmung vorgenommen. Die Zulassung von Ton- und Bildaufnahmen wird einstimmig beschlossen.

Obmann Dr. Khol erläutert, dass zu dieser Sitzung alle österreichischen Mitglieder des EU-Konvents, alle österreichischen Mitglieder des Europäischen Parlaments, alle Abgeordneten zum Nationalrat sowie alle Bundesrätinnen und Bundesräte eingeladen sind. Er begrüßt als Regierungsmitglieder, die diese Einladung angenommen haben, Vizekanzler Mag. Haupt und Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ferrero-Waldner. Weiters teilt er mit, dass Bundeskanzler Dr. Schüssel von 15 Uhr an dem Hauptausschuss für Auskünfte zur Verfügung stehen wird.

Diese Beratung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union mit dem Tagesordnungsthema Europäischer Konvent sei von der Präsidialkonferenz anberaumt worden, um eine Aussprache mit den Mandatarinnen und Mandataren beider Häuser des österreichischen Parlamentes zu ermöglichen, bevor endgültige Textentwürfe zum Verfassungsvertrag der Europäischen Union vorliegen, also solange dieser Text vielleicht noch gestaltbar und beeinflussbar wäre. Daher diene diese Sitzung der Kommunikation zwischen den Konventsmitgliedern und –ersatzmitgliedern, und auch innerhalb der Fraktionen solle darüber beraten werden, wie Österreich sich zu den einzelnen Punkten stellt.

Voraussichtlich werde am 26. Mai der vollständige Entwurf des neuen Verfassungsvertrages vorgelegt werden. Eine Gesamtdebatte darüber werde am 30. und 31. Mai im Rahmen des Konvents erfolgen. Auf dem Gipfeltreffen von Thessaloniki am 20. Juni 2003 werde Konventspräsident Giscard d’Estaing darüber Bericht erstatten. Es handle sich also jetzt um die Endphase der Beratungen des Konvents in der Angelegenheit der europäischen Verfassung, woraus auch die Wichtigkeit dieser Aussprache hervorgehe.

Entsprechend den Bestimmungen des § 31c Abs. 5 GOG werde die Beratung öffentlich abgehalten, worüber eingangs der Beschluss gefasst wurde. Vorgesehen sei, dass nicht nur die Mitglieder des Hauptausschusses beraten, sondern auch die österreichischen Mitglieder des EU-Konvents, alle Bundesrätinnen und Bundesräte sowie alle anderen Abgeordneten des Hauses mit beratender Stimme teilnehmen.

Obmann Dr. Khol macht darauf aufmerksam, dass die Abgeordneten zum Europäischen Parlament mit beratender Stimme bereits das Rederecht haben, hingegen müsse nun entsprechend der Geschäftsordnung erst ein Beschluss darüber gefasst werden, dass auch den anwesenden österreichischen Mitgliedern des EU-Konvents sowie den Bundesrätinnen und Bundesräten das Rederecht zusteht. – Dies wird einstimmig beschlossen.

Es bestehe Einvernehmen darüber, in dieser Sitzung von 13 bis 14 Uhr die Berichte der österreichischen Mitglieder des EU-Konvents zu hören, in einer Länge von jeweils 15 Minuten, und zwar zuerst vom Vertreter des Bundeskanzlers, Dr. Farnleitner, anschließend von Abgeordnetem Dr. Einem für die SPÖ-Fraktion und von Abgeordnetem Dr. Bösch für die Fraktion der Freiheitlichen, sowie schließlich von dem Ersatzmitglied des EU-Konvents Abgeordneter Dr. Lichtenberger für die Fraktion der Grünen.

Für die anschließende Beratung sei eine Redezeit von 3 „Wiener Stunden“ vereinbart worden, und zwar in folgender Aufteilung: ÖVP und SPÖ jeweils 53 Minuten, Freiheitliche 36 Minuten und Grüne 39 Minuten. Die Redezeit der anwesenden Regierungsmitglieder werde in diesen Zeitrahmen nicht eingerechnet.

Berichte der österreichischen Mitglieder des EU-Konvents

Bundesminister a. D. Dr. Hannes Farnleitner (Mitglied des EU-Konvents, ÖVP) leitet seine Ausführungen damit ein, einen dezimeterdicken Papierstapel vorzuzeigen, dessen Inhalt die Grundlage der Diskussion über die Konventstätigkeit bilde und über dessen Inhalt in drei Wochen einen Entscheidung zu treffen sein werde. Davon werde es abhängen, ob es gelingen wird, dem Europäischen Rat von Thessaloniki im kommenden Juni ein konsensuales Papier vorzulegen, oder ob – diese Möglichkeit sollte man sich offen halten, da man es im Konvent mit verschiedenen organisierten Gruppen zu tun habe – ein Papier mit einer Auflistung von Optionen am Ende der Konventstätigkeit stehen wird.

Bundesminister a. D. Dr. Farnleitner kündigt an, er werde im Folgenden einige Worte zur Arbeitsweise im Konvent sagen, die Themen aus seiner Sicht kurz darlegen und auf die Konfliktthemen der nächsten Wochen im Detail eingehen.

Der Konvent habe eine interessante dreimonatige Phase einer allgemeinen Diskussion hinter sich gebracht, in welcher sich jener „Konventsgeist“ entwickelt habe, an dem sich erweise, dass der Großteil aller „Familien“ im Konvent auf einer eher proeuropäischen Schiene fahre, und von dem her die Ausarbeitung des jetzt vorliegenden Elaborats nicht erstaunlich sei.

In der nächsten Phase sei eine Reihe von Arbeitsgruppen eingesetzt worden, deren Tätigkeit zu sehr relevanten Ergebnissen geführt habe. So habe man in der Arbeitsgruppe „Soziales“ versucht, konsensual die Zielsetzungen der Europäischen Union um Vollbeschäftigung, sozialen Frieden und einen sozialen Dialog zu bereichern, und habe dann sehen müssen, dass das Präsidium dem nicht in allem gefolgt sei. Daraus ergebe sich für die künftige EU-Politik inhaltlich, auch wenn es nicht zu einer Kompetenzverlagerung im Sozialbereich kommen sollte, eine starke Dynamik in der Umsetzung europäischer Zielsetzungen hinsichtlich aller Agenden.

Anschließend an diese Phase sei in zahlreichen Reflexionsgruppen vor allem über Bereiche wie Eigenmittel, Europa-Steuern und Budget diskutiert worden. Jetzt halte der Konvent Plenarsitzungen ab, in deren Verlauf zeitweilige Unterbrechungen vorgesehen seien, damit Gruppen von Fachleuten eventuell noch den einen oder anderen Kompromiss erreichen könnten.

In vielen inhaltlichen Fragen habe der Konvent erstaunliche Ergebnisse erzielt. Das Arbeitsgruppenergebnis laute darauf, zustimmend Position dazu zu beziehen, dass die Europäische Union eine Rechtspersönlichkeit hat, dass die Zahl der Gesetzgebungsakte auf ungefähr die Hälfte reduziert werden muss, dass die Zahl der Verfahren auf ungefähr ein Drittel verringert werden muss, dass dem Europäischen Parlament eine gehobene Rolle zukommen muss und dass es in einer Reihe von Bestimmungen zu geänderten Zielsetzungen kommen muss.

Aber die großen Schwierigkeiten bestünden bei den Kernthemen. Daran, dass am Beginn des Konvents von einer Renationalisierung von Kompetenzen die Rede gewesen sei, hingegen jetzt – auch unter dem Eindruck vieler weltpolitischer Ereignisse der letzten Jahre und Monate – darüber diskutiert werde, dass es einer anderen, gemeinsamen europäischen Außenpolitik, einer gemeinsamen inneren Sicherheitspolitik und einer gemeinsamen Verteidigungspolitik bedürfe, seien die dramatischen Veränderungen zu erkennen, die sich im Gefüge zwischen den „Spielern“ in der Europäischen Union ergeben hätten. In dieser Hinsicht lasse sich breiter Konsens erkennen, wenngleich Detailformulierungen etwa bei den Themen innere und äußere Sicherheit noch einige Probleme bereiten würden.

Unbeschadet der Plenarsitzungen seien im Konvent vier Kurien tätig. Die Kurie der Europaparlamentarier bestehe aus 16 Mitgliedern und habe sich, mit einigen Abstrichen, bereits eine dramatische Verbesserung im Verhältnis zur bisherigen Situation erstritten. Die Kurie der Europäischen Kommission tue alles dafür, sich ihr Monopol beim Initiativrecht zu sichern und auch ihre zukünftige Rolle sicherzustellen. Weiters agiere die Kurie der nationalen Parlamente; die nationalen Parlamente würden auch gemäß dem neuen Vertrag weiterhin die Herren der Verträge – „Masters of the Treaties“ – bleiben.

In den Diskussionen der Gruppe über nationale Parlamente habe sich eine höchst unterschiedliche Intensität in der Mitgestaltungsbereitschaft der nationalen Parlamente gezeigt. Die nordischen Parlamente würden ihre Europapolitik fast wöchentlich in Ausschusssitzungen und Sonderkomitees behandeln, hingegen habe Europapolitik in vielen anderen Häusern einen geringeren Stellenwert. Eine der Empfehlungen des Konvents laute darauf, dass es nur dann sinnvoll sei, das Subsidiaritätsprinzip stärker zu verankern, wenn die nationalen Parlamente diese Rolle auch zu spielen bereit seien.

Dies sei auch wichtig im Hinblick auf die künftige Kompetenzordnung der Europäischen Union und die damit verbundenen Kompetenzkategorien. Dazu gehöre zunächst die Kategorie der der Europäischen Union übertragenen Kompetenzen betreffend etwa Außenhandelspolitik, Meeresressourcen und Ähnliches, und zweitens die Kategorie der gemeinsamen Kompetenzen von EU und Mitgliedstaaten, bei denen dann, wenn die EU diese Kompetenzen wahrnehme, die nationalen Kompetenzträger ausscheiden würden. Als dritte Kategorie sei jene der unterstützenden Maßnahmen oder „Assisted Measures“ eingeführt worden, betreffend Sachbereiche, in denen die EU zwar keine Kompetenz habe, aber etwa durch Förderungen und fördernde Methoden wie Benchmarking versuchen könne, Dinge zu stimulieren; dies beziehe sich auf Bereiche wie Industrie, Kultur, Sport und so weiter.

Im Umkehrschluss könne heute schon gesagt werden, welche Kompetenzen fast ausschließlich bei den Mitgliedstaaten bleiben werden. Dies gelte vor allem für die dem Menschen sehr nahen Kompetenzbereiche, im Wesentlichen die Bereiche Erziehung, Weiterbildung, Kultur, Soziales und Gesundheit. Hingegen werde es in anderen Bereichen zu Verschiebungen in Richtung Kommunitarisierung kommen.

In den letzten Wochen habe vor allem eine Auseinandersetzung um die Frage der Institutionen stattgefunden. Traditionell stünden in der Europäischen Union die jeweiligen Agenden von drei Großgruppen einander gegenüber, nämlich jene der deutsch-französischen Allianz, jene der Benelux-Allianz und jene der etwa seit dem Lissabon-Prozess sehr deutlich spürbaren spanisch-englischen Achse. Bundesminister a. D. Dr. Farnleitner erläutert, er habe als Vertreter des Bundeskanzlers im Konvent vor allem sicherzustellen gehabt, dass auch der Bereich der Regierungen eine adäquate Rolle spielt. Dies habe nur durch eine Koalition von kleinen Mitgliedstaaten ermöglicht werden können, nämlich von Österreich, Griechenland, Finnland und Portugal, welchen sich später mit unterschiedlicher Intensität auch Schweden, Dänemark und Irland zugesellt hätten; die Benelux-Staaten seien zwar immer dabei gewesen, hätten aber nie ein Papier unterzeichnet. Von sich aus seien später alle Beitrittswerberländer an diese Gruppe herangetreten mit der Bitte, dort mitarbeiten zu dürfen.

Zuletzt habe diese Gruppe im weiteren Sinn, nämlich einschließlich der Benelux-Staaten, 22 Länder umfasst, der harte Kern habe aus 16 Ländern bestanden, die in den hoch politisch diskutierten institutionellen Fragen eine andere Meinung vertreten habe. Diese Gruppe erteile der Wahl eines EU-Präsidenten eine Absage und vertrete die Auffassung, dass seit dem Beschluss von Sevilla II, wonach es künftig Einjahresprogramme geben sollte, die Rotation nicht mehr so wichtig sei, zumal keine Sonderprogramme mehr, sondern konsistente Programme Gültigkeit haben.

Bundesminister a. D. Dr. Farnleitner berichtet, er habe sich im Konvent dagegen ausgesprochen, dass in den Nationalstaaten starke Präsidenten und auf EU-Seite schwache Präsidenten tätig wären, und er habe in Richtung von französischen Konventsmitgliedern die Anregung ausgesprochen, der starke französische Staatspräsident Chirac möge zumindest für ein paar Monate in der Europäischen Union eingesetzt werden dürfen. Unterstützt werde in diesem Zusammenhang die Einführung der Funktion eines neuen EU-Außenministers. Für diesen müsse aber sichergestellt werden, dass er tatsächlich operativ werden könnte. Daher bedürfe es einer deutlichen Definition der Ziele und der Operationsfelder der Außenpolitik, damit aus diesem Projekt etwas werden könne.

Eines der Ziele des Konvents bestehe darin, dass Europa von einem „Global Payer“ zu einem „Global Player“ werden soll. Europa zahle derzeit 35 Prozent des UNO-Budgets, leiste sich aber „Theaterstücke“ im UN-Sicherheitsrat. Europa habe einen Anteil von 17,5 Prozent am Internationalen Währungsfonds, habe dort aber wegen des jeweils einzelnen Auftretens der europäischen Staaten kaum etwas mitzureden. Käme es dort zu einem geschlossenen Auftreten der Staaten Europas, dann müsste nach Art. 18 der Sitz des Währungsfonds nach Europa verlegt werden. Europa leiste 60 Prozent der humanitären Hilfe in aller Welt, 55 Prozent der Entwicklungshilfe, aber auch in diesem Bereich werde nicht mit einer Stimme agiert. Es werde in der nächsten Zeit darauf ankommen, all diese Dinge in Bewegung zu bringen, daher werde der EU-Außenminister eine wichtige Funktion ausüben und sollte nicht durch einen schwachen Vorsitzenden des Rates konterkariert werden. Der Europäische Rat benötige ein funktionierendes Generalsekretariat, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten ihre Hausaufgaben machen.

Bundesminister a. D. Dr. Farnleitner erteilt einer Verkleinerung der Kommission eine Absage. Es sei ausgeschlossen, dass der künftig mächtigste Wirtschaftsraum der Welt, dem auch eine dramatische Anreicherung der Kompetenzen bevorstehe, von einer Art Regierung, die aus 15 Mitgliedern bestünde, betreut werden könnte. Dies zeige sich auch im Vergleich zu den nationalen Regierungen selbst in kleineren Mitgliedstaaten. Österreich trete dafür ein, dass weiterhin jeder Mitgliedstaat einen Kommissar stellt, wie es auch der Rechtslage nach dem Vertrag von Nizza entspricht.

Im Konvent und in der Öffentlichkeit werde vielfach übersehen, dass nach der jetzigen Rechtslage noch eine Periode lang eine Kommission mit 25 Kommissaren tätig bleiben werde, mit Rotation des Vorsitzes. Diese Rechtslage werde auch von all den großen Ländern, nach deren Ansicht die Europäische Union so nicht funktionieren könnte, übersehen. Bundesminister a. D. Dr. Farnleitner teilt mit, er habe auch in einem Gespräch mit Konventspräsident Giscard d'Estaing vorgeschlagen, drei Jahre nach Beginn des Systems nach dem Vertrag von Nizza eine Evaluation durchzuführen, um festzustellen, ob die Tätigkeit der Kommission oder die Rotation so funktioniere oder aber nicht. Von den kleineren Mitgliedstaaten sei vorgeschlagen worden, den Rotationszeitraum auf weniger als sechs Monate zu verkürzen. Die Europäische Union brauche eine große Kommission, die Position des Präsidenten müsse stark sein, er solle dazu in der Lage sein, die Kommission in Bezug auf die Kompetenzen so zu strukturieren, wie er es für nötig halte, und jeder Mitgliedstaat solle in der Kommission eine Stimme haben.

Der von Konventspräsident Giscard d’Estaing vorgeschlagene Kongress aller europäischen Abgeordneten habe sehr wenig Unterstützung bekommen und könne „eher dem Bereich der europäischen Tourismusförderung zugezählt“ werden.

Da die großen Mitgliedstaaten sehr flexibel geworden seien, werde die Konventstätigkeit in den nächsten Wochen interessant verlaufen. Bundesminister a. D. Dr. Farnleitner verweist darauf, dass er zusammen mit den Vertretern der Staats- und Regierungschefs aus Großbritannien und Spanien, Peter Hain und Alfonso Dastis, eine Stellungnahme zum Vertrag von Nizza mit der Forderung einer Nicht-Abänderung dieses Vertrages vorgelegt hat, was auch eine Stellungnahme gegen die Wahl eines EU-Präsidenten bedeute. Allerdings gehe es dabei nicht um eine Konfrontation großer und kleiner Mitgliedstaaten. Gegenüber dem „Konzert der Großen“ wäre Österreich allein bleibend untergegangen; diese Vorgangsweise sollte auch für die Zukunft im Auge behalten werden.

Die Tätigkeit im Konvent werde in den nächsten Wochen mit einigem Leistungsdruck verbunden sein, da Tausende Abänderungsanträge vorgelegt worden seien. Allerdings lege das Präsidium bei diesen Anträgen das Augenmerk immer mehr auf das Ausmaß der Unterstützung für die jeweiligen Anträge. Daher sei diese Art des Agierens in politischen Familien wichtig. Bundesminister a. D. Dr. Farnleitner zeigt sich optimistisch bezüglich eines Ergebnisses des Konvents, allerdings könne auch ein Optionenbericht nicht ausgeschlossen werden, denn Österreich solle die im Hauptausschuss koordinierten Positionen nicht aufgeben. (Allgemeiner Beifall.)

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (Mitglied des EU-Konvents, SPÖ) führt aus, er stimme mit Bundesminister a. D. Dr. Farnleitner in erstaunlich vielen Punkten überein, und wirft die Frage auf, welches Problem es sei, zu dessen Lösung der Konvent eingesetzt wurde, und was am Ende seiner Tätigkeit stehen solle. Im Konvent sollte versucht werden, die europäische Verfassung – die sich heute als eine größere Zahl von Verträgen darstelle – einfacher, besser lesbar, leichter nachvollziehbar und konsequenter im Inhalt zu gestalten.

Es bestehe im Konvent eine Tendenz, weitgehend zu vergessen und nicht mehr als Erfolg festzuhalten, was in der ersten Phase bis zum letzten Herbst bereits erreicht wurde. Dabei sei vieles von dem, was inzwischen an Ergebnissen vorliege, am Anfang der Konventsarbeit für undenkbar gehalten worden. Dazu gehöre etwa die Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union. Dieses Ergebnis sei alles andere als eine Kleinigkeit, weil erst durch diese Rechtspersönlichkeit die Voraussetzung dafür geschaffen werde, dass die EU selbst und im eigenen Namen internationale Vereinbarungen schließen könne und dass die EU auch der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten könne.

Die Fusion der Verträge, wofür zunächst von Vizepräsident Amato ein kühner Vorschlag unterbreitet wurde, sei ebenfalls erreicht worden, wenngleich nicht in der erwünschten Form der Fusion aller drei Verträge.

Die Europäische Charta der Grundrechte, die vom ersten Europäischen Konvent ausgearbeitet und in Nizza beschlossen wurde, ohne jedoch Rechtsverbindlichkeit zu erlangen, solle jetzt Teil dieser Verfassung und damit rechtlich verbindlich werden. Dabei seien noch Fragen offen, etwa ob die Charta im Teil II enthalten sein solle – was wahrscheinlicher sei – oder als Protokoll vorliegen solle. Es sei dies jedoch ebenso ein großer Schritt wie die Vereinfachung und Reduzierung der Gesetzgebungsverfahren, mit welcher auch eine Veränderung der Terminologie verbunden sein werde. Kaum jemand wisse nämlich, was eine Richtlinie sei und dass in der Europäischen Union eine Verordnung in Wirklichkeit ein Gesetz sei, sodass neue Bezeichnungen wie „Gesetz“ und „Rahmengesetz“ der Verdeutlichung dienen würden.

Abgeordneter Dr. Einem erläutert, es werde von den Bürgerinnen und Bürgern in Europa nicht so sehr eine Verfassung erwartet, wenn davon die Rede sei, dass die Europäische Union bürgernäher werden sollte. Verfassungsprozesse seien nicht dazu geeignet, die Herzen zu erwärmen, sondern die Menschen seien daran interessiert, dass jene Dinge zum Besseren verändert werden, die sie im Alltag und in ihrer Wahrnehmung von Politik stören. Dergleichen sei aber wesentlich schwerer in der Verfassung unterzubringen.

Es zeige sich dieses Problem auch am Beispiel des EURATOM-Vertrages. Die Frage habe darin bestanden, ob dieser Vertrag in die Fusion der Verträge mit einbezogen werden könne und ob die Grundlagen dafür geschaffen werden könnten, auch den Vertragsinhalt zu ändern, nämlich die einseitige Bevorzugung von Nuklearenergie zugunsten gleicher Wettbewerbsverhältnisse für alle Energieformen zu überwinden, die Voraussetzungen für einheitliche Sicherheitsstandards in der Nutzung der Nuklearenergie zu schaffen sowie in Bezug auf den EURATOM-Vertrag parlamentarische Verhältnisse herzustellen – dieser Vertrag lasse dann, wenn er genau gelesen werde, erkennen, dass er offenbar aus vordemokratischer Zeit stamme. Es sei allerdings nicht gelungen, diesen Vertrag in die Fusion der Verträge einzubeziehen. Jedoch werde es vermutlich gelingen, mit einem Protokoll als Anhang zur Verfassung eine Veränderung und Novellierung der größten Probleme zu erreichen, und zwar der mangelnden Beteiligung der Parlamente, der bisher ausständigen Wettbewerbsgleichheit für alle Energieträger und des bisherigen Fehlens einheitlicher Sicherheitsstandards in ganz Europa.

Hinsichtlich der Außen- und Sicherheitspolitik sei aus Umfragen in den Ländern Europas bekannt, dass die Mehrheit aller Bürgerinnen und Bürger eine gemeinsame und einheitliche europäische Außenpolitik wünscht. Nur in Großbritannien finde sich keine absolute Mehrheit, sondern nur eine relative Mehrheit für dieses Ziel. Die Menschen seien es leid, Hahnenkämpfe in Fragen der Außenpolitik auf dem europäischen Boden ausgetragen zu sehen, und sie seien in der Einschätzung, dass dabei für niemanden in Europa etwas zu gewinnen sei, weiter als die Regierungen, in denen „nicht immer die Weisesten vorzufinden“ seien.

Zu den wesentlichen Voraussetzungen für eine gemeinsame Außenpolitik gehöre es unter anderem, vom Einstimmigkeitsprinzip abzurücken und zu Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit zu gelangen. Es handle sich dabei um einen schwierigen Prozess, der noch nicht gewonnen sei.

Es werde zwar zur Einführung eines EU-Außenministers kommen, aber dieser wäre in einer bedauernswerten Lage, wenn nicht mehr als die Fusion aus den beiden bisherigen Funktionen gelänge. Dieser Außenminister werde einen funktionsfähigen Europäischen Rat brauchen, der seiner Aufgabe, die Grundlinien der weiteren Entwicklung der Europäischen Union und die Strategie der Außenpolitik festzulegen, anders als heute auch wirklich nachkommen wird. Derzeit mangle es wegen dieses Problems in der Arbeitsfähigkeit des Europäischen Rates an einer geeigneten Grundlage für die Tätigkeit eines EU-Außenministers, sodass dieser nicht mit einem sicheren Gefühl dafür, was die Union erreichen wolle, arbeiten könnte.

Der Außenminister brauche auch einen gemeinsamen europäischen diplomatischen Dienst, er müsse sich nämlich auf eigene Quellen stützen können. Notwendig sei auch eine Fusion der Geheimdienste auf europäischer Ebene. Benötigt werde ein europäisches System der Information derjenigen, die hier Außen- und Sicherheitspolitik machen. Veränderungen in diesen Bereichen seien teilweise Angelegenheit der Verfassung, teilweise eine Frage des Bewusstseins, dass es nicht ausreichend sei, Funktionen nur neu zu schaffen und zu benennen.

In den Bereichen Justiz und Inneres müsse den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger, dass ein effektiver Kampf gegen die grenzüberschreitende Kriminalität geführt zu werden habe, Rechnung getragen werden. Dafür reiche jene Art von lockerer Zusammenarbeit, wie sie heute zwischen den Polizeiverwaltungen bestehe, noch nicht aus. Besserer Instrumente bedürfe es auch für die Verfolgung von Delikten, sei es von solchen gegen die finanziellen Interessen der Union, sei es von solchen gegen bestimmte sonstige grenzüberschreitende Delikte. Auch in der Frage einer effizienten Grenzkontrolle an der Außengrenze von Schengen sei eine intensivere Kooperation der entsprechenden Grenzpolizei-Einheiten und der zugehörigen Behörden notwendig, vor allem zu dem Zweck, im Inneren der Union das Vertrauen zu schaffen, dass an jeder Außengrenze ordentlich kontrolliert wird und dass die diesbezüglichen Grundsätze und Praktiken auch gemeinsam angewendet werden.

Wenn in diesen Segmenten, die sozusagen weniger im Scheinwerferkegel der Verfassung stehen, Erfolge erzielt werden, dann werde dies die Union den Bürgerinnen und Bürgern näher bringen, weil es diese Dinge seien, die sie in der Realität verändert wissen wollten. Viele der heute heftig diskutierten Angelegenheiten könnten zwar popularisiert werden, trotzdem würden sie an der alltäglichen Bedürfnislage der Unionsbürger weitgehend vorbeigehen.

Für die Handlungsfähigkeit der Union von ausschlaggebender Bedeutung sei das Prinzip der Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit. Je weniger Ausnahmen davon die einzelnen Mitgliedstaaten verlangen würden, desto größer werde das Gemeinsame sein, mit dem man wirklich weiterkommen werde.

Im Zusammenhang mit der Handlungsfähigkeit stelle sich auch die Frage, wie der Europäische Rat mit 25 und mehr Mitgliedern dazu gebracht werden könne, gute Arbeit zu leisten und kompromissfähig zu werden. Ein von Deutschland und Frankreich eingebrachter Vorschlag laute darauf, einen externen Vorsitzenden zu wählen. Dabei stelle sich allerdings die Frage, ob dadurch nicht das Gleichgewicht des Systems zu stark gestört wäre.

Vorstellbar wäre auch ein System, wonach ein – Abgeordneter Dr. Einem schlägt vor: fünfköpfiges – Präsidium aus dem Kreis der Staats- und Regierungschefs mit der Koordinierung betraut würde, und zwar nach einem Rotationsprinzip mit zweieinhalbjähriger Teilnahme und halbjährlichem Austausch von jeweils einem der Mitglieder. Unterstützung bekäme dieses Präsidium von einem Generalsekretariat, welches für ein Mindestmaß an Kontinuität in der Tätigkeit des Präsidiums zu sorgen hätte. Ohne solche Kontinuität in der Arbeit des Rates würden dort nicht die Grundlagen entstehen können, wie sie für die Arbeit des europäischen Außenministers erforderlich seien.

Was jedoch nicht gebraucht werde, sei ein gewählter Präsident oder Vorsitzender des Europäischen Rates, der sich sozusagen öffentlich wichtig machen würde. Eine zusätzliche Außenvertretung durch nationale Funktionäre oder durch einen neu gewählten, hauptberuflichen Präsidenten der Europäischen Union sei abzulehnen. Tatsächlich benötigt werde ein Strategie-Gremium der Weisesten, welche die Grundlagen dafür erarbeiten, dass vernünftig gearbeitet werden könne auf einer operativen Ebene, die eine andere sei als der Europäische Rat. Dafür bestünden verschiedene Möglichkeiten, die auch ohne den Popanz Groß-klein vorstellbar seien.

Die Europäische Union demokratischer zu gestalten, sei vor allem eine Frage der Transparenz, aber auch der durchgängigen Beteiligung des Europäischen Parlaments am Gesetzgebungsprozess. Ferner wäre es anzustreben, die Gesetzgebung im Rat, die derzeit in verschiedenen Ministerräten stattfindet, in einem Legislativrat zusammenzufassen, der öffentlich zu tagen und den Transparenz-Gesichtspunkten von Parlamenten zu entsprechen hätte.

Abgeordneter Dr. Einem spricht sich für eine Stärkung der Europäischen Kommission aus. Darüber bestehe im Konvent weitgehend Einigkeit, allerdings bei gewissen Auffassungsunterschieden. Es stelle sich zum Beispiel die Frage, ob der Präsident der Europäischen Kommission dadurch, dass er vom Europäischen Parlament gewählt wird, in seiner Position gestärkt werde und im Kreis des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs großes Gewicht haben könnte, oder ob er bloß als „einer von denen dort“ gelten würde. Die Sprachpraxis sei mitunter entlarvend im Hinblick auf die Bedeutung der Institutionen. Wesentlich werde es darauf ankommen, dass beide Seiten des demokratischen Prozesses in der EU, der Rat und das Parlament, bereit seien, Verantwortung dafür zu übernehmen, wer Präsident der Kommission ist. Der Rat dürfe sich dieser Verantwortung nicht entziehen.

Was die Größe der Europäischen Kommission betrifft, weist Abgeordneter Dr. Einem darauf hin, dass der Vertrag von Nizza – wonach bis zu einer Größe von 27 Mitgliedstaaten von jedem Land ein Kommissar bestellt wird – jetzt zu wirken beginnt und bis Ende 2009 eine 25-köpfige Kommission tätig sein wird. Es stehe zu erwarten, dass – jenseits der Frage einer Änderung des Vertrags von Nizza – die Europäische Kommission auch von 2010 bis 2015 dem jetzigen System entsprechen wird, wodurch das Problem der Veränderung der Kommission zum jetzigen Zeitpunkt an Brisanz verliere.

Falls die Europäische Union im Jahr 2015 bereits reif genug dafür sein werde, dann werde sie den Weg der nationalen Regierungen gehen können, wonach der Chef der Exekutive – also in Österreich der Bundeskanzler – darüber entscheidet, wie viele Minister – oder im Fall des Kommissionspräsidenten eben Kommissare – er braucht. Diese würden dann aus dem Kreis der von den Mitgliedstaaten vorgeschlagenen Kandidaten auszusuchen sein, und zwar unter zwei Gesichtspunkten: erstens müsse jeder Kommissar politisch das gleiche Gewicht haben, und zweitens müsse im Sinn einer gleichberechtigten Rotation jeder Mitgliedstaat eine Chance haben, an die Reihe zu kommen. Unter diesen Umständen werde es jenseits von 2015 kein Problem mit einer Verfassungslösung geben, wie sie auch heute schon beschlossen werden könnte, ohne im Detail festzulegen, wie viele Kommissare es sein müssen. (Allgemeiner Beifall.)

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Mitglied des EU-Konvents, Freiheitliche) berichtet, dass der Europäische Konvent sein Ergebnis am 20. Juni 2003 der Konferenz der Regierungschefs vorlegen wird. Das Konventspräsidium habe seine Vorstellungen im Rahmen der Plenarsitzungen deutlich zum Ausdruck gebracht: „Wir werden bis zum 20. Juni vorlegen, was der Konvent bis dahin erledigt haben wird“ im Konzept der Erstellung eines neuen Verfassungsvertragsentwurfes. Was der Konvent bis zum 20. Juni nicht erledigt haben werde, werde in diesem Vorschlag nicht enthalten sein. Von den Regierungschefs werde dann darüber entschieden werden, ob ihnen das Ergebnis für eine Entscheidung in Bezug auf die Verfassung ausreiche oder ob sie ein neuerliches Mandat für einen Konvent, entweder diesen oder einen anderen, aussprechen wollten, damit dieser Konvent sich entweder insgesamt noch einmal mit der Sache befasse oder verschiedene Themen detailliert weiterbehandle.

Es sei dem Konvent bewusst, dass er nur einen Vorschlag erarbeite und dass die Entscheidung bei den Regierungschefs liege. Der Konvent habe in den vergangenen eineinhalb Jahren sein Mandat ernst genommen, alle Teilnehmer seien in Arbeitsgruppen tätig gewesen, und dort sei sehr konstruktiv, detailreich und fair debattiert worden. Dort seien konzentriert Sachlösungen erarbeitet worden, die anschließend dem Konventsplenum zur endgültigen Debatte vorgeschlagen worden seien.

Eine Schwierigkeit habe sich im Zusammenhang mit dem Formulierungsmonopol des Konventspräsidenten in Bezug auf das Resümee einer Plenarsitzung und in Bezug auf den zu debattierenden Vorschlag ergeben. Konventspräsident Giscard d’Estaing habe dieses Formulierungsmonopol mit dem Selbstbewusstsein, das er an den Tag lege, genutzt, was bei manchem Resümee dazu geführt habe, dass Konventsmitglieder sich nachher gefragt hätten, ob sie an derselben Sitzung teilgenommen hätten.

Dessen ungeachtet werde die Plenartätigkeit im Konvent konsequent weitergeführt. Nach Vorlegen des – unter Anführungszeichen – „endgültigen Entwurfs“ am 26. Mai seien Debatten über dessen Schwerpunkte für 30. und 31. Mai geplant, und in den beiden ersten Juniwochen werde versucht werden, die eine oder andere Korrektur dieses Entwurfs vorzunehmen.

Das Ergebnis des Konvents werde in vielen Bereichen einheitlich sein, da es gelungen sei, diese Bereiche unstrittig zu stellen, obwohl sie zu Beginn des Konvents noch als vollkommen konfus beurteilt worden seien. Im Wesentlichen unstrittig seien die Ziele, dass die Verträge vereinfacht werden müssen, dass die Institutionen der Europäischen Union klar gefasst und mit klaren Kompetenzen ausgefüllt werden sollen und dass mehr Bürgernähe, Überschaubarkeit und Transparenz geschaffen werden. Es sei gelungen, erste Schritte in Richtung dieser Ziele zu setzen. Der Konvent habe einen Rahmenvertrag vorgelegt und werde bis zum 20. Juni in diesen Rahmen bausteinartig einsetzen können, was er erreichen werde. In den anderen Bereichen werde die Diskussion weitergehen müssen.

Unstrittig gestellt worden sei zum Beispiel das Mitentscheidungsverfahren des Europäischen Parlaments und der Räte in den verschiedensten Bereichen. Es sei auch unstrittig, dass die qualifizierte Mehrheit in den meisten Bereichen das Instrument sein werde, mit dem man in den Räten und in den Institutionen künftig werde arbeiten müssen. Somit habe der Konvent in vielen Bereichen wesentliche Ergebnisse erreicht, und darauf werde man auch hinsichtlich der Konflikte, die für die letzten Sitzungen zu erwarten seien, gut aufbauen können.

In den letzten Monaten habe sich eine klare Konfliktlinie zwischen großen und kleinen Mitgliedstaaten ergeben – wenngleich dies nicht die einzige Konfliktlinie gewesen sei –, und zwar durch den Zusammenschluss der kleinen und mittleren Länder – unter Mitwirkung von Österreich – gegenüber den Vorschlägen von größeren Mitgliedstaaten, beginnend mit dem Vorschlag von Frankreich und Deutschland in Bezug auf die Präsidentschaft der Europäischen Union. Danach habe das Plenum auch den Vorschlag von Konventspräsident Giscard d’Estaing hinsichtlich der Neugestaltung des Präsidiums der Europäischen Union debattieren müssen. Dieser Konflikt werde in den letzten Wochen des Konvents fortbestehen, und dort werde es auch darum gehen, die aus österreichischer Sicht wichtigen Dinge auf den Punkt zu bringen.

Ein Vorschlag der größeren Länder habe darauf gelautet, einen Ratspräsidenten für mehrere Jahre zu wählen. Abgeordneter Dr. Bösch teilt mit, demgegenüber sei er in den Plenardebatten und in schriftlicher Form neben anderen dafür eingetreten, dass die Rotation in der Präsidentschaft weiterhin bestehen bleibt. Die Rotation habe nicht nur den Vorteil, dass jeder Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, den Präsidenten des Europäischen Rates zu stellen, sondern es werde dadurch auch jedes Mitgliedsland gezwungen, sich mit der Europäischen Union und ihren Institutionen auseinander zu setzen und die Politikbereiche anzunehmen, die auf europäischer Ebene zu bestreiten sind. In der Rotation sei keine Schwächung der EU zu erblicken, und sie sei auch nicht ineffizient, denn wenn sich der Rat mehrjährige Arbeitspläne gebe, dann falle es nicht ins Gewicht, welcher Mitgliedstaat gerade den Präsidenten stellt, sondern die Räte seien kontinuierlich mit der Arbeit an den mehrjährigen Arbeitsprogrammen befasst.

Von den großen Mitgliedstaaten werde vehement auf eine Verkleinerung der Kommission hingearbeitet. Auch der Vorschlag des Präsidiums laute im Wesentlichen darauf, die Europäische Kommission auf eine Größe von 15 Personen zu begrenzen. Darüber hinaus sei aber vorgesehen, 15 beigeordnete Kommissare zu bestellen, die nach dem Länderschlüssel gleichmäßig aufgeteilt werden sollten, und dann bestünde die Kommission einschließlich des europäischen Außenministers, der ebenfalls als Mitglied vorgesehen sei, aus 31 Personen. Somit sei die Argumentation, dass der Vorschlag des Präsidiums eine wesentliche Verkleinerung der Kommission nach sich zöge, nicht stichhaltig. Selbst wenn nach der bevorstehenden Erweiterung auf jeden Mitgliedstaat ein Kommissar entfiele, wäre damit erst die Zahl von 25 Mitgliedern erreicht, sodass dann, im Vergleich zu den 31 Personen, den großen Ländern noch mehrere Kommissionsplätze angeboten werden könnten.

Das Ergebnis der Konvents-Arbeitsgruppe „Subsidiarität und ihre Kontrolle“, die sich intensiv mit den nationalen Parlamenten befasst habe, laute im Wesentlichen darauf, dass die Europäische Kommission hinkünftig ihr Jahresprogramm den nationalen Parlamenten übermitteln werde. Diese hätten dann die Möglichkeit, gegen den Jahresvorschlag der Kommission bei einem Verdacht der Verletzung des Subsidiaritätsprinzips Einspruch zu erheben. Wenn eine erhebliche Anzahl von nationalen Parlamenten Einspruch erhebe, werde die Kommission dazu gezwungen sein, sich mit dem entsprechenden Gesetzesvorhaben erneut auseinander zu setzen. Diese Vorkehrung sei als so genannter Frühwarnmechanismus eingerichtet worden, um die Transparenz auf europäischer Ebene sicherzustellen und um in die dortige Gesetzwerdung und Regierungsarbeit auch die nationale Ebene mit einzubeziehen, und stelle einen Fortschritt gegenüber dem Status quo dar.

Es sei vorgesehen, dass die nationalen Parlamente die Möglichkeit bekommen, bei Verdacht auf Verletzung des Subsidiaritätsprinzips dagegen Klage beim Europäischen Gerichtshof zu erheben. Österreich habe versucht, diese Klagsmöglichkeit auch für die Regionen mit konstitutivem Charakter – wie etwa die österreichischen Bundesländer – zu erreichen, habe aber nicht die Zustimmung der anderen Mitgliedstaaten gefunden. Die Regionen seien europaweit durch einen sehr heterogenen Charakter geprägt, und in vielen Mitgliedstaaten mangle es am Verständnis für konstitutive Regionen nach Art der österreichischen oder deutschen Bundesländer.

Das Präsidium der neuen Europäischen Union werde voraussichtlich noch Inhalt der Debatten in den letzten Wochen des Konvents sein. Von den österreichischen Mitgliedern werde versucht werden, eine Mehrheit im Konvent für die österreichischen Positionen zu finden. Abgeordneter Dr. Bösch berichtet, er habe vom Diskussionsverlauf in der letzten Konvents-Plenarsitzung einen anderen Eindruck als der darüber berichtende Konventspräsident gewonnen, nämlich dass für die Wahl eines für mehrere Jahre gewählten EU-Präsidenten keine Mehrheit im Plenum zu bekommen sein werde.

Abgeordneter Dr. Bösch erachtet es als seltsam, dass zwar die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu einem der ersten unstrittigen Themen im Konvent gehört hatte – die Auffassung, dass es notwendig sei, die GASP auf neue, effiziente Beine zu stellen, habe quer durch alle Mitgliedstaaten und Fraktionen Zustimmung gefunden –, dass sich aber im Rahmen des Irak-Konfliktes eine völlig andere Realität herausstellte. Dies habe zu einer Ernüchterung geführt, und es habe sich daran gezeigt, dass eigentlich unerheblich sei, was in wolkigen Worten in eine Verfassung hineingeschrieben werde, wenn es nicht mit dem klaren politischen Willen in der Wirklichkeit zusammenhänge. Die Europäische Union werde für ihre Integration und ihr Zusammenwachsen noch sehr viel Zeit brauchen, und es werde vernünftigerweise ein Schritt nach dem anderen gesetzt werden müssen.

Der Konvent in seiner bisherigen Form habe eine durchaus gelungene Entwicklung genommen. Wenn die Vereinfachung und Klärung in Bezug auf die Funktion der europäischen Einrichtungen und auf eine weitere rechtliche Fixierung der nationalen Ebene gelinge, dann würden sowohl die europäische als auch die nationale Ebene von diesem neuen Verfassungsvertrag profitieren können. (Beifall.)

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Stellvertretendes Mitglied des EU-Konvents, Grüne) zeigt sich erfreut darüber, dass hier im Hauptausschuss mehr Abgeordnete als bisher die Gelegenheit zu dieser Konventsdebatte wahrgenommen haben.

Hinsichtlich der Grundvoraussetzungen für das Gelingen des Konvents, vor allem aber für die Umsetzung des Verfassungsvertrags zu konkreter Wirksamkeit stelle sich die Frage, inwieweit die europäische Dimension in den nationalen Parlamenten, aber auch in den Landtagen eine Rolle spielen werde und welche Rolle dies sein werde. Es werde darauf ankommen, dass künftig nicht mehr für alles Negative der Europäischen Union die Schuld gegeben wird und alles Positive der nationalen oder regionalen Ebene zugute gehalten wird. Dies sei eine der zentralen Voraussetzungen dafür, dass dem „Skelett“ einer europäischen Verfassung „Fleisch wächst“. Ausgehend von dem Unterschied zwischen Verfassung und Realverfassung stellt Abgeordnete Dr. Lichtenberger fest, die Realverfassung werde umso besser sein, je stärker die europäische Komponente der Gesetzwerdung schon jetzt im allgemeinen Bewusstsein integriert werde.

Den Debatten im Konvent stünden nun, ausgehend von dem in der nächsten Woche vorgelegten Verfassungsentwurf, einige „extreme“ abschließende Wochen bevor. Schon jetzt zeichne sich ab, dass bis zur Regierungskonferenz nicht das gesamte Paket hinreichend und gut bearbeitbar sein werde, und es habe Andeutungen darüber gegeben, dass der so genannte III. Teil der Verfassung über die konkreten sachpolitischen Bereiche einer Nachbearbeitung bedürfen werde, weil in der Arbeitsweise des Konvents – was sich auch auf das bereits erwähnte Formulierungsmonopol von Präsident Giscard d’Estaing beziehe – die Eigenart entstanden sei, dass Entwürfe sehr spät zugestellt werden, dass eine Unzahl von Dokumenten vorliegen und dass deren Verarbeitung in der Debatte dadurch, vorsichtig gesagt, etwas mangelhaft wird.

Aus der Sicht der Grünen im Konvent sei klar, dass alles versucht werden müsse, um zu erreichen, dass der Regierungskonferenz nicht mehrere Optionenberichte, sondern nur ein einziger Vorschlag unterbreitet wird, und zwar aus folgendem Grund. An den Ergebnissen von Nizza habe sich gezeigt, dass ein Konvent nötig wurde, weil die Methode der Regierungskonferenzen allein nicht mehr effizient für die Weiterentwicklung Europas und seiner Struktur gewesen sei. Falls es der Konvent nicht zustande brächte, mehr als einige unterschiedliche Optionen vorzulegen, so wäre dies als „Armutszeugnis“ zu betrachten. Nicht mehr zu tun, als Optionen vorzulegen, sei nur in wenigen Fällen als Notlösung vorstellbar, weil der Konvent in einigen Bereichen eklatante Leistungen vollbracht habe, wie sie in den ersten Sitzungen noch nicht vorstellbar gewesen seien.

Anfangs habe es im Konvent große Auftritte von Euroskeptikern und Renationalisierern gegeben, die bloß die Absicht gehabt hätten, das europäische Recht nach Art eines Steinbruchs zu behandeln, aus dem nichts als das brauchbare Gestein hätte herausgebrochen werden sollen. Aber dies habe sich später geändert, und die Eigendynamik des Konvents habe es mit sich gebracht, dass Dinge wie Rechtspersönlichkeit oder Vereinheitlichung der Verträge außer Streit gestellt werden konnten. Was von den großen Zielen, die sich der Konvent gesetzt habe, übrig bleibe, werde am Ausmaß der Verwirklichung zu beurteilen sein.

Die Demokratisierung als eine der Forderungen, die der Konvent in Bezug auf europäische Gesetzeswerdung und ‑umsetzung an sich selbst gestellt habe, sei ein breit getragenes, gemeinsames Ziel gewesen. Allerdings sei dieses Ziel nicht in allen Bereichen hinreichend durchgehalten worden. Es sei bisher nicht gelungen, eine Demokratisierung in Sachen EURATOM zu erreichen. Die vorgeschlagene Lösung, dass man den bestehenden EURATOM-Vertrag unverändert als Protokoll dem Verfassungsvertrag anstückeln könnte, sei insbesondere für Österreich in dieser Form nicht akzeptabel. Von allen österreichischen Mitgliedern des Konvents werde die Meinung vertreten, es sollte gemeinsam versucht werden, eine Demokratisierung im EURATOM-Bereich zu erreichen. Würde dies nicht gelingen, so wäre es klüger, die Privilege der Atomenergie und ihre Ausnahme aus dem Wettbewerb mit anderen Energieformen nicht verfassungsmäßig abzusegnen. Letzteres wäre für sehr negativ zu erachten.

Hinsichtlich des Umweltschutzes werde es darauf ankommen, was in dem Kapitel über die Sachpolitiken enthalten sei. Derzeit sei die Lösung nicht ganz zufrieden stellend, da in der Form der vom Präsidium zuletzt unterbreiteten Vorschläge der Schutz der europäischen Umwelt sogar einen Rückschritt gegenüber dem derzeitigen Rechtsbestand in der Europäischen Union erleiden würde. Eine breite Mehrheit im Konvent habe deutlich gemacht, dass dies für sie nicht akzeptabel sei. Daher werde der Vorschlag des Präsidiums noch entsprechend geändert werden müssen.

Eine wichtige Initiative werde im Bereich des sozialen Europas noch erforderlich sein. Gegen den Willen von Konventspräsident Giscard d’Estaing sei es den Konventsmitgliedern gelungen, sich die Arbeitsgruppe „Soziales Europa“ zu erkämpfen. Dort habe unter den österreichischen Konventsmitgliedern ein breiter Konsens über die Forderungen bestanden. Bisher sei nicht klar geworden, ob die Zielsetzungen einer besseren Sozialpolitik in der Europäischen Union auch im Präsidiumsvorschlag hinreichend enthalten sein werden. Einige Mitglieder der Arbeitsgruppe „Soziales Europa“ hätten in Briefen an Präsident Giscard d’Estaing verlangt, dass die Forderungen, denen im Plenum nicht widersprochen worden sei, in einen europäischen Verfassungsvertrag aufgenommen werden müssten.

Diese zentralen Fragen sollten auch deshalb Beachtung finden, weil die Menschen in Europa genau daran interessiert seien, wenn über europäische Politik gesprochen werde. Zwar sei auch die Frage, welcher Rhythmus der Rotation bei den Präsidentschaften in Zukunft gültig sein werde, für sehr wichtig zu erachten, aber eine Frage wie diese würde die Bürgerinnen und Bürger in Europa nicht interessieren oder bewegen. Bewegend seien vielmehr Fragen der politischen Klasse und solche von bestimmten nationalen Animositäten. Gerade für die neu beitretenden Länder werde es sehr wichtig sein, dass diese Rotation – wie in den Beschlüssen von Nizza auch abgesichert – in den nächsten Jahren noch beibehalten wird, sie führe auch zu einem wichtigen Schub an Identifikation und an Auseinandersetzungen mit der Europäischen Union. Allerdings sei zu bezweifeln, dass die Rotation in der jetzigen Form auf Dauer gebraucht wird. In dieser Frage müssten auch die Kapazitäten einiger der neu beitretenden Länder beachtet werden. In der letzten Zeit sei es bedauerlicherweise dazu gekommen, dass einzelne Länder ihre nationalen Themen und nationalen „Hobbys“ zum Hauptfeld des Agierens während ihrer Präsidentschaft gemacht hätten, anstatt konsequent mehrjährige Pläne zu verfolgen.

In der Frage der Außenpolitik stellt Abgeordnete Dr. Lichtenberger fest, es seien sich schon lange vor dem Irak-Krieg so gut wie alle Konventsmitglieder – sogar bis hinein in britische Kreise, was in Kenntnis der EU-Politik etwas verwunderlich sei – darin einig gewesen, dass die Europäische Union auf der globalen Bühne handlungsfähig werden müsse. Allerdings sei im Konvent lange Zeit nicht daran geglaubt worden, dass es wirklich zu einer konsequenten und guten gemeinsamen Form der Außenpolitik kommen könnte. Der vom Präsidium vorgelegte Entwurf sei überraschend konkret gewesen, weise jedoch zwei große Mängel auf. Zum einen fehle die parlamentarische Kontrolle – die Außenpolitik werde rein zu einer Sache der Nationalstaaten ohne relevanten Anteil der europäischen Ebene –, zum anderen würden innerhalb der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik unterschiedliche Geschwindigkeiten im zivilen und im militärischen Sektor herrschen. Der militärische Sektor werde viel rascher handeln können, was für eine Friedenspolitik Europas keine allzu gute Perspektive darstelle. Es müsse darum gehen, das Primat der Außenpolitik über die militärischen Mittel zu sichern, nicht jedoch durch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Entscheidungsmechanismen Störfaktoren zu schaffen, die letztlich die europäische Politik in eine falsche Richtung führen würden.

Bei dem gesamten Verfassungsvertrag und dessen Umsetzung müsse klar sein, dass der beste Entscheidungsmechanismus auf der Ebene der Europäischen Union nichts nützen werde, wenn es am politischen Willen zum gemeinsamen Auftreten und gemeinsamen Handeln auf der weltpolitischen Bühne fehle. Diese zentrale Frage dürfe nicht überdeckt werden durch „Strategiespiele“, wie sie jetzt seitens der Vertreter einiger Länder zu beobachten seien.

Hinsichtlich der Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente und der Integration der dort stattfindenden politischen Willensbildung erachtet es Abgeordnete Dr. Lichtenberger für eine interessante Frage, wie der so genannte „Early Warning Mechanism“ funktionieren werde. Es sei notwendig, dieses Instrument nur sehr dosiert einzusetzen, um nicht die Frage der Subsidiarität zu einem Popanz zu machen, unter dem auch all das versteckt werden könnte, was nichts damit zu tun habe. Auch in diesem Punkt werde politischer Wille erforderlich sein. Eine europäische Verfassung werde dann gelebt werden und gelebt werden können, wenn in den nationalen Parlamenten, in den Landtagen und in den Gemeinderäten ein klares Bewusstsein darüber bestehe und artikuliert werde, dass es neben der regionalen und österreichischen Identität auch die europäische Identität gebe, welche die Bürgerinnen und Bürger jetzt dazubekämen und die künftig auch eine schriftliche Verfasstheit haben werde. (Allgemeiner Beifall.)

Diskussion

Obmann Dr. Andreas Khol weist darauf hin, dass den Abgeordneten in der nun folgenden Diskussionsphase für die Debattenbeiträge 3 „Wiener Stunden“ entsprechend der eingangs dargelegten Redezeitregelung zur Verfügung stehen.

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP) hebt hervor, die österreichischen Mitglieder des EU-Konvents hätten hervorragende Arbeit geleistet. Besonders wichtig sei es gewesen, zu einer Vorabstimmung der kleinen und mittleren EU-Mitgliedstaaten zu kommen, weil sonst Österreich mit seinen Positionen nicht in so weitgehendem Ausmaß hätte durchdringen können. Abgeordneter Dr. Spindelegger dankt insbesondere Bundesminister a. D. Dr. Farnleitner dafür, dass er wertvolle Interessensarbeit für Österreich geleistet hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie der Abgeordneten Prähauser und Dipl.-Ing. Pirklhuber.)

Aus der Sicht des Nationalrates handle es sich bei der Mitwirkung der nationalen Parlamente um ein zentrales Thema. Mit der Struktur des Frühwarnmechanismus werde nun eine Möglichkeit dafür geschaffen, dass nationale Parlamente innerhalb von sechs Wochen nach Vorliegen eines Vorschlags Stellung nehmen können. Dies bedeute viel Arbeit für das Parlament, da jede der Fragen eines von europäischer Seite kommenden Vorschlags irgendwo das Subsidiaritätsprinzip berühren werde. Es müssten daher Vorbereitungen getroffen werden, um diese Arbeit im Parlament professionell und gut strukturiert durchzuführen.

Die ÖVP-Fraktion werde versuchen, die Forderung, die Länder als Gesetzgebungsorgane in eine Klagsmöglichkeit nach dem Subsidiaritätsprinzip mit einzubeziehen, zu berücksichtigen. Es sei noch offen, ob diese Möglichkeit durch einen Vertrag oder durch andere Mechanismen sicherzustellen sein werde.

Ein großer Fortschritt bestehe darin, dass nun möglich werde, was von der ÖVP-Fraktion schon seit Jahren gefordert worden sei, nämlich dass die Europäische Union der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten sollte, um ein bewährtes Standardverfahren und die durch die MRK gegebene Rechtssicherheit auch in europäischen Fragen für alle Bürger zu gewährleisten. Der Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg mit seiner bewährten Einrichtung solle auch zuständig sein für jemanden, der sich durch ein europäisches Verfahren für beschwert erachtet. Was noch einer Klärung bedürfe, sei die Frage, was der neue Entwurf einer Grundrechts-Charta in der europäischen Verfassung für den einzelnen Bürger Europas bedeute und wie der Zusammenhang mit der Menschenrechtskonvention zu sehen sei. Bisher sei offen geblieben, ob dies Individualrechte sein würden, sodass dann der Gerichtshof in Luxemburg mit einer Klageflut zu rechnen hätte.

Hinsichtlich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beziehungsweise der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sei es aus österreichischer Sicht erfreulich, dass zum einen die Beistandsklausel zur Abwendung von terroristischen Bedrohungen Wirklichkeit werde und dass zum anderen – wie auch in der Sicherheitsdoktrin gefordert – ein erster Schritt in Richtung einer engeren Zusammenarbeit werde erfolgen müssen, was möglicherweise auch einmal zu einer Beistandsverpflichtung führen werde.

Von Seiten der ÖVP-Fraktion werde gefordert, dass ein europäischer Außenminister – wie er allseits begrüßt werde – seine Vertretungsaufgabe für die Europäische Union nicht ganz allein und sozusagen „im luftleeren Raum“ wahrnehmen könnte. Vielmehr werde Österreich darauf dringen müssen, dass der Europäische Rat diesem Außenminister die „Guidelines“ vorgibt und dass auch die Europäische Kommission mit eingebunden bleibt. Für die zukünftige Entwicklung werde es sehr wichtig sein, dass die Kommission ein Vorschlags- und Initiativrecht auch in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik behält. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Abgeordnete zum Europäischen Parlament Dr. Maria Berger (Stellvertretendes Mitglied des EU-Konvents, SPÖ) stellt einleitend fest, da Obmann Dr. Khol sie bei der Erteilung des Wortes als „Ersatzmitglied“ des Konvents tituliert habe, wolle sie darauf aufmerksam machen, dass eine der ersten Entwicklungen im Konvent erfreulicherweise darin bestanden habe, dass sich der Unterschied zwischen Vollmitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern eigentlich aufgelöst habe. Je intensiver die Arbeit geworden sei, desto intensiver sei auch die Arbeits- und Ideenkraft der stellvertretenden Mitglieder mit einbezogen worden. Diese würden im Konvent mittlerweile über die gleichen Rechte wie die Vollmitglieder verfügen.

Abgeordnete Dr. Berger erinnert an den von Dr. Farnleitner gezeigten dicken Stapel von Papieren, welche die Arbeitsunterlage im Konvent bilden, und nennt es als Ziel, dass das Endergebnis schmäler ausfallen wird. Eines der Hauptziele bestehe in der Vereinfachung der Verträge, derzeit seien ungefähr 1 300 Artikel im EU-Primärrecht enthalten. Nunmehr laute einer der Aufträge des Konvents darauf, diese Anzahl zu verringern, und am Ende der Arbeit sollten es maximal 260 bis 300 Artikel sein. In den ersten 40 Artikeln würden die grundlegenden Bestimmungen enthalten sein. Als zweiter Teil der Verfassung sei nun die europäische Grundrechte-Charta vorgesehen, welche sich auf ungefähr 65 oder 66 Artikel belaufen werde. Der dritte Teil werde etwas abwertend „technisch-operativer Teil“ genannt, sei aber umso wichtiger und werde voraussichtlich aus zirka 150 Artikeln bestehen. Darüber hinaus seien für die Verfassung Schluss- und Übergangsbestimmungen vorgesehen.

Aus der Sicht der Mitglieder des Europäischen Parlaments werde es auf eine Stärkung der Parlamente ankommen, und zwar nicht nur des Europäischen Parlaments, sondern auch der nationalen Parlamente. Laut Informationen aus dem Präsidium des Konvents werde auch vorgeschlagen werden, dass regionale Parlamente – dies würde dann zum Beispiel auch für die österreichischen Landtage gelten – ein Klagerecht beim Europäischen Gerichtshof bekommen, wenn sie in ihren Zuständigkeitsbereichen verletzt sind, allerdings mit der – aus europarechtlicher Sicht notwendigen – Einschränkung, dass die nationalen Verfassungen dies erlauben. Es werde dies auch für den österreichischen Verfassungskonvent ein Thema sein.

Mit dem Europäischen Gerichtshof – einer der Institutionen, die bei der institutionellen Debatte immer ein bisschen vernachlässigt worden seien – habe sich eine so genannte Reflexionsgruppe im Rahmen des Konvents befasst, dort hätten auch die österreichischen Vertreter sehr gut zusammengearbeitet. Der Vorschlag, die Anzahl der Richter beim EuGH und beim Gericht erster Instanz unter die Anzahl der Mitgliedstaaten zu drücken, sei von der Arbeitsgruppe abgelehnt worden und finde sich nun auch im Präsidiumsvorschlag nicht wieder. Somit bleibe es bei der bisherigen Anzahl der Richter. Allerdings sei in dem Entwurf auch der Vorschlag einer Verlängerung der Mandatsdauer der Richter nicht enthalten, obwohl dies die Arbeitsgruppe mehrheitlich angeregt habe, da diese Verlängerung im Interesse der richterlichen Unabhängigkeit wünschenswert wäre. Ebenfalls nicht durchsetzen können habe sich die Arbeitsgruppe mit der Forderung nach einer Stärkung des Individualklagerechts europäischer Bürger. Für einen Verfassungsvertrag, in den die Grundrechte-Charta eingefügt wird, wäre dieses Klagerecht – mit allen Kautelen, dass es nicht zu einer Überlastung der Gerichtshöfe kommt – sehr wichtig.

Mit dem erreichten Ergebnis könne das Europäische Parlament zufrieden sein. Es wäre allerdings nicht viel gewonnen, wenn das Europaparlament zwar in Zukunft, wie jetzt vorgesehen, den Präsidenten der Europäischen Kommission wählen könnte, dieser Präsident aber wegen der Stärkung der Position des Ratspräsidenten künftig wenig zu bestimmen hätte, weil in der Außenvertretung die Kommissionsbefugnisse eingeschränkt wären. Derzeit sei der Modus dieser Präsidentenwahl noch umstritten.

Aus parlamentarischer Sicht sehr wichtig sei die Reform des Gesetzgebungsverfahrens der Europäischen Union. Anstelle der derzeit zahlreichen Verfahrenstypen werde es künftig im Wesentlichen nur noch das jetzige Mitentscheidungsverfahren geben, dieses „Legislativverfahren“ werde der Regelfall sein. Das jetzige Kooperationsverfahren werde ersatzlos gestrichen, und nur noch in sehr wenigen Fällen werde es zur Anwendung des Konsultationsverfahrens kommen.

Im Bereich Justiz und Inneres seien die Vorschläge des Präsidiums relativ mutig gewesen. Demnach wäre eine Ausdehnung der Mehrheitsentscheidungen vorgesehen, und nur in äußerst wenigen Bereichen – deren weitere Einschränkung vielleicht möglich sein werde – würde künftig noch das Erfordernis der Einstimmigkeit bestehen. Geplant seien praktische Mitentscheidungsverfahren, und nicht in jener schwachen Position, dass in diesem Bereich die nationalen Parlamente nichts mehr zu sagen hätten und das Europäische Parlament noch nichts mitzureden hätte, wodurch dann ein parlamentsfreier Raum bestünde.

Von großer Bedeutung werde die Verankerung sozialstaatlicher Ziel- und Wertsetzungen sein. In dieser Hinsicht müssten die Werte und Zielsetzungen der Europäischen Union verbessert werden, es müssten zumindest der Acquis und die Ziele aus dem Lissabonner Prozess aufgenommen werden, wie zum Beispiel, dass die Europäische Union Vollbeschäftigung anstreben solle. Aus österreichischer Sicht, vor allem jener der Gemeinden, sehr wichtig wäre eine bessere Absicherung der Leistungen der Daseinsvorsorge, sodass sich nicht bei jeder öffentlichen Dienstleistung die Problematik ergäbe, ob eine Ausschreibung vorgenommen werden müsste oder ob der öffentliche Nahverkehr noch subventioniert werden dürfte oder nicht. Ob es in dieser Hinsicht zu einer Klarstellung kommen werde, werde erst nach Vorlage der Entwürfe feststellbar sein.

Wichtig werde auch eine bessere Synchronisierung der Wirtschafts-, Sozial- und Beschäftigungspolitik der Europäischen Union sein. Anstelle der bisherigen mühsamen Prozesse nach Lissabon, Cardiff, Köln, Stockholm und so weiter werde es darum gehen, gleiche und gemeinsame Zielsetzungen zu entwerfen, auch mit dem Ziel einer höheren Synchronität von der institutionellen Behandlung her.

Was die Europäischen Räte betrifft, seien im Präsidiumsvorschlag derzeit nur fünf vorgesehen. Diese um einen Europäischen Rat für Sozial- und Beschäftigungsfragen zu erweitern, stelle ein wichtiges Anliegen dar.

In der Gleichberechtigungspolitik könne die Europäische Union auf eine glorreiche Tradition zurückblicken. Sie habe als erste Institution das Prinzip der Lohngleichheit verankert, und die Judikatur des EuGH sei auch für die Entwicklung des nationalen Rechts sehr wichtig gewesen. Im derzeitigen Entwurf würden Fragen der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, aber auch darüber hinaus, völlig vernachlässigt werden, dieser Entwurf gehe hinter den Acquis zurück. Allenfalls eine Verbesserung mit sich bringen könnte der jetzige Vorschlag, für die Nominierungen der Kommissare Dreiervorschläge, in denen zumindest eine Frau aufscheint, vorzulegen.

Abgeordnete Dr. Berger äußert ihr Bedauern darüber, dass es durch die Vorschläge des Konventspräsidenten zu einer Zuspitzung der Gegensätze zwischen kleinen und großen Mitgliedstaaten im Konvent gekommen sei.

Hinsichtlich der Institutionen sei in den Ergebnissen von Nizza keine gute Lösung zu erblicken, sodass darüber hinausgegangen werden sollte. Aber es sei verständlich, dass dies für kleinere und mittlere EU-Staaten nur dann möglich sein werde, wenn kalkulierbare Alternativen zum Vertrag von Nizza vorgelegt werden, was derzeit nicht der Fall sei. Vorstellbar wäre eine Europäische Kommission, die etwas kleiner als die jetzige, aber strikt nach dem Prinzip der Rotation zu besetzen wäre. Ebenfalls vorstellbar wäre statt der jetzigen alleinigen Präsidentschaft für sechs Monate eine Team-Präsidentschaft mehrerer Mitgliedstaaten für einen längeren Zeitraum. In dieser Richtung könnten noch Kompromisse möglich sein.

Es werde sehr wichtig sein, den Konvent nicht an dieser Frage scheitern zu lassen. Sonst wären die kleinen und mittleren Mitgliedstaaten gezwungen, alle Fragen wieder in die Regierungskonferenz zu verlagern. Es stelle einen großen Erfolg aller beteiligten Parlamentarier auf nationaler und europäischer Ebene dar, dass mit der Konventsmethode eine parlamentarische Methode der Revision der Verträge erreicht wurde. Bliebe nun der Erfolg aus, so wäre die Idee, dass es eine demokratische, parlamentarische Form der Überarbeitung der Verträge gibt, wahrscheinlich für längere Zeit tot, was keineswegs im Interesse der Parlamentarier sein könnte. (Allgemeiner Beifall.)

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Mitglied des EU-Konvents, Freiheitliche) berichtet, ein wesentliches Argument gegen eine Mitwirkungsmöglichkeit der Parlamente auf nationaler und regionaler Ebene habe darin bestanden, dass es mit dieser Möglichkeit, im Rahmen des Frühwarnmechanismus Einspruch zu erheben, zu einer Einspruchsflut käme, wodurch die Union nicht mehr handlungsfähig wäre. Ein zweites Gegenargument habe darin bestanden, dass es zu einer Klagsflut beim Europäischen Gerichtshof kommen könnte, sodass es, wenn diese Klage suspensives Recht zur Folge hätte, ebenfalls zu einer Nicht-Handlungsfähigkeit der Europäischen Union kommen könnte.

Diesen Argumenten sei entgegengehalten worden, dass beides nicht zu erwarten wäre, weil Vertrauen zur europäischen Ebene und insbesondere zur Kommission bestehen sollte, dass gute Vorschläge erarbeitet werden im Rahmen des Einjahresprogramms, das den nationalen Parlamenten übermittelt werde. Diesem Vertrauen zu entsprechen, liege auch in der Verantwortung der Europäischen Kommission.

Es stelle eine neue Herausforderung für die nationalen Parlamente dar, die Organisation und den Arbeitsaufwand für die Nutzung der neuen Möglichkeiten auf europäischer Ebene entsprechend einzurichten, um die nötige Effizienz zu erreichen, und diese Herausforderung werde auch angenommen werden.

In Bezug auf eine Einspruchs- und Klagsmöglichkeit von Bundesländern als Regionen mit Legislativfunktion seien die österreichischen Vorschläge nicht auf die Zustimmung anderer Länder gestoßen. Es sei aber gelungen, eine entsprechende Möglichkeit für die zweite Kammer in Ländern, die über eine solche verfügen, relativ unstrittig zu stellen. Daher gelte es nun Überlegungen anzustellen, wie der österreichische Bundesrat so umgestaltet werden könnte, dass er im Rahmen dieser europäischen Aufgabe der parlamentarischen Ebene wirkungsvoll einsetzbar sein könnte. Es könnten dann die Bundesländer nicht nur über die nationale Ebene in ihren Kompetenzbereichen eine Klagsmöglichkeit bekommen, sondern es könnte dieses Ziel über den Bundesrat direkter und klarer verfolgt werden. Im Rahmen des Österreich-Konvents werde zu diskutieren sein, wie der Bundesrat umzugestalten wäre und ob dort die Landeshauptleutekonferenz, die Landtagspräsidentenkonferenz und der Konsultationsmechanismus anzusiedeln wären, um dieser zweiten Kammer auch im Rahmen der europäischen Entwicklung eine neue Bedeutung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne) dankt den Konventsmitgliedern für ihre Arbeit und ihr Engagement, dafür sei ihnen unabhängig von etwaigen inhaltlichen Differenzen großes Lob auszusprechen. (Allgemeiner Beifall.)

Sehr zu begrüßen sei die – vor einem Jahr noch nicht für möglich gehaltene – Aufnahme der Grundrechts-Charta in die europäische Verfassung und die entsprechende rechtliche Verbindlichkeit. Hingegen würden einige Punkte, besonders in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, noch sehr zu wünschen übrig lassen.

Die österreichische Außenministerin Dr. Ferrero-Waldner habe in letzter Zeit die Notwendigkeit der Zusammenarbeit der kleinen EU-Mitgliedstaaten stark betont. Zwar könne es hin und wieder sinnvoll sein, in bestimmten Fragen zusammenzuarbeiten, aber es könne nicht eine generelle Linie darin gesehen werden, die Größe der Länder für maßgeblich für die gemeinsame Außenpolitik oder andere Politikfelder in der Europäischen Union zu halten. Hinsichtlich der gemeinsamen Außenpolitik stelle sich die Frage, warum von österreichischer Seite nicht verstärkt das Anliegen einer Zusammenarbeit der neutralen und bündnisfreien EU-Staaten eingebracht worden sei. Es sei aber klar, dass in dieser Hinsicht Meinungsunterschiede zwischen den Fraktionen bestehen.

Aus Sicht der Grünen enttäuschend gewesen sei ein Vorschlag des Konventspräsidiums, wonach Außenpolitik vorrangig nur noch als Sicherheitspolitik zu sehen wäre. Die Europäische Union stelle im internationalen Kontext keine militärische, sondern sozusagen eine zivile Supermacht dar, was sich zum Beispiel in ihren Leistungen für die Entwicklungszusammenarbeit – welche sich auf 60 Prozent der weltweiten Aufwendungen belaufen – widerspiegle. Auch im Sozial- und Umweltbereich nehme die EU eine Vorrangstellung ein, und sie spiele überdies eine Vorreiterrolle als Wirtschaftsmacht. Ihre Außenpolitik sei friedensorientiert. Aber von alldem sei in dem am 23. April 2003 vorgelegten Konventsentwurf nicht viel zu lesen. Aus österreichischer Sicht, der Sicht eines neutralen Landes mit einer friedensorientierten Außenpolitik, seien einige darin enthaltene Punkte zu kritisieren.

In dem Vorschlag für eine engere Zusammenarbeit zur gegenseitigen Verteidigung sei zum Beispiel vorgesehen, in Richtung einer gemeinsamen Rüstungsagentur zu arbeiten und eine strukturierte Zusammenarbeit zum Aufbau von Interventionskapazitäten nach anspruchsvollen Kriterien anzustreben. Wenngleich eine Beistandspflicht insbesondere in den Köpfen von ÖVP-Abgeordneten sehr präsent sei, müsse aus Sicht der Grünen festgehalten werden, dass eine solche Politik für Österreich nicht machbar wäre. Dessen außenpolitisches Handeln habe sich vorrangig an einer Friedenspolitik zu orientieren, und da lasse dieser Vorschlagstext zentrale Elemente vermissen. Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner möge mitteilen, wie sie dazu stehe, dass in diesem Text nicht einmal das Verhältnis der Europäischen Union zur UNO und zur OSZE genauer definiert worden sei. In Österreich habe bisher Konsens darüber bestanden, dass militärische Interventionen und Friedensmissionen immer nur unter UNO-Mandat erfolgen dürften, dieser Punkt sei aber in dem vorliegenden Text nicht enthalten.

Was die Frage der Einbindung des Europäischen Parlaments in die außenpolitischen Angelegenheiten betrifft, sei festzuhalten, dass die sicherheitspolitische Kompetenz weiterhin beim Europäischen Rat verbleibe. Es wäre zwar ein europäischer Außenminister zu schaffen – wofür auch die Grünen eintreten –, aber es mangle an einer Basis für dessen Tätigkeit. Es fehle an einer parlamentarischen Basis für die Abstimmung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, wenn diese beim Rat verbleibe. In diesem Punkt greife der Entwurf um vieles zu kurz, weil die – nicht nur nach Auffassung der Grünen wesentliche –verstärkte Mitsprachemöglichkeit des Europäischen Parlaments in diesen Fragen offen bleibe.

Ein Vorschlag der Fraktion der Grünen habe darauf gelautet, die Solidaritäts- und Beistandsklausel betreffend den Kampf gegen den Terrorismus zu streichen, und zwar deshalb, weil völlig unklar bleibe und auch keine international einheitliche Definition darüber vorliege, was unter „terroristischen Akten“ zu verstehen sei. Eine derart unklare Formulierung sei nicht dazu geeignet, in einem Verfassungsentwurf aufzuscheinen.

Nicht in dem Text enthalten sei ferner der Punkt der zivilen Konfliktprävention. Der Entwurf stelle eine Absage an eine gemeinsame Außenpolitik dar, und zwar unter dem Deckmantel einer gemeinsamen Sicherheitspolitik, in der die militärische Komponente um vieles stärker als die zivile sei. Diese Gewichtung sehe aus wie eine Vorschubleistung gegenüber einer Position, wie sie im Zuge des Irak-Kriegs in diesem Frühjahr von Großbritannien und Spanien eingenommen worden sei, indem diese beiden Staaten gemäß dieser militärischen Komponente vorgeprescht seien. Es könne aber angesichts der Rolle der Europäischen Union als einer zivilen Supermacht nicht hingenommen werden, dass das militärische Element derart in den Vordergrund gerückt werde. (Beifall bei den Grünen.)

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner führt aus, der Europäische Konvent sei deshalb gewählt worden, weil mehr Kreativität und mehr Phantasie bei der Neugestaltung der Verfassung Europas erwünscht gewesen sei. Allerdings seien die Regierungskonferenzen nicht so schlecht gewesen. In Nizza sei fast drei Tage und drei Nächte lang verhandelt worden, und jetzt zeichne sich ab, dass wieder auf den Kompromiss von Nizza zurückgegriffen werde, weil manchmal sehr schwierige Positionen zu überbrücken seien. Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner stellt fest, nichtsdestoweniger begrüße sie den Konvent, sie begrüße die jetzige Debatte und vor allem den Umstand, dass die Konventsmitglieder aus den verschiedenen Parteien im Großen und Ganzen sehr ähnliche Positionen vertreten würden.

Der Versuch von Konventspräsident Giscard d’Estaing, einen großen Wurf zu vollbringen, sei zwar grundsätzlich richtig, dabei müsse aber die richtige Richtung gefunden werden. Der Ehrgeiz, Europa neu zu gestalten, könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Parteien gefunden werden muss.

Wie von Abgeordnetem Dr. Einem schon gesagt, sei es im Konvent gelungen, wesentliche Fragen außer Streit zu stellen: die Schaffung einer einheitlichen Rechtspersönlichkeit, die verbindliche Verankerung der Grundrechts-Charta im Vertrag, eine bessere Kategorisierung der Kompetenzen und eine Einheitlichkeit der europäischen Außenvertretung.

Von besonderem Interesse sei die Frage, wie es mit einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik weitergehen werde. Es sei zwar gut und schön, künftig über einen gemeinsamen europäischen Außenminister zu verfügen, aber das allein werde nicht genügen. Der Außenminister werde nur dann agieren können, wenn er gemeinsame Positionen vertreten könne, und für solche Positionen bedürfe es eines gemeinsamen politischen Willens. Dies müsse gelernt werden, um nach der Irak-Krise einen Schritt voranzukommen. Dabei habe sich gezeigt, dass zum Teil gerade die größeren EU-Mitgliedstaaten oft zu radikaleren Positionen tendieren würden, mit Deutschland und Frankreich auf der einen, Großbritannien und Spanien auf der anderen Seite. Beides sei so nicht gut gewesen, und worauf es ankomme, habe sich an dem Versuch gezeigt, hinter der griechischen Präsidentschaft die Dinge ein bisschen zusammenzuführen. Dies habe aber nicht gelingen können, weil die nationalen Positionen, wie sie auch im UN-Sicherheitsrat eingebracht wurden, vor den europäischen Positionen gelegen seien. In dieser Hinsicht bleibe noch viel zu tun.

Konventspräsident Giscard d’Estaing habe hinsichtlich der Außenbeziehungen inhaltlich sehr konservative Vorschläge unterbreitet, vor allem in Bezug auf den Intergouvernementalismus. Damit sei Österreich nicht einverstanden. Nur wenn in die Richtung einer Vergemeinschaftung der Außenpolitik gegangen werde, werde das Ziel erreicht werden, und dies werde, wie schon von Abgeordnetem Dr. Einem gesagt, nur bei einem weitreichenden Übergang zu Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit gelingen; davon auszunehmen wäre nur die Frage der Verteidigungspolitik, und Vorsicht wäre auch dann geboten, wenn ein Mitgliedstaat Vorschläge einbringt.

Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner spricht sich dafür aus, mit einem gemeinsamen europäischen diplomatischen Apparat zu arbeiten. Was man sich im Europäischen Rat vorstelle, sei sicher nicht gut, weil es auf diese Weise im Europäischen Rat, wie zuletzt in der Außenpolitik, zu einer Duplizierung der Bürokratie käme. Diese wäre nicht sinnvoll, eine solche Entwicklung könnte nicht positiv gesehen werden.

Neue, interessante Vorschläge seien im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik unterbreitet worden. Sie seien allerdings noch umstritten, etwa in der Frage, ob auch grenzüberschreitende Dienstleistungen in die gemeinsame Handelspolitik aufgenommen werden könnten, oder in Bezug auf Kultur und audiovisuelle Medien.

Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner stellt fest, sie könne sich persönlich Team-Präsidentschaften vorstellen und halte eine Problemlösung in dieser Weise für denkbar. Was die Kompetenzen betrifft, sei es erfreulich, dass für die wesentlichen Fragen eine Art Kompetenzkatalog erstellt werden konnte. Dies sei auch wichtig im Hinblick auf das Vertrauen der europäischen Bürger zu einer europäischen Verfassung.

Hinsichtlich der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik müssten noch die endgültigen Vorschläge abgewartet werden. Eine Lehre aus dem Irak-Krieg bestehe auch darin, dass es für die Europäische Union nicht ausreichend sein werde, nur eine große Wirtschaftsmacht oder eine große Macht in der Entwicklungspolitik sein zu wollen, um zu einem „Global Player“ zu werden. Zu diesem Zweck müssten auch die Fragen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik aufgegriffen werden, auch wenn dies nicht einfach wäre. Nur so könnte die Europäische Union den Vereinigten Staaten von Amerika auf Augenhöhe gegenübertreten. (Allgemeiner Beifall.)

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP) meint, die Bedeutung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik für Europa habe sich auch schon gezeigt, bevor in der jüngsten Irak-Krise bewusst geworden sei, dass Europa auf diesem Gebiet keine gemeinsame Linie habe. Es sei eine Schande, dass Europa, wie sich auch schon in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts an dem Versagen auf dem Balkan, in Bosnien-Herzegowina, Mazedonien oder im Kosovo, gezeigt habe, nicht in der Lage sei, die ureigensten Sicherheitsprobleme in Europa zu lösen und die humanitären Aufgaben zu erledigen. Schon gar nicht sei Europa in der Lage, über die eigenen Grenzen hinauszublicken und etwa den Irak oder andere Problemherde ins Visier zu nehmen. Daher müsse dieser Punkt im Zentrum der europäischen Aufgabenstellung bleiben.

Selbstverständlich sei zu erwarten, dass die großen EU-Mitgliedstaaten auch in Zukunft ihre eigene Außenpolitik als Nationalstaaten betreiben werden. Daher werde es darauf ankommen, den neuen EU-Außenminister in einer solchen Weise mit Kompetenzen auszustatten, dass er intergouvernemental und in gemeinschaftsbezogenen Angelegenheiten tätig werden könne. Über die Stärkung der Funktion hinaus werde es auch wichtig sein, möglichst starke und integrative politische Persönlichkeiten für diese Funktion auszuwählen, damit es gelingen könnte, eine gemeinsame europäische Linie zu entwickeln und wirkungsvoll zu vertreten. Es sei dabei unvorstellbar, dass es jemandem, der auf dem Scherbenhaufen seiner eigenen Außenpolitik sitze, gelingen könnte, auf der europäischen Bühne ein besseres Bild abzugeben als auf der nationalen Ebene.

Eine weitere Frage von zentraler Bedeutung bestehe darin, wie die Europäische Union insgesamt auch in Zukunft funktionstüchtig bleiben könnte. Die meisten Probleme, die im Zusammenhang mit dem Beitritt neuer Mitglieder auf die Europäische Union zwangsläufig zukommen, würden immer noch unterschätzt werden. Es werde ein gehöriges Maß an zusätzlicher Integrationskraft aufgebracht werden müssen, um zehn gleichzeitig hinzukommende neue Mitglieder wirkungsvoll integrieren zu können und es zu verhindern, dass möglicherweise ein Werte- und Zielverlust in Kauf genommen werden müsste. Die innere Stärke der EU werde wesentlich davon abhängen, wie gut es gelingen werde, integrativ zu wirken.

Eine große Rolle spiele dabei auch die Zusammensetzung der Europäischen Kommission. Auch in Zukunft werde es notwendig sein, dass alle EU-Mitglieder nicht nur das Gefühl haben, in der Kommission vertreten zu sein, sondern dazu auch real die Möglichkeit bekommen. Das Prinzip „ein Land – ein Kommissionsmitglied“ werde, wenn auch in rotierender Form, weiterhin seine Bedeutung haben. Dabei müsse auch beachtet werden, dass jedes Kommissionsmitglied künftig 25 Mitgliedstaaten zu betreuen haben wird und dass die Aufgabengebiete nicht zu groß werden sollten, woraus sich auch eine größere Anzahl von Kommissaren ergeben könnte.

Künftig werde in der Europäischen Union auch die Handels- und Wirtschaftspolitik sowie die Beschäftigungspolitik im Vordergrund stehen müssen. Gerade aus der Sicht Österreichs werde darauf zu dringen sein, dass Vollbeschäftigung als gesamteuropäisches Ziel angestrebt wird, auch unter Einbeziehung dessen, was in diesem Zusammenhang in den vergangenen Sitzungen und Tagungen bereits erarbeitet wurde. (Allgemeiner Beifall.)

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ) hebt anerkennend die gewaltige Arbeit hervor, die dafür geleistet wurde, dass Europa eine neue Verfassung bekommt. Dadurch werde auch in der Institutionenfrage ein wichtiger Schritt gesetzt.

Ein mächtiges Gebilde wie die Europäische Union benötige auch eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, und letztlich werde dies darin münden, eine Verteidigungsunion zu bilden, in der unter genau bestimmten Umständen eine grundsätzliche Bereitschaft zum Beistand vorausgesetzt sein werde, weil sonst der Unionsgedanke zu wenig ausgeprägt wäre.

Ein Politikbereich von mindestens gleich großer Bedeutung stelle sich in dem dar, was als „Union der Bürger“ bezeichnet wird. Für die Bürger seien zwar auch die Institutionen wichtig, weil dadurch die Abläufe gesichert werden, aber gemessen an den Empfindungen der Bürger werde eine bürgernahe Union nur unter der Voraussetzung zustande kommen, dass eine Sozialunion dahinter steht. Dazu gehöre selbstverständlich das Ziel der Vollbeschäftigung, aber darüber hinaus auch die Definition und die Entwicklung der Wohlfahrtsgesellschaft in Europa. Darin komme die eigentliche Bürgernähe zum Ausdruck. Vor diesem Hintergrund seien etwa auch die Fragen der Daseinsvorsorge zu sehen und Probleme wie jenes, dass im Zuge der GATS-Diskussion regionale Gesichtspunkte nicht mehr hinreichende Berücksichtigung fänden.

Die Europäische Zentralbank verfolge mit ihrer ausschließlich stabilitätsorientierten Vorgangsweise eine sehr konventionelle politische Zielsetzung. Dies werde in Zukunft nicht mehr ausreichen, sondern es bedürfe einer Ergänzung ihres Ansatzes um Fragen der Vollbeschäftigung und des Wachstums. Europa müsse die Funktion einer Wachstumszone behalten, und in diesem Sinn seien korrespondierende Ansprechpartner erforderlich, aber solche Ansprechpartner seien in der Europäischen Union derzeit nicht vorhanden. Es fehle an Klarheit darüber, mit wem auf europäischer Ebene ein sozialer Dialog geführt werden könnte.

Abgeordneter Dr. Bauer tritt dafür ein, ausgehend von der erfolgreichen österreichischen Sozialpartnerschaft einen Sozialdialog auf europäischer Ebene zu installieren. Dadurch könnte das Gefühl der europäischen Bürgerinnen und Bürger, unmittelbar am Unionsgeschehen beteiligt zu sein, am stärksten zum Ausdruck gebracht werden. Von einer europäischen Sozialpartnerschaft könne derzeit noch nicht die Rede sein, weil in vielen Mitgliedstaaten die dafür nötigen institutionellen Gegebenheiten nicht vorhanden seien. Eine solche Einrichtung werde aber eine Voraussetzung dafür sein, dass ein Höchstmaß an Identifikation mit der Europäischen Union ermöglicht wird. In die Konzeption eines sozialen Europas werde auch die Plattform eines sozialen Dialogs mit einzubringen sein. (Allgemeiner Beifall.)

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) spricht den Mitgliedern des Konvents ebenfalls seinen Dank aus. Nur wenige hätten damals, als der Konvent eingerichtet wurde, geglaubt, dass etwas Gutes dabei herauskommen könnte. Nunmehr bestehe Anlass zu der Hoffnung, dass der damalige Pessimismus nicht angebracht war.

Abgeordneter Dr. Van der Bellen widerspricht der Einschätzung von Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner in Bezug auf die Ergebnisse des Rates von Nizza. Diese Ergebnisse seien in den politischen Stellungnahmen der EU-Mitgliedstaaten ausnahmslos als so mager bezeichnet worden, dass erst dadurch der Boden für die Einrichtung eines Konvents bereitet wurde. Nizza sei de facto gescheitert, und die jetzige Erweiterung der Europäischen Union auf 25 Mitgliedstaaten müsse hinsichtlich der Institutionen und der Möglichkeiten der Entscheidungsfindung im Grunde genommen als ein Projekt bezeichnet werden, auf das sich die EU blind einlasse, von dem sie das Beste hoffe, wofür sie aber eigentlich nicht gerüstet sei. Die Zustimmung zur Erweiterung habe nur „mit Schmerzen in der Brust“ gegeben werden können, weil allen bekannt sei, dass die internen Mechanismen und die Effizienz der Entscheidungsfindung auf die Erweiterung nicht wirklich eingestellt seien. Es bleibe zu hoffen, dass die Ergebnisse des Konvents die Europäische Union um einen entscheidenden Schritt weiterbringen würden.

Es werde für die Erweiterung notwendig sein, den Bereich der Mehrheitsentscheidungen – ob qualifiziert oder nicht qualifiziert – gegenüber den Vetorechten einzelner Mitgliedstaaten auszuweiten. Auch für Österreich bedeute dies, dass Vetorechte im Einzelnen entfallen werden, und es müsse damit rechnen, manchmal auch in wichtigen Angelegenheiten, überstimmt zu werden. Dies treffe für die Außenpolitik und sicherlich auch für die Steuerpolitik zu. Im letzteren Bereich werde bereits seit Jahren diskutiert, aber die Fortschritte seien – etwa in der Körperschafts- oder in der Kapitalertragsbesteuerung – gering geblieben. Abgeordneter Dr. Van der Bellen fragt nach dem Stand der Diskussion um die so genannten Eigenmittel innerhalb der Europäischen Union, der Diskussion um eigene Steuern wie zum Beispiel die Kerosinsteuer im Flugverkehr, welche eine durchaus interessante Idee darstelle.

Jenseits aller Details sei zu hoffen, dass gewisse demokratiepolitische Standards aufgewertet werden. So möge etwa der Grundsatz der Gewaltenteilung sichtbarer werden, was zum Beispiel bedeuten würde, dass die Rolle des Europäischen Parlaments innerhalb der EU-Institutionen aufgewertet wird oder die Position der Europäischen Kommission – als der mit Recht so genannten „Hüterin der Verträge“ – in ihrer Beziehung zum Rat nicht abgewertet wird.

Unbegründet sei die von Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner geäußerte Sorge, die Europäische Union könnte den Vereinigten Staaten von Amerika nicht auf gleicher Augenhöhe gegenübertreten, nur weil die Militärausgaben der EU andere als jene der USA seien. Es könne für die Europäische Union kein Ziel sein, militärisch die gleichen Standards wie die USA zu befolgen. Allenfalls in Fällen, in denen es auf Grund von Menschenrechtsverletzungen unbedingt sein müsste, könnte erwogen werden, dass die Europäische Union überhaupt in der Lage sein sollte, etwas zu unternehmen, ohne auf die amerikanischen NATO-Truppen zurückgreifen zu müssen. Insoweit wäre es angemessen, sich diesem Gedanken zu nähern, aber mit der Augenhöhe – einem Vergleich, mit dem auch ein Minderwertigkeitskomplex verbunden sein könnte – habe dies nichts zu tun. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ sowie der Abgeordneten zum Europäischen Parlament Stenzel.)

Bundesminister a. D. Dr. Hannes Farnleitner (Mitglied des EU-Konvents, ÖVP) antwortet Abgeordnetem Dr. Van der Bellen auf dessen Frage nach dem Stand der Eigenmittel-Diskussion, er sei im Konvent als Wortführer einer kleinen Gruppe aufgetreten, die sich für die Einführung einer Europasteuer ausgesprochen habe – nicht, um nationale Steuern zu erhöhen, sondern um das Europabewusstsein der Steuerbürger insgesamt zu erhöhen.

Kürzlich sei im Konvent die Reflexionsgruppe „Eigenmittel“ tätig gewesen, dort habe sich Folgendes ergeben: Die traditionellen Eigenmittel der Europäischen Union aus Agrarabschöpfungen und Zöllen würden dramatisch – von früher 65 auf 12  Prozent – abnehmen, der EU-Haushalt sei immer mehr auf die Mehrwertsteuerkomponente und vor allem auf die BIP-Komponente angewiesen. Bundesminister a. D. Dr. Farnleitner berichtet, er habe sich bezogen auf die Idee einer Kerosinsteuer / Aviation Tax – diese habe in der Reflexionsgruppe erstaunliche Unterstützung von ungewöhnlicher Seite und auch von großen Ländern gefunden – und einer Kapitalumsatzsteuer, mit dem Ergebnis, dass die nationalen Nettobeiträge, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, von 1,24 Prozent auf die Hälfte reduziert und andere Mechanismen gefunden werden sollten.

Im Konvent werde nur klargestellt werden, dass es eine Europasteuer geben kann, und es habe eine Rechtsdiskussion darüber gegeben, ob dies jetzt schon möglich wäre. In der Reflexionsgruppe habe sogar Deutschland die Bereitschaft zu einer Diskussion darüber gezeigt, und Frankreich sowieso. Dies werde in der nächsten Zeit in der aktuellen Politik umzusetzen sein. Es sei also verdeutlicht worden, dass es eine Akzentuierung der Eigenmittelstrategie der Europäischen Union geben sollte.

Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Vizekanzler Mag. Herbert Haupt stellt einleitend fest, er wolle sich in seiner Stellungnahme nicht auf Diskussionspunkte beziehen, die in Österreich von allen Fraktionen einheitlich gesehen werden. Die Europäische Union werde über die Fragen einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie der Bemühungen um eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik hinaus in der europäischen Bevölkerung nur dann eine bessere Verankerung finden, wenn auch die soziale Dimension Europas neu und besser formuliert werde.

Aus der Sicht des Sozialministers sei der Blick auf die europäische Dimension der Sozialpolitik besonders interessant. Allerdings stünden in der Tagespolitik und in der Berichterstattung die Personalien häufig im Vordergrund gegenüber grundsätzlichen Auseinandersetzungen über das Sozialsystem der Europäischen Union, abgesehen von diversen Streiks und den damit verbundenen Vorkommnissen. Hinsichtlich der sozialen Dimension und der Gleichstellung sei nicht nur im Konvent, sondern auch in den gemeinsamen Bemühungen, Europa bürgernäher zu gestalten, ein wichtiger erster Abschnitt gelungen.

Abgeordneter Dr. Bauer habe Recht mit seiner Ansicht, dass künftig die Bürgernähe auch durch die soziale Geborgenheit und die Gleichbehandlung im Bereich der Gesundheitspolitik besser als derzeit gestaltet werden müsse.

Vizekanzler Mag. Haupt äußert sich zufrieden darüber, dass seine Anregung in der Gesundheitsministerkonferenz von Malaga, in der Gesundheitspolitik endlich ein Gleichgewicht gegenüber den Interessen der großen Pharma-Lobbys zu schaffen, bei allen 15 Mitgliedstaaten auf fruchtbaren Boden gefallen sei. Zwar habe der Konvent bisher einen entsprechenden Durchbruch nicht zustande gebracht, aber die Bemühungen würden fortgesetzt werden. Allerdings würden kleine Länder wie Österreich oder wie einige der künftigen neuen EU-Mitgliedstaaten über geringere budgetäre Mittel verfügen als die fünf größten Pharmakonzerne in der Europäischen Union. Bei einem System, das auch im Gesundheits- und Sozialbereich auf Lobbyismus aufgebaut sei, komme es in der Sozialpolitik auch darauf an, ein Gleichgewicht für die Bürger zu schaffen. Diese Dimension werde im Konvent noch besser als bisher eingebracht werden müssen.

Gegenwärtig seien die Sozialsysteme und das soziale Schutzniveau in den EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich gestaltet. Im Hinblick darauf sowie in Kenntnis der Verhältnisse in den künftigen osteuropäischen Mitgliedsländern – das Sozialministerium habe dort seit Jahren sehr viel an sozialer Arbeit geleistet – erscheine es zum jetzigen Zeitpunkt zweckmäßig, diese Kompetenz nicht auf die europäische Ebene zu transferieren, sondern das derzeitige Modell der offenen Koordinierung zumindest so lange beizubehalten, bis es zu einer deutlichen Angleichung des Niveaus in Europa gekommen sei. Allerdings bedürfe die Sozialpolitik in der Europäischen Union einer deutlichen Stärkung.

Eine wichtige Verbesserung werde durch die Aufnahme der Grundrechts-Charta in die Verfassung erreicht werden, weil es dadurch zu einer Festschreibung der wichtigsten Grundrechte komme. Ein Fortschritt sei auch in Bezug auf die allgemeinen Werte und Ziele der Union erreicht worden, wie sich im Art. 2 des Verfassungsentwurfs zeige, worin ein klarer Bezug zu den Werten Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenwürde und Wahrung der Menschenrechte hergestellt werde. Ebenfalls ein Fortschritt lasse sich im Art. 3 des Verfassungsentwurfs erkennen, nämlich dem definierten Ziel der Europäischen Union, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern und die nachhaltige Entwicklung auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von sozialer Gerechtigkeit anzustreben.

Es sei – bei aller Kritik, wie sie auch von Abgeordneter Dr. Berger geäußert wurde – zu begrüßen, dass zumindest die Förderung der Gleichstellung der Frauen und Männer weiterhin als Ziel und die Förderung der Solidarität zwischen den Generationen als zusätzliche Zielsetzung Eingang in den Entwurf des Verfassungsvertrags gefunden habe. Wünschenswert wäre es jedoch, dass die Ziele der Europäischen Union darüber hinaus noch um Folgendes ergänzt werden: das Streben nach einem einheitlich hohen Maß an sozialem Schutz und sozialer Sicherheit und nicht nur nach Vollbeschäftigung, die Förderung von sozialer Eingliederung und Bekämpfung von Armut, die Förderung der Dienste von allgemeinwirtschaftlichem Interesse, die Daseinsvorsorge schlechthin, welche ein wichtiges Element für die soziale Eingliederung sei, die Förderung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus sowie die Förderung eines hohen Kinderschutzniveaus und der Rechte von Kindern. In diesen Punkten weise der vorliegende Entwurf noch Defizite auf, diese Bereiche seien aus der Sicht des Sozialministers noch verbesserungswürdig.

Die Methode der offenen Koordinierung, wie sie derzeit die Praxis im Sozialbereich darstelle, sei vom Europäischen Rat in Lissabon einführt worden, um die Strategie von Lissabon zu unterstützen. Diese Methode komme dort zur Anwendung, wo die Kompetenz bei den Mitgliedstaaten liege, aber eine gewisse Koordination und ein Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten sinnvoll zu sein scheine. Sie diene dazu, die wirtschafts- und finanzpolitisch dominierten Diskussionen auf europäischer Ebene durch eine sozialpolitische Dimension anzureichern.

Es bestehe aus Sicht des Sozialministers Anlass zur Sorge auf Grund einiger Gerichtserkenntnisse auf europäischer Ebene, die noch immer fiskal- und wirtschaftspolitisch dominiert seien und die soziale Komponente für nachrangig erachten würden. Bei der Auswahl der Richter des Europäischen Gerichtshofs sollte mehr Wert auf den Aspekt der sozialen Kompetenz der Richter gelegt werden. Wünschenswert wäre auch eine Verbesserung der Überlegungen in Richtung eines sozialen Europas und einer sozialen Ordnungspolitik.

Vizekanzler Mag. Haupt betont, dass die für Österreich am Konvent Beteiligten in den für Österreich wichtigen Fragen, trotz durchaus differenzierter Betrachtungsweisen in anderen Bereichen, gute und ehrliche Arbeit im Interesse Österreichs geleistet hätten, und spricht ihnen – ungeachtet der Eigenschaft, Vollmitglied oder Ersatzmitglied gewesen zu sein – für ihre Mitarbeit herzlichen Dank aus. (Allgemeiner Beifall.)

Abgeordnete zum Europäischen Parlament Ursula Stenzel (ÖVP) stellt zur Einleitung die Frage, was die Bürger von der Europäischen Union wollen und was vor allem die Bürger der neu hinzukommenden Mitgliedstaaten von der Europäischen Union wollen. Aus den Erfahrungen auf Grund enger Kontakte zu den Beitrittskandidatenländern lasse sich sagen, dass sich dort die Bürger von der Europäischen Union Partnerschaftlichkeit, Gleichberechtigung und Solidarität erwarten.

Es sei positiv zu sehen, dass sich im Konvent nicht eine Gegenüberstellung von kleinen und großen Staaten herauskristallisiert habe, sondern dass Interessensgemeinschaften gebildet worden seien, insbesondere zwischen Österreich und jenen Staaten Mittel- und Osteuropas, in denen jetzt über den Beitritt abgestimmt werde und die einer Identifikation bedürften. Diese Identifikation würden sie nicht in Form eines aus dem Rat heraus gewählten Langzeit-Präsidenten brauchen, sondern für sie wäre es äußerst sinnvoll, ein rotierendes Vorsitzprinzip aufrechtzuerhalten. Damit würden sich die Bürger nicht nur in den jetzigen, sondern auch in den zukünftigen Mitgliedstaaten am ehesten identifizieren können. Für sie sei es auch äußerst sinnvoll, dass pro Land ein Kommissionsmitglied gestellt wird, allerdings nicht eines, das weniger wert wäre als ein anderes. Da bestehe also eine Interessenskonformität mit Österreich.

Ein wesentlicher Punkt bestehe ferner darin, sich solidarisch zu diesen Ländern zu verhalten. Sie alle stünden in einem neuen Entwicklungsprozess, auch hinsichtlich einer Sicherheitspolitik und einer gemeinsamen Antwort auf eine gemeinsame globale terroristische Bedrohung, da wollten sie Berücksichtigung finden und gleichberechtigt in einem europäischen Sicherheitssystem mitwirken. In dieser Hinsicht seien alte Kriterien wie jenes, neutral oder nicht neutral zu sein, nicht mehr so wichtig, sondern da gehe es um Solidarität und gemeinsame Interessenvertretung. (Allgemeiner Beifall.)

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ) sagt, Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner habe mehr Kreativität für die Europäische Union gefordert und den Ehrgeiz der Europäischen Union, die Union neu zu gestalten, für wichtig erachtet. Tatsächlich sei dies mehr als wichtig, weil es wenig nützen würde, wenn Europa sich zwar die beste Verfassung und die besten Reglements gäbe, aber die Menschen, die im gemeinsamen Europa leben, sich nicht dafür interessieren und nicht davon angesprochen fühlen, sondern sich davon in irgendeiner Weise – unter Anführungszeichen – „bedroht“ fühlen würden.

Dass in der aktuellen Debatte im österreichischen Parlament im Zusammenhang mit den Budgetbegleitgesetzen zum Beispiel im Bereich der Pensionsreformen des Öfteren gesagt worden sei, das österreichische Pensionssystem werde von der Europäischen Union als zu einseitig kritisiert, sei von den Menschen zur Kenntnis genommen worden. Vizekanzler Mag. Haupt habe bereits von einem sozialen und besser zur Identifikation geeigneten Europa gesprochen, aber es reiche nicht aus, nur neu und besser zu definieren, sondern es komme darauf an, ein soziales Europa gleichrangig mit der Wirtschafts- und Währungsunion zu sehen. Es dürfe nicht dazu kommen, dass sich zwar die wirtschaftliche Lage deutlich verbessere, es aber den Menschen nicht möglich sei, die Europäische Union unmittelbar zu erleben. Zu wenig werde dafür getan, in den Regionen das Interesse der Menschen für die EU zu wecken, sie würden dort von einem Europa der Regionen nichts spüren. Daher müsse die Europäische Union dafür Sorge tragen, dass sie als solche erfahrbar wird und das Interesse der Menschen weckt, auch weil sie ja in Wahlen immer wieder neu bestätigt werden müsse.

In diesem Zusammenhang äußert Abgeordnete Hagenhofer auch Skepsis hinsichtlich der jetzigen institutionellen Gegebenheiten im Parlament. Hier tage zwar der EU-Hauptausschuss, aber diejenigen Abgeordneten, die nicht Mitglied in diesem Ausschuss sind, würden nur wenig vom gemeinsamen Europa mitbekommen. Es müssten in der Geschäftsordnung Möglichkeiten dafür geschaffen werden, dass im Parlament der direkte Diskussionsprozess mit den Mitgliedern des Rates oder der Kommission ermöglicht wird. Anders wäre ein Mitvertreten in dem Sinne, wie es sich auch die Mitglieder des Europäischen Parlaments wünschen würden, nicht vorstellbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Obmann Dr. Andreas Khol stellt fest, dass die Anregungen von Abgeordneter Hagenhofer wichtig seien und dass sich die Mitglieder der Präsidialkonferenz vorgenommen hätten, das gesamte Verfahren zur Handhabung der Informationsflut aus Brüssel und Straßburg zu überprüfen. Hausintern würden Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass diese Informationen besser verwertet werden und zielgerichtet an die Abgeordneten herangebracht werden könnten. Diese Veränderungen seien derzeit in Arbeit.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne) pflichtet den Ausführungen von Abgeordneter Hagenhofer bei und kündigt an, er werde auf dieses Thema gleich noch einmal zurückkommen.

Was den Europäischen Konvent betrifft, habe sich dessen Tätigkeit in einem Spannungsbogen von gewaltigen internationalen Herausforderungen für die Europäische Union abgespielt. Dabei gehe es nicht nur um die auch für die Bürgerinnen und Bürger spürbar gewordenen Konflikte während des letzten Irak-Kriegs, sondern etwa auch um die Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation. Immer wichtiger für die Erreichung der strategischen Ziele werde die Frage der Positionierung der Europäischen Union als gesamte. Diese Herausforderung habe sich zuletzt in dem Panel betreffend Gentechnik-Moratorium gezeigt, das in der vergangenen Woche von den USA gegen die Europäische Union mit Erfolg angestrengt worden sei. Dabei gehe es auch um die Frage, welche Lebensmittel-Qualitätsstandards die Europäische Union sich geben dürfe und mit welcher Argumentation dies international vertreten werde.

Aus grüner Sicht sei es daher sehr zu begrüßen, dass die Grundrechts-Charta – wie jetzt erhofft werden könne – in den Vertrag aufgenommen werde und dass vor allem ökologische und soziale Nachhaltigkeit in Zukunft zu einem wirklich getragenen Markenzeichen der europäischen Politik verstärkt werden könne. Auch an den Konflikten im Zusammenhang mit den Kyoto-Zielen habe sich die Bedeutung dieser Fragestellung gezeigt.

Es werde wichtig sein, in den nationalen Parlamenten europäische Themen verstärkt zu diskutieren, aber nicht nur im Hinblick darauf, dass, wie zuvor von Obmann Dr. Khol angesprochen, die Verteilung der Materialien an die Abgeordneten organisiert werde. Vielmehr wäre es nötig, in den Ausschüssen die Europa-Themen verstärkt zu integrieren. Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber nennt als konkreten Aspekt der vergemeinschafteten Politik die Agrar- und Regionalpolitik. Obwohl diese zu hundert Prozent vergemeinschaftet sei, sei es im Landwirtschaftsausschuss des Nationalrates bis heute nicht dazu gekommen, eine seriöse Expertendebatte zu diesem Thema zu führen, weil offensichtlich gewisse Parteien in Österreich immer noch der Meinung seien, dass man Agrarpolitik besser hinter verschlossenen Türen betreibe.

Bürgernähe bedeute letztlich, die Öffentlichkeit für die europäischen Themen auch auf regionaler und nationaler Ebene herzustellen. Dies sei die große Herausforderung und die Chance, die sich im Konvent biete. Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber dankt den österreichischen Mitgliedern des Konvents für ihre vorbildliche und intensive Arbeit und insbesondere Abgeordneter Dr. Lichtenberger auch für die umfassende Information ihres Klubs über diese wichtigen Fragen.

Zur Reform im agrar- und regionalpolitischen Sektor – darauf entfallen 46 Prozent des gesamten EU-Budgets – seien ausgezeichnete Vorschläge unterbreitet worden, auch im Konvent, und zwar initiiert durch die Mitglieder des Europaparlaments Joseph Daul und Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Auf einer von ihnen organisierten Agricultural Convention, an welcher auch mehrere Agrarminister und viele NGOs teilgenommen hätten, seien diese Vorschläge erarbeitet worden. Unter anderem werde darin gefordert, die Lebensmittelsicherheit in Zukunft verstärkt zu berücksichtigen und den Fragen einer integrierten Agrar- und Regionalentwicklung erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen.

Von entscheidender Bedeutung werde die Mitentscheidung des Europäischen Parlaments in Fragen der Agrarpolitik sein. Die anstehende Veränderung des jetzigen Zustandes stelle eine riesige Herausforderung dar. Es dürfe nicht so sein, dass 46 Prozent des EU-Budgets nicht demokratisch legitimiert, nicht kontrolliert und von der Zielsetzung her nicht an ökologische und soziale Kriterien gebunden werden. Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber ruft die österreichischen Mitglieder des Konvents dazu auf, sich möglichst stark für die Mitentscheidung des Europäischen Parlaments im Bereich der Agrar- und Regionalpolitik einzusetzen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (Stellvertretendes Mitglied des EU-Konvents, ÖVP) erläutert, er wolle in seiner Stellungnahme, entsprechend seiner Doppelrolle einerseits als Mitglied des Bundesrates, andererseits als stellvertretender Regierungsvertreter im EU-Konvent, im Speziellen auf die regionale Dimension und konkret auf die Rolle der Regionen eingehen.

Während der 15-monatigen Konventsarbeit sei die Rolle der regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften immer wieder in Diskussion geraten, und Anfang Februar 2003 habe ein eigener Konvent zu diesem Thema stattgefunden. Grundsätzlich sei es dabei um zwei Bereiche gegangen, nämlich um die Bedeutung und Aufwertung des Ausschusses der Regionen – einerseits in Richtung Organstatus, andererseits hinsichtlich eines Klagerechts in Subsidiaritätsfragen – sowie um die stärkere Berücksichtigung und direkte Einbeziehung regionaler und kommunaler Gebietskörperschaften, also in Österreich insbesondere der Länder, insofern sie eigene legislative Voraussetzungen besitzen.

Bundesrat Mag. Tusek berichtet, er habe gemeinsam mit Bundesminister a. D. Dr. Farnleitner ein eigenes Positionspapier zur Darstellung der österreichischen Position unter dem Titel „Regionen und Gemeinden – ein Fundament europäischer Architektur“ eingebracht. In diesem Positionspapier werde im Allgemeinen die Wahrung und der weitere Ausbau nationaler und regionaler kultureller und sprachlicher Vielfalt in Europa vorgeschlagen. Ein weiterer Vorschlag bestehe darin, die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften im Verfassungsvertrag explizit zu erwähnen. Was die politische und verfassungsrechtliche Struktur der Mitgliedstaaten – auch hinsichtlich der kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften mit eigener Legislativkompetenz – betrifft, solle diese auch weiterhin ausschließlich in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegen. In Subsidiaritätsfragen werde ein Klagerecht sowohl der nationalen Parlamente als auch der verfassten Regionen vorgeschlagen.

Einige dieser Anliegen seien bereits im jetzt vorliegenden Entwurf eines Verfassungsvertrages verwirklicht worden. Im Art. 3 sei die Achtung der kulturellen Vielfalt als Zielbestimmung der Union verankert. Die Verpflichtung, die nationalen Identitäten der Mitgliedstaaten inklusive der erwähnten Organisationsstrukturen auf regionaler und kommunaler Ebene zu respektieren, habe eine Verankerung in Art. 1 und Art. 9 gefunden. In der Frage der Subsidiarität hätten zwei wichtige Punkte Beachtung gefunden, einerseits der Frühwarnmechanismus für die nationalen Parlamente – und zwar dort, wo auf parlamentarischer Ebene zwei Kammern bestehen, für beide Kammern –, andererseits das Klagerecht, von dem zu hoffen sei, dass es zu dessen Einführung kommen wird.

Die Frage eines direkten Klagerechts von Regionen mit Legislativkompetenz sei im Konvent sehr breit diskutiert worden. Dafür eingetreten seien nur Österreich, Deutschland, Belgien, der Ausschuss der Regionen sowie einige Mitglieder des Europäischen Parlaments. Trotzdem werde es eine der wichtigsten Aufgaben in den verbleibenden drei Wochen der Konventsarbeit sein, ein solches Klagerecht in den Fällen, in denen es auf Grund der nationalen Verfassungen möglich wäre, auch für die österreichischen Länder beziehungsweise für Regionen mit Legislativkompetenz einzuführen. Es sei erfreulich, dass eine Möglichkeit dazu – wie bereits von Abgeordneter Dr. Berger erwähnt – bestehen werde.

Bundesrat Mag. Tusek resümiert, für ihn sei die 15-monatige Konventsarbeit sehr interessant gewesen, und die verbleibenden drei Wochen würden gleicherweise zwar sehr zeitaufwendig, aber auch spannend werden. (Allgemeiner Beifall. – Obmannstellvertreter Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ) moniert, die Bedeutung der Stellung von Kultur in der europäischen Verfassung, die Frage der Zugehörigkeit und Identität, werde nicht immer als wichtiger Punkt erkannt. Die Kultur bilde das Herzstück eines gemeinsamen europäischen Identitätsbewusstseins, und es müsse eine wichtige Aufgabe im heutigen Europa sein, die europäische Kultur zu schützen und zu fördern.

In einem zusammenwachsenden Europa bedeute Kultur, miteinander und zusammen leben zu lernen sowie den anderen zu respektieren. Nichts verbinde Menschen mehr als gegenseitiger Respekt und gegenseitiges Verständnis, nichts sei besser geeignet, Vorurteile und Ängste zu überwinden, als das Kennen und Verstehen des Anderen, das Erfahren und das Erleben einer anderen Kultur, weil nur so die Angst vor dem Fremden und dem Anderen genommen werden könne. Dann könne sich Respekt, Toleranz, aber auch Neugier einstellen im Umgang mit dem Anderen.

Das Europa der Zukunft benötige eine Kulturpolitik, die sich als sinnvolle Ergänzung zur jeweiligen Kulturpolitik der einzelnen Nationen darstellt. Eine Investition in die Kultur rentiere sich genauso wie eine Investition in die Bildung oder eine Investition in die Schiene. Was gebraucht werde, sei ein verstärkter kultureller Austausch und verstärkte interkulturelle Kompetenz. Die Mobilität unter den Kulturschaffenden müsse gefördert werden, es müsse vermehrt zu Kooperationsprojekten und dergleichen kommen. Das Erlernen des Zusammenlebens bedeute auch einen wesentlichen Beitrag zur inneren Stabilität in Europa und eine Art Konfliktprävention nach außen hin.

Da im Europäischen Konvent der Bereich Kultur als unterstützende Maßnahme klassifiziert worden war, sei in einer Initiative der EU-KulturkoordinatorInnen der Versuch unternommen worden, der Kultur eine wichtigere Rolle im Vertragswerk einzuräumen. Es wäre zu wünschen, dass auch die österreichische Bundesregierung dazu Stellung beziehen würde, wie dies die Regierungen von Schweden, Portugal und Frankreich bereits getan hätten, und zwar im Sinne der Forderung, dass die Kultur eine wichtigere Stellung einnehmen und einen wichtigeren Platz in den Aufzählungen des Art. 15 zugestanden bekommen sollte. Abgeordnete Mag. Muttonen spricht sich dafür aus, auf europäischer Ebene verstärkt für die Kultur einzutreten. (Beifall.)

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Stellvertretendes Mitglied des EU-Konvents, Grüne) teilt mit, dass sie zunächst auf einige der jetzt aufgeworfenen Fragen eingehen werde.

Zu den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Bauer bemerkt die Rednerin, dass über die Frage der Sozialpartnerschaft und die Verankerung einer Art Sozialpartnerschaft auf europäischer Ebene in der Arbeitsgruppe Soziales eine sehr intensive Diskussion geführt worden sei und es diesbezüglich auch einen breiten Konsens gegeben habe.

Ihr, Lichtenberger, sei es vor allem ein Anliegen gewesen, dass in diesem Zusammenhang jenseits der Sozialpartnerschaft auch ein Dialog mit der Zivilgesellschaft, insbesondere betreffend jene Themen, die nicht direkt von der Sozialpartnerschaft abgedeckt seien, verankert wird, damit auch von dieser Seite Stellungnahmen eingeholt werden können.

Der Vizekanzler habe die Frage der Gesundheitspolitik angesprochen. – Auch darüber habe man intensiv verhandelt, und dabei sei ebenfalls ein grundsätzliches Problem, das in der Europäischen Union bestehe, zutage getreten: Der Anlass für die Schaffung sehr vieler europäischer Regelungen sei auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes; zahlreiche Regelungen würde man auf diese Weise – unter Anführungszeichen – geradezu „erzwingen“. So sei beispielsweise vor kurzem ein Urteil betreffend die Mobilität in der Arztwahl über die Grenzen hinweg ergangen, und das habe bewirkt, dass es in Zukunft auch diesbezüglich gewisse Standards geben müssen werde. Das müsse man zur Kenntnis nehmen, auch wenn man Gesundheitspolitik bisher eher als nationale Kompetenz gesehen habe.

Betreffend die Vertretung in internationalen Gremien bestehe im Konvent ein breit getragener Konsens. Diese Vertretung sollte durch die Europäische Union selbstverständlich mit entsprechenden Entscheidungsmechanismen gemeinsam wahrgenommen werden.

Die Behandlung der Europathemen in der aktuellen täglichen politischen Arbeit in den Parlamenten sei zentral und wichtig. Im österreichischen Parlament sei diese Thematik im Hauptausschuss sehr stark verankert, was positiv sei. Die Arbeit des Hauptausschusses in Österreich sei ein durchaus vorbildliches Modell in Europa. Für die weitere Arbeit müsse jedoch ein weiterer Schritt getan werden.

Der Präsident habe vorhin gesagt, dass man sich damit beschäftigen müsse, die von europäischer Ebene zur Verfügung gestellten Unterlagen aufzuarbeiten und allen Abgeordneten zur Verfügung zu stellen. – Das sei tatsächlich dringend notwendig, aber auch das sei auf lange Sicht nicht ausreichend. Vielmehr müsse in allen Ausschüssen die europäische Ebene viel stärker mit einbezogen werden. Diese sei nicht nur dann zu integrieren, wenn europäisches Recht bei der eigenen Rechtswerdung berücksichtigt werden müsse, sondern bereits weit im Vorfeld, denn es gehe ja darum, den so genannten „Early Warning Mechanism“ mit Leben zu erfüllen. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die einzelnen Parlamente bei bestimmten Themen Einspruch erheben beziehungsweise die Subsidiaritätsklausel anrufen. Je konsequenter und fundierter die einzelnen Stellungnahmen bereits von den Ausschüssen der nationalen Parlamente getragen werden, desto positiver werde die Wirkung sein, und damit sei die allseits gefürchtete Gefahr der starken Bremswirkung in der europäischen Rechtswerdung gebannt.

In dieser Hinsicht würden alle hier eine große Verantwortung tragen.

Die Rednerin hält an dieser Stelle fest, dass sie für ihren Teil sehr dankbar für die Erfahrungen sei, die sie im Europäischen Konvent machen können habe. Sie habe auf diese Weise die unterschiedlichen politischen Traditionen und Rechtstraditionen in Europa besser kennen gelernt. Sie wünsche sich, dass alle in einem regionalen oder nationalen Parlament tätigen Abgeordneten vergleichbare Erfahrungen machen könnten, um zu lernen, die eigene Position zu hinterfragen, aber auch um die Bündnispartnersuche auf europäischer Ebene, die in vielen Fragen so dringend nötig sei, stärker in den Mittelpunkt der politischen Arbeit zu rücken.

Die Rednerin erzählt, dass sie in der Zeit ihrer Tätigkeit in der Tiroler Landesregierung einmal an einer Konferenz der regionalen Umweltminister teilgenommen habe. Bei dieser Gelegenheit sei ihr die Dramatik der Situation besonders bewusst geworden: Ein Mitglied der Tiroler Landesregierung sei neben der in Sussex für Umweltschutz Zuständigen gesessen. Der Nachbar auf der anderen Seite sei ein Assessor aus einer Region in Italien gewesen, und außerdem sei unmittelbar daneben noch ein Vertreter eines großen deutschen Bundeslandes gesessen. – Die unterschiedliche Kompetenzlage und die unterschiedlichen Bestellungsmechanismen in diesem Bereich seien angesichts dieser Sitzordnung sehr klar vor Augen geführt worden. Sie, Lichtenberger, habe damals gelernt, dem Rat der Regionen und der Rolle der Regionen auf europäischer Ebene besondere Beachtung zu schenken, und sie habe festgestellt, dass es in der gegenwärtigen Situation in diesem Zusammenhang wenig effiziente Einflussmöglichkeiten gebe. Jeder föderale Staat werde dieses Problem für sich mit seinen Bundesländern aufarbeiten und lösen müssen.

Man befinde sich nun im Sitzungssaal des Bundesrates, und sie, Lichtenberger, könne aus ihrer politischen Erfahrung bestätigen: Wenn es im nationalen Parlament schon enorme Schwierigkeiten gebe, die Flut an Informationen und Regelungen zu bewältigen, so sei dies auf Landesebene noch schwieriger, weil auf dieser Ebene die nationale Gesetzgebung auch noch hinzukomme. Dafür werde man Mechanismen schaffen müssen, wenn man den Föderalismus ernst nehme. (Allgemeiner Beifall.)

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP) kündigt an, dass er nur drei Anmerkungen zum EURATOM-Vertrag machen werde.

Aus der Sicht der ÖVP sei der diesbezügliche Vorschlag des Präsidiums zu wenig weit gehend. Man wolle nicht nur, wie vorgesehen, eine einheitliche Rechtspersönlichkeit schaffen, sondern insbesondere auch eine Erhöhung der demokratischen Legitimation des EURATOM durch die Einführung des Mitentscheidungsverfahrens und somit die Einbeziehung des Europäischen Parlaments bewirken.

Zweitens sei man auch österreichischerseits dafür, dass ausdrücklich festgeschrieben werde, dass zur Schaffung europäischer Sicherheitsstandards für kerntechnische Anlagen auf hohem Schutzniveau entsprechende Rechtsgrundlagen geschaffen werden.

Drittens müsse die EURATOM‑Forschungspolitik in die allgemeine Forschungspolitik der EU eingegliedert werden. (Allgemeiner Beifall.)

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (Mitglied des EU-Konvents, SPÖ) teilt einleitend mit, dass er zunächst einige allgemeine Anmerkungen machen wolle.

Er habe den Eindruck gewonnen, dass im österreichischen Parlament, gleichgültig in welchen Gremien oder Räumen Beratungen stattfinden, Europa sehr wohl bereits immer ein bisschen mitmische. Man könne heute schon eine gewisse Konvergenz der Positionen feststellen, und die heutigen Diskussionen hier im Hauptausschuss seien offenbar von dem Wunsch getragen, Gemeinsamkeiten deutlich zu machen. Das zeige sich unter anderem auch daran, dass – anders als bei anderen Debatten im Hohen Haus – die Redner überwiegend Beifall von allen Fraktionen erhalten. Dieses Faktum sei nicht ganz unbedeutend, weil das auch ein Charakteristikum der Art der Auseinandersetzungen über Inhalte auf europäischer Ebene sei, und es wäre wünschenswert und vorteilhaft, wenn dieses Phänomen auch im österreichischen Parlament häufiger auftreten könnte.

Der Vorschlag der Abgeordneten Hagenhofer könne nur unterstützt werden. Man müsse sich darüber klar sein, dass im nationalen Parlament erst dann wirklich Interesse für europäische Angelegenheiten entstehe, wenn nicht nur die technischen Voraussetzungen dafür, dass die Abgeordneten die Inhalte besser zur Kenntnis nehmen können, geschaffen werden. Vielmehr müsse es auch die Chance geben, Europa emotional im nationalen Parlament zu erleben.

Wenn – wie zuletzt – der Präsident des Europäischen Parlaments im Hinblick auf seinen Wien-Besuch den Wunsch geäußert habe, im Plenum des Nationalrats aufzutreten und mit den Abgeordneten des österreichischen Parlaments zu diskutieren, und die Erfüllung dieses Wunsches daran gescheitert sei, dass die Geschäftsordnung das nicht vorsehe, dann müsse man sich dessen bewusst werden, dass es hoch an der Zeit sei, eine diesbezügliche Änderung der Geschäftsordnung in Angriff zu nehmen.

Wenn – wie heute von einigen Abgeordneten – verlangt werde, dass beispielsweise hinkünftig Kommissare vor den nationalen Parlamenten das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission erläutern und dazu Rede und Antwort stehen können, dann müssten unbedingt umgehend entsprechende Vorkehrungen geschaffen werden. Es sei undenkbar, dass im Rahmen des Europäischen Konvents diesbezügliche Regelungen getroffen werden und eine entsprechende Umsetzung im österreichischen Parlament nicht möglich sei, weil die Geschäftsordnung es nicht zulasse. – Diesbezüglich bestehe ein eklatanter Änderungs‑ und Verbesserungsbedarf.

Der Vizekanzler habe dankenswerterweise zum Thema Sozialunion einige sehr konkrete Punkte angesprochen. Er habe die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse angesprochen. Er, Einem, glaube auch, dass es von entscheidender Bedeutung sei, dass es gelinge, diese Dienste und deren allgemeine diskriminierungsfreie Zugänglichkeit in der europäischen Verfassung, vorzugsweise im Art. 3, zu verankern. Diesbezüglich sei man durchaus auf einer Linie.

Das Gleiche gelte für die Bekämpfung der Armut, für die Schaffung eines hohen Niveaus im Gesundheitsschutz und im Kinderschutz. Auch diesbezüglich bestehe eine inhaltliche Konvergenz, die nicht nur festzustellen, sondern auch zu unterstützen sei.

Zum Thema Sicherheits‑ und Verteidigungspolitik: Im derzeit bestehenden Verfassungsvorschlag seien drei verschiedene Methoden angeführt.

Erstens gebe es eine Solidaritätsklausel für den Fall eines terroristischen Anschlages, bei welchem der betroffene Mitgliedstaat die anderen ersuchen könne, ihm zu helfen, der Täter habhaft zu werden und die Folgen zu bewältigen. – Dieser Solidaritätsklausel hätten alle – auch Österreich – zugestimmt, und diese müsse unbedingt eine Solidaritätsklausel betreffend Terrorismus durch nichtstaatliche Institutionen sein. Der Begriff des Terrorismus, der gegenwärtig durch manche Staaten ziemlich weit angewendet werde, solle sozusagen nicht unversehens in eine militärische Beistandsklausel führen, die man ausdrücklich regeln müsste, wenn man sie haben wolle.  

Zweitens gebe es in Art. 30 Abs. 6 den Vorschlag der strukturierten Zusammenarbeit, also einer intensiveren militärischen Zusammenarbeit, und zwar insbesondere jener Staaten, welche „anspruchsvollere militärische Ziele“ realisieren wollten. Weniger aus dem Text selbst, aber aus den Erläuterungen gehe hervor, dass die Staaten, die diese Kooperation pflegen, die Möglichkeit haben sollen, gegebenenfalls ohne Beschluss des Europäischen Rates militärische Aktionen außerhalb der EU durchzuführen. – Das sei absolut unakzeptabel, denn wenn militärische Maßnahmen gesetzt werden, dann müssten sie durch einen entsprechenden Ratsbeschluss gedeckt sein. Das sei einer der ganz wenigen Fälle, für welchen auch er, Einem, für Einstimmigkeit eintrete.

Drittens habe das Konventspräsidium in Art. 30 Abs. 7 und in Art. 21 auch eine Beistandslösung vorgeschlagen, und zwar nicht zuletzt zur Lösung des Problems, was mit dem verbliebenen Brüsseler Vertrag und der Beistandsklausel des Art. 5 der WEU geschehen solle. – Selbstverständlich müsse mit der WEU etwas geschehen, denn in Wirklichkeit seien nichts als die auf dem Papier befindliche Beistandsklausel und die parlamentarische Versammlung davon übrig geblieben. Dafür müsse es noch eine Lösung geben. Alle wesentlicheren und praktischeren Dinge seien bereits auf die EU übergegangen.

Das Modell, welches das Präsidium vorgeschlagen habe, sei nicht befriedigend, wobei die österreichische Neutralität hier nicht das erste Problem sei.

Laut Vorschlag solle eine Beistandslösung auf freiwilliger Basis von jenen praktiziert werden, die das wollen. – Man möge nun den Fall setzen, dass es in der EU der Fünfundzwanzig 15 Staaten gebe, die das wollen. Würde dann ein Fall eintreten, für welchen dieser Beistandspakt geschlossen sei, dass nämlich einer von den 15 Staaten angegriffen werde, dann würden ihm die übrigen 14 Staaten helfen, wie es dem Gegenstand der Beistandsvereinbarung entspreche. Es erhebe sich jedoch die Frage, wie sich die übrigen zehn Mitgliedstaaten diesfalls verhalten. Andererseits könnte es auch den Fall geben, dass einer der übrigen zehn Staaten angegriffen werde. Betreffend diesen Fall erhebe sich die Frage, wie sich die übrigen 15 Staaten in dieser Situation verhalten. – Die Nichtbeantwortbarkeit der letzteren Fragen zeige, dass der jetzige Vorschlag nicht die endgültige Lösung darstelle.

Offensichtlich könne man nicht den simplen Weg des Beistandspaktes gehen. Er, Einem, habe daher am vergangenen Freitag im Konvent mündlich und schriftlich den Vorschlag eines Artikels eingebracht, der in eine andere Richtung gehe und wie folgt lautet: Solange es die gemeinsame Verteidigungspolitik, wie sie im Art. 17 EUV heute schon als Perspektive ermöglicht und wie sie in Art. 30 Abs. 2 des Vertragsentwurfes formuliert ist, noch nicht gibt, soll gelten, dass dann, wenn ein Mitgliedstaat der Union angegriffen wird, die Union aufgerufen ist, ihm mit allen ihr verfügbaren Mitteln zur Seite zu stehen, und ihrerseits die Mitgliedstaaten ersuchen kann, ihr dabei behilflich zu sein.

Die Beistandspaktlösung führe nämlich zu ganz anderen Konsequenzen, und zwar jenseits der Frage der Neutralität, als eine Lösung, bei welcher die Union selbst ins Spiel gebracht werde. Es gehe jetzt tatsächlich darum, Schritte hin zu einer gemeinsamen Verteidigungspolitik zu finden, und nicht Schritte zu setzen, die unter den heutigen Bedingungen auch im Konvent daran scheitern würden, dass Staaten wie Großbritannien, Portugal oder die Niederlande das ablehnen würden, weil sie nur die NATO wollen, oder Staaten wie Schweden, Finnland und Irland eine ablehnende Haltung mit dem Argument einnehmen, dass sie paktfrei sind.

Für diese Problematik müsse eine Lösung gefunden werden, die es erlaube, heute schon etwas zu tun, was morgen in Richtung Verteidigungsunion führen werde. Darum habe er, Einem, geworben, und er meine, dass das einen Gedanken wert sei. (Allgemeiner Beifall.)

Abgeordneter zum Europäischen Parlament Dr. Hubert Pirker (ÖVP) merkt einleitend an, dass am Dokument des Konvents auffalle, dass das Kapitel „Innere Sicherheit“ sehr umfangreich sei. Das zeige die Bedeutung, welche innere Sicherheit und Stabilität für die Union sowie für den einzelnen Bürger habe.

Der Konvent trage ganz entscheidend dazu bei, den Weg der Europäischen Union auch in Richtung einer Sicherheitsunion aufzubereiten, und das sei auch notwendig, denn das Verbrechen habe sich bereits vergemeinschaftet und es bestehe in diesem Bereich Handlungsbedarf.

Änderungen seien vor allem in folgenden Bereichen notwendig:

Erstens im Bereich Europol: Europol sei bekanntlich nicht nur ein sehr effizientes Instrument in der Verbrechensbekämpfung, sondern Europol habe mittlerweile quasi Symbolcharakter. In Hinkunft müssten die Kompetenzen von Europol ausgebaut werden. Das Instrument müsse gestärkt werden, zugleich bedürfe es aber auch der parlamentarischen Kontrolle. Außerdem müssten die Mitgliedstaaten verstärkt in die Pflicht genommen werden, denn derzeit erfüllten sie nicht einmal die Europol‑Konvention, obwohl diese von allen unterzeichnet worden sei.

Wenn man bessere Arbeit von Europol verlange, dann müssten die notwendigen Informationen von nationaler Seite an Europol weitergegeben werden, damit den Mitgliedstaaten Analyse sowie Hilfestellung zur Verfügung gestellt werden könne.

Zweitens müsse es Änderungen in der Migrationspolitik geben: Bekanntlich seien im Gesamtfeld der Migrationspolitik Teilprobleme wie die Asylproblematik auf europäischer Ebene gelöst worden. Nun müsse aber auch die Frage der Zuwanderung von Arbeitskräften auf europäischer Ebene gelöst werden. In diesem Zusammenhang sei verstärkt darauf aufmerksam zu machen, dass bei den Verhandlungen zur Migrationspolitik und insbesondere zur Zuwanderung von Arbeitskräften klar herausgearbeitet werden müsse, welche Kompetenzen die Europäische Union haben werde und welche Kompetenzen in den Händen der Mitgliedstaaten verbleiben müssen.

Nachdrücklich sei dabei zu unterstreichen, dass die Aufnahmekapazitäten der Mitgliedstaaten bei der Gestaltung der Zuwanderung entsprechende Berücksichtigung finden müssen. Die Kompetenz der Entscheidung, wie viele und welche Arbeitskräfte für welche Zeit aufgenommen werden, müsse bei den Mitgliedstaaten verbleiben, wenn das Ziel die Integration dieser Arbeitskräfte sei. Diesbezüglich seien klare Regelungen vonnöten.

Außerdem müsste im Zusammenhang mit der Migrationspolitik ein Ausgleich geschaffen werden, damit nicht einige Staaten Belastungen haben und andere nicht, etwa durch die Legalisierung, wie sie von einzelnen Staaten der Union, etwa von Italien oder Belgien, gegenwärtig noch vorgenommen werde.

Im Falle der Verankerung des Grundsatzes der Solidarität müsse im Zusammenhang mit der Asylpolitik darauf verwiesen werden, dass es auch eine personelle Lastenteilung geben müsse. Eine Verabschiedung anderer Staaten, die von den Konfliktzonen weiter entfernt seien, aus dieser Solidarität könne und dürfe es nicht geben.

Drittens seien im Bereich der integrierten Sicherung der Außengrenzen in Zukunft Änderungen vonnöten: Wenn man die Freizügigkeit innerhalb der Union als Grundprinzip sicherstellen wolle, dann bedürfe es entsprechender Maßnahmen an den Außengrenzen. Diese Sicherheit sei auch nach der Erweiterung zu garantieren. Diesbezüglich müssten gemeinsame Aufgabenstellungen formuliert und entsprechende Ausbildungsmaßnahmen getroffen werden. Weiters müssten in diesem Zusammenhang gemeinsame technische Standards aufgebaut werden, damit künftig an allen Außengrenzen hohe Sicherheitsstandards gewährleistet seien. Dies beinhalte auch ein Grenzschutzkorps, das indirekt zur Lastenteilung beitrage, wenn nämlich eine europäische Finanzierung dieser Spezialtruppe gegeben sein werde.

Insgesamt könne man feststellen, dass der Konvent im Bereich der inneren Sicherheit auf einem sehr guten Weg sei. Einige Ergänzungen und Modifizierungen seien im Interesse aller jedoch zweifellos noch angebracht. (Allgemeiner Beifall.)

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP) hält fest, dass die Berichterstattung über die Arbeit im Konvent ausgezeichnet gewesen sei. Alle hätten somit Einblick erhalten, was sehr positiv sei. Aufbauend auf diesem Wissen könne und solle man nun die innerösterreichische Diskussion fortsetzen.

Die Idee eines gemeinsamen Europa sei nun seit rund 50 Jahren Wirklichkeit. Die Entwicklung in den einzelnen Staaten sei jedoch unterschiedlich gewesen, und in Anbetracht der Vergrößerung der Union müsse man einige Dinge sehr klar sehen.

Die Wahrnehmung durch die Bürger bestehe oftmals darin, dass Europa eine Verwaltungsunion sei und schon jetzt alles sehr schwerfällig sei. In Anbetracht dessen stelle man sich die Frage, wie es um die Durchsetzung und Positionierung der einzelnen Staaten nach der Erweiterung stehen werde. Daher sei bei den Bürgern allgemein die Sehnsucht nach einer „Gestaltungsunion“ erkennbar. Man wünsche sich mehr Dynamik und Möglichkeiten für die einzelnen Mitgliedstaaten, sich einzubringen.

Es verhalte sich nicht so, wie Abgeordneter Pirklhuber behauptet habe, dass nur hinter verschlossenen Türen gearbeitet werde. Tatsächlich gebe es durchaus herzeigbare Projekte. Ein gewisser Reformbedarf bestehe aber sehr wohl.

Vor allem seien neue Entscheidungsmechanismen vonnöten, und ein Problem im Hinblick auf deren Umsetzung bestehe darin, dass es zwar sehr hohe Erwartungen, oft aber nur geringe Bereitschaft zum Handeln gebe. Veränderungsprozesse mit Tiefenwirkung seien sehr schwer in Gang zu setzen.

Es sei heute viel von Gemeinsamkeit gesprochen worden. Im Großen und Ganzen gebe es diesbezüglich einen positiven Entwicklungsprozess. Vor allem müssten jetzt neue Entscheidungsmechanismen gefunden werden, auf Grund welcher auch die kleinen Staaten in Zukunft die ihnen zustehende Position halten und innehaben, damit sie ihre Meinung durchbringen können.

Er, Donabauer, erwarte, dass man in der Innenbeziehung zukünftig vermehrt mit einer Stimme reden könne.

Wichtig sei nun, danach zu trachten, dass ein harmonisiertes Steuersystem aufgebaut werde, denn nur dann könnten die wirtschaftliche Entwicklung und der Wettbewerb in Europa besser funktionieren. Europa müsse die Wirtschaftskompetenzen etwas stärker gemeinsam wahrnehmen. Wenn man die Entwicklungen im Rahmen der WTO-Verhandlungen verfolge, dann könne man feststellen, dass Europa dabei in einer zu starken Verschiedenartigkeit auftrete und deshalb nicht den nötigen Erfolg habe, um die erwünschten Ziele erreichen zu können, nämlich Vollbeschäftigung, sozialen Frieden und die Möglichkeiten der Gestaltung eines Europa der Zukunft.

Der Redner verleiht abschließend seiner Hoffnung Ausdruck, dass im Rahmen dieses Konvents auch den genannten Intentionen, Erwartungen und Zielvorstellungen Rechnung getragen werden könne. (Allgemeiner Beifall.)

Abgeordneter zum Europäischen Parlament Dr. Reinhard Rack (ÖVP) möchte zunächst in Erinnerung rufen, was in den vergangenen eineinhalb Jahren tatsächlich schon erreicht worden sei – niemand hätte sich das vor eineinhalb Jahren auch nur zu wünschen gewagt –:

Es gebe eine Verfassungsdiskussion für eine Union mit einem einheitlichen strukturellen Muster, das den Abbau der so genannten Säulen beinhalte, was wiederum mehr Demokratie und mehr Rechtsstaatlichkeit für wichtige Bereiche wie den Sicherheitsbereich und auch den außenpolitischen Bereich bedeute. Man beabsichtige, eine Verfassung mit einem eigenen europäischen Grundrechtskatalog zu schaffen, in wichtigen Bereichen solle es sozusagen mehr Europa als bisher geben.

Einiges sei noch zu erledigen.

Es sei darauf hingewiesen worden, dass der Konvent natürlich nicht endgültig entscheide. Die Regierungskonferenz werde noch sehr viel zu sagen haben. Dennoch sei der genius loci mehrmals angesprochen worden: Auch die nationalen Parlamente seien in den Abschlussprozess dieser Regierungskonferenz entscheidend einzubinden, sie müssten mit ratifizieren, und man könne sich eigentlich nur wünschen, dass auch die europäischen Bürger in der einen oder anderen Form beim Schlussergebnis mitreden können. 

Der Konvent könne sich jetzt aber auch nicht auf die Position zurückziehen, dass er bis zum 20. Juni fertig sein müsse und dann andere das Sagen haben. Der Konvent, der zu mehr als zwei Dritteln aus gewählten Abgeordneten bestehe, wolle und müsse vielmehr auch in den nächsten Wochen und Monaten ganz bewusst dafür sorgen, dass dieses Thema ein europäisches Thema bleibe. – So gesehen sei die heutige Veranstaltung ein sehr gutes Signal nach innen, weil man damit auch der eigenen Bevölkerung signalisieren könne, dass es um ihre Rechte gehe.

Im Rahmen des Konvents habe man in einer Phase des Zuhörens andere eingeladen, dem Konvent Wünsche mitzuteilen: Man habe die Zivilgesellschaft eingeladen, es habe den Jugendkonvent gegeben, und man habe die Bürger aufgefordert, ihre Anliegen schriftlich zu formulieren und an den Konvent heranzutragen. – Darauf sei reagiert worden, und man habe daher jetzt die Verpflichtung zu versuchen, die Bürger in der jetzigen Verfahrensphase, soweit das technisch möglich sei, noch einmal in das Thema einzubinden.

Er als Jurist wisse, dass das Ergebnis der Regierungskonferenz wahrscheinlich erst nach einem relativ langen Prozess der Ratifikation geltendes Recht werden könne. Dieses Faktum dürfe aber nicht zu der Argumentation führen, dass die Ergebnisse, um die man diskutiert und gerungen habe, frühestens im Jahre 2010 oder danach wirksam werden. Daher müsse man schon jetzt dafür sorgen, dass wenigstens einige der Ideen, die der Konvent in Form von Weichenstellungen in wichtigen politischen Fragen in die Regierungskonferenz einbringe, teilweise schon vorweg aufgegriffen werden.

So sei es etwa durchaus vorstellbar, dass die Wahl des nächsten Kommissionspräsidenten und die Entscheidung über die wichtige und auch den Bürger interessierende Frage, wer denn „Mr./Mrs. Europe“ sei, in einer Weise vonstatten gehe, dass vorstellbar wird, dass es vielleicht auch einmal Europawahlen gibt, bei welchen das Thema Europa ein wirkliches Thema und nicht nur nationale Oppositionspolitik sein werde.

Zum Thema Europa der Regionen sei anzumerken, dass Lösungen, so wie sie in der österreichischen Verfassung enthalten seien, von den anderen als vorbildhaft angesprochen und akzeptiert worden seien.

Beim Thema „soziales Europa“ gehe es vor allem darum, dass Europa sich in seiner politischen Weichenstellung ganz wesentlich von einem amerikanischen Hire-and-Fire-Modell unterscheide: Es bestehe allgemeiner Konsens darüber, dass man mehr soziales Europa brauche und wolle. Man müsse sich aber auch der Tatsache bewusst sein, dass dies nicht bedeuten könne, dass Europa in Zukunft dafür zwar zuständig sein werde, dass man dafür aber keine Mittel zur Verfügung stelle und man sich vor allem dagegen verwahre, dass irgendjemandem im Zuge von Umverteilung wehgetan werde. Wenn man Europa sozial besser ordnen wolle als bisher, dann müsse man nicht nur die schönen und positiven Dinge ansprechen, sondern auch Fragen der Finanzierung oder des Verlustes nationaler Einflussmöglichkeiten.

Abschließend sei festzuhalten, was auch in der Charta verankert worden sei, dass man nämlich österreichischerseits versucht habe, die Verankerung von Beruf und Familie ganz bewusst in den europäischen Grundrechtskatalog einzubringen. Dabei dürften aber nicht nur Schlagworte produziert werden, sondern man müsse das Ganze auch umsetzen, und zwar in der Weise, dass es nicht auf der einen Seite nur Zahler und auf der anderen Seite Nutzer gibt und die Begehrlichkeiten letztlich total ausufern. (Allgemeiner Beifall.)

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel teilt mit, dass er voll unterstütze, was viele Redner vor ihm schon gesagt hätten, dass nämlich in diesem Konvent schon sehr viel Positives erarbeitet worden sei. Dinge, die in Nizza noch nicht möglich gewesen seien, scheinen jetzt bereits außer Streit zu stehen, etwa der Name „Verfassung“, die Grundrechtscharta mit ihrer Verbindlicherklärung für alle Mitgliedstaaten sowie ein klarerer Kompetenzkatalog. Entscheidend sei nun, dass all diese Punkte bei der entscheidenden Regierungskonferenz durchgebracht werden können.

Ein gewisses Abweichen von früheren Positionen habe es aber selbstverständlich gegeben: Österreich sei früher etwas vorsichtiger in der Frage der Mehrheitsabstimmungen gewesen; wenn man die Union jedoch handlungsfähig erhalten wolle, dann sei es selbstverständlich, dass man stärker in Richtung Mehrheitsentscheidung gehen müsse.

Er persönlich habe in den vergangenen Wochen sehr viele direkte Kontakte in den Beitrittskandidatenländern gehabt. Er habe bei öffentlichen Veranstaltungen mitzuhelfen versucht, dass die Referenda gut ausgehen. Und wenn man sich bei einer solchen Gelegenheit sozusagen ein wenig mit der Psyche dieser Staaten und ihrer Repräsentanten beschäftigt habe, sei man immer wieder auf Dinge gestoßen, die nachdenklich stimmten: Die Beitrittsstaaten wollen nicht als Neulinge gesehen werden, sondern als vollberechtigte, gleichrangige Mitglieder. Das müsse man sehr ernst nehmen und daher diese Staaten in die Regierungskonferenz mit Sitz und Stimme einbinden.

Zweitens hätten die institutionellen Fragen im Lichte der Erweiterung natürlich auch eine andere Bedeutung. Es gehe nicht nur darum, dass sich einige kleine Staaten am Status quo „festkrallen“ wollen. Er, Schüssel, habe beispielsweise in der Vorwoche in Krakau beim Österreichischen Europatag, an dem auch Leszek MillerXXXvgl.Häu teilgenommen habe, festgestellt, dass alle Polen gemeinsam der Auffassung sind, dass das neue Mitglied Polen selbstverständlich in der Kommission vertreten sein müsse, womit sie auch vollkommen Recht hätten. Es sei undenkbar, dass die zehn neuen Mitgliedstaaten nicht in der Kommission von morgen vertreten sind, denn sie müssten natürlich das Innenverhältnis, den Mechanismus der Entscheidungsfindung und die Notwendigkeit, Allianzen zu bilden, kennen lernen. Das gelte für Zypern und Malta ebenso wie für große Staaten wie Polen. Daher sei der Frage der Einbindung aller Staaten in die europäischen Institutionen gerade im Licht der Erweiterung besondere Bedeutung zuzuerkennen, wobei es dabei aber nicht um eine Philosophie der Machterhaltung und des Status quo für die Kleinen gehe.

In diesem Sinne seien bereits einige Kompromissentwicklungen innerhalb der Konventsdiskussion spürbar geworden. Nachdem man in Nizza ohnedies schon beschlossen habe, nach einer weiteren Erweiterungsrunde die Größe und Zahl der Kommissare noch einmal zu evaluieren, sei es ohne weiteres denkbar, schon jetzt in den Vertrag aufzunehmen, dass der neue Kommissionspräsident einen solchen Vorschlag macht. Er, Schüssel, wäre damit einverstanden, und er sei ganz sicher, dass das im Interesse der Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit aller Mitglieder liege. Er sei überzeugt, dass eine Kommission mit 25 Mitgliedern durchaus funktionieren könne.

Ähnliches gelte für das Thema der Wahl des europäischen Präsidenten. Er sei nicht der Auffassung, dass man quasi mit Zähnen und Klauen am Rotationsprinzip festhalten müsse. Es handle sich hiebei eher um eine prinzipielle Frage des Gleichgewichts der Institutionen. Einige hätten vorgeschlagen, beispielsweise für zweieinhalb Jahre einen gewählten Regierungschef zum Präsidenten zu machen, der diese Funktion quasi nebenberuflich bekleiden solle. – Er, Schüssel, vertrete jedoch die Auffassung, dass das niemals funktionieren könne. Er sei als Außenminister Ratspräsident gewesen, und nach dieser Zeit habe er das Präsidentenamt quasi auf dem Zahnfleisch verlassen und sei froh gewesen, es hinter sich zu haben. Es sei undenkbar, dass jemand zweieinhalb Jahre lang neben der ambitiösen Arbeit eines nationalen Regierungschefs noch dazu das gesamte „Haifischbecken“ dirigieren könne. Von dieser Illusion müsse man sich sehr rasch befreien.

Außerdem sei vorgeschlagen worden, dass eine Person auf gleichem Niveau und in gleicher Augenhöhe das Amt des Präsidenten bekleiden könne, die keinen nationalen Apparat mehr hinter sich habe. – Auch diese Variante sei unvorstellbar, denn wenn jemand keinen Apparat hinter sich habe, dann müsste er einen in der Union aufbauen, und dann würde es eine Parallelbürokratie geben, in welcher der Ratspräsident natürlich zum Gegenspieler des Kommissionspräsidenten werden würde. – Allen Praktikern, die in und mit der Kommission gearbeitet hätten, sei klar, dass letztere Gefahr eine sehr reale sei.

Man könnte jetzt selbstverständlich noch verschiedene Lösungen evaluieren, aber wahrscheinlich sei es klüger, in dieser Frage der Struktur des Rates und der Ratsformationen mit Optionen zu arbeiten, anstatt sich mit irgendwelchen Formelkompromissen darüber hinwegzuschwindeln.

Es wäre wünschenswert – und eine mögliche Erfolgsgeschichte des Konvents –, wenn man erstmals den Mut fände, von der reinen Wirtschaftsunion mit Währungskomponente den Schritt in Richtung einer politischen Union zu tun und damit die Außenpolitik in allen Komponenten zu einer gemeinschaftlichen Aufgabe zu machen. Das werde nicht leicht sein. Es gebe schon heute Elemente, die gemeinschaftlich organisiert seien und viel Geld zur Verfügung hätten wie etwa Kommissar Chris PattenXXXvgl.Häu, die intergouvernementale Seite werde hingegen von Javier SolanaXXXvgl.Häu ohne viel Geld mit einem Ministab zur Verfügung gestellt, und man dürfe nicht glauben, dass es einfach sein werde, das zu harmonisieren.

Der deutsche Vorschlag, eine Art Außenministerium zu schaffen, welches dann aber weder dem Rat noch dem Parlament gegenüber verantwortlich sein werde, stelle einen absoluten Rückschritt dar. Wenn man so vorgehen wolle, dann müsste man den europäischen Außenminister klarerweise in der Kommission ansiedeln, dieser müsste dann aber auch dem Rat und dem Parlament voll verantwortlich sein. Selbstverständlich müsste man auch über die Initiativrechte sprechen, denn im Hinblick auf zahlreiche noch bestehende intergouvernementale Bereiche müsste selbstverständlich ein flexiblerer Weg gefunden werden. Außerdem gehöre zu einer voll entwickelten Außenpolitik alles: die wirtschaftlichen Aspekte, die humanitäre Hilfe, die Konfliktprävention, aber auch die militärische Komponente bis hin zur Beistandsverpflichtung.

Der Bundeskanzler betont, dass er Abgeordnetem Dr. Einem sehr dankbar für dessen Vorschlag sei. Dieser Weg sei selbstverständlich gangbar, wenn man solidarisch sein wolle. Ebenso sei es selbstverständlich, dass in militärischen Fragen Einstimmigkeit herrschen müsse. In der Außenpolitik hingegen müsste man von der Einstimmigkeit abgehen.

Für den Fall der Schaffung einer Verfassung müssten auch die Finalität und die Grenzen der Union definiert werden. Im Fall der Schaffung der Charta und vieler politischer Bedingungen müsste man außerdem den Mut haben zu sagen, dass bestimmte Beitritte nicht möglich sein würden.

In diesem Sinne vertritt Bundeskanzler Dr. Schüssel die Auffassung, dass Europa nun an einer positiven Kreuzung stehe. Er hoffe sehr, dass man den Zeitplan einhalten können werde. In Thessaloniki werde hoffentlich der ganze Vertrag präsentiert werden.

Der Bundeskanzler dankt allen, die sich der großen Mühe unterzogen hätten, im Konvent ihre Ideen und Anregungen einzubringen. Er habe sich besonders darüber gefreut, dass die österreichischen Mitglieder im Konvent eine sehr aktive und positive Rolle gespielt hätten. Das Ergebnis werde dann in der österreichischen Regierung und im österreichischen Parlament ausführlich zu diskutieren sein. (Allgemeiner Beifall.)

Obmannstellvertreter Dr. Heinz Fischer stellt fest, dass keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, und schließt die Debatte.

Er hält fest, dass es sich bei dieser Sitzung um den Versuch gehandelt habe, dass Mitglieder des Hauptausschusses, des Europäischen Parlaments, des Konvents und der Bundesregierung ein Gespräch über wichtige Fragen in diesem Zusammenhang führen. – Offenbar sei dieser Versuch recht gut gelungen. Man werde nun über eine Fortsetzung dieser positiven Arbeit nachdenken.

Er bedankt sich bei allen Teilnehmern und dankt insbesondere auch den Mitgliedern des Konvents für ihre Arbeit.

Da dieser Tagesordnungspunkt erledigt sei und kein weiterer Tagesordnungspunkt zur Behandlung anstehe, schließt er die Sitzung.

Schluss der Sitzung: 16.23 Uhr

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum: Parlamentsdirektion, 1017 Wien