1293/J XXII. GP
Eingelangt am 13.01.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
DRINGLICHE
ANFRAGE
(gem. § 93 Abs. l GOG)
der Abgeordneten Dr. Gusenbauer
und GenossInnen
an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
betreffend Verantwortung der Bundesregierung für die
Rekordarbeitslosigkeit in
Österreich
Im Dezember 2003 wurde mit 331.483 Arbeitslosen die höchste
seit 1945 in Österreich
erhobene Zahl von Menschen ohne Beschäftigung verzeichnet. Parallel dazu wurde
die
Steuer- und Abgabenquote auf einen historischen Höchststand angehoben.
Österreich, das in
der
Vergangenheit bei allen Indikatoren wirtschaftlichen Erfolges - sei es die
Arbeitslosenrate,
das Wirtschaftswachstum oder der Reallohnzuwachs - immer im
europäischen Spitzenfeld zu finden war, fällt immer weiter zurück.
Zusammenfassend: Noch
nie
waren so viele Menschen in Österreich arbeitslos, noch nie waren die
Belastungen für alle
Österreicherinnen
und Österreicher so hoch und noch nie stand Österreich im europäischen
Vergleich so schlecht da.
Die Regierung prahlt nun mit einer Steuerreform, für die
ihr kein Superlativ zu hoch gegriffen
sein
kann. „Großer Wurf", „größte
Steuerreform der 2. Republik", etc. sind nur einige der
Bezeichnungen, mit denen sie sich selbst lobt. Abgesehen davon, dass diese
Steuerreform -
vielleicht - im nächsten Jahr im Kraft tritt, dafür aber neuerlich Belastungen
im
Gesamtausmaß
von l ,8 Milliarden Euro mit 1.1. 2004 schlagend werden - und das sicher,
erfüllt
sie auch in keiner Weise die Anforderungen, die an eine Steuerreform zu stellen
sind.
Insgesamt
wird mit dieser Steuerreform der Bevölkerung bestenfalls ein Bruchteil dessen
zurückgegeben, was ihr zuvor durch diverse Belastungspakete abgeknöpft wurde.
Diese
sogenannte Steuerreform findet zudem sozial absolut unausgewogen statt: es
werden jene, die
von den verschiedenen Belastungen am ärgsten betroffen waren und die es daher
am
dringendsten
brauchten -jene 2,5 Millionen Personen, die weniger als 14.500 Euro verdienen
-
überhaupt nicht entlastet.
Es gehen von
dieser Steuerreform keine Wachstumsimpulse aus, die für Österreichs
Wirtschaft und Arbeitsmarkt aber
dringend notwendig gewesen wären. Anstatt
Investitionsanreize zu schaffen,
rühmt sich die Regierung einer immens teuren
Körperschaftsteuer-Senkung,
die nur 20 % der Unternehmen zugute kommt. Damit
bekommen diese Unternehmen das gleiche Volumen an
Entlastung wie die derzeit 3.129.725
unselbstständig Erwerbstätigen.
ÖVP und FPÖ haben die Regierungsgeschäfte zu einem
Zeitpunkt günstiger
Arbeitsmarktentwicklung
übernommen: Seit Herbst 1999 gingen die Arbeitslosenzahlen bei
gleichzeitig steigender Beschäftigung kontinuierlich zurück. Die
österreichische
Arbeitsmarktpolitik war auf dem besten Weg, das im Nationalen Aktionsplan für
Beschäftigung gesetzte Ziel einer Arbeitslosenrate von nur 3,5 % zu erreichen.
Nach vier Jahren Regierung von ÖVP und FPÖ sieht die
Situation grundlegend anders
aus: Die Arbeitsmarktlage in Österreich hat sich seit 2000
Jahr für Jahr verschlechtert - die
Arbeitslosenrate
ist von 5,8 % nach nationaler Zählung im Jahr 2000 auf 7,0 % im Jahr 2003
gestiegen.
Gegenüber Dezember 2000, als 217.000 Personen arbeitslos
gemeldet waren, gab es im
Dezember
2003 um beinahe 80.000 Arbeitslose mehr, 296.916 gemeldete Arbeitslose und
34.567 Arbeitslose, die sich in Schulungen des Arbeitsmarktservice
befanden, insgesamt
somit 331.483 arbeitslose Menschen in unserem Land. Das ist ein Anstieg
um 36,7 %.
Im
abgelaufenen Jahr waren insgesamt 850.000 Menschen zumindest einmal
arbeitslos.
Beinahe jeder dritte Arbeitnehmer in Österreich ist damit von
Arbeitslosigkeit betroffen. Die
Jugendarbeitslosigkeit
stieg in diesem Zeitraum um 52,4 %. Derzeit sind 64.000 junge
Menschen
ohne Job.
Gleichzeitig reicht das Arbeitsplatzangebot der
österreichischen Wirtschaft nicht aus, um dem
nach wie vor steigenden Arbeitskräfteangebot ausreichend Beschäftigung zu
ermöglichen.
In Österreich wurde 2003 mit durchschnittlich 240.000 registrierten
Arbeitslosen und
rund 35.000 Arbeitslosen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen die
höchste
Arbeitslosigkeit seit 1945 registriert.
Diese verheerende Arbeitsmarktbilanz geht zu einem großen
Teil auf das Versagen der
Bundesregierung in der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik zurück. Doch auch die
Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung hat zu dieser negativen Entwicklung
entscheidend
beigetragen.
Trotz mehrerer von der Bundesregierung angekündigten
arbeitsmarktpolitischen
Jugendprogramme
fehlen nach wie vor rund 2.500 Ausbildungsplätze für 15jährige
SchulabgängerInnen und die Arbeitslosigkeit der
19-24jährigen steigt
überdurchschnittlich.
Die Beschäftigungsquote bei den Über-55jährigen ist nach
wie vor besorgniserregend
niedrig, die Arbeitslosigkeit der Älteren steigt stark an.
Die Aktivbeschäftigung stagniert in Österreich seit dem
Jahr 2000. Trotz mehrerer
„Konjunktur- und Infrastrukturgipfel" in den Jahren 2001 - 2003, trotz
eines sogenannten
„Konjunkturbelebungsgesetzes" im Jahr 2002 ist es der Bundesregierung
nicht gelungen, zu
einem erkennbaren Beschäftigungsaufschwung in Österreich beizutragen. Die der
Öffentlichkeit präsentierten Maßnahmen und Vorhaben zur Steigerung der
Beschäftigung in
Österreich sind im Ergebnis völlig wirkungslos geblieben - seit 2000 gibt es de
facto keinen
Zuwachs bei den voll Sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen
in
Österreich.
Im Gegenteil: Im Zeitraum zwischen dem ersten
Halbjahr 2000 bis zum ersten Halbjahr
2003 ging die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze (40-Stunden-Woche) um 28.000
zurück. Im
ersten
Halbjahr 2000 gab es 3.069.000 unselbständig Beschäftigte und im ersten
Halbjahr
2003 waren es 3.073.000. Im Durchschnitt arbeiteten diese Personen im Jahr 2000
36 Stunden
pro
Woche und im Jahr 2003 35,6 Stunden pro Woche. Hochgerechnet auf 40-Stunden-
Wochen-Arbeitsplätze
für das erste Halbjahr 2000 ergeben sich daraus 2.766.000
Vollzeitarbeitsplätze und für das erste Halbjahr 2003 2.738.000, somit um
28.000
Vollzeitarbeitsplätze weniger.
Die Stagnation der Gesamtbeschäftigung ist begleitet von
einem Rückgang der Männer-
Beschäftigung und einem Anstieg der Frauen- (Teilzeit)Beschäftigung. So ging
die
Beschäftigung
von Männern im Jahr 2001 um rund 9.400 und im Jahr 2002 um knapp 17.000
zurück.
Auch für 2003 zeichnet sich ein Arbeitsplatzverlust bei den Männern ab.
Obwohl Österreich bei der Beschäftigungsquote nach dem
letzten Beschäftigungsbericht der
EU-Kommission mit 68,4 % über dem europäischen Durchschnitt liegt, musste
Österreich als
einziger EU-Mitgliedstaat einen Rückgang der Beschäftigungsquote verzeichnen.
Der österreichischen Arbeitsmarktpolitik wurden alleine
in den Jahren 2001 und 2002 rund
2,8 Milliarden Euro entzogen (ca. die
Hälfte eines Jahresbeitragsaufkommens in der
Arbeitslosenversicherung).
Gleichzeitig hat sich der Bund jeglicher finanzieller
Verantwortung
für die Finanzierung von Arbeitsmarktpolitik begeben - auf Bundesebene
wird Arbeitsmarktpolitik seit 2001 ausschließlich durch Beiträge der
Arbeitnehmerinnen und
Arbeitgeber zur Arbeitslosenversicherung finanziert.
In der aktiven Arbeitsmarktpolitik (Beratung und
Qualifizierung von Arbeitslosen, Förderung
von
Beschäftigung und Qualifizierung von Beschäftigten im Rahmen des Europäischen
Sozialfonds)
wurde nur unzureichend auf die Steigerung der Arbeitslosigkeit reagiert.
Im
Zeitraum Februar 2000 - Herbst 2003 wurden keine mittelfristig wirksamen
Initiativen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik gesetzt, um den
zentralen künftigen
Herausforderungen für den österreichischen Arbeitsmarkt - die EU-Erweiterung
und der
demographischen
Alterung der Erwerbsbevölkerung - rechtzeitig zu begegnen.
Die Pensionsreform des Jahres 2000 hat zu einer
deutlichen Verschlechterung der Situation
Älterer auf dem Arbeitsmarkt geführt. Die Arbeitslosigkeit der unmittelbar von
der
Pensionsreform betroffenen Jahrgänge ist deutlich gestiegen. Von der
Bundesregierung
wurden keine mittelfristig wirkenden Maßnahmen zu Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit
älterer Menschen gesetzt - weder in der Gesundheitspolitik noch in der
Arbeitsmarkt- und
Bildungspolitik. Ebenso fehlen öffentliche Fördermaßnahmen für eine
altersgerechte
Arbeitsorganisation in den Betrieben.
Die Arbeitsmarktsituation Jugendlicher hat sich
besorgniserregend verschlechtert.
Ende Dezember 2003 suchten 4.469 Jugendliche eine Lehrstelle. Dies ist
ein Anstieg
gegenüber
Dezember 2002 um 10,9 %. Dem stehen aber nur l.851 gemeldete offene
Lehrstellen
gegenüber, das ist ein Minus von 20,4 % gegenüber dem Vergleichszeitraum
2002.
Neben den arbeitsrechtlichen Verschlechterungen durch die
BerufsausbildungsG-Novelle
trägt dafür vor allem die Tatsache Verantwortung, dass die beruflichen
Einstiegs- und
Ausbildungschancen für Jugendliche sowohl inhaltlich als auch von der Anzahl
her
unzureichend blieben. Das Lehrstellenangebot weicht immer deutlicher von den
Erfordernissen des Arbeitsmarktes ab und sinkt weiter. Gegengesteuert wurde in
der letzten
Legislaturperiode nicht: Weder war das Auffangnetz für lehrstellensuchende
Jugendliche
quantitativ
und qualitativ ausreichend, noch erfolgten sonstige strukturelle Eingriffe etwa
über
die
Schaffung überbetrieblicher Ausbildungseinrichtungen für Mangelberufe oder
ähnliche
Maßnahmen.
Die Konjunkturentwicklung im Jahr 2004 wird zu keiner
Entspannung auf dem Arbeitsmarkt
führen. Es ist laut Wirtschaftsforschern ein 2,5% - 3%iges BIP-Wachstum
notwendig, bis es
zu einer Reduktion der Arbeitslosigkeit in Österreich kommt. Das ist nach allen
Prognosen für
2004
nicht zu erwarten.
Das Arbeitskräfte-Angebot in Österreich wird weiter
steigen. Dafür sorgen die Demographie,
die trotz der Konjunkturkrise nach wie vor steigende Erwerbsneigung bei den
Frauen, die
Bundesregierung mit ihrer missglückten Pensionsreform-Politik und der ebenso
verfehlten
Reform der Altersteilzeit, ihrer Politik zur Erhöhung des ausländischen
Arbeitskräfteangebotes vor allem durch die laufende Erhöhung der
Saisonierbeschäftigung
sowie die EU-Erweiterung, wodurch alleine auf Grund des Beitrittsvertrages
bestimmte
ArbeitnehmerInnen legal Zutritt zum Arbeitsmarkt haben.
Im AMS geht man davon aus, dass das Arbeitskräfteangebot
im Jahr 2004 um weitere 15.500
Arbeitskräfte im Jahresdurchschnitt steigen wird. Das werden in erster Linie
jugendliche
MigrantInnen der zweiten und dritten Generation, Frauen sowie Ältere und
Einpendler
aufgrund der Übergangsregeln bei der Erweiterung sein.
Im Ergebnis wird die Arbeitslosigkeit in Österreich im
Jahr 2004 weiter ansteigen und im
Jahresschnitt die im Jahr 2003 erreichten traurigen Rekorde erneut brechen. Im
Auftrag des
AMS hat das Institut Synthesis-Forschung eine Studie erarbeitet aus der
hervorgeht, dass die
reale Gefahr besteht, dass im Jahresschnitt 2004 rund 10.000 Personen
mehr arbeitslos
sein werden als 2003 (um 7.000 mehr Männer und um 3.000 mehr Frauen, die
Jugendarbeitslosigkeit wird um mehr als 3.000 Personen zunehmen, die der Männer
im
Haupterwerbsalter (25-49) um 5.400 Personen im Jahresdurchschnitt). Damit wird
die
Arbeitslosenrate um weitere 0,3 % gegenüber 2003 zunehmen und auf 7,3 % im
Jahresschnitt steigen.
Die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen haben
sich als unzureichend und
wirkungslos erwiesen. Das gilt sowohl für die Auffangnetze für die
Lehrstellensuchenden
oder die Sonderprogramme für die 19-24jährigen, welche die katastrophale
Entwicklung bei
der Jugendarbeitslosigkeit nicht verhindern konnten. Von den sogenannten
Konjunkturpaketen ging kein nennenswerter Impuls für die Schaffung zusätzlicher
Beschäftigung aus. Die steuerlichen Entlastungen zu Beginn des Jahres 2004
reichen bei
weitem
nicht aus, die mit 2004 erhöhten Belastungen auszugleichen - eine Stärkung der
Massenkaufkraft
und damit der Binnennachfrage ist nicht in Sicht. Von der EU und der
OECD wird die Bundesregierung scharf kritisiert, weil den vollmundigen
Ankündigungen,
lebenslanges Lernen zur für die Menschen lebbaren Realität zu machen, keine
erkennbaren
Strategien zur Umsetzung dieses Zieles gefolgt sind. Im Gegenteil, es wurde das
Budget für
Erwachsenenbildung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur
neuerlich
reduziert, es fehlen nach wie vor ausreichende Ausbildungsplätze für Lehrlinge
und im
berufsbildenden mittleren und höheren Schulwesen, Arbeitsuchende haben kaum
mehr die
Chance
auf wirkliche berufliche Weiterbildung oder Umorientierung.
Die budgetäre Entwicklung des AMS und der
Arbeitslosenversicherung hält auch 2004
nicht Schritt mit der Verschärfung der Arbeitsmarktlage. Das Budget
für die
Arbeitsmarktforderung
ist rückläufig. Für die von der Arbeitsmarktkrise stark betroffenen
Gruppe der männlichen Arbeitnehmer zwischen 25 - 49 Jahren kann im Jahr
2004 de
facto nichts getan werden. Zudem rechnet der Vorstand des AMS mit
einem Defizit in der
Arbeitslosenversicherung
in der Größenordnung von 480 Millionen Euro - die Aufnahme
von
Krediten für das Normprogramm ist notwendig, zu einem energischen Gegensteuern
fehlen die Mittel gänzlich.
Die Existenzsicherung bei Arbeitslosigkeit wird immer
unzureichender. Der Beleg dafür sind
die steigenden Sozialhilfe-Ausgaben der Bundesländer, die vor allem auf die
sogenannten
„Richtsatz-Ergänzungs-Zahlungen"
zurückgehen - liegt das Arbeitslosengeld oder die
Notstandshilfe
unter dem Sozialhilferichtsatz des betreffenden Bundeslandes, kann eine
Aufzahlung auf diesen Richtsatz beantragt werden. Mit anderen Worten: In immer
mehr
Fällen liegt die Versicherungsleistung bei Arbeitslosigkeit unter der
Sozialhilfe.
Arbeitslosigkeit
führt also immer stärker und immer schneller zur Verarmung - ein Resultat
auch
der im EU-Vergleich sehr niedrigen Nettoersatzrate von 55 % (lediglich Irland
und
Griechenland sichern ihre Arbeitslosen noch schlechter ab).
Wenn sich an dieser
Situation nichts ändert, dann wird
• die Arbeitslosigkeit im
Jahr 2004 noch höher liegen als im bisherigen Rekordjahr 2003
• die Vollzeitbeschäftigung
in Österreich weiter stagnieren und an Qualität verlieren.
• die Attraktivität des Beschäftigungsstandortes
Österreich weiter abnehmen, weil es zu
keiner
nennenswerten Erhöhung der beruflichen Qualifikation von Arbeitsuchenden
kommen
wird. Damit wird wertvolle Zeit zur Unterstützung der in Österreich lebenden
Arbeitskräfte
bis zur weiteren Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes sowie zu ihrer
Anpassung an die sich ändernden Qualifikationsanforderungen der Unternehmen
ungenutzt verstreichen.
• Arbeitslosigkeit immer mehr
zum Verarmungsrisiko Nummer l für immer breitere
ArbeitnehmerInnengruppen werden.
Die nunmehr angekündigte Steuerreform der
Bundesregierung geht an den Problemen des
Arbeitsmarktes sowie der Wirtschafts- und Wachstumsschwäche vorbei.
Die Steuersenkung kommt konjunkturpolitisch nicht nur für
die hunderttausenden
Arbeitslosen in Österreich zu spät. Nur eine signifikante Steuersenkung für
kleine und
mittlere Einkommen schon im Jahr 2004 hätte die Massenkaufkraft erhöhen und
damit für
mehr
Wachstum und Beschäftigung sorgen können.
Die von der Regierung geplante Steuersenkung erreicht
außerdem die falschen Gruppen. Es
profitieren nicht jene, die eine Entlastung nach den zahlreichen schwarzblauen
Belastungspaketen der letzten Jahre brauchten. Die Steuerreform orientiert sich
nicht am
Bestreben,
mehr Arbeit und Wachstum in Österreich zu schaffen.
Die Kleinverdiener
und der Mittelstand sind die Verlierer dieser sogenannten Steuerreform.
Die Reform ist verteilungspolitisch völlig falsch:
Während beispielsweise ein
Jahreseinkommen von 22.000,- Euro um lediglich 145 Euro entlastet wird, darf
sich ein
Verdiener von 35.000,- Euro im Jahr über eine Entlastung von 550,- Euro freuen.
Mehr als
2,2 Millionen Steuerzahler erhalten durch die Steuerreform keinen Cent mehr,
weil sie schon
bisher keine Lohnsteuer zahlten.
In dieses Bild passt auch, dass Treibstoff (Diesel) für
die Bauern weniger besteuert werden
soll, während alle anderen Österreicherinnen und Österreich im Rahmen des
Budgetbegleitgesetzes 2003 mit einer höheren Mineralölsteuer belastet wurden.
Die
unzureichende Anhebung der Pendlerpauschale gleicht die Belastung in keiner
Weise aus.
Auch die Prioritäten bei der Entlastung der Wirtschaft
sind falsch gesetzt. Die Senkung der
Körperschaftsteuer
kostet dem Budget 1,1 Milliarden Euro, erfolgt mit der Gießkanne und
bringt daher keine positiven Effekte für Wachstum und Beschäftigung. Die Art
der Senkung,
ohne Korrektur bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage, wird dazu führen,
dass in
Zukunft auch wenig bis kein Spielraum mehr für Investitionsanreize, Förderung
von Aus- und
Weiterbildung,
Forschung und Entwicklung sowie andere Maßnahmen mit
wirtschaftslenkenden
Effekten besteht.
Die große Zahl der österreichischen Klein- und
Mittelbetriebe, die in der Regel als
Personengesellschaften organisiert sind, profitieren von der Senkung der KöSt
überhaupt
nicht. Da die KMU in der Regel auch geringe Gewinne ausweisen, können sie auch
nicht von
der im Rahmen der Budgetbegleitgesetze per 2004 eingeführten steuerlichen
Begünstigung
für
nicht entnommene Gewinne profitieren.
Angesichts der Struktur des österreichischen
Steuersystems, wonach rund zwei Drittel des
Gesamtaufkommens durch den Faktor Arbeit erbracht wird, liegt die Steuerreform
auch in der
Halbe-Halbe-Verteilung der Entlastung von Arbeit und Gewinn schief. Denn unter
Zugrundelegung
des Beitrags zum Gesamtsteueraufkommen werden die Gewinne doppelt so
hoch
entlastet wie die Arbeit. Damit wird die Hälfte des Gesamtvolumens im Ausmaß
von ca.
1,1
Milliarden Euro auf lediglich 20%
der österreichischen Unternehmen, die
Kapitalgesellschaften
verteilt. Dabei hatte die schwarzblaue Bundesregierung immer wieder
eine substantielle Entlastung des Faktors Arbeit versprochen, was zur
Erreichung von mehr
Wachsrum
und Beschäftigung auch richtig gewesen wäre. Auch hier hat die Bundesregierung
gründlich versagt.
Die Regierung hat mit der vorgelegten Steuerreform auch
die Gelegenheit ausgelassen, die
Steuerstrukturen in Österreich so zu verändern, dass das System gerechter wird
und
Wachstum und Beschäftigung besser unterstützt. Es wurde die Gelegenheit
verpasst, unter
gerechterer Einbeziehung aller Einkommen in das Steuer- und Abgabensystem für
eine fairere
Finanzierung der Staatsaufgaben und der Systeme sozialer Sicherheit zu sorgen.
Die Regierung macht darüber hinaus über die
Folgewirkungen der Steuerreform keine
Angaben. Es ist mit einer erheblichen Erhöhung des Defizits in Zeiten einer
guten Konjunktur
zu rechnen, was auch vor dem Hintergrund der Zielsetzung eines über den
Konjunkturzyklus
ausgeglichenen Haushalts falsch ist.
Die Bundesregierung nimmt immer neue Höchststände an
Arbeitslosigkeit in Kauf, um ihre
scheinbaren Geschenke im Rahmen einer wahltagsorientierten Wirtschafts- und
Steuerpolitik
zu
finanzieren. Die Reformansätze lassen jegliche wirksamen Maßnahmen zur
Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit und für mehr Wachstum vermissen.
Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den
Bundesminister für Wirtschaft und
Arbeit folgende dringliche
Anfrage:
l.
Damit die Arbeitsmarktpolitik ihren Beitrag zur Bekämpfung der
Qualifikationsmängel auf dem Arbeitsmarkt leisten kann
ist es notwendig, im Jahr
2004 ein umfassendes Ausbildungs- und Unterstützungsangebot für alle
Arbeitssuchenden spätestens nach dreimonatiger
Arbeitslosigkeit aufzubauen. Wann
werden
Sie das in Angriff nehmen?
2. Es ist endlich wieder ein
Mindestmaß an Vorausschau in der Arbeitsmarktpolitik
notwendig. Werden Sie daher zum Beispiel das Auffangnetz
für Jugendliche schon im
Frühjahr 2004 so ausstatten, dass die Probleme bewältigt werden können und
nicht
wieder
erst kurz vor Jahresende die Plätze erhöhen, damit nicht bis dahin bereits
tausende
Jugendliche schon ein halbes Jahr arbeitslos gewesen sind?
3. Wann werden Sie endlich
zumindest eine Valorisierung beim Arbeitslosengeld und der
Notstandshilfe
durch Aufwertung der Bemessungsgrundlagen vornehmen?
4. Planen Sie eine Anpassung
des Ausländerbeschäftigungsgesetzes um sicherzustellen,
dass
die 7-jährige Übergangsfrist bezüglich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus
den Beitrittsländern auch tatsächlich greift?
5. Wann werden Sie endlich
eine rigorose Bekämpfung der organisierten illegalen
Beschäftigung
durch- und umsetzen?
6. Warum gehen insgesamt mehr
als 2,2 Millionen Kleinverdiener mit einem
Einkommen unter 14.500,- Euro bei der Steuerreform vollkommen leer aus, obwohl
diese Bevölkerungsgruppe besonders von den Belastungspaketen der Jahre 2000,
2001
und 2004 betroffen sind, und welche negativen Effekte hat das für Wachstum
und Beschäftigung bzw. wie rechtfertigen Sie es als Bundesminister für
Wirtschaft
und Arbeit, dass die Massenkaufkraft zur Schaffung von Nachfrage und
Beschäftigung
nicht ausreichend angehoben wurde?
7. Warum haben Sie es als
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zugelassen, dass der
Faktor
Arbeit im Rahmen der Steuerreform unter Zugrundelegung der Verteilung des
Gesamtabgabenaufkommens
nur im halben Ausmaß der Gewinne entlastet wird?
8. Warum lassen Sie es als
zuständiger Minister für alle österreichischen Unternehmen
zu, dass
Steuergeschenke im Ausmaß von fast l, l Milliarden Euro an große
Kapitalgesellschaften verteilt
werden, während die große Zahl der österreichische
Klein- und Mittelbetriebe
weiterhin leer ausgeht, weil sie von ihren Gewinnen leben
müssen und diese nicht
steuerbegünstigt im Betrieb liegen lassen können?
9. Wie rechtfertigen Sie es als
Wirtschafts- und Arbeitsminister, dass angesichts der
hohen
Arbeitslosigkeit baureife Infrastrukturprojekte nicht bereits in relevantem
Ausmaß
vorgezogen wurden bzw. auch nach Ihren bisherigen Ankündigungen
unzureichend
vorgezogen werden, und werden Sie sich als Wirtschafts- und
Arbeitsminister dafür einsetzen, dass angesichts der höchsten, immer noch
steigenden
Arbeitslosigkeit und nach wie vor schlechten Konjunktur baureife
Infrastrukturprojekte
in größerem Umfang vorgezogen werden?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im
Sinne des § 93 Abs. l GOG dringlich
zu
behandeln.