1386/J XXII. GP

Eingelangt am 29.01.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

 

der Abgeordneten Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an den Bundesminister für Justiz

betreffend „Strafrechtliches Entschädigungsgesetz (StEG) II"

In der Anfragebeantwortung vom 06.05.2003 (XXII.GP NR 187 AB) wurde in Aussicht
gestellt eine Regierungsvorlage eines Strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes noch im
Jahr 2003 vorzulegen. In weiterer Folge wurde dies auch öffentlich sowohl vom BM für
Justiz, Dr. Dieter Böhmdorfer
, der Vorsitzenden des Justizausschusses. Abg. z. NR Dr.
Maria Fekter und der Freiheitlichen Justizsprecherin Abg. z. NR Dr. Partik-Pable - und
zwar mehrfach - zugesichert. Nur, bis heute liegt keine Regierungsvorlage vor!
Informationen zufolge wird diese notwendige Gesetzesänderung vom Finanzminister Mag.
Karl Heinz Grasser blockiert.

Bereits in der Antwort zur parlamentarischen Anfrage (1404/AB, XX.GP) hielt es bereits
der damalige Bundesminister Dr. Michalek an sich für wünschenswert, allen in
Untersuchungshaft angehaltenen Personen eine Haftentschädigung zuzuerkennen, wenn
sie nicht verurteilt werden oder die Voraussetzungen an dem Umfang des Gewährung der
Haftentschädigung gegenüber der geltenden Rechtslage sonst wesentlich zu erweitern
oder zu verändern. Auch Bundesminister Dr. Böhmdorfer ließ in der Öffentlichkeit
Bereitschaft für eine Reform erkennen. In der Anfragebeantwortung vom 13.09.2001
(2755/AB) hat BM Dr. Dieter Böhmdorfer mitgeteilt, dass von Beamten seines Ressorts ein
entsprechender Ministerialentwurf vorbereitet wird, wobei im Sinne der Judikatur des
EGMR, wonach es sich bei der Entschädigung wegen erlittener Haft um ein „ziviles Recht"
im Sinne des Art. 6 EMRK handle, überlegt wird, auf das strafrechtliche
Feststellungsverfahren gänzlich zu verzichten und die Haftung des Bundes auch auf den
Ersatz immaterieller Schäden zu erstrecken.

In der 2.Jahreshälfte 2002 ging ein Entwurf eines Bundesgesetzes über den Ersatz von
Schaden aufgrund strafgerichtlicher Anhaltung und Verurteilung (StEG 2004) in
Begutachtung. Dieser Entwurf eines Bundesgesetzes über den Ersatz von Schäden
aufgrund strafgerichtlicher Anhaltung und Verurteilung (Strafrechtliches
Entschädigungsgesetz 2004 - StEG 2004) war grundsätzlich zu begrüßen, in einzelnen
Details jedoch fragwürdig.

Diese Reform ist seit Jahren bereits überfällig, da die österreichische Rechtslage eindeutig
der Unschuldsvermutung des Artikel 6 Abs. 2 MRK widerspricht. Dies wurde auch in
mehreren Entscheidungen des EGMR festgestellt.

Obwohl viele Gerichte in der Zwischenzeit EGMR-konform entscheiden, haben
„Justizopfer" - wie Peter Heidegger - nach einem Freispruch wegen erwiesener Unschuld
einerseits noch einen verfahrensrechtlichen Hürdenlauf vor sich, andererseits aber auch
ein weiteres Verfahren gegen die Republik Österreich (Finanzprokuratur) über Umfang
und Höhe der Entschädigung.

Dies kann wiederum Jahre dauern, wie es der Fall des „Nichtkomplizen" von Tibor Foco
zeigt: „Wenn einem Staatsbürger - wie im Fall Heidegger - „dem Grunde nach"


Haftentschädigung zuerkannt wird, so heißt das nicht, dass der Betreffende tatsächlich in
angemessener Zeit Geld sieht. Erst muss der Verhandlungsweg über die
Entschädigungshöhe beschriften werden. Und der kann auch nach mehr als sieben
Jahren ergebnislos bleiben, wie der Fall eines Linzers zeigt, der 1987 als „Komplize" von
Tibor Foco wegen Mordes 18 Jahre erhalten hatte und nach sechs Jahren Haft in einem
Wiederaufnahmeprozess 1996 freigesprochen wurde. Die Finanzprokuratur lehne bis
heute eine Haftentschädigung mit der Begründung ab, dass sich der Mann während der
Haft monatlich 2900 Euro an Kosten für das „Leben draußen" erspart habe, so der Anwalt
der Betroffenen, Roland Gab
l. Die Finanzprokuratur wies dies zurück. Es handle sich um
einen „schwierigen Fall, weil es zum Großteil um Schwarzeinkünfte des Betroffenen vor
seiner Verhaftung geht", so ein Sprecher der Finanzprokuratur." (SN 21.01.04)

Die Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren waren durchwegs positiv:

„Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens haben insgesamt 34 Institutionen bzw.
Personen Stellung genommen. Die Mehrzahl dieser Äußerungen kann auf der Homepage
des österreichischen Parlaments abgerufen werden. Darüber hinaus sind auch
verschiedene Stellungsnahmen im Dienstweg beim Bundesministerium für Justiz
eingegangen.

Zusammengefasst lässt ich sagen, dass das Anliegen des Entwurfs, eine
grundrechtskonforme Neugestaltung der Entschädigung für s
trafgerichtliche Anhaltung
und Verurteilung zu schaffen, weithin begrüßt worden ist. Einige Stellungnahme haben
sich aber auch kritisch geäußert, etwa was die Beseitigung des zur strafgerichtlichen
Feststellungsverfahrens (und der damit einhergehenden Konzentration der
Anspruchstellung bei den Zivilgerichten) oder die in § 3 Abs. 3 des Entwurfs (in Gestalt
einer differenzierten Ermessensklausel) vorgesehene mögliche Einschränkung der
Haftung des Bundes durch die Gerichte angeht.

Die in § 5 des Entwurfs vorgesehene Ausweitung der Ersatzpflicht des Bundes auch auf
immaterielle Schäden ist dagegen weithin gegrüßt worden.

Unter Bedachtnahme auf die Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens werden
insbesondere § 3 des Entwurfs und die dort vorgesehenen Fällen des Ausschlusses und
der Einschränkung des Ersatzanspruchs, die verfahrensrechtliche Neugestaltung und
allgemein der mit dem Vorhaben verbundene finanzielle und personelle Mehraufwand zu
prüfen sein. Das Bundesministerium für Justiz wird das Gesetzesvorhaben weiterhin mit
der gebotenen Dringlichkeit und Sorgfalt behandeln und danach trachten, eine
Regierungsvorlage noch in diesem Jahr vorzulegen."

Grundsätzlich begrüßt werden musste aus Sicht der Fragesteller in dem Entwurf
eines Strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes insbesondere:

    die Neugestaltung der Anspruchsvoraussetzungen,

    die Konzentration der Anspruchstellung auf die Zivilgerichte,

    die Inanspruchnahme von Verfahrenshilfe

    eine angemessene Entschädigungsregelung für die durch die Festnahme oder die
Anhaltung erlittene Beeinträchtigung (immaterieller Schadensersatz) und

    dass es zu keiner Deckelung oder Pauschalierung der Ersatzbeträge gekommen
ist.

Mit dem vorliegenden Entwurf sollten somit einerseits die verfahrensrechtlichen
Möglichkeiten sowie andererseits die Anspruchsvoraussetzungen für den Geschädigten
verbessert werden.


Rechtspolitisch aber nicht nachvollziehbar waren die Ausschließungsgründe und die
Einschränkungen des Ersatzanspruches nach § 3 des Entwurfes. Der Hinweis in den
Erläuterungen auf die Belastungen des öffentlichen Haushalts kann gegenüber
Betroffenen (Justizopfer) wohl nicht ernst gemeint sein.

Keine Berücksichtigung in diesem Entwurf fanden sich gesetzlich verpflichtende
Regelungen zum Schutz und zur Information sowie Beratung dieser Geschädigten (z.B.
durch Opferhilfeeinrichtungen oder Entschädigungsanwalt), wie beispielsweise durch
ausdrückliche verpflichtende Beratung über Ersatzansprüche nach dem StEG bzw. über
mögliche Amtshaftungsansprüche. Aus Sicht der Fragesteller erscheint allerdings zur
Verstärkung des Rechtsschutzgedankens und der Opferhilfe die Einführung eines
Entschädigungsanwaltes sinnvoll zu sein.

Ungeklärt bleibt aber weiterhin die Frage der Entschädigung bei Auslieferung in einen
anderen EU-Mitgliedstaat nach dem Rahmenbeschluss des Rates vom 13.Juni 2002 über
den Europäischen Haftbefehl und die Übergabe zwischen den Mitgliedsstaaten. Ungeklärt
ist auch nach welchem Recht sich ein Entschädigungsanspruch bestimmt, die Höhe der
Entschädigung und welcher Staat (Auslieferstaat oder Haftstaat) bei einem Freispruch
bzw. einer Verfahrenseinstellung zu zahlen hat (Auskunft BM Dr. Böhmdorfer in der
Sitzung des Justizausschusses vom 20.01.04).

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Justiz
nachstehende

Anfrage:

1. Wie viele Personen (Aufschlüsselung in Männer, Frauen und Minderjährige) wurden
im Jahr 2003 in Untersuchungshaft genommen?

2. Wie teilt sich diese Anzahl - differenziert wie oben - auf die einzelnen Gerichtshöfe
auf?

3. Wie hoch war dabei der Anteil der Inländer, der EU - Ausländer sowie Personen
aus Drittstaaten (Aufschlüsselung nach Gerichtshöfen)?

4. Wie viele Personen wurden im Jahr 2003 nach gesetzmäßig angeordneter
Untersuchungshaft in der Folge außer Verfolgung gesetzt und das Verfahren
eingestellt (Aufschlüsselung nach Gerichthöfen)?

5. Wie viele Personen, die nach gesetzmäßig angeordneter Untersuchungshaft in der
Folge außer Verfolgung gesetzt und das Verfahren eingestellt wurde, stellten davon
jeweils im Jahr 2003 einen Antrag auf Haftentschädigung?

5.1.    Aufschlüsselung nach Gerichtshöfen

5.2.    Aufschlüsselung nach Inländer, EU-Bürger und Bürger aus Drittstaaten

6. Wie viele Anträge wurden positiv für Personen, die nach gesetzmäßig angeordneter
Untersuchungshaft in der Folge außer Verfolgung gesetzt und das Verfahren
eingestellt wurde im Jahr 2003, erledigt? Welche Beträge anerkannt? Welche
Beträge ausbezahlt?

6.1.    Aufschlüsselung nach Gerichtshöfen

6.2.    Aufschlüsselung nach Inländer, EU-Bürger und Bürger aus Drittstaaten

6.3.    Wie hoch waren jeweils die Haftentschädigungen in Summe?


7. Wie viele Personen wurden im Jahr 2003 nach gesetzmäßig angeordneter
Untersuchungshaft freigesprochen?

7.1.    Aufschlüsselung nach Gerichtshöfen

7.2.    Aufschlüsselung nach Inländer, EU-Bürger und Bürger aus Drittstaaten

7.3.    Aufschlüsselung nach „glatten Freisprüchen" und „in dubio-Freisprüchen"

8. Wie viele Personen, die nach gesetzmäßig angeordneter Untersuchungshaft
freigesprochen wurden, davon stellten im Jahr 2003 einen Antrag auf
Haftentschädigung?

8.1.    Aufschlüsselung nach Gerichtshöfen

8.2.    Aufschlüsselung nach Inländer, EU-Bürger und Bürger aus Drittstaaten

9. Wie viele Anträge wurden 2003 positiv für die Freigesprochenen erledigt? Welche
Beträge anerkannt? Welche Beträge ausbezahlt?

9.1.    Aufschlüsselung nach Gerichtshöfen

9.2.    Aufschlüsselung nach Inländer, EU-Bürger und Bürger aus Drittstaaten

9.3.    Wie hoch waren jeweils die Haftentschädigungen in Summe?

10.          Wie viele strafrechtlich verurteilte Personen wurden im Jahr 2003 bei Strafhaft
in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen? Bei wie vielen davon erfolgte
die Verurteilung durch ein Geschworenengericht?

10.1.   Aufschlüsselung nach Gerichtshöfen

10.2.   Aufschlüsselung nach Inländer, EU-Bürger und Bürger aus Drittstaaten

11. Wie viele Personen, die in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen wurden
oder deren Verfahren eingestellt wurde (i.S. § 2 Abs. 1 lit c StEG), sowie nach
Aufhebung einer rechtskräftigen Entscheidung stellten im Jahr 2003 einen Antrag
auf Haftentschädigung?

11.1.   Aufschlüsselung nach Gerichtshöfen und Verfahren

11.2.   Aufschlüsselung nach Inländer, EU-Bürger und Bürger aus Drittstaaten

11.3.  Wie hoch war jeweils die Haftentschädigung in Summe?

12.              Wie hoch wären Ihrer Einschätzung bzw. Berechnung nach jährlich die

Haftentschädigungen, wenn ein Anspruch - im Vergleich zu der geltenden
Rechtslage - auch bei jedem Freispruch - ohne Differenzierung - gewährt würde?

13.               Wie viele strafrechtlich verurteilte Personen wurden im Jahr 2003 - ohne Strafhaft -
in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen?

13.1.  Aufschlüsselung nach Gerichtshöfen

13.2.  Aufschlüsselung nach Inländer, EU-Bürger und Bürger aus Drittstaaten

14.               Wie viele Verfahren - gestützt auf das strafrechtliche Entschädigungsgesetz,

Amtshaftungsgesetz und Art 5 Abs. 5 der Europäische Menschenrechtskonvention
- werden derzeit in dieser Frage gegen die Republik Österreich geführt?

15.      Wie viele Verfahren in Österreich sind derzeit beim Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte wegen diesbezüglicher Verstöße gegen die EMRK anhängig?

16.      In wie vielen Entscheidungen wurden 2003 „MRK - Konform" rechtskräftig

entschieden? Wie beurteilen Sie als ressortverantwortlicher Bundesminister diese
Entwicklung?


17.              Welche Gründe gab es im Justizministerium im Jahre 2003 keine diesbezügliche
Regierungsvorlage vorzulegen?

18.      Ist es auch richtig, dass das BM für Finanzen einen Einspruch erhoben hat?
Welche Einwendungen gibt es?

19.              Wenn ja, wie ist der Stand der Verhandlungen zwischen Justiz- und
Finanzministerium?

20.              Wann ist mit einer entsprechenden Regierungsvorlage zu rechnen und wann soll
diese dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden?

21.     Wird der Begutachtungsentwurf geändert?

22.              Inwieweit werden Sie § 3 des Entwurfes, der eine Einschränkung des
Ersatzanspruches vorsah, ändern?

23.      Wenn nein, warum nicht?

24.              Wenn ja, welche konkrete Neuregelung ist geplant?

25.              Werden Sie verpflichtenden Regelungen zum Schutz und zur Information sowie
Beratung von Geschädigten (Justizopfer) in einem neuen Entwurf oder in der
Regierungsvorlage vorsehen? Welche Überlegungen hat Ihr Ministerium seit der
AB 187
XXIl.GP dazu angestellt?

26.    Wenn nein, warum nicht?

27.         Werden Sie einen sogenannten „Entschädigungsanwalt" vorsehen?

28.    Wenn nein, warum nicht?

29.              Nach welchem Recht sind Entschädigungsansprüche von Österreichern nach

einem Freispruch oder Verfahrenseinstellung (im Haftstaat) zu beurteilen, die (z.B.
zu Unrecht) von Österreich ausgeliefert und in einem EU-Mitgliedstaat in Haft
genommen wurden?

30.              Welcher Staat - Auslieferstaat oder Haftstaat - hat dabei die Entschädigung
zuzahlen?

31.              Welche EU-Mitgliedsstaaten sowie welche Beitrittswerber verfügen über ein

„Strafrechtliches Entschädigungsgesetz" bzw. über die Möglichkeit in derartigen
Fällen zivilrechtliche Ersatzansprüche zu stellen (Ersuche um Aufschlüsselung)?

32.               Welche konkrete Regelungen gelten in EU-Mitgliedsstaaten bzw. bei den
Beitrittskandidaten (Ersuche um Aufschlüsselung)?


33.               Sehen Sie die Notwendigkeit diese Regelungen - gerade in Anbetracht eines
zukünftigen Europäischen Haftbefehls und dem Auslieferungsübereinkommen -
innerhalb der EU zu harmonisieren?

34.     Wenn nein, warum nicht?