1652/J XXII. GP

Eingelangt am 15.04.2004
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundeskanzler

 

betreffend verheerende Missstände in einem oberösterreichischen Schweinemastbetrieb

 

 

Im Fall eines Schweinemastbetriebes aus dem Bezirk Braunau/OÖ wurden in einem Gutachten der Veterinärmedizinischen Universität Wien vom November 2003 verheerende Missstände festgestellt:

 

3600 Schweine leiden unter:

-         Verwendung von nichtzugelassenen Tierarzneimitteln, S. 3

-         Nichtbeachtung des Anwendungsverbots von Antibiotika, S.6

-         Fehlende Aufzeichnungen, S. S.7

-         Einmischung von ungeprüften Wirksubstanzen in das Futter, S. 21, 57

-         Verheerende Haltungsbedingungen in den Ställen:

-         Lufttemperatur bis zu 35 Grad C (18 sind vorgeschrieben), S. 28

-         Keine ausreichende Frischluftversorgung – viel Staub als ideale Vektoren für Krankheitserreger,  S. 33

-         Dunkelhaltung, S. 35

-         Falsches Futter, S. 42

-         fehlende Wasserversorgung, S.37, 43

-         Chronische Krankheitsbilder der Tiere, S. 49, 52

 

Originalzitat: „Aufgrund der in den Ställen vorherrschenden Haltungsbedingungen wurden den Mast­schweinen unnötige Qualen während der gesamten Mastperiode zugefügt.

Als wesentliche Faktoren der quälerischen Tierhaltung sind die nicht tiergerechte Gestal­tung der Klimafaktoren Stall­temperatur, Luftgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Schadgase (exklusive Ammoniak) und die besonders hervorzu­hebenden insuffizienten Lichtverhält­nisse (Dunkelhaltung!) zu benennen. Ein den Ansprüchen einer modernen Mastschweine­haltung entsprechendes Lüftungssystem sowie die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Fensterflächen waren nicht vorhanden. Ebenso sei besonders auf den hohen Verschmutzungsgrad der Tiere hingewiesen. Die Betreuung der Tiere im Betrieb Beckerle wird nur von einer Person (Herr Adolf Beckerle jun.) durchgeführt. Allein auf Grund der Betriebsgröße ist eine Einzelperson nicht in der Lage eine verantwortliche Betreuung laufend aufrecht zu erhalten.“

 

Insgesamt kommen die Gutachter zu folgendem Gesamturteil:

 

Die mit Mastschweinen belegten Stallungen wiesen für die Tiere (und das Betreuungsper­sonal) unzumutbare Bedingungen auf.

 

Verglichen mit den Befunden, die im Rahmen des Begutachtungsverfahrens durch die BAL Gumpenstein (Dr. Hausleitner)[1] erhoben worden sind, haben sich nach unseren Wahr­nehmungen im Zuge des Lokalaugenscheines keine für das Wohlbefinden der Tiere wesentlichen Veränderungen ergeben. Die im Rahmen des Lokalaugenscheins festgestell­ten, zahlreichen Mängel der Mastschweinehaltung stehen in krassem Gegensatz zu den Bestimmungen der OÖ. Nutztierhaltungsverordnung aus den Jahren 1997[2] und 2002[3].

 

Auf Grund der übermäßigen und im Rahmen einer kurzfristigen Istzustandserhebung nicht völlig überschaubaren Unzulänglichkeiten hinsichtlich der Haltung, Hygiene, des Be­triebsmanagements einschließlich der Betreuung von Mastschweinen kann von den Gut­achtern nur auf einige wesentliche Punkte eingegangen werden.

 

Gravierende, tierschutzrelevante Mängel ergeben sich nach wie vor hinsichtlich Personal, Betreuung und Kontrolle der Tiere; nach Aussagen von Herrn Beckerle jun. versorgt er als einzige Person täglich die mechanischen Anlagen, Geräte und 3600 Tiere (§ 3 OÖ. Nutzierhaltungsverordnung);

Zustand des Gebäudes; hier wird insbesondere auf die Haltung der Tiere in Dunkel­heit und die klimatischen Verhältnisse verwiesen; Alarmsysteme fehlen völlig. Kon­denswasser an den Mauern, Verschimmelungen, massenhaft Spinnweben;

Verwendung einer für Mastschweine ungeeigneten und gesundheitsschädigenden Futterzusammensetzung; 

der fehlenden ad libitum Tränke; die Tiere haben keinen ständigen Zugang zu ausrei­chendem Frischwasser;

der Befriedigung von Tierbedürfnissen (keine angebotenen Materialien wie Stroh, Holz zur Beschäftigung);

der Unterbringung von kranken Tieren in Krankenbuchten (z.B. mit trockener, wei­cher Einstreu).

 

Es sei vermerkt, dass Teile des Stallbodens (Vollspaltenboden) von Herrn Beckerle jun. erneuert worden sind. Bei der Begehung fiel auf, dass bei den Mastschweinen die im An­lassfall festgestellte Schwere und Häufigkeit von Gelenkserkrankungen wesentlich ver­mindert werden konnten. 

(    )

Nach Ansicht der Sachverständigen sind Konstellationen der im Betrieb Beckerle vorge­fundenen Art im Widerspruch zu den ethischen Werten hinsichtlich Tierschutz und Tier­haltung und jenseits der Vorstellungskraft des Konsumenten über die Produktionsbedin­gungen von Lebensmitteln tierischer Herkunft in Österreich.  S. 58 bis 60

 

Trotz dieser miserablen Tierhaltungsbedingungen und den gravierenden Gesetzesverstöße akzeptiert die zuständige Behörde eine Prolongierung der Zustände bis 2011!!!

 

Zitat Gutachten: „Mit den Bescheiden von der Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. vom 03.05.2001[4] und der Polizeiabteilung Linz vom 23.08.2001[5] an Herrn Adolf Beckerle und Herrn Rechtsan­walt Dr. M. Lirk wurden Maßnahmen wie Errichtung einer Abluftanlage, Einbau von Fenstern im Ausmaß von 5% der Bodenfläche, Einrichtung einer tieradäquaten Beleuch­tung, gesetzeskonforme Versorgung erkrankter Tiere, Verbesserung der Stallhygiene, Än­derung der Partikelgröße und Zusammensetzung des Futters angeordnet. Die Umstellung des Futters hatte unverzüglich zu erfolgen. Für die Durchführung der Maßnahmen hin­sichtlich Abluftanlage, Fenstereinbau und Beleuchtung wurde eine Frist bis 01.01.2011 festgesetzt.

 

Den Gutachtern ist es unverständlich, dass behördlicherseits eine derart lange Frist­erstre­ckung von 10 Jahren für die Beseitigung der bekanntlich seit Jahren bestehenden tier­schutzrelevan­ten Mängel gewährt wurde. Wird diese Frist vom Tierbesitzer ausgeschöpft und die außerhalb der Denknormen unserer Gesellschaft befindlichen Zustände im Betrieb Beckerle fortgeführt, besteht die unbestreitbare Gefahr, dass weiterhin jährlich Tausenden Mastschweinen Schmerzen, Qualen und Leiden mit Wissen der verantwortlichen Behörden zugefügt werden.“

 

Nachdem Sie für die Erstellung eines bundesweiten Tierschutzgesetzes zuständig sind, besteht auch in Ihrem Bereich erhöhter Handlungsbedarf.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

 

ANFRAGE:

 

1.             Durch welche Maßnahmen im Bundestierschutzgesetz werden Sie derartige Haltungsbedingungen abstellen?

 

2.             Auf welche Weise werden Sie im Bundestierschutzgesetz dafür sorgen, dass der Vollzug und die Kontrolle verbessert wird?

 

3.             Werden Sie anlässlich des Falles Beckerle eine längst fällige Erhebung der Nutztierhaltung in Österreich (die letzte stammt von der BOKU aus dem Jahr 1995) veranlassen? Wenn nein, warum nicht?

 

4.             Werden Sie anlässlich des Falles Beckerle den Entwurf für das Bundestierschutzgesetz dahingehend verbessern, dass fixe Übergangsfristen für den Umbau von bestehenden, nicht den Tierhaltungsstandard entsprechenden Anlagen vorgesehen werden und damit mehr Rechtssicherheit geschaffen wird? Wenn nein, warum nicht?



[1] Befund und Gutachten BAL Gumpenstein vom 13.03.2001

[2] Verordnung der o.ö. Landesregierung über die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere. LGBl. Nr. 1/1997 vom 31.1.1997

[3] Verordnung der O.ö. Landesregierung betreffend die Haltungsanforderungen von Wild in Wildgehegen, landwirtschaftlichen Nutztieren und anderen Nutztieren sowie die Überprüfung bestimmter landwirschaftlicher Tierhaltungen (Oö. Nutztierhaltungsverordnung 2002). LGBl Nr. 151 vom 31.12.2002

[4] Bescheid der BH Braunau a.I. vom 03.05.2001 an Herrn Adolf Beckerle und Herrn Rechtsanwalt Dr. M. Lirk

[5] Bescheid der Polizeiabteilung Linz vom 23.08.2001 an Herrn Adolf Beckerle und Herrn Rechtsanwalt Dr. M. Lirk